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Autor Thema: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB  (Gelesen 109817 mal)

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Offline RR-E-ft

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #150 am: 10. Januar 2011, 21:30:53 »
Das mag an zu kurzen Armen liegen. ;)

In BGH VIII ZR 36/06 stand der Gasversorger (angeblich) in einem Wettbewerb.

Gleichwohl kam der BGH zutreffend zu dem Ergebnis, dass § 315 BGB unmittelbare Anwendung findet.

Was der BGH jedoch auch in  jener Entscheidung VIII ZR 36/06 nicht beachtet hatte, war der Umstand, dass nach den gesetzlichen Regelungen des EnWG über die Preisbestimmungspflicht einzelne  Preisvereinbarungen mit Einzelkunden in diesem Bereich unzulässig und ausgeschlossen sind.

Schließlich ist der aufgrund der Preisbestimmungspflicht vom Versorger einseitig festgesetzte Preis von Anfang an gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden, so dass es auch keine vereinbarte Preisuntergrenze geben kann, gerade weil die Preisbestimmungspflicht auch eine Verpflichtung zur Preisabsenkung nach Vertragsabschluss beinhaltet (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Das hatte ich weiter oben detailiert dargelegt.

Zudem hat der BGH etwa in den Entscheidungen VIII ZR 56/08 und VIII ZR 246/08 zutreffend ausgeführt, dass in der Grundversorgung die Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB auch dann Anwendung findet, wenn der Kunde die Möglichkeit hat, den Lieferanten zu wechseln, sprich wenn ein Wettbewerb zwischen mehreren Lieferanten besteht.

Dass dies von Gerichten zuweilen verkannt wird, kann auch daran liegen, dass man es ihnen nicht richtig erklärt hatte.

Juris novit curia scheint in diesem Bereich leider nicht zu gelten.
Die Gerichte kennen das materielle  Recht nicht, weil sie sich mit den rechtlichen Bestimmungen des EnWG bisher viel zu wenig befasst haben.
Man muss es ihnen deshalb erklären.

Billigkeitskontrolle von Gaspreisen (Stand)

Wenn eine Diskussion bereits einen gewissen Stand erreicht hatte, macht es wohl wenig Sinn, dann wieder im Urschleim zu graben.

Offline tangocharly

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #151 am: 09. März 2011, 20:42:01 »
Die BGH-Rspr. des VIII. Senats zu § 315 BGB weist zwei gravierende Bruchstellen auf:

(1) die Implikation einer Vereinbarung zwischen Versorger und Abnehmer.
Wie sich nunmehr in vielen Fällen gezeigt und bestätigt hat, erfolgt eine stillschweigende Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien des Versorgungsvertrages i.S.v. § 36 EnWG, lediglich auf die Anwendung des Tarifs. Dies und nicht mehr gibt der Wortlaut gem. § 36 Abs. 1 EnWG her.
Ändert sich \"der\" Tarif während der Folgezeit, dann spezifiziert sich der in der Abrechung vorgetragene Preis auf der Grundlage der Jahresschlußrechnung.

(2) die Notwendigkeit eines Widerspruchs gegen die Preisbestimmung.
Der Unbilligkeitseinwand ist rechtstechnisch als Einrede gestaltet. Seine Beachtlichkeit darf sich demnach auch - und erst - im Prozeß des Versorgungsunternehmens ergeben. Weder ergibt sich aus § 315 BGB eine Frist für die Geltendmachung, noch überhaupt eine Pflicht hierzu, dann wenn der Versorger eine Schlußrechnung zustellt. Verwirkungskriterien kommen, wie der Kartellsenat erst Ende des vergangenen Jahres bestätigt hat, angesichts der modifizierten verkürzten Verjährungsbestimmungen, nur noch ganz ausnahmsweise in Betracht.

Diese Sollbruchstellen stellen eine - verhängnisvolle - Verquickung von Annahmen, Unterstellungen und Fiktionen des VIII. BGH-Senats dar, für die es keine Grundlage in den energiewirtschaftsrechtlichen Bestimmungen gibt.

