Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB  (Gelesen 109725 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline bolli

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 2.396
  • Karma: +23/-11
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #105 am: 10. Dezember 2010, 21:07:16 »
Zitat
Original von RR-E-ft
@bolli
Womöglich habe ich mich falsch ausgedrückt.
Verständlich erklären ist nicht gerade meine Stärke.

Na ja, dass kennt man von Juristen und wenn man häufiger mit Ihnen zu tun hat weiss man es (meist) zu deuten.  ;)

Im vorliegenden Fall habe ich Sie, meine ich schon verstanden, bin aber, unter bestimmten Einschränkungen, anderer Meinung.

Zitat
Original von RR-E-ft
Folglich können - unter sonst gleichen Bedingungen - die etwa vom selben Versorger im selben Netzgebiet im Rahmen der Vertragfreiheit angebotenen Preise niedriger liegen als die allgemeinen Preise der Grundversorgung.
Das ist aber der Knackpunkt. Die Bedingungen sind nicht gleich. Die SV-Preise sind keine angemessenen Preise sondern Marktpreise. Bedeutet, sie folgen nicht unbedingt den Einkaufskonditionen sondern dem höchstmöglich erzielbaren Preis auf dem Markt.

Demgegenüber MÜSSTEN die GV-Preise anders kalkuliert sein, da sie sich an den Kriterien des EnWG messen lassen müssen. Der allgemeine, vom Vorsorger zu bildende Preis muss u.a. den Kriterien des § 1 EnWG genügen und damit sind der Preiskalkulation andere Grenzen gesetzt als der in der SV. Da ändert auch eine unterschiedlich hohe KA nichts dran.

Aber ich gebe Ihnen Recht, unter sonst gleichen Bedingungen würde Ihre Aussage zutreffen.

Meiner unmaßgeblichen Meinung ist der Preis aber derzeit weder in der GV noch im SV angemessen (oder warum sonst scheffeln die Versorger die Millionen nur so aus der Energieversorgung ?). Im SV kann man wegen der vereinbarten Preise da wohl nur wenig machen, in der GV sollte dieses aber (normalerweise) wegen des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts schon der fall sein, nur der VIII. BGH-Senat hat da halt was gegen.  :evil:

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #106 am: 10. Dezember 2010, 21:21:42 »
@bolli

Sie haben da wohl einen Denkfehler drin. Haben Sie schon KG, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06 zu den entscheidenden Passagen gelesen?

Dass die \"Marktpreise\" derzeit so hoch liegen, wie sie liegen, schließt doch schon logisch nicht aus, dass sie ceteris paribus bei kostenbasierter Preiskalkulation (die dort ja nicht erfolgt) jedenfalls niedriger liegen können als die Allgemeinen Preise der Grundversorgung.

Es entspricht unsrer festen Überzeugung, dass derzeit fast alle Preise bedeutend niedriger liegen könnten, wenn sie nur zutreffend kalkuliert wären.
Und die Sondervertragspreise könnten ceteris paribus bei kostenbasierter Preiskalkulation nun einmal niedriger liegen als die Grundversorgungspreise.

Dazu, bei welchem Preisniveau sich die Preise bei zutreffender kostenbasierter Preiskalkulation einstellen könnten, wurde in diesem Zusammenhang doch gar keine Aussage getroffen, insbesondere nicht, dass das gegenwärtig vorzufindende (oftmals überhöhte) Preisniveau maßgeblich sei.

Imagine:

Sie sind Gasversorger. Sie haben einen Kunden in der Grundversorgung. Sie bestellen den ein, verabreden mit ihm, dass er nunmehr Sondervertragskunde sei und können ihm - ohne dass sich sonst irgendetwas geändert hat- jedenfalls sofort den Preis herabsetzen, allein weil die KA geringer ausfällt, die Kosten der Belieferung entsprechend geringer ausfallen. Deshalb können Sie als Mr.Gasversorger den Kunden im Rahmen der Vertragsfreiheit jedenfalls kostengünstiger beliefern als in der Grundversorgung. Umgekehrt ist zu erkennen, dass die Preise der Grundversorgung aus selbem Grunde höher liegen müssen als die Sondervertragspreise. Die Grundversorgungspreise müssen demnach höher kalkuliert sein, zum einen wegen der erhöhten KA, zum anderen wegen der grundversorgungsspezifischen Risiken.

Offline bolli

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 2.396
  • Karma: +23/-11
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #107 am: 13. Dezember 2010, 08:58:49 »
Zitat
Original von RR-E-ft
@bolli

Sie haben da wohl einen Denkfehler drin. Haben Sie schon KG, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06 zu den entscheidenden Passagen gelesen?

Dass die \"Marktpreise\" derzeit so hoch liegen, wie sie liegen, schließt doch schon logisch nicht aus, dass sie ceteris paribus bei kostenbasierter Preiskalkulation (die dort ja nicht erfolgt) jedenfalls niedriger liegen können als die Allgemeinen Preise der Grundversorgung.
...
Und die Sondervertragspreise könnten ceteris paribus bei kostenbasierter Preiskalkulation nun einmal niedriger liegen als die Grundversorgungspreise.
Ja, ich habe das Urteil des Kammergerichts gelesen und stimme Ihnen in Ihrer jetzigen Aussage auch zu.

Mein Widerspruch bezog sich aber auf Ihre obige Aussage,
Zitat
Original von RR-E-ft
Es wurde bereits ausgeführt, dass die Allgemneinen Preise der Grundversorgung höher liegen müssen, als die im Rahmen der Vertragsfreiheit angebotenen Preise, im Gasbereich schon wegen der unterschiedlich hohen KA (vgl. auch KG, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06).
und die besagte nun mal in ihrer Absolutheit was anderes denn müssen IST NICHT GLEICH können.  ;) Auch wenn Sie es mal aus Sicht der Grundversorgung und mal aus Sicht der SV betrachten.

Ob ich da also einen Denkfehler drin habe, wage ich mal zu bezweifeln.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #108 am: 13. Dezember 2010, 09:54:22 »
Wenn die Preise für die Belieferung im Rahmen der Vertragsfreiheit jedenfalls kostenbasiert niedriger kalkuliert werden können, so müssen die Allgemeinen Preise jedenfalls kostenbasiert höher kalkuliert werden als jene. Dies ergibt sich logisch auch aus §§ 2, 1 EnWG.

Und um mehr sollte es nicht gehen.

Offline PLUS

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 3.319
  • Karma: +6/-6
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #109 am: 13. Dezember 2010, 10:47:06 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Wenn die Preise für die Belieferung im Rahmen der Vertragsfreiheit jedenfalls kostenbasiert niedriger kalkuliert werden können, so müssen die Allgemeinen Preise jedenfalls kostenbasiert höher kalkuliert werden als jene. Dies ergibt sich logisch auch aus §§ 2, 1 EnWG.
Abgesehen von der willkürlich  mehrfach höheren KA sehe ich keine zwingende kostenbasierte höhere Preiskalkulation in der Grundversorgung. Eher das Gegenteil ist der Fall. Aber auch die KA ist durch nichts gerechtfertigt, erst recht nicht das mehrfache Abgreifen in der Gasgrundversorgung.

