@jofri46
Der gute Wille zählt schon viel. Er ist mir jedenfalls eine Freude.
Nur liegt beim
Verständnis der Gesetzeslage wohl noch einiges im Argen.
Steht nur zu hoffen, dass solche Kenntnislücken nicht auch an maßgeblicher Stelle in EVU zu verzeichnen sind.
Eine Vertiefung scheint angezeigt. Hilfestellung anbei.
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Heute soll es uns nun um die
ganze Schuld aller Grundversorger gehen.
Gewidmet den Kollegen vom Energiekombinat und den Städtischen Electricitäts- und Gaswerken.
Der Grundversorger trägt den Haushaltskunden zumeist in Form einer
Realofferte einen Vertragsabschluss an.
Er ist zu einer solchen
Offerte gesetzlich verpflichtet. Er
schuldet diese allen (selbst nur potentiell)
grundversorgungswilligen Haushaltskunden. Und die geschuldete Offerte darf schon keine beliebigen oder für den Grundversorger besonders günstigen Preisbestimmungen enthalten.
Er ist dabei gesetzlich verpflichtet, solche Allgemeinen Preise festzusetzen und öffentlich bekannt zu geben [mithin
für den Vertragsabschluss mit Haushaltskunden feilzubieten], die mit der gesetzlichen Verpflichtung des Versorgers aus §§ 2, 1 EnWG im Einklang stehen, folglich den grundversorgungswilligen Haushaltskunden tatsächlich eine
möglichst sichere, möglichst preisgünstige, möglichst effiziente leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Gas ermöglichen.
Der oftmals (konkludente) Vertragsabschluss durch
Annahme vg. Realofferte [die ihrerseits dem vom Grundversorger
Geschuldeten entsprechen muss]
allein durch Energieentnahme gründet jedoch nicht auf einer verbindlichen Preisvereinbarung, sondern auf der vertraglichen Vereinbarung einer (auch) nach Vertragsabschluss geltenden
Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers.
Dies ergibt sich m.E. bereits aus §§ 36 Abs. 1 EnWG, 2, 1 EnWG iVm. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 2 GVV.
Dem Grundversorger ist es gem. § 36 Abs. 1 EnWG verwehrt, im Bereich der Grundversorgung mit einzelnen Haushaltskunden Preise verbindlich zu vereinbaren.
Er ist vielmehr schon gesetzlich verpflichtet, in der Grundversorgung ausnahmslos jeden Haushaltskunden nur zu denjenigen jeweiligen Allgemeinen Preisen zu versorgen, die er selbst (und niemand sonst) [unter Beachtung der Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG] einseitig zu bestimmen und sodann öffentlich bekannt zu geben
verpflichtet ist.
Die genannte
Preisbestimmungspflicht ist dabei eine fortlaufende.
Insbesondere ist der Grundversorger von einer solchen Verpflichtung aus genannten Gründen nicht durch Preisvereinbarungen mit einzelnen Haushaltskunden entbunden.
Er kann also gerade nicht darauf verweisen, er sei von der Verpflichtung zur Bestimmung der jeweiligen Allgemeinen Preise unter Beachtung von §§ 2, 1 EnWG entbunden, weil er ein bisheriges Preisniveau mit einzelnen Haushaltskunden vertraglich vereinbart habe. Er muss insbesondere weiterhin
alle ihm möglichen Maßnahmen ergreifen, um noch kostengünstiger, noch effizienter zu werden und ist zudem
verpflichtet, dabei
gewonnene Kostenvorteile an die Kunden
weiterzugeben (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].
Dem Grundversorger ist es folglich rechtlich verwehrt, sich auf einem hohen Preisniveau auszuruhen, weil solches schon mit keinem grundversorgten Haushaltskunden vertraglich vereinbart ist.
Antragen kann und darf der Grundversorger auch im Wege der o. g. Realofferte deshalb keine verbindlichen Preisvereinbarungen, sondern nur eine Versorgung zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen, zu deren Bestimmung er selbst (auch nach Vertragsabschluss)
verpflichtet ist.