Nachdem mit dem EnWG gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in Bundesrecht umzusetzen waren, nagt hierbei weniger der bundesdeutsche Gesetzgeber, als mehr der BGH an der Gemeinschaftstreue unseres Landes.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline jroettges

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #152 am: 10. März 2011, 00:13:07 »
Anhang 1 der Erdgasbinnenmarktrichtlinie

Zitat
Nachdem mit dem EnWG gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in Bundesrecht umzusetzen waren, nagt hierbei weniger der bundesdeutsche Gesetzgeber, als mehr der BGH an der Gemeinschaftstreue unseres Landes.

@tangocharly  - Eine Zwölf!

Man beachte besonders, was da (siehe Link) in Ziffer f) im Hinblick auf den Anspruch der Kunden auf \"transparente,  einfache und  kostengünstige Verfahren  zur Behandlung  ihrer Beschwerden\" gefordert ist.

Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat den Kunden in der Grundversorgung lediglich den Weg über eine Unbilligkeitseinrede nach BGB §315 (Welcher weitblickende Mensch hat das Paragraphenzeichen auf die Taste 3 gelegt?) gewiesen, gepflastert mit den Risiken eines teuren Gutachtens und der absurden Situation, ein solches nur über ein Gerichtsverfahren anzetteln zu können.

Wo sind die Verfahren  \" ... zur  außergerichtlichen  Einigung\" die \" ...eine gerechte und  zügige Beilegung  von  Streitfällen,  vorzugsweise innerhalb  von drei Monaten  ermöglichen und  für berechtigte Fälle ein Erstattungs- und/oder Entschädigungssystem\" vorsehen ???

In der Versorgung außerhalb der Grundversorgung hat die Politik jahrelang zu dem Versuch der Versorgungswirtschaft geschwiegen, sich aus der Belieferungspflicht von Grundversorgern ergebenden Pflicht zur Bestimmung \"allgemeiner Bedingungen und Preise\" ein Recht zur einseitigen Preisanpassung zu stricken. Der BGH hat dazu auch noch mit großem Gewürge eine abenteuerliche Rechtkonstruktion gezimmert, an deren Tragfähigkeit ihm nun aber selbst späte Zweifel gekommen sind, nachdem das OLG Oldenburg schon beim EuGH nachgefragt hat.

Den Kunden außerhalb der Grundversorgung bleibt seit Mitte 2009 an den meisten Standorten der Wechsel zu einem anderen Anbieter. Vorher waren sie auf die Platzhirsche angewiesen, die sich dabei Milliardengewinne unter die Nägel gerissen haben. Wenn jetzt in 2011 die Versorger davon etliches zurückzahlen müssen, ist das nicht mehr als recht.

Man kann nur hoffen, dass der EuGH da genau hinschaut und klare Worte zugunsten der Verbraucher findet.

Offline RR-E-ft

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #153 am: 10. März 2011, 13:10:30 »
@jroettges

Sie kommen hier wieder mit den Sonderverträgen. :rolleyes:
Weshalb eigentlich?

Dass ein im Rahmen der Vertragsfreiheit bei Abschluss eines Sondervertrages feststehend vereinbarter Preis keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegt, ist in der Rechtsprechung geklärt und wird auch nicht in Zweifel gezogen.

In den im Rahmen der Vertragsfreiheit abgeschlossenen Sonderverträgen  besteht keine gesetzliche Preisbestimmungspflicht wie die der Grundversorger gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG.
Die Bestimmungen der Grundversorgungsverordnungen sind keine AGB und unterliegen deshalb weder der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB, noch der EU- Klauselrichtlinie. Sie stehen auch im Übrigen nicht zur Kontrolle durch den EuGH, da es keinen entsprechenden Vorlagenbeschluss gibt. Die vorhandenen Vorlagenbeschlüsse beziehen sich - zutreffend - ausschließlich auf die richterliche Auslegung zu Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen.