Den Grundversorgungspflichten stehen immer noch nicht zu unterschätzende Vorteile gegenüber.  Die Grundversorgten bilden nach wie vor eine leider träge und treue, gut kalkulierbare Masse dar. Hier wird richtig Geld (\"verdient\") abgeschöpft. Oft sind das ältere Mitbürger, Familien, die mit einem Wechsel aus unterschiedlichen Gründen nicht zurecht kommen. Es erschliesst sich mir nicht, warum die Lieferung von 12000 kWh für eine Familie in Miete in der Grundversorgung aufwändiger sein sollte als mit Sondervertrag. Nicht selten streitet man sich ja sogar vor Gericht, was da für ein Gas durch die Rohre geliefert wird. Edles Grundversorgergas mit höchster steuerfreier KA für die Kommune oder billiges Sondergas. Was dann abgeführt wird, steht nochmal auf einem anderen Blatt. ;)

Grotesk und unsozial sind noch schwache Bezeichnungen für diese Energiegesetze und Verordnungen und die angeblich damit zu begründenden Preiskalkulationen.

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #110 am: 13. Dezember 2010, 12:33:24 »
@PLUS

Fakt ist, dass ceteris paribus allein wegen der erhöhten KA und somit der höheren Netzentgelte die Grundversorgungspreise jedenfalls kostanbasiert höher kalkuliert werden müssen.
Der Grundversorger kann deshalb Preise, die er im Rahmen der Vertragsfreieheit anbietet, jedenfalls kostenbasiert günstiger kalkulieren und anbieten, vice versa.


Zitat
Original von PLUS

Den Grundversorgungspflichten stehen immer noch nicht zu unterschätzende Vorteile gegenüber.  Die Grundversorgten bilden nach wie vor eine leider träge und treue, gut kalkulierbare Masse dar.

Die Trägheit der Kundschaft ist bekanntlich dem Grundversorger nicht garantiert. Er muss sich immer auch auf den ungünstigsten Fall (worst case) einstellen.

Der Grundversorger kann deshalb auch nicht auf diese setzen, wenn es darum geht, allen Haushaltskunden, die er beliefern muss, jedenfalls eine möglichst sichere, preisgünstige, kosteneffiziente Belieferung zu garantieren. Weiter oben wurde versucht, die spezifischen Risiken der Grundversorgung herauszukristallisieren. Der Grundversorger muss ebenso damit rechnen, dass sehr viele Haushaltskunden aus der Grundversorgung  - gar zu anderen Lieferanten - abwandern, wie er ebenso damit rechnen muss, dass alle Haushaltskunden im Netzgebiet in die Grundversorgung zurückfallen. Er muss sich so einstellen, dass er jedenfalls darauf vorbereitet ist und seine gesetzliche Versorgungsaufgabe auch unter widrigsten Bedingungen erfüllen kann.

Ein Lieferant, der nur Verträge im Rahmen der Vertragsfreieheit anbietet, hat es aus genannten Gründen leichter, weil er sich seine Kunden aussuchen, seine Angebote maßschneidern und sich sogar auch kurzfristig aus einem Markt vollständig zurückziehen kann.

Offline Jagni

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 74
  • Karma: +0/-0
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #111 am: 13. Dezember 2010, 13:47:15 »
@ RR-E-ft

Sicher ist es eine freundliche Umschreibung, wenn Sie davon ausgehen, dass ich Sie missverstanden habe. Es ist aber wohl eher so, dass ich das Zusammenwirken von öffentlichem und privatem Recht noch nicht so richtig drauf habe.

(Ich schreibe jetzt in diesem Thread weiter, weil ich meine, dass hier ein unmittelbarer Zusammenhang besteht)


Wenn Sie aber meine irrige Annahme nun richtig stellen und sagen:

„Natürlich können Bestimmungen aus den gesetzlichen Regelungen, die für im Rahmen der Vertragsfreiheit abgeschlossene Verträge gesetzlich nicht gelten, in solche Verträge als Allgemeine Geschäftsbedingungen implementiert werden“,
 
dann denke ich im Sinne der  neue Rechtsprechung des VIII. Senats einmal weiter, wonach das gesetzliche Preisänderungsrecht, also das Verordnungsrecht,  „unverändert“  als Allgemeine Geschäftsbedingungen in einen Sondervertrag übernommen werden kann.

„Solche Verträge“ sind jetzt Verträge, die zwar noch im Rahmen der Vertragsfreiheit anfänglich  gestaltet wurden, im weitesten Umfange aber durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und damit durch Gedankengut aus dem öffentlichen Recht – EnWG - geprägt werden. Der Sondervertrag hat sich zum Normsondervertrag weiterentwickelt.

Daran knüpfe ich die Frage: Was ist unter dem gesetzlichen Preisänderungsrecht, z.B. aus § 5 Abs 2 der GasGVV, zu verstehen, das „unverändert“ übernommen wird?

Fällt darunter nur das Recht, die Preise nach oben und nach unten zu bewegen, oder fällt darunter auch das  Recht, die Leistung und damit den Inhalt der Veränderung zu bestimmen?

Ich meine, das gesetzliche Preisänderungsrecht beinhaltet beide Recht, denn schließlich eröffnet erst das einseitige Leistungsbestimmungsrecht unmittelbar den Weg zur Billigkeitskontrolle und die ist auch eine Inhaltskontrolle (Vertragsgerechtigkeit).

Wird nach der Rechtsprechung des VIII. Senats das gesetzliche Preisänderungsrecht „unverändert“ in einen Normsondervertrag übernommen und davon nicht zum Nachteil des Kunden abgewichen, stellt die Preisanpassungsklausel auch keine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs 2 Satz 1 oder 2 BGB dar. Die Billigkeitskontrolle wir als völlig ausreichend angesehen.

Dem Normsonderkunden steht jetzt die unmittelbare Anwendung des billigen Ermessens aus dem Gesetz heraus sowie der gesamte Inhalt, der sich aus dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht  entwickelt, zur Verfügung.
Der Normsondervertragskunde ist damit mit einem grundversorgten Kunden „gleichgemacht“. Lediglich die Versorgungspflicht ist noch hängen geblieben – in der Verordnung. Aber das wird sich dann auch noch ändern, wenn die Verordnung in ihrer Gesamtheit als AGB in den Normsondervertrag einbezogen wird.

Sind solche Gedankengänge ebenfalls irrig?

Gruß
Jagni

Offline PLUS

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 3.319
  • Karma: +6/-6
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #112 am: 13. Dezember 2010, 13:51:31 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Die Trägheit der Kundschaft ist bekanntlich dem Grundversorger nicht garantiert. Er muss sich immer auch auf den ungünstigsten Fall (worst case) einstellen.
....
Ein Lieferant, der nur Verträge im Rahmen der Vertragsfreieheit anbietet, hat es aus genannten Gründen leichter, weil er sich auch kurzfristig aus einem Markt vollständig zurückziehen kann.
@RR-E-ft, lassen wir mal die KA bei Seite. Es gibt heute Versorger, sogar aus der kommunalen Ecke, die bieten Sonderverträge mit zweijähriger Preisgarantie an, die den Verbraucher aber nicht binden.  Wenn sich was Besseres findet, kann sich der Verbraucher wie in der Grundversorgung verabschieden. Die Preise schlagen trotzdem jede Grundversorgung. Kein Grundpreis, Mehrere Monate Preisgarantie, Monatlich kündbar.