Bei Abschluss eines Grundversorgungsvertrages wird also kein feststehender Preis verbindlich vereinbart, sondern statt dessen eine auch nach Vertragsabschluss wirkende
Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers.
Selbst wenn
verbindliche Preisvereinbarungen mit einzelnen grundversorgten Haushaltskunden rechtlich zulässig wären, wüsste man ja auch schon nicht, was eine solche
verbindliche Preisvereinbarung bewirken sollte.
Soll sie bewirken, dass sich einzelne grundversorgte Kunden gegen eine Preisneubestimmung des Versorgers, die auf Kostenerhöhungen beruht, ausnahmsweise darauf berufen können, dass die maßgeblichen Kostensteigerungen jedenfalls bereits vor dem konkreten Vertragsabschluss mit diesen selbst eingetreten waren?
Nicht ernsthaft diskutabel.
Soll sie bewirken, dass der Grundversorger, der infolge rückläufiger Kosten zur Preisneubestimmung verpflichtet ist, sich gegenüber einzelnen grundversorgten Kunden darauf berufen kann, diesen gegenüber sei er ausnahmsweise deshalb nicht zur Preisneubestimmung verpflichtet, weil die maßgeblichen Kostensenkungen jedenfalls bereits vor deren konkreten Vertragsabschluss eingetreten waren?
Ebenso nicht ernsthaft diskutabel.
Beides hätte zur Folge, dass der Grundversorger einzelne grundversorgte Kunden - abhängig vom Zeitpunkt des jeweiligen konkreten Vertragsabschlusses - zu unterschiedlichen Preisen zu versorgen hätte, zum einen weil er diesen gegenüber ausnahmsweise eine Preiserhöhung nicht vornehmen dürfte, zum anderen weil er diesen gegenüber ausnahmsweise zur Preisherabsetzung nicht verpflichtet sei.
Dies liefe aber schon eindeutig
der gesetzlichen Verpflichtung zuwider, wonach Grundversorger ausnahmslos jeden grundversorgungswilligen Haushaltskunden zu den von von ihnen selbst festgesetzten und sodann öffentlich bekannt gemachten jeweiligen Allgemeinen Preisen versorgen
müssen.
All dies ist gesetzlich unzulässig, weil nach der gesetzlichen Regelung die Versorgung ausnahmslos jedes grundversorgungswilligen Haushaltskunden - unabhängig vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses - ausschließlich zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen erfolgen
muss, hinsichtlich derer den Grundversorger die
Preisbestimmungspflicht trifft.
Und deshalb kann und darf der Grundversorger nach der gesetzlichen Regelung gar nicht anders, als mit allen grundversorgungswilligen Haushaltskunden - unabhängig vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses- vertraglich zu vereinbaren, dass die Versorgung zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen erfolgt, hinsichtlich derer ihn (allein) die
Preisbestimmungspflicht trifft.
Der Grundversorger darf mit grundversorgungswilligen Haushaltskunden keine verbindlichen Preise vereinbaren, erst recht keine ihm besonders günstigen. Zugleich sehen wir, wie weit sich der VIII.Zivilsenat des BGH mit seiner in heftige Kritik geratenen \"Theorie vom vereinbarten Preis bzw. Preissockel\" von der
materiellen Rechtslage in wenig verantwortlicher Weise entfernt hat (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 25). Vergleicht man die dortigen Aussagen des Senats mit der
materiellen Rechtslage, erscheinen diese wie eine Farce.
Auch bei dem Abschluss eines Grundversorgungsvertrages handelt es sich um einen
solchen Vertragsabschluss- man möge annehmen können in Reinstform, den der Gesetzgeber mit der klugen Regelung der vertraglichen einseitigen
Leistungsbestimmungspflicht gem. § 315 Abs. 1 BGB schon vor Inkrafttreten des BGB im Blick hatte.
