Das Monstrum der \"Preisbestimmungspflicht\" geistert durch die Landschaft. Keiner weiß so richtig bescheid, wo sich seine Rechtsgrundlage befindet.
Dass ein \"Preisbestimmungs
recht\" als solches natürlich auch seiner Rechtsgrundlage bedarf, ist klar. Das soll hier auch nicht weiter vertieft werden. Lediglich eines soweit: Der Rechtsträger des Bestimmungsrechts hat einen Anspruch darauf, hierzu einseitig tätig werden zu dürfen. Dass auf dieses Bestimmungsrecht § 315 BGB Anwendung findet, ist ebenso klar. Die höchstrichterliche Rechtsprechung wiederholt sich hierbei ja ständig und seit Jahren.
Dass nun eine \"Preisbestimmungs
pflicht\" eben auch einer Rechtsgrundlage bedarf, ist (m.E.) auch klar.
Keiner hat bislang diese Rechtsfrage so richtig schlüssig begründet. Auch in der Rechtsprechung des BGH hat man so seine Mühe, eine klare und aussagekräftige Grundlage hierfür zu finden. Der Anschein einer gewissen Nebulosität drängt sich immer wieder auf.
Es stellt sich die Frage, ob dann, wenn man dieses Rad drehen muß, ohne Rückgriff auf die energiewirtschaftsrechtlichen Bestimmungen auskommen kann.
Betrachtet man die Entscheidungen einiger Tatsacheninstanzen, die sich mit der funktionalen Zuständigkeit auseinander setzen müssen, dann entsteht der Eindruck, dass dies nicht der Fall ist.
Denn der (Klage-) Anspruch ergäbe sich - deren Auffassung nach - eben nur aus § 433 Abs. 2 und § 315 BGB. Schön, wenn dem so sein sollte, dann müßte die Rechtsgrundlage für die \"Preisbestimmungspflicht\" auch in § 315 BGB angesiedelt sein. Darüber besteht schließlich - soweit ersichtlich - kein Streit, dass die Preise gesenkt werden
müssen, wenn sich der Vertriebs- und Bezugsaufwand zu Gunsten des Abnehmers entwickelt hat.
Nur, wenn man den Wortlaut des § 315 BGB liest, dann findet man dort nichts über eine \"Pflicht\".
Wenn aber im § 315 BGB eine \"Bestimmungspflicht\" geregelt ist (unterstellt), dann ergibt sich folgende Situation:
(1) Der Bestimmungsberechtigte kommmt einer Pflicht nicht nach
(2) Wer eine Pflicht zu erfüllen hat, ist Schuldner einer Leistung (§ 241 BGB)
(3) Folglich wird die andere Vertragspartei, die diese Leistung erwarten darf, nun ihrerseits Gläubiger der ihr gegenüber stehenden Vertragspartei (Versorger - damit dies klar wird).
(4) Wenn der andere Vertragspartner (sil.: Abnehmer) einen Anspruch auf Leistungsbestimmung haben soll, dann benötigt er hierfür einer Grundlage.
Fände sich nun hierfür nichts als die Bestimmungen gem. § 315 BGB, so müßte die Grundlage für eine Bestimmungs
pflicht auch dort zu finden sein.
Diese Frage hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 12.12.2006,
Az.: 6 Sa 913/06, in einer arbeitsrechtlichen Frage beschäftigt. Dabei wurde wie folgt argumentiert:
Tz 75
aa ) Zwar weist die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des dritten Senates des Bundesarbeitsgerichtes vom 17.08.2004, Az.: 3 AZR 367 / 03 ( = DB 2005 , 732) darauf hin , dass erst mit der Anpassungsentscheidung des Bochumer Verbandes oder einer entsprechenden gerichtlichen Leistungsbestimmung der einzelne monatliche Anspruch auf Zahlung einer höheren betrieblichen Altersversorgung fällig wird . Die Beklagte ist aber mit der Anpassungsentscheidung als solcher in Verzug geraten . Der Bestimmungsberechtigte ist gegenüber dem Vertragspartner zur Leistungsbestimmung verpflichtet . Dies ist zwar in § 315 BGB anders als in § 375 Abs . 1 HGB nicht eigens ausgesprochen . Die Pflicht des Bestimmungsberechtigten zur Leistungsbestimmung wird damit aber nicht in Frage gestellt . Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Leistungsbestimmungspflicht ist nur deswegen unterblieben , weil im Rahmen des § 315 BGB diese Pflicht mit dem Absatz 3 des § 315 BGB durch die richterliche Ersatzleistungsbestimmung eine Sonderreglung erfahren hat . Hinter der damit eingeführten Gestaltungsklage steht aber notwendig ein subjektives Recht des Gläubigers auf die begehrte Leistungsbestimmung ( vgl . Staudinger-Rieble 13 . Auflage 2001 § 315 BGB Rdn . 226 ). Derjenige , der die Leistungsbestimmung schuldet , kommt zwar nicht mit der Leistung , als solcher aber mit dem Bestimmungsakt in Schuldnerverzug . In diesem Fall rechnet zum Schadensersatz nach § 280 Abs . 2 BGB auch der Folgeschaden , der daraus resultiert , dass wegen der verzögerten Leistungsbestimmung auch die Leistung verspätetet erfolgt ( vgl . Staudinger-Rieble 13 . Auflagen 2001 § 315 BGB Rdn . 226 ).