Das Risiko wird freiwillig in Kauf genommen und ist sicher kaufmännisch ordentlich einkalkuliert.

Die Einstellung auf den ungünstigsten Fall (worst case) bei der Grundversorgung hat nicht zur Folge, dass diese Extremrisiken sich permanent in der Kalkulation auswirken. Eine Risikovorsorge ist bei Nichteintritt des Risikos wieder aufzulösen. Bis jetzt jedenfalls sind die grundversorgten Verbraucher eine einträgliche träge Masse und per Saldo sehe ich keine relevanten Risikokosten, die einen merkbaren Unterschied zu Sondervertragspreisen rechtfertigen könnten. Die Vorteile, die der Grundversorger aus der \"trägen Masse\" zieht, sind auch hier mindestens gegenzurechnen. Auch ein Lieferant, der nur Verträge im Rahmen der Vertragsfreiheit anbietet, muss die Verträge einhalten. Dass der Grundversorger besondere Pflichten hat, ist unbestritten, dass diese die erheblich höheren Preise rechtfertigen bestreite ich mal hier und gegebenenfalls vor Gericht!  ;)

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #113 am: 13. Dezember 2010, 14:00:20 »
@Jagni

Die Welt sei klar geschieden in Tag und Nacht, Himmel und Erde, die belebte und die unbelebte Welt....
So soll der ursprüngliche Plan nach Überlieferungen ausgesehen haben.

Und auch wir sollten nach Möglichkeit klar unterscheiden.
 
Nämlich in Verträge einerseits, bei denen bei Vertragsabschluss ein (zunächst) feststehender Preis vereinbart wird (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46), was jedenfalls der vertraglichen Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts entgegensteht und deshalb die Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung ausschließt (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16) und in Verträge im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht (Grund- und Ersatzversorgung) andererseits, bei denen von Anfang an ein gesetzliches Preisbestimmungsrecht des Versorgers und eine Preisbestimmungspflicht des Versorgers  besteht (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18] und deshalb  Preisvereinbarungen mit einzelnen Haushaltskunden bei Lichte betrachtet sogar gesetzlich unzulässig und deshalb ausgeschlossen sind und auf diese gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers § 315 BGB unmittelbare Anwendung findet (wie oben ausgeführt).

Die Entscheidungen des Senats (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16) besagen im Umkehrschluss eindeutig, dass ein der Billigkeitskontrolle unterfallendes Preisbestimmungsrecht dann jedenfalls vertraglich nicht  vereinbart wurde, wenn sich die Parteien bei Verrtragsabschluss auf einen (zunächst) feststehenden Preis (BGH VIII ZR 320/07) geeinigt hatten, so wie dies auch dann der Fall, wenn bei Vertragsabschluss eine Preisvereinbarung getroffen wurde und zudem  ggf. eine Preisänderungsklausel wirksam in den Vertrag einbezogen wurde, nach welcher dieser Preis nachträglich abgeändert werden kann und welche ihrerseits der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB deshalb unterliegt, weil es sich gerade nur um eine Preisnebenabrede handelt, was einen vereinbarten Preis denknotwendig voraussetzt.  

Erweist sich diese vertragliche Preisnebenabrede bei dieser Inhaltskontrolle nach § 307 BGB  als unwirksam, verbleibt es jedenfalls bei dem ursprünglich vereinbarten Preis, der vertraglichen Preishauptabrede.

Würde sich hingegen wegen eines wirksam vertraglich vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrechts der einseitig bestimmte Preis bei der Inhaltskontrolle in unmittelbarer Anwendung des  § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB als unwirksam erweisen, bestünde kein vertraglich vereinbarter Preis, sondern es bestünde vielmehr die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit einer gerichtlichen Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Und erst diese führt zur letztlich gültigen Preisbestimmung.

Merke:

Eine Preisänderungsklausel ist immer Preisnebenabrede, ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB hingegen immer (i-m-m-a)  Preishauptabrede. Während die Preisnebenabrede in AGB der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterfällt, unterfällt ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht als Preishauptabrede immer der Inhaltskontrolle gem. § 315 BGB. Die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB ist niemals mit der Inhalstkontrolle gem. § 315 BGB identisch. Das eine schließt das andere regelmäßig aus, weil die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nun einmal schon eine Preisnebenabrede voraussetzt, die es bei einem vertraglich vereinbarten einseitigem Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB schon nicht gibt. So habe ich es jedenfalls seinerzeit bei den Vorlesungen an der Universität in Lichtstadt verstanden und als Grundsatz bei mir behalten. Woanders mag anderes gelehrt worden sein.  Fraglich wäre dann, welche Hohe Schule recht hat. Ich jedenfalls bekenne mich insoweit zu den Lehren der almer mater jenensis.

Ein vertraglich vereinbartes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht kann demnach nur vertragliche Preishauptabrede sein, taugt jedoch nicht als vertragliche Preisnebenabrede.
 

Wenn wir uns in diesem Grundsatz einig sind und zudem vorliegend diesen grundsätzlichen wie gravierenden Unterschied erst einmal klar erkannt und verinnerlicht haben, dann sollten wir auch unsere weiteren  Folgerungen daraus herleiten.

Hilfreich ist dabei wohl zudem die Erkenntnis, dass sich die (allein der Billigkeitskontrolle unterliegende) gesetzliche Preisbestimmungspflicht  des gesetzlich versorgungspflichtigen EVU (Grundversorgers) bereits aus §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG ergibt und etwa § 5 Abs. 2 GVV nur - jedoch mit gutem Grunde - in Abweichung von § 315 Abs. 2 BGB (wegen der damit sonst verbundenen Beweisschwierigkeiten und Kosten bei deren Vermeidung) nicht auf den Zugang von Willenserklärungen abstellt.

Das Gesetz sagt in § 36 Abs. 2 EnWG zudem klar, es kann jeweils nur ein EVU geben, welches die  (allein der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegende) gesetzliche Preisbestimmungspflicht trifft.

Die Sondernorm zur (allein der gesetzlichen Billigkeitskontrolle unterliegenden) gesetzlichen Preisbestimmungspflicht betrifft also nur Grundversorger im Sinne des § 36 Abs. 2 EnWG.

Ein Normsondervertrag ist nichts anderes als ein im Rahmen der Vertragsfreiheit abgeschlossener Energielieferungsvertrag, dessen Inhalt sich auch aus AGB- Klauselwerk ergibt, welches seinerseits der Inhaltskontrolle unterliegt und sich bei dieser als unwirksam erweisen kann (BGH VIII ZR 225/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08, VIII ZR 246/08].

Es handelt sich nicht um ein Problem der Unterscheidung öffentliches Recht/ Privatrecht, sondern um ein Problem allein aus dem Allgemeinen Schuldrecht des BGB.

Womöglich ist der Eindruck entstanden, ich würde hier zu den Bestimmungen der §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG ausführen und diese Bestimmungen seien dem Bereich des öffentlichen Rechts zugehörig.
Daraus ergäbe sich jedoch noch nichts für die vertragsrechtliche Ausgestaltung der Grundversorgungsverträge.