Offline tangocharly

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #154 am: 29. März 2011, 21:20:29 »
Das Monstrum der \"Preisbestimmungspflicht\" geistert durch die Landschaft. Keiner weiß so richtig bescheid, wo sich seine Rechtsgrundlage befindet.

Dass ein \"Preisbestimmungsrecht\" als solches natürlich auch seiner Rechtsgrundlage bedarf, ist klar. Das soll hier auch nicht weiter vertieft werden. Lediglich eines soweit: Der Rechtsträger des Bestimmungsrechts hat einen Anspruch darauf, hierzu einseitig tätig werden zu dürfen. Dass auf dieses Bestimmungsrecht § 315 BGB Anwendung findet, ist ebenso klar. Die höchstrichterliche Rechtsprechung wiederholt sich hierbei ja ständig und seit Jahren.

Dass nun eine \"Preisbestimmungspflicht\" eben auch einer Rechtsgrundlage bedarf, ist (m.E.) auch klar.

Keiner hat bislang diese Rechtsfrage so richtig schlüssig begründet. Auch in der Rechtsprechung des BGH hat man so seine Mühe, eine klare und aussagekräftige Grundlage hierfür zu finden. Der Anschein einer gewissen Nebulosität drängt sich immer wieder auf.

Es stellt sich die Frage, ob dann, wenn man dieses Rad drehen muß, ohne Rückgriff auf die energiewirtschaftsrechtlichen Bestimmungen auskommen kann.

Betrachtet man die  Entscheidungen einiger Tatsacheninstanzen, die sich mit der funktionalen Zuständigkeit auseinander setzen müssen, dann entsteht der Eindruck, dass dies nicht der Fall ist.

Denn der (Klage-) Anspruch ergäbe sich - deren Auffassung nach - eben nur aus § 433 Abs. 2 und § 315 BGB. Schön, wenn dem so sein sollte, dann müßte die Rechtsgrundlage für die \"Preisbestimmungspflicht\" auch in § 315 BGB angesiedelt sein. Darüber besteht schließlich - soweit ersichtlich - kein Streit, dass die Preise gesenkt werden müssen, wenn sich der Vertriebs- und Bezugsaufwand zu Gunsten des Abnehmers entwickelt hat.

Nur, wenn man den Wortlaut des § 315 BGB liest, dann findet man dort nichts über eine \"Pflicht\".

Wenn aber im § 315 BGB eine \"Bestimmungspflicht\" geregelt ist (unterstellt), dann ergibt sich folgende Situation:
(1) Der Bestimmungsberechtigte kommmt einer Pflicht nicht nach  
(2) Wer eine Pflicht zu erfüllen hat, ist Schuldner einer Leistung (§ 241 BGB)  
(3) Folglich wird die andere Vertragspartei, die diese Leistung erwarten darf, nun ihrerseits Gläubiger der ihr gegenüber stehenden Vertragspartei (Versorger - damit dies klar wird).
(4) Wenn der andere Vertragspartner (sil.: Abnehmer) einen Anspruch auf Leistungsbestimmung haben soll, dann benötigt er hierfür einer Grundlage.

Fände sich nun hierfür nichts als die Bestimmungen gem. § 315 BGB, so müßte die Grundlage für eine Bestimmungspflicht auch dort zu finden sein.

Diese Frage hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 12.12.2006, Az.: 6 Sa 913/06, in einer arbeitsrechtlichen Frage beschäftigt. Dabei wurde wie folgt argumentiert:

Zitat
Tz 75
aa ) Zwar weist die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des dritten Senates des Bundesarbeitsgerichtes vom 17.08.2004, Az.: 3 AZR 367 / 03 ( = DB 2005 , 732) darauf hin , dass erst mit der Anpassungsentscheidung des Bochumer Verbandes oder einer entsprechenden gerichtlichen Leistungsbestimmung der einzelne monatliche Anspruch auf Zahlung einer höheren betrieblichen Altersversorgung fällig wird . Die Beklagte ist aber mit der Anpassungsentscheidung als solcher in Verzug geraten . Der Bestimmungsberechtigte ist gegenüber dem Vertragspartner zur Leistungsbestimmung verpflichtet . Dies ist zwar in § 315 BGB anders als in § 375 Abs . 1 HGB nicht eigens ausgesprochen . Die Pflicht des Bestimmungsberechtigten zur Leistungsbestimmung wird damit aber nicht in Frage gestellt . Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Leistungsbestimmungspflicht ist nur deswegen unterblieben , weil im Rahmen des § 315 BGB diese Pflicht mit dem Absatz 3 des § 315 BGB durch die richterliche Ersatzleistungsbestimmung eine Sonderreglung erfahren hat . Hinter der damit eingeführten Gestaltungsklage steht aber notwendig ein subjektives Recht des Gläubigers auf die begehrte Leistungsbestimmung ( vgl . Staudinger-Rieble 13 . Auflage 2001 § 315 BGB Rdn . 226 ). Derjenige , der die Leistungsbestimmung schuldet , kommt zwar nicht mit der Leistung , als solcher aber mit dem Bestimmungsakt in Schuldnerverzug . In diesem Fall rechnet zum Schadensersatz nach § 280 Abs . 2 BGB auch der Folgeschaden , der daraus resultiert , dass wegen der verzögerten Leistungsbestimmung auch die Leistung verspätetet erfolgt ( vgl . Staudinger-Rieble 13 . Auflagen 2001 § 315 BGB Rdn . 226 ).


Folgt man dieser Argumentation, dann ist die Rechtsgrundlage für eine Bestimmungspflicht geortet, d.h. nämlich darin dass sich die \"Leistungsbestimmungspflicht im Rahmen des § 315 BGB mit dem Absatz 3 des § 315 BGB durch die richterliche Ersatzleistungsbestimmung\" begründet.

Konsequenterweise müßte dann aber der Gläubiger des Bestimmungsanspruchs eine Ersatzleistungsbestimmung bei Gericht beantragen, wenn er eine (andere) Bestimmung sucht, als diejenige, welche der Versorger getroffen hat. Konkret bedeutete dies, dass der Abnehmer, wenn der Versorger eine Absenkung der Preise \"vergessen haben sollte\", seinerseits einen Gestaltungsantrag bei Gericht anzubringen hätte.

Dies wiederum könnte er aber nur - nach dem Wortlaut von § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB - erst dann, wenn das Gericht (zuvor) die Unbilligkeit der Preisbestimmung des Versorgers festgestellt hat.

Sobald der Abnehmer mit seinem Widerspruch gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB auftritt, hat er den Versorger unter Schuldnerverzug gesetzt, jedenfalls dann und damit, wenn und dass die Absenkung der Preise \"vergessen worden sein\" sollte.

Dies zieht dann aber die nächste Frage nach sich, ob der Abnehmer nicht doch noch unter Klagezwang geraten kann, wenn er eine Absenkung, der Pflicht des Versorgers entsprechend, der Preise erzwingen will. Darin beißt sich dann aber die höchstrichterliche Rechtsprechung wieder, worin nun schon seit Jahren zum Ausdruck gekommen ist, dass keine Klagepflicht besteht.

Allerdings muß es soweit ja nicht kommen, weil ja der Versorger, schlicht und ergreifend seinen Leistungsanspruch durchsetzen will, was ihn schon seinerseits veranlassen wird, einen entsprechenden Gestaltungsantrag (§ 308 ZPO) bei Gericht anzubringen.

Diese ganze Situation wäre natürlich weniger aufregend, gäbe es nicht die unvermittelbare Auffassung des VIII. BGH-Senats zur stillschweigenden Akzeptanz von Preisgestaltungen auf dem Sektor des \"Energieverbraucher-Rechts\".