Folgt man dieser Argumentation, dann ist die Rechtsgrundlage für eine Bestimmungspflicht geortet, d.h. nämlich darin dass sich die \"Leistungsbestimmungspflicht im Rahmen des § 315 BGB mit dem Absatz 3 des § 315 BGB durch die richterliche Ersatzleistungsbestimmung\" begründet.
Konsequenterweise müßte dann aber der Gläubiger des Bestimmungsanspruchs eine Ersatzleistungsbestimmung bei Gericht beantragen, wenn er eine (andere) Bestimmung sucht, als diejenige, welche der Versorger getroffen hat. Konkret bedeutete dies, dass der Abnehmer, wenn der Versorger eine Absenkung der Preise \"vergessen haben sollte\", seinerseits einen Gestaltungsantrag bei Gericht anzubringen hätte.
Dies wiederum könnte er aber nur - nach dem Wortlaut von § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB - erst dann, wenn das Gericht (zuvor) die Unbilligkeit der Preisbestimmung des Versorgers festgestellt hat.
Sobald der Abnehmer mit seinem Widerspruch gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB auftritt, hat er den Versorger unter Schuldnerverzug gesetzt, jedenfalls dann und damit, wenn und dass die Absenkung der Preise \"vergessen worden sein\" sollte.
Dies zieht dann aber die nächste Frage nach sich, ob der Abnehmer nicht doch noch unter Klagezwang geraten kann, wenn er eine Absenkung, der Pflicht des Versorgers entsprechend, der Preise erzwingen will. Darin beißt sich dann aber die höchstrichterliche Rechtsprechung wieder, worin nun schon seit Jahren zum Ausdruck gekommen ist, dass
keine Klagepflicht besteht.
Allerdings muß es soweit ja nicht kommen, weil ja der Versorger, schlicht und ergreifend seinen Leistungsanspruch durchsetzen will, was ihn schon seinerseits veranlassen wird, einen entsprechenden Gestaltungsantrag (§ 308 ZPO) bei Gericht anzubringen.
Diese ganze Situation wäre natürlich weniger aufregend, gäbe es nicht die unvermittelbare Auffassung des VIII. BGH-Senats zur stillschweigenden Akzeptanz von Preisgestaltungen auf dem Sektor des \"Energieverbraucher-Rechts\".
Wollte man die Preisbestimmungspflicht als reinen Anspruch des anderen Vertragspartners auffassen und über diesen \"Pudding noch die Soße\" der Akzeptanzrechtsprechung des VIII. BGH-Senats darüber schütten, dann wäre man recht schnell bei dem \"Verwirkungsgesichtspunkt\". Schon wäre der Preis schnell wieder vereinbart und damit keiner Kontrollmöglichkeit nach § 315 BGB mehr unterzogen. Der Richter müßte nur noch das \"ansteigende Delta\" prüfen. Die Absenkungspflicht würde sich ins Nirwana aufgelöst haben.
Dabei hat doch der Kartellsenat am 29.04.2008, gestützt auf die Rechtslage zum Prüfungsumfang nach § 315 BGB, explizit zum Ausdruck gebracht, dass eine Verpflichtung zur Absenkung der Preise besteht, wenn dies für den Abnehmer günstig ist.
Abschließend soll noch auf den Einschubsatz in der o.a. Entscheidung des LAG Düdo hingewiesen werden, wonach eine gesetzliche Regelung der Leistungsbestimmungspflicht (in dem dort entschiedenen Sachverhalt) nicht erforderlich gewesen sein soll, weil es das gerichtliche Ersatzbestimmungsrecht gibt.
Das Energieverbraucherrecht weist in der Grundversorgung eine gesetzlich geregelte Bestimmungspflicht auf. Diese ist in § 36 Abs. 1, § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 EnWG statuiert. Logischerweise hätte es dieser Normenkette nicht bedurft, wäre die Leistungsbestimmungspflicht nur in dem Sinne des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB zu verstehen.
Verweigern die Instanzgerichte die Anwendung der soeben zitierten Normenkette, so verletzen sie dadurch das Gerechtigkeitspostulat. Das beginnt aber (und dies hat sich nun schon weit verbreitet) bereits bei der Verweigerung des Instanzenzugangs gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 EnWG.