Grundversorgte Haushaltskunden vereinbaren bei Vertragsabschluss keinen (zunächst) feststehenden Preis. Für die Grundversorgungsverträge gelten gem. § 1 Grundversorgungsverordnung die Bestimmungen dieser als Allgemeine Bedingungen im Sinne des § 36 Abs. 1 EnWG. Das womöglich vermisste Element (missing link/ \"Transformationsriemen\") stellt § 1 Abs. 1 Satz 2 GVV dar, der die Bestimmungen der Verordnung zum Vertragsinhalt auch jedes Grundversorgungsvertrages bestimmt.

§ 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV bestimmt etwa, dass der Grundversorger die ihm möglichen Maßnahmen zu treffen hat, um dem Kunden am Ende des Netzanschlusses, zu dessen Nutzung der Kunde nach der Niederdruckanschlussverordnung berechtigt ist, zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört wohl denknotwendig auch schon  die Bestimmung der jeweiligen Allgemeinen Preise selbst. Das macht ja sonst niemand und der Grundversorger ist nun einmal zu deren Bestimmung gesetzlich verpflichtet.  

Die Belieferung soll nach der demnach auch vertragsgegenständlichen Regelung nicht zu einem vereinbarten Preis erfolgen, sondern zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen, die der Grundversorger zu bestimmen hat.  

Und dies ist ein klassisches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der jeweiligen Allgemeinen Preise (vertragliche Preishauptabrede), zu denen der Grundversorger jeden Haushaltskunden beliefern muss und auf die jeder Haushaltskunde in der Grundversorgung überhaupt nur Anspruch hat. Kein einziger grundversorgter Kunde kann sich demnach gegenüber dem Grundversorger auf einen vertraglich vereinbarten Preis berufen, weil ein solcher verbindlich schon nicht vertraglich vereinbart wurde bzw. vertraglich vereinbart werden sollte.

Man könnte demnach das einseitige Leistungsbestimmungsrecht in Bezug auf die jeweiligen Allgemeinen Preise in § 6 Abs. 1 GVV sehen (siehe auch  BGH VIII ZR  56/08 Rn. 20 Satz 3 )  
 
Wollte man einen Normsondervertrag in dem von Ihnen wohl verstanden Sinne annehmen, dann ergäbe sich wohl, dass auch bei diesen besonderen  Sonderverträgen bei Vertragsabschluss kein (zunächst) feststehender Preis, sondern von Anfang an ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46, VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, VIII ZR 81/08 Rn. 18] als vertragliche Preishauptabrede vertraglich vereinbart sei. Dann stellte sich jedoch auch dort nicht erst die Frage nach einer - der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegenden Preisänderungsklausel als Preisnebenabrede (vgl. nur BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 32).  

Vielmehr würde auch dort wegen der Preishauptabrede, die ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vorsieht, von Anfang an § 315 BGB unmittelbare Anwendung finden, weil die vertraglichen Voraussetzungen dafür vorliegen (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Dass es möglich ist, Sonderverträge abszuschließen, die als Preishauptabrede ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers vorsehen, hatte ich immer wieder ausgeführt.

Auch so etwas kann jedes Energieversorgungsunternehmen im Rahmen der Vertragsfreiheit anbieten.
Nur möge man sich dabei die Konsequenzen aus der unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB auf die Preisbestimmungen von Anfang an gewärtigen. Auch dabei kämen §§ 2, 1 EnWG zum Tragen.

Versorgeranwälte würden wohl deshalb dazu sagen, der Versorger hätte sich die Pest freiwillig an Bord geholt.  
Andere  würden deshalb wohl aus Versorgersicht vom größten anzunehmenden Unfall (GAU) sprechen wollen.  

Möglicherweise ist Black deshalb schon abgetaucht.


@PLUS

Freilich führt die worst case- Betrachtung nicht dazu, dass der schlechteste Fall auch kalkuliert wird. Aber die Risiken liegen nun einmal deutlich höher. Und diese höheren Risiken müssen sich auch in Form von Risikoaufschlägen in der kostenbasierten  Kalkulation wiederfinden.
 
Natürlich darf jeder Lieferant im Rahmen der Vertragsfreiheit auch Verträge anbieten, bei denen die Risiken noch weit höher liegen als in der Grundversorgung, etwa bei zweijähriger Vertragsbindung  mit Preisobergrenze. Aber darum geht es jedoch nicht, weil kein Lieferant solche Verträge mit noch höherem Risiko anbieten muss.  

Es geht allein darum, dass der Grundversorger ceteris paribus im Rahmen der Vertragsfreiheit  kostenbasiert jedenfalls  günstigere Preise anbieten kann, als dies in der Grundversorgung der Fall ist.

Offline Jagni

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 74
  • Karma: +0/-0
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #114 am: 13. Dezember 2010, 22:52:18 »
@ RR-E-ft



Zitat
RR-E-ft

Wollte man einen Normsondervertrag in dem von Ihnen wohl verstanden Sinne annehmen, dann ergäbe sich wohl, dass auch bei diesen besonderen Sonderverträgen bei Vertragsabschluss kein (zunächst) feststehender Preis, sondern von Anfang an ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46, VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, VIII ZR 81/08 Rn. 18] als vertragliche Preishauptabrede vertraglich vereinbart sei. Dann stellte sich jedoch auch dort nicht erst die Frage nach einer - der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegenden Preisänderungsklausel als Preisnebenabrede (vgl. nur BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 32).

Vielmehr würde auch dort wegen der Preishauptabrede, die ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vorsieht, von Anfang an § 315 BGB unmittelbare Anwendung finden, weil die vertraglichen Voraussetzungen dafür vorliegen (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Dass es möglich ist, Sonderverträge abszuschließen, die als Preishauptabrede ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers vorsehen, hatte ich immer wieder ausgeführt.

Das ist es, was ich der neuen Rechtsprechung des VIII. Senats entnehme.



Zitat
RR-E-ft

Auch so etwas kann jedes Energieversorgungsunternehmen im Rahmen der Vertragsfreiheit anbieten.
Nur möge man sich dabei die Konsequenzen aus der unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB auf die Preisbestimmungen von Anfang an gewärtigen. Auch dabei kämen §§ 2, 1 EnWG zum Tragen.

Und genau das ist mein Verständnis. Jeder Versorger, der das einseitige gesetzliche Preisänderungsrecht in Anspruch nimmt, muss sich dessen gewärtig sein.



Zitat
RR-E-ft

Versorgeranwälte würden wohl deshalb dazu sagen, der Versorger hätte sich die Pest freiwillig an Bord geholt.
Andere würden deshalb wohl aus Versorgersicht vom größten anzunehmenden Unfall (GAU) sprechen wollen.
Möglicherweise ist Black deshalb schon abgetaucht

Jedem meiner Versorger, den ich wegen seiner Preiserhöhungen aufgrund der EEG-Umlage auf seine Pflicht zur Berücksichtigung der rückläufigen Einkaufspreise hinweise und von ihm verlange, dass er auch die andere Seite des ihm vom Senat spendierten einseitigen Preisänderungsrecht zu beachten habe, stehen die Haare zu Berge. Davon will diese Nehmerelite nichts wissen.



Gruß
Jagni und Danke für die Vorlesung

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #115 am: 13. Dezember 2010, 23:13:22 »
@Jagni

Bitte gern.