Wollte man die Preisbestimmungspflicht als reinen Anspruch des anderen Vertragspartners auffassen und über diesen \"Pudding noch die Soße\" der Akzeptanzrechtsprechung des VIII. BGH-Senats darüber schütten, dann wäre man recht schnell bei dem \"Verwirkungsgesichtspunkt\". Schon wäre der Preis schnell wieder vereinbart und damit keiner Kontrollmöglichkeit nach § 315 BGB mehr unterzogen. Der Richter müßte nur noch das \"ansteigende Delta\" prüfen. Die Absenkungspflicht würde sich ins Nirwana aufgelöst haben.

Dabei hat doch der Kartellsenat am 29.04.2008, gestützt auf die Rechtslage zum Prüfungsumfang nach § 315 BGB, explizit zum Ausdruck gebracht, dass eine Verpflichtung zur Absenkung der Preise besteht, wenn dies für den Abnehmer günstig ist.

Abschließend soll noch auf den Einschubsatz in der o.a. Entscheidung des LAG Düdo hingewiesen werden, wonach eine gesetzliche Regelung der Leistungsbestimmungspflicht (in dem dort entschiedenen Sachverhalt) nicht erforderlich gewesen sein soll, weil es das gerichtliche Ersatzbestimmungsrecht gibt.

Das Energieverbraucherrecht weist in der Grundversorgung eine gesetzlich geregelte Bestimmungspflicht auf. Diese ist in § 36 Abs. 1, § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 EnWG statuiert. Logischerweise hätte es dieser Normenkette nicht bedurft, wäre die Leistungsbestimmungspflicht nur in dem Sinne des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB zu verstehen.

Verweigern die Instanzgerichte die Anwendung der soeben zitierten Normenkette, so verletzen sie dadurch das Gerechtigkeitspostulat. Das beginnt aber (und dies hat sich nun schon weit verbreitet) bereits bei der Verweigerung des Instanzenzugangs gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 EnWG.
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Offline RR-E-ft

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #155 am: 29. März 2011, 22:52:18 »
@tangocharly

Die Preisbestimmungspflicht des Versorgers  kann entweder vertraglich vereinbart werden (vgl. nur BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16) oder sich aus einem Gesetz ergeben.

Eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht ergibt sich zB. aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG.

Eine solche gesetzliche Preisbestimmungspflicht gab es bereits zuvor im  EnWG, nämlich in

§ 6 Abs. 1 EnWG 1998,
§ 10 Abs. 1 EnWG 1998,
§ 6 Abs. 1 EnWiG 1935.

Besteht eine vertraglich vereinbarte oder gesetzlich angeordnete Preisbestimmungspflicht und ist diese nicht weiter konkretisiert, so findet § 315 BGB  auf diese Anwendung (vgl. § 315 Abs. 1 HS 1 BGB).

§ 315 BGB statuiert nie eine Leistungsbestimmungspflicht eines Vertragsteils, sondern setzt eine solche vertraglich vereinbarte oder gesetzlich angeordnete Leistungsbestimmungspflicht eines Vertragsteils tatbestandlich voraus.

Deshalb ist es halbwegs absurd anzunehmen, die Leistungsbestimmungspflicht müsste sich aus § 315 BGB ergeben.

§ 315 Abs. 3 BGB regelt die Rechtsfolgen für den Fall, dass einen Vertragsteil eine Leistungsbestimmungspflicht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB trifft, welche  sich ihrerseits wiederum entweder aus Vertrag oder aus Gesetz ergeben kann.

Das ist auch dann der Fall, wenn die vertragliche Preishauptabrede in der Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils besteht (so schon Mugdan Motive zum BGB).  

Zitat
Derjenige Kontrahent, dem hiernach die Bestimmung der Leistung anheimgegeben worden, ist dazu durch den Vertrag verpflichtet. Als vertragliche Erklärung und im Sinne des Vertrages ist die Bestimmung, wenn sie dem anderen Theile gegenüber erklärt ist, getroffen und damit unwiderruflich (§ 315 Abs. 2). Auf die Erklärung finden im Uebrigen die allgemeinen Bestimmungen über rechtsgeschäftliche Willenserklärungen Anwendung.