\"Soll die Leistung durch einen der Vertragsschließenden bestimmt werden...\"Beim Grundversorgungsvertrag sollen die jeweiligen Allgemeinen Preise allein vom Grundversorger bestimmt werden und bestimmt sein, den Grundversorger (auch vertraglich) die Preisbestimmungspflicht treffen, §§ 6 Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 1 Satz 2 GVV, 17 Abs. 1 Satz 3 GVV, 36 Abs. 1 EnWG.
Und dass der Grundversorger zudem schon seiner
Realofferte keine
entgegen §§ 2, 1 EnWG gebildeten einseitig bestimmten und sodann öffentlich bekannt gegebenen Allgemeinen Preise zu Grunde legen darf, bedarf wohl auch keiner weiteren Erörterung.
Bei Lichte betrachtet ist sogar entsprechend gesetzlicher Regelung unzulässig, Allgemeine Preise entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG einseitig festzusetzen (zu bilden) und sodann öffentlich bekannt zu geben.
Der Grundversorger hat keine rechtliche Handhabe, den Haushaltskunden an wegen Verstoß gegen die gesetzlichen Verpflichtungen aus §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG
unzulässig gebildeten Preisen festzuhalten, denn solche enstprechen nicht seiner gesetzlichen und vertragsgemäßen Schuld und sind deshalb gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB
unwirksam.
Der grundversorgte Haushaltskunde hat vielmehr Anspruch darauf, dass der Grundversorger seine
Preisbestimmungspflicht ihm gegenüber in
vertragsgemäßer und zugleich
gesetzmäßiger Weise erfüllt, weil der Grundversorger die
vertragsgemäße Preisbestimmung schuldet, und gerade
nicht irgendeine, ihm besonders genehme Preisbestimmung.
Die
Pflicht des Grundversorgers erschöpft sich deshalb gerade nicht darin, überhaupt Allgemeine Preise festzusetzen, sodann öffentlich bekannt zu geben und sodann jeden grundversorgungswilligen Haushaltskunden zu diesen (beliebig festgesetzten) Preisen zu versorgen.
Wohl der zentrale Irrtum einer ganzen Branche, ohne dass ersichtlich wäre, wer den wann wie eingepflanzt habe.
Selbst als ordentlicher Hörer von Energierechtsvorlesungen in Jena und Speyer, der zudem unter anderem in der Bayernwerkgruppe eine gute juristische Ausbildung genoss, bleibt mir festzustellen, dass alles Wissen insoweit durchaus noch aus jener Zeit geschöpft werden kann und deshalb nicht ersichtlich ist, wann dieses Allgemeingut der Branche verlustig gegangen sein könnte. Fraglich also, wer dafür etwa verantwortlich zeichnet.
Original von jofri46
Das heißt, die gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers geht (aber auch nur) soweit, dass er alle Maßnahmen und Vorhaltungen zu treffen hat, die erst den Abschluss eines Grundversorgungsvertrages und anschliessend den Gasbezug ermöglichen.
Insoweit besteht gerade der Irrtum.
Nicht ersichtlich, woher man das nehmen will.
Fraglich, ob man etwa entwöhnt sei, Gesetze (zumal das \"Grundgesetz der Energiewirtschaft\") noch zu lesen.
Weil der Gesetzgeber deutlich gesehen hatte, dass Energieversorgungsunternehmen bis dahin die
Zielsetzungen des § 1 EnWG oftmals als
reine Gesetzeslyrik oder Programmatik abgetan und missachtet und ihrer daraus folgenden Verpflichtung nicht nachgekommen waren, wurde mit der Energierechtsnovelle 2005 in
§ 2 EnWG eine
klare gesetzliche Verpflichtung für Energieversorgungsunternehmen verankert, eigentlich lediglich klarstellend, weil die
gesetzliche Verpflichtung bereits zuvor bestand und von allen Energieversorgungsunternehmen bei der Preisbildung berücksichtigt werden musste (BGH, Urt. v. 02.10.91 VIII ZR 240/90 unter III 2 a = NJW-RR 92, 183, 184).