Es wurde in der vorhergehenden Vorlesung unseres Telekollegs versucht, zu vermitteln, warum in der Grundversorgung als vertragliche Preishauptabrede ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (und kein bestimmter Preis) vereinbart ist, welches von Anfang an zur unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB führt. Damit ist das Lernziel umrissen.

Insbesondere wurde dabei  auf den bisher vermissten \"Transformationsriemen\" in § 1 Abs. 1 Satz 2 GVV verwiesen und herausgearbeitet, dass die deshalb vertragsgegenständliche Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 GVV auf eine  Preishauptabrede in Form eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts hindeutet.

Der Senat meint hingegen, auch in der Grundversorgung sei bei Vertragsabschluss zunächst ein feststehender Preis vereinbart und dieser vereinbarte Anfangspreis unterliege deshalb keiner Billigkeitskontrolle (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16). Der Senat meint ferner hingegen, bei bestimmten Normsonderverträgen folge aus der vollständigen Einbeziehung der Bestimmungen der AVBGasV/ GasGVV, insbesondere bei unveränderter Übernahme von § 4 AVBGasV/ § 5 GasGVV eine wirksame Preisänderungsklausel - mithin eine vertragliche Preisnebenabrede.

Der Senat geht also dabei jeweils von einer vertraglichen Preishauptabrede (bei Vertragsabschluss vereinbarter Preis) und einer Preisänderungsklausel als Preisnebenabrede aus.

Warum dies jedenfalls nach den Lehren der almer mater jenensis nicht übereingeht, sollte am Ende der vorhergehenden Unterrichtseinheit vermittelt worden sein:  

Die vertragliche Preishauptabrede kann in einem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht bestehen.
Es ist jedoch nicht möglich, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht den Inhalt einer vertraglichen Preisnebenabrede (Preisänderungsklausel) ausmacht.


Die Stoffkontrolle ergibt nun, dass der beabsichtigte Lerninhalt bisher leider nicht erfolgreich  vermittelt werden konnte, das Unterrichtsziel somit nicht erreicht ist.


Zitat
Original von Jagni
@ RR-E-ft



Zitat
RR-E-ft

Wollte man einen Normsondervertrag in dem von Ihnen wohl verstanden Sinne annehmen, dann ergäbe sich wohl, dass auch bei diesen besonderen Sonderverträgen bei Vertragsabschluss kein (zunächst) feststehender Preis, sondern von Anfang an ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46, VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16, VIII ZR 81/08 Rn. 18] als vertragliche Preishauptabrede vertraglich vereinbart sei. Dann stellte sich jedoch auch dort nicht erst die Frage nach einer - der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegenden Preisänderungsklausel als Preisnebenabrede (vgl. nur BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 32).

Vielmehr würde auch dort wegen der Preishauptabrede, die ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vorsieht, von Anfang an § 315 BGB unmittelbare Anwendung finden, weil die vertraglichen Voraussetzungen dafür vorliegen (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Dass es möglich ist, Sonderverträge abszuschließen, die als Preishauptabrede ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers vorsehen, hatte ich immer wieder ausgeführt.

Das ist es, was ich der neuen Rechtsprechung des VIII. Senats entnehme.


Gruß
Jagni und Danke für die Vorlesung


 
Was der Proband der neuen Rechtsprechung des VIII. Senats entnehmen möchte, ist dieser schon nicht zu entnehmen:

Der Senat spricht immer von Preisänderungsklausel, also vertraglicher Preisnebenabrede, niemals jedoch von vertraglicher Preishauptabrede in Form eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts.

Ein Repetitorium scheint deshalb angezeigt:

Die gesetzliche Regelung jedenfalls sieht eine vertragliche Preishauptabrede in Form eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts vor, §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG iVm. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 2 EnWG.

Insoweit entspricht die Rechtsprechung des Senats sowie seine manifestierte Rechtsauffassung (wonach dabei die Preishauptabrede ein vereinbarter Preis sei) jedenfalls nicht der Gesetzeslage.

Es gibt nach der gesetzlichen Regelung nur eine (allein der Billigkeitskontrolle unterfallende) gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers gem. §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG iVm. § 6 Abs. 1 Satz 2 GVV.

Ferner sind in diesem Bereich nach der gesetzlichen Regelung (die Billigkeitskontrolle ausschließende) Preisvereinbarungen mit Einzelkunden gesetzlich unzulässig und ausgeschlossen.

Der vertragsgegenständliche § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV verpflichtet den Grundversorger, die ihm möglichen Maßnahmen zu treffen, um dem Kunden am Ende des Netzanschlusses, zu dessen Nutzung der Kunde nach der Niederdruckanschlussverordnung berechtigt ist, zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen.

Eine der ersten Maßnahmen, zu denen der Grundversorger demnach im Grundversorgungsvertrag verpflichtet ist, besteht darin, unter Beachtung von §§ 2, 1 EnWG die jeweiligen Allgemeinen Preise einseitig festzusetzen. Das macht ja sonst auch  niemand für ihn und der Grundversorger ist nun einmal allein zu dieser Festsetzung gem. § 36 Abs. 1 EnWG gesetzlich verpflichtet.


Es ist rein gar nichts dafür ersichtlich, dass Versorger in Sonderverträgen eine solche gesetzliche Preisbestimmungspflicht in Anspruch nehmen (wollen), die vertragliche Preishauptabrede auch bei Sonderverträgen in einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht bestehen soll.  

Sie werden vielmehr im Rahmen der Vertragsfreiheit unter Gewinnmaximierungsgesichtspunkten Preise bilden und diese nur auf den ihnen genehmen  Märkten und dort  auch nur so lange anbieten (wollen), wie es ihren Profitmaximierungsinteressen dienlich ist.  

Die gesetzliche Grundversorgung sieht indes andere gesetzliche Verpflichtungen vor.

Es kann nur ein stetes Repetitorium anempfohlen werden, wenn das Klassenziel noch erreicht werden soll.  Üben, üben, üben .. Und viel Erfolg dabei! ;)

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #116 am: 14. Dezember 2010, 09:31:53 »
Zuweilen liegen die Fortschritte am Lehrkörper.
Zum besseren Verständnis wird das Skriptum wie folgt abgeändert:

Nach der gesetzlichen Regelung enthält der Grundversorgungsvertrag gem. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 2 GVV eine vertragliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers (vertragliche Preishauptabrede). Nach der vertragsgegenständlichen Regelung jedes Grundversorgungsvertrages ist der Grundversorger vertraglich verpflichtet, auch nach Vertragsabschluss den Preis einseitig zu bestimmen.

§ 315 BGB betrifft eben eine solche vertragliche Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils (vertragliche Preishauptabrede).

Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm:

\"Soll eine Partei nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen...\"

Die Parteien müssen vertraglich vereinbart haben, dass eine von ihnen verpflichtet ist, nach Vertragsabschluss den Preis zu bestimmen. Der Anwendungsbereich der Norm ist deshalb nicht eröffnet, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss [als vertragliche Preishauptabrede] einen Preis verbindlich vereinbart hatten (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Ein \"gesetzliches Preisänderungsrecht\" besteht nicht, weshalb wir den irreführenden Terminus sogleich aus unserem Gedächtnis verbannen wollen:
 
Ein Preisänderungsrecht (als vertragliche Preisnebenabrede) würde einen vereinbarten Preis (als vertragliche Hauptabrede) voraussetzen.