In der Grundversorgung besteht die vertragliche Preishauptabrede in der (gesetzlichen und vertraglich implementierten) Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers. Und deshalb besteht in der Grundversorgung auch die gesetzliche  Verpflichtung des Versorgers zur Preisbestimmung zugunsten der Kunden (vgl. BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18].


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Offline superhaase

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #156 am: 30. März 2011, 07:21:04 »
Zitat
Original von tangocharly
Nur, wenn man den Wortlaut des § 315 BGB liest, dann findet man dort nichts über eine \"Pflicht\".
Sicher ist in §315 BGB nicht begründet, warum einen Energieversorger eine Preisbestimmungspflicht trifft.
Dies ergibt sich wohl offensichtlich aus anderen Gesetzen oder Vorschriften, oder auch aus Verträgen (vielleicht auch einfach implizit).

Es ist aber sicher nicht richtig, zu sagen, in §315 BGB wäre von einem willkürlichen Recht zur Preisbestimmung durch eine Partei die Rede.
§315 BGB sagt in Satz 1:
Zitat
Bestimmung der Leistung durch eine Partei

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
Das setzt m.E. durch das Wort \"soll\" schon eine Preisbestimmungspflicht voraus. Ansonsten stünde da wohl \"darf\".

ciao,
sh
8) solar power rules

Offline RR-E-ft

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #157 am: 30. März 2011, 10:04:39 »
Die Anwendung des § 315 BGB setzt voraus, dass die Parteien vertraglich vereinbart haben, dass ein Vertragsteil nach Vertragsabschluss die Leistung (vorliegend den zu zahlenden Preis) bestimmen soll (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16). § 315 BGB findet zudem auch dann unmittelbare Anwendung, wenn sich die Leistungsbestimmungspflicht eines Vertragsteils aus dem Gesetz ergibt (BGH KZR 36/04, KZR 29/06 Rn. 19 f.).

Die Anwendung des § 315 BGB setzt bereits tatbestandlich immer eine Leistungsbestimmungspflicht eines Vertragsteils voraus.
Eine solche Leistungsbestimmungspflicht kann sich auch auf das vertraglich zu zahlende Entgelt (den Preis) beziehen.
Eine solche Leistungsbestimmungspflicht des Versorgers zugunsten der Kunden ist in der Grundversorgung (und nur dort) gesetzlich angeordnet (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Offline Black

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #158 am: 30. März 2011, 10:30:07 »
In der aktuellen \"Versorgungswirtschaft\" (Heft 3/2011, S. 66) ist ein Aufsatz von RA Brändle, der sich mit dem Ausschluss der Billigkeitskontrolle in Zeiten des Wettbewerbes beschäftigt.

Dort werden mehrere aktuelle Entscheidungen erläutert, die eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB generell ablehnen:

- LG Offenburg 15.10.2010, 5 O 83/08
- LG Frankenthal 15.06.2009, 2 HK O 34/09
- LG Münster 13.07.2010, 6 S 70/09
- LG Frankenthal 10.09.2009, 2 HK O 90/09
- AG Lübeck, 17.11.2009, 29 C 3561/09
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #159 am: 30. März 2011, 10:36:20 »
@Black

Der Aufsatz von Brändle.

Erläuterungsbedürftig sind die genannten Entscheidungen bei Lichte betrachtet allemal, weil sie mit der materiellen Rechtslage vollkommen unvereinbar sind.

Brändle hat sich wohl insbesondere nicht mit der rechtskräftigen Entscheidung des OLG Stuttgart vom 30.12.2010 Az. 2 U 94/10 auseinandergesetzt, die wiederum auf der jüngsten Rechtsprechung des BGH gründet. Das OLG Stuutgart arbeitet dabei überzeugend heraus, dass nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH (VIII ZR 56/08 Rn. 29, 36) die Billigkeitskontrolle Teil der gesetzlichen Regelung ist, gerade auch dann, wenn der betroffene Kunde die Möglichkeit hat, den Lieferanten zu wechseln.