Wenn der Gesetzgeber aber nunmehr schon so unmissverständlich wie ihnen hilfreich
die Verpflichtung der Energieversorgungsunternehmen benennt, so darf man diese doch nun nicht auch noch fortlaufend weiter \"unter den Tisch fallen\" lassen.
Sie verlangt Beachtung, insbesondere von Grundversorgern, weil
nur hierdurch der vom Gesetzgeber gewollte
besondere Schutz der Haushaltskunden überhaupt bewirkt werden kann.
Geschuldet ist vielmehr entsprechend der Verpflichtung
eine Preisbestimmung unter tatsächlicher Beachtung der
Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG.
Der Grundversorger
schuldet seinen grundversorgten Kunden die Bestimmung derjenigen jeweiligen Allgemeinen Preise, welche diesen tatsächlich eine
möglichst sichere, möglichst preisgünstige, möglichst effiziente leitungsgebunde Versorgung ermöglichen.
Der Grundversorger ist gem. § 6 Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 1 Satz 2 GVV insbesondere darüber hinaus vertraglich verpflichtet,
alle ihm möglichen Maßnahmen zu treffen, um noch kostengünstiger, noch effizienter zu werden und ist zudem
verpflichtet, dabei
gewonnene Kostenvorteile an die Kunden
weiterzugeben (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].
Gesetzlich unzulässig und nicht vertragsgemäß und folglich unwirksam ist deshalb die Bestimmung solcher Allgemeiner Preise, die etwa mit Rücksicht darauf gebildet wurden, dass ein kommunaler Versorger einen möglichst hohes Ergebnis an den kommunalen Haushalt abzuführen hat, etwa weil die Schulen am Ort neue Dächer brauchen.
Die Preise müssen unter Außerachtlassung all solcher sachfremden Erwägungen ausschließlich so vom Grundversorger festgelegt werden, dass sie dessen
gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG tatsächlich entsprechen.
Nur dann werden sie vom Gesetz gebilligt und sind zugleich vertraglich zulässig, weil sie
dem auch vertraglich Geschuldeten entsprechen.
Viel mehr besagen die gesetzlichen Bestimmungen bei Lichte betrachtet schon nicht.
Aus
§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ergibt sich noch, dass der grundversorgte Kunde im Falle einer gesetzlich wie vertraglich unzulässigen Preisbestimmung die vom Grundversorger
geschuldete Preisbestimmung durch ein Gericht ersetzen lassen kann, weil die Allgemeinen Tarife von Anfang an gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].
Aber das konnte man sich wohl denken.
Unsere Rechtsordnung kennt auch sonst keinerlei gesetzlich Kontrahierungspflichtige, welche die Entgelte für ihre Leistungen nach Belieben festsetzen könnten. Auch zB. die Honorarforderungen von Patentanwälten unterliegen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB.
Wie könnte es da wohl ausgerechnet bei grundversorgungspflichtigen und somit kontrahierungspflichtigen Energieversorgungsunternehmen anders sein ?! =====================================
Nachdem wir nun vertiefend die
gesetzlichen Regelungen abgehandelt haben, sollte für heute ersichtlich geworden sein, dass sich diese besonderen gesetzlichen Regelungen schwerlich in einen Sondervertrag im Rahmen der
Vertragsfreiheit implementieren lassen.
Denn der Vertragsfreiheit ist die
Verpflichtung zu einer Offerte, die zudem besondere Kriterien erfüllen muss, völlig fremd.
Es sind wenige Energieversorgungsunternehmen ersichtlich, die im Rahmen der
Vertragsfreiheit überhaupt
verpflichtet sein könnten, tätig zu werden, Offerten zu machen.
Möglicherweise kann jemand ein solches Unternehmen benennen, wenn es sich denn finden ließe. Wem etwas dazu einfällt, der melde sich bitte.
Wurde
dieser Unterschied auch verstanden, bin ich um so erfreuter.
Andernfalls gilt weiter
Üben, üben, üben ... Und viel Erfolg dabei! 
Grüße aus Lichtstadt