Nach der ger gesetzlichen Regelung in §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG iVm. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 2 GVV sind in diesem Bereich Preisvereinbarungen (als vertragliche Preishuaptabrede) gesetzlich unzulässig und deshalb ausgeschlossen.

Man sollte deshalb mit Bezug auf § 315 BGB aus Gründen der Klarheit tunlichst von einer vertraglichen Preisbestimmungspflicht sprechen, welche die vertragliche Preishauptabrede ausmacht.

Offline jofri46

  • Forenmitglied
  • Beiträge: 171
  • Karma: +0/-0
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #117 am: 14. Dezember 2010, 16:18:35 »
Ich übe, bin aber schon im Grundsatz stecken geblieben:

Der Grundversorger hat den Bezug von Gas zu angemessenen Bedingungen, d. h. möglichst preisgünstig und verbraucherfreundlich zu ermöglichen. Er bestimmt, zu welchen Bedingungen und zu welchen Tarifen das Gas verkauft wird. Dazu hat er alle ihm gesetzlich auferlegte Maßnahmen gem. EnWG und GasGVV getroffen, u. a. seine allgemeinen Bedingungen und allgemeinen Preise veröffentlicht und für den potentiellen Kunden zugänglich gemacht.

Das heißt, die gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers geht (aber auch nur) soweit, dass er alle Maßnahmen und Vorhaltungen zu treffen hat, die erst den Abschluss eines Grundversorgungsvertrages und anschliessend den Gasbezug ermöglichen.

Der Kunde ist nun so frei, dem Grundversorger den Abschluss eines Grundversorgungsvertrages anzutragen oder es sein zu lassen. Das Vertragsangebot (zu den allgemeinen Bedingungen und Preisen) geht also vom Kunden aus. Der Grundversorger ist verpflichtet, das Angebot anzunehmen, durch Bestätigung oder durch Belieferung.

Was ist das anderes als ein vorformulierter Standardvertrag einschl. einer Preisvereinbarung, zu dem sich der Kunde entschlossen und den er dem Grundversorger angetragen hat?

Ich verspreche, weiter zu üben...

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #118 am: 14. Dezember 2010, 16:38:01 »
@jofri46

Der gute Wille zählt schon viel. Er ist mir jedenfalls eine Freude.
Nur liegt beim Verständnis der Gesetzeslage wohl noch einiges im Argen.
Steht nur zu hoffen, dass solche Kenntnislücken nicht auch an maßgeblicher Stelle in EVU zu verzeichnen sind.

Eine Vertiefung scheint angezeigt. Hilfestellung anbei.

====================================================

Heute soll es uns nun um die ganze Schuld aller Grundversorger gehen.
Gewidmet den Kollegen vom Energiekombinat und den Städtischen Electricitäts- und Gaswerken.
 
Der Grundversorger trägt den Haushaltskunden zumeist in Form einer Realofferte einen Vertragsabschluss an.
Er ist zu einer solchen Offerte gesetzlich verpflichtet. Er schuldet diese allen (selbst nur potentiell) grundversorgungswilligen Haushaltskunden. Und die geschuldete Offerte darf schon keine beliebigen oder für den Grundversorger besonders günstigen Preisbestimmungen enthalten.  

Er ist dabei gesetzlich verpflichtet, solche Allgemeinen Preise festzusetzen und öffentlich bekannt zu geben [mithin für den Vertragsabschluss mit Haushaltskunden feilzubieten], die mit der gesetzlichen Verpflichtung des Versorgers aus §§ 2, 1 EnWG im Einklang stehen, folglich den grundversorgungswilligen Haushaltskunden tatsächlich eine möglichst sichere, möglichst preisgünstige, möglichst effiziente leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Gas ermöglichen.  

Der oftmals (konkludente) Vertragsabschluss durch Annahme vg. Realofferte [die ihrerseits dem vom Grundversorger Geschuldeten entsprechen muss] allein durch Energieentnahme gründet jedoch nicht auf einer verbindlichen Preisvereinbarung, sondern auf der vertraglichen Vereinbarung einer (auch) nach Vertragsabschluss geltenden Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers.

Dies ergibt sich m.E. bereits aus §§ 36 Abs. 1 EnWG, 2, 1 EnWG iVm. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 2 GVV.

Dem Grundversorger ist es gem. § 36 Abs. 1 EnWG verwehrt, im Bereich der Grundversorgung mit einzelnen Haushaltskunden Preise verbindlich zu vereinbaren.

Er ist vielmehr schon gesetzlich verpflichtet, in der Grundversorgung ausnahmslos jeden Haushaltskunden nur zu denjenigen jeweiligen Allgemeinen Preisen zu versorgen, die er selbst (und niemand sonst) [unter Beachtung der Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG] einseitig zu bestimmen und sodann öffentlich bekannt zu geben verpflichtet ist.

Die genannte Preisbestimmungspflicht ist dabei eine fortlaufende.
Insbesondere ist der Grundversorger von einer solchen Verpflichtung aus genannten Gründen nicht durch Preisvereinbarungen mit einzelnen Haushaltskunden entbunden.  

Er kann also gerade nicht darauf verweisen, er sei von der Verpflichtung zur Bestimmung der jeweiligen Allgemeinen Preise unter Beachtung von §§ 2, 1 EnWG entbunden, weil er ein bisheriges Preisniveau mit einzelnen Haushaltskunden vertraglich vereinbart habe. Er muss insbesondere weiterhin alle ihm möglichen Maßnahmen ergreifen, um noch kostengünstiger, noch effizienter zu werden und ist zudem verpflichtet, dabei gewonnene Kostenvorteile an die Kunden weiterzugeben (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Dem Grundversorger ist es folglich rechtlich verwehrt, sich auf einem hohen Preisniveau auszuruhen, weil solches schon mit keinem grundversorgten Haushaltskunden vertraglich vereinbart ist.

Antragen kann und darf der Grundversorger auch im Wege der o. g. Realofferte deshalb keine verbindlichen Preisvereinbarungen, sondern nur eine Versorgung zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen, zu deren Bestimmung er selbst (auch nach Vertragsabschluss) verpflichtet ist.

Bei Abschluss eines Grundversorgungsvertrages wird also kein feststehender Preis verbindlich vereinbart, sondern statt dessen eine auch nach Vertragsabschluss wirkende Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers.

Selbst wenn verbindliche Preisvereinbarungen mit einzelnen grundversorgten Haushaltskunden rechtlich zulässig wären, wüsste man ja auch schon nicht, was eine solche verbindliche Preisvereinbarung bewirken sollte.

Soll sie bewirken, dass sich einzelne grundversorgte Kunden gegen eine Preisneubestimmung des Versorgers, die auf Kostenerhöhungen beruht, ausnahmsweise darauf berufen können, dass die maßgeblichen Kostensteigerungen jedenfalls bereits vor dem konkreten Vertragsabschluss mit diesen selbst eingetreten waren?

Nicht ernsthaft diskutabel.

Soll sie bewirken, dass der Grundversorger, der infolge rückläufiger Kosten zur Preisneubestimmung verpflichtet ist, sich gegenüber einzelnen grundversorgten Kunden darauf berufen kann, diesen gegenüber sei er ausnahmsweise deshalb nicht zur Preisneubestimmung verpflichtet, weil die maßgeblichen Kostensenkungen jedenfalls bereits vor deren konkreten Vertragsabschluss eingetreten waren?