Dies wird - nicht zuletzt - auch bestätigt durch BGH, Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/08 Rn. 29, 41 f., womöglich ebenfalls an Brändle vorbeigegangen.

Die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers kann nicht ausgeschlossen werden, ebenso wie dessen Recht, die Preise im laufenden Vertragsverhältnis einseitig neu zu bestimmen.

Das bestehende gesetzliche Recht und die bestehende  gesetzliche Pflicht zur Preisbestimmung werden durch Wettbewerb in keiner Weise tangiert.

Bemerkenswert ist doch, dass die Entscheidung BGH VIII ZR 36/06 bereits darauf abstellt, dass der Gasversorger in einem Wettbewerb steht, der BGH dabei jedoch zutreffend festgestellt hat, dass dies für die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB keine Relevanz hat.

Die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB wäre nur dann ausgeschlossen, wenn es kein Preisänderungsrecht des Versorgers im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB und keine gesetzliche Verpflichtung zur Preisbestimmung zugunsten der Kunden mehr gäbe.

Dass dies jedoch der Fall wäre, wird - soweit ersichtlich - von niemandem ernsthaft oder ernstzunehmend behauptet/ vertreten.



Die \"Versorgungswirtschaft\" ist dafür bekannt, dass sie klientelbedingt eher sich selbstgefällige Exotenmeinungen publiziert.
Meiner Meinung nach ist das Geld für ein Abo dieses \"Fachorgans\" deshalb auch schlicht \"aus dem Fenster geworfen\".
Deshalb beziehe auch ich sie nicht.

Auch der genannte Aufsatz von Brändle geht derart an der materiellen Rechtslage und der jüngeren obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung vorbei, dass ich ihn für wissenschaftlich mangelhaft und  nicht zitierwürdig halte.

Zusammengetragen und unkritisch besprochen wurde von Brändle bei Lichte betrachtet lediglich  unvertretbare/ nicht haltbare  Rechtsprechung einzelner Instanzgerichte. M. E. nicht weiter diskussionswürdig.

Bei Lichte betrachtet unterliegen die Gasversorger vor Gericht oftmals nicht erst wegen der Billigkeitsfrage, sondern schon allein deshalb, weil es im konkreten Vertragsverhältnis an einer Preisbestimmungspflicht und einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers im Sinne des § 315 BGB fehlt (vgl. nur BGH VIII ZR 246/08 Rn. 41 f.), so dass schon die Voraussetzungen für eine gerichtliche Billigkeitskontrolle einseitiger Preisbestimmungen schon nicht vorliegen (BGH VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08; OLG Oldenburg Az. 6 U 164/09; OLG Dresden Az. 9 U 93/10).

Dieser entscheidende Aspekt aus der Praxis  wird auch von Brändle vollkommen ausgeblendet.

Offline tangocharly

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #160 am: 30. März 2011, 12:09:32 »
Unterstellen wir einmal, mit @black, es sei Wettbewerb und es sei, ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, § 315 BGB deshalb ausgeschlossen, obwohl der Versorger einseitig, ermessengebunden seine Preise bestimmt hat.

Unterstellen wir weiter, dass \"ermessengebunden\" heißt: \"durch niemand überprüfbar\".

Wie lautet die Konsequenz ?

(1) Die Regelungen gem. § 36 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 2 Abs. 1 EnWG sind außer Kraft ?
(2) EnWG gilt nur, wenn kein Wettbewerb stattfindet ?
(3) Europäischer Verbraucherschutz findet bei bestehendem Wettbewerb nicht statt ?
(4) Bestehender Wettbewerb beseitigt das Tatbestandsmerkmal \"Daseinsvorsorge\" ?

Also kurz: Wie, wodurch und wann kann begründet werden, dass die einer Vertragspartei eingeräumte Rechtsmacht nur noch \"mit (auf) den Füßen kontrolliert\" werden kann ?

P.S.:   (Versorger-hopping; eine Lachplatte).
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Offline RR-E-ft

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« Antwort #161 am: 30. März 2011, 12:12:21 »
§ 315 BGB kennt für seine unmittelbare Anwendung kein Tatbestandsmerkmal \"Daseinsvorsorge\".
Ebensowenig ist \"nicht bestehender Wettbewerb\" ein Tatbestandsmerkaml für die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB.


Auch die Honoraransprüche der Patentanwälte unterliegen zum Beispiel der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB, unter Umständen auch die Honorare von Sachverständigen (BGH X ZR 80/05).

Patentanwälte und Sachverständige gibt es \"wie Sand am Meer\" und sie stehen untereinander im Wettbewerb.

Offline tangocharly

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« Antwort #162 am: 30. März 2011, 12:23:49 »
Zitat
Bitte das eigene EMail- Postfach kontrollieren. Augenzwinkern

Entweder ich  8) oder das Postfach  ;(
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Offline RR-E-ft

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« Antwort #163 am: 30. März 2011, 12:40:09 »
@tangocharly

Sowohl in der PN-Box dieses Forums als auch im E-Mail-Postfach Ihrer Kanzlei liegen aktuell Nachrichten von mir vor.  ;)

Offline tangocharly

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« Antwort #164 am: 30. März 2011, 12:56:42 »
Zitat
Original von superhaase
Es ist aber sicher nicht richtig, zu sagen, in §315 BGB wäre von einem willkürlichen Recht zur Preisbestimmung durch eine Partei die Rede.
§315 BGB sagt in Satz 1:
Zitat
Bestimmung der Leistung durch eine Partei

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
Das setzt m.E. durch das Wort \"soll\" schon eine Preisbestimmungspflicht voraus. Ansonsten stünde da wohl \"darf\".

(1) Willkürlichkeit ist kein Argument. Würde es aber nur dann, wenn @black und alle anderen, die diese Theorie -contra legem- vertreten, Recht hätten.

(2) Das \"Soll\"-Argument taugt ebenso nicht. Hieraus ergibt sich keine \"Pflicht\" ! Vielmehr wird in diesem Kontext vorausgesetzt, dass entweder ein Recht oder eine Pflicht oder gar beides besteht. Die Rechtsfolge dieser Existenz ist, wie richtig zitiert, das billige Ermessen.

Ich lege Wert darauf, dass zwischen Bestimmungsrecht und -pflicht sauber differenziert wird. Und ich lege weiter Wert darauf, dass sich im Energieverbraucherrecht die Bestimmungspflicht konzeptiv aus den Bestimmungen gem. §§ 36 Abs. 1, § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 EnWG ergibt.

Ich sehe überhaupt keinen Ansatz dafür, dass sich ein Bestimmungsrecht und/oder eine Bestimmungspflicht aus § 315 BGB ergeben könnte. In § 315 BGB wird nur geregelt, was dann gelten soll, wenn ein Bestimmungsrecht und/oder eine Bestimmungspflicht besteht.

Und schließlich lege ich Wert auf die Feststellung, dass alle Gerichte einem Fehlurteil unterliegen, die zu der Annahme gelangen, dass sich der Klageanspruch (nur) aus § 433 Abs. 2, § 315 BGB herleite.

Dies zieht das weitere Fehlurteil nach sich, dass deshalb die Gerichtszuständigkeit beim Amtsgericht liege und die Bestimmungen gem. § 102 EnWG auf Fälle der Grundversorgung unanwendbar seien.

Ohne Energieverbraucherrecht (§§ 36, 2, 1) gibt es schon keinen vereinbarten Preis (wenn überhaupt). Ohne vereinbarten Preis gibt es keinen Anspruch ( § 433 Abs. 2 BGB). Ohne Anspruch gibt es keine schlüssige Klage. Ohne Schlüssigkeit gibt es nur eine Klagabweisung.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

 

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