Ebenso nicht ernsthaft diskutabel.

Beides hätte zur Folge, dass der Grundversorger einzelne grundversorgte Kunden - abhängig vom Zeitpunkt des jeweiligen konkreten Vertragsabschlusses - zu unterschiedlichen Preisen zu versorgen hätte, zum einen weil er diesen gegenüber ausnahmsweise eine Preiserhöhung nicht vornehmen dürfte, zum anderen weil er diesen gegenüber ausnahmsweise zur Preisherabsetzung nicht verpflichtet sei.

Dies liefe aber schon eindeutig der gesetzlichen Verpflichtung zuwider, wonach Grundversorger ausnahmslos jeden grundversorgungswilligen Haushaltskunden zu den von von ihnen selbst festgesetzten und sodann öffentlich bekannt gemachten jeweiligen Allgemeinen Preisen versorgen müssen.

All dies ist gesetzlich unzulässig, weil nach der gesetzlichen Regelung die Versorgung  ausnahmslos jedes grundversorgungswilligen Haushaltskunden - unabhängig vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses -  ausschließlich zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen erfolgen muss, hinsichtlich derer den Grundversorger die Preisbestimmungspflicht trifft.

Und deshalb kann und darf der Grundversorger nach der gesetzlichen Regelung gar nicht anders, als mit allen grundversorgungswilligen Haushaltskunden - unabhängig vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses- vertraglich  zu vereinbaren,  dass die Versorgung zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen erfolgt, hinsichtlich derer ihn (allein) die Preisbestimmungspflicht trifft.

Der Grundversorger darf mit grundversorgungswilligen Haushaltskunden keine verbindlichen Preise vereinbaren, erst recht keine ihm besonders günstigen.

Zugleich sehen wir, wie weit sich der VIII.Zivilsenat des BGH  mit seiner in heftige Kritik geratenen \"Theorie vom vereinbarten Preis bzw. Preissockel\" von der materiellen Rechtslage in wenig verantwortlicher Weise entfernt hat (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 25). Vergleicht man die dortigen Aussagen des Senats mit der materiellen Rechtslage, erscheinen diese wie eine Farce.

Auch bei dem Abschluss eines Grundversorgungsvertrages  handelt es sich um einen solchen Vertragsabschluss-  man möge annehmen können in Reinstform, den der Gesetzgeber mit der klugen Regelung der vertraglichen einseitigen Leistungsbestimmungspflicht gem. § 315 Abs. 1 BGB schon vor Inkrafttreten des BGB im Blick hatte.

\"Soll die Leistung durch einen der Vertragsschließenden bestimmt werden...\"

Beim Grundversorgungsvertrag sollen die jeweiligen Allgemeinen Preise allein vom Grundversorger bestimmt werden und bestimmt sein, den Grundversorger (auch vertraglich) die Preisbestimmungspflicht treffen, §§ 6 Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 1 Satz 2 GVV, 17 Abs. 1 Satz 3 GVV, 36 Abs. 1 EnWG.

Und dass der Grundversorger zudem schon seiner Realofferte keine entgegen §§ 2, 1 EnWG gebildeten einseitig bestimmten und sodann öffentlich bekannt gegebenen  Allgemeinen Preise zu Grunde legen darf, bedarf wohl auch keiner weiteren Erörterung.

Bei Lichte betrachtet ist  sogar entsprechend gesetzlicher Regelung unzulässig, Allgemeine Preise entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG einseitig festzusetzen (zu bilden) und sodann öffentlich bekannt zu geben.

Der Grundversorger hat keine rechtliche Handhabe, den Haushaltskunden an wegen Verstoß gegen die gesetzlichen Verpflichtungen aus §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG unzulässig gebildeten Preisen festzuhalten, denn solche enstprechen nicht seiner gesetzlichen und vertragsgemäßen Schuld und sind deshalb gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unwirksam.
 
Der grundversorgte Haushaltskunde hat vielmehr Anspruch darauf, dass der Grundversorger seine Preisbestimmungspflicht ihm gegenüber in vertragsgemäßer und zugleich gesetzmäßiger Weise erfüllt, weil der Grundversorger die vertragsgemäße Preisbestimmung schuldet, und gerade  nicht irgendeine, ihm besonders genehme Preisbestimmung.

Die Pflicht des Grundversorgers erschöpft sich deshalb gerade  nicht darin, überhaupt Allgemeine Preise festzusetzen, sodann öffentlich bekannt zu geben und sodann jeden grundversorgungswilligen Haushaltskunden zu diesen (beliebig festgesetzten) Preisen zu versorgen.

Wohl der zentrale Irrtum einer ganzen Branche, ohne dass ersichtlich wäre, wer den wann wie eingepflanzt habe.

Selbst als ordentlicher Hörer von Energierechtsvorlesungen in Jena und Speyer, der zudem unter anderem  in der Bayernwerkgruppe eine gute juristische  Ausbildung genoss, bleibt mir festzustellen, dass alles Wissen insoweit durchaus  noch aus jener Zeit geschöpft werden  kann und deshalb  nicht ersichtlich ist, wann dieses Allgemeingut der Branche verlustig gegangen sein könnte. Fraglich also, wer dafür etwa verantwortlich zeichnet.


Zitat
Original von jofri46

Das heißt, die gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers geht (aber auch nur) soweit, dass er alle Maßnahmen und Vorhaltungen zu treffen hat, die erst den Abschluss eines Grundversorgungsvertrages und anschliessend den Gasbezug ermöglichen.

Insoweit besteht gerade der Irrtum.
Nicht ersichtlich, woher man das nehmen will.
Fraglich, ob man etwa entwöhnt sei, Gesetze (zumal das \"Grundgesetz der Energiewirtschaft\")  noch zu lesen.

Weil der Gesetzgeber deutlich gesehen hatte, dass Energieversorgungsunternehmen bis dahin die Zielsetzungen des § 1 EnWG oftmals als reine Gesetzeslyrik oder Programmatik abgetan und missachtet und ihrer daraus folgenden Verpflichtung nicht nachgekommen waren, wurde mit der Energierechtsnovelle 2005 in § 2 EnWG eine klare gesetzliche Verpflichtung für Energieversorgungsunternehmen verankert, eigentlich lediglich klarstellend, weil die gesetzliche Verpflichtung bereits zuvor bestand und von allen Energieversorgungsunternehmen bei der Preisbildung berücksichtigt werden musste (BGH, Urt. v. 02.10.91 VIII ZR 240/90 unter III 2 a = NJW-RR 92, 183, 184).

Wenn der Gesetzgeber aber nunmehr schon so unmissverständlich wie ihnen hilfreich die Verpflichtung der Energieversorgungsunternehmen benennt, so darf man diese doch nun nicht auch noch fortlaufend weiter \"unter den Tisch fallen\" lassen.

Sie verlangt Beachtung, insbesondere von Grundversorgern, weil nur hierdurch der vom Gesetzgeber gewollte besondere Schutz der Haushaltskunden überhaupt bewirkt werden kann.

Geschuldet ist vielmehr entsprechend der Verpflichtung eine Preisbestimmung unter tatsächlicher Beachtung der Verpflichtung aus  §§ 2, 1 EnWG.

Der Grundversorger schuldet seinen grundversorgten Kunden die Bestimmung derjenigen jeweiligen Allgemeinen Preise, welche diesen tatsächlich eine möglichst sichere, möglichst preisgünstige, möglichst effiziente leitungsgebunde Versorgung ermöglichen.

Der Grundversorger ist gem. § 6 Abs. 1 Satz 2, 1 Abs. 1 Satz 2 GVV  insbesondere darüber hinaus vertraglich verpflichtet, alle ihm möglichen Maßnahmen zu treffen, um noch kostengünstiger, noch effizienter zu werden und ist zudem verpflichtet, dabei gewonnene Kostenvorteile an die Kunden weiterzugeben (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Gesetzlich unzulässig und nicht vertragsgemäß und folglich unwirksam ist  deshalb die Bestimmung solcher Allgemeiner Preise, die etwa mit  Rücksicht darauf gebildet wurden,  dass ein kommunaler Versorger einen möglichst hohes Ergebnis  an den kommunalen Haushalt abzuführen hat, etwa weil die Schulen am Ort neue Dächer brauchen.

Die Preise müssen unter Außerachtlassung all solcher sachfremden Erwägungen ausschließlich so vom Grundversorger festgelegt werden, dass sie dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG tatsächlich entsprechen.

Nur dann werden sie vom Gesetz gebilligt und sind zugleich vertraglich zulässig, weil sie dem auch vertraglich Geschuldeten entsprechen.

Viel mehr besagen die gesetzlichen Bestimmungen bei Lichte betrachtet schon nicht.

Aus § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB ergibt sich noch, dass der grundversorgte Kunde im Falle einer gesetzlich wie vertraglich unzulässigen Preisbestimmung die vom Grundversorger geschuldete Preisbestimmung durch ein Gericht ersetzen lassen kann, weil die Allgemeinen Tarife von Anfang an gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Aber das konnte man sich wohl denken.

Unsere Rechtsordnung kennt auch sonst keinerlei gesetzlich Kontrahierungspflichtige, welche die Entgelte für ihre Leistungen nach Belieben festsetzen könnten. Auch zB. die Honorarforderungen von Patentanwälten unterliegen der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB.

Wie könnte es da wohl ausgerechnet bei grundversorgungspflichtigen  und somit kontrahierungspflichtigen Energieversorgungsunternehmen anders sein ?!  

=====================================

Nachdem wir nun vertiefend die gesetzlichen Regelungen abgehandelt haben, sollte für heute ersichtlich geworden sein, dass sich diese besonderen gesetzlichen Regelungen schwerlich in einen Sondervertrag im Rahmen der Vertragsfreiheit implementieren lassen.

Denn der Vertragsfreiheit ist die Verpflichtung zu einer Offerte, die zudem besondere  Kriterien erfüllen muss, völlig fremd.

Es sind wenige Energieversorgungsunternehmen ersichtlich, die im Rahmen der Vertragsfreiheit überhaupt verpflichtet sein könnten, tätig zu werden, Offerten zu machen.

Möglicherweise kann jemand ein solches Unternehmen benennen, wenn es sich denn finden ließe. Wem etwas dazu einfällt, der melde sich bitte.

Wurde dieser Unterschied auch verstanden, bin ich um so erfreuter.



Andernfalls gilt weiter Üben, üben, üben ... Und viel Erfolg dabei! ;)


Grüße aus Lichtstadt

Offline RR-E-ft

  • Rechtsanwalt
  • Forenmitglied
  • ***
  • Beiträge: 17.078
  • Karma: +15/-2
  • Geschlecht: Männlich
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #119 am: 15. Dezember 2010, 13:48:07 »
Für unseren Telekolleg- Aufbaukurs sei an Lektüre hochaktuell OLG Oldenburg, B. v. 14.12.10 Az. 12 U 49/07 dringlich empfohlen.

Der dortige Senat arbeitet auch für den ungeübten Leser zutreffend die gebotene Unterscheidung zwischen Recht und Pflicht heraus. Er zeigt auf, dass es kein gesetzliches Preisänderungsrecht für Versorger gibt, sondern nur eine Preisbestimmungspflicht.  Durch die falsche Verwendung von Termini entgegen dem Gebot der klaren Unterscheidung werde Verwirrung gestiftet, die zu Irrungen und Wirrungen - nicht nur bei den betroffenen Kunden - führen muss.

Auch § 315 BGB betrifft im Kern nur eine Leistungsbestimmungspflicht, auch wenn den klaren juristischen Verstand verwirrend in diesem Zusammenhang oft von einem einseitigen \"Leistungsbestimmungsrecht\" die Rede ist.  

§ 315 Abs. 1 BGB betrifft schon seinem Wortlaut nach eine Leistungsbestimmungspflicht.

\"Soll die Leistung durch einen der Vertragsschließenden bestimmt werden [Vertragspflicht], so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist [Pflicht, die bei der Ausübung der v. g. Vertragspflicht zu beachten ist].\"

Der betreffende Vertragsteil ist nicht nur verpflichtet, überhaupt die Leistung zu bestimmen, sondern darüber hinaus verpflichtet, sie der Billigkeit entsprechend zu bestimmen.

Eine Doppelverpflichtung, kein Recht.



Zitat
BGH, Urt. v. 18.10.07 III ZR 277/06 Rn. 20:

Die Prüfung, ob die Bestimmung der Höhe des Entgelts der Billigkeit entspricht, erfordert die Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragspartner und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.; BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90 - NJW-RR 1992, 183, 184 unter III. 1. m.w.N.;

Der Vertragszweck jedes Grundversorgungsvertrages liegt in einer möglichst sicheren, möglichst preisgünstigen, möglichst effizienten...leitungsbebundenen Versorgung mit Elektrizität bzw. Gas.

Die gesetzliche Grundversorgungspflicht bezweckt auch weiterhin einen besonderen Schutz der Haushaltskunden.

Die gesetzliche Regelung kennt nur diesem Zweck dienliche besondere Pflichten des Grundversorgers.

Rechte nehmen sich die Versorger oftmals unberechtigt heraus.
Man könnte auch sagen, sie machen sich die Welt, wie sie ihnen gerade gefällt. Recht haben sie damit und dabei jedoch nicht.

§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB bestimmt, dass nur dann, wenn diese Vertragspflicht zur Leistungsbestimmung vertragsgemäß erfüllt wurde, den von der Bestimmung betroffenen anderen Vertragsteil überhaupt eine wirksamen Verbindlichkeit trifft.

Kann es bessere verbraucherschützende gesetzliche Regelungen geben?
Ich meine, dass dies nicht möglich sei. Es kommt jedoch darauf an, die bestehenden gesetzlichen Regelungen noch besser anzuwenden.

Erforderlich dafür ist ein klares juristisches Verständnis von den gesetzlichen Regelungen, der Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers.

 
 

@Jagni
@jofri46

Zeit für eine weitere Stoffkontrolle.
Wir wollen alsbald in Klausur gehen.

Black ist schon abgetaucht, womöglich weil er seinem Klientel bisher  nur Verwirrendes zum Vortrag gebracht hatte.  


Grüße aus Lichtstadt

 

Bund der Energieverbraucher e.V. | Impressum & Datenschutz