@Christian Guhl
Die Problematik mit den konkludenten Willenserklärungen ist nicht ganz einfach zu verstehen.
Bei eine Willenserklärung kommt es nie darauf an, was der Erklärende gesagt hat, sondern immer darauf was der Empfänger der Erklärung verstanden hat. Wenn der Empfänger etwas anderes verstanden hat, als der Erklärende gesagt hat, so kann der Erklärende die Willenserklärung anfechten. Bei der Auslegung ist der Empfänger aber nicht frei, sondern er hat den tatsächlichen Willen des Erklärenden zu erforschen. Nur wenn ihm lediglich eine Deutung der Mitteilung möglich ist, ist die Erklärung wirksam abgegeben worden.
Dies ist besonders wichtig, wenn eine Handlung als Willenserklärung gedeutet wird. Bezahlt der Kunde eine Rechnung, so ist immer die Deutung möglich, dass der Kunde lediglich seine vertragliche Pflicht erfüllen und gar keine Willenserklärung zu dem Vertragsverhältnis abgeben wollte. Lediglich in dem Fall, dass über die Rechnung zuvor offener Streit geherrscht hat, oder eine Abrechnung eine Unklarheit enthält, die der Kunde kennt oder kennen musste, ist die Zahlung dieser Rechnung so zu werten, dass er die Rechnung damit anerkennt und der Streit beendet werden soll oder dass er auf die Aufklärung der Unklarheit verzichtet. Genau dies geschieht, wenn der Kunde eine Jahresabrechnung bezahlt, bei der eine zuvor einseitig vorgenommene Preiserhöhung eingeflossen ist. Mit der Zahlung ist die Aussage verbunden, dass die Unklarheit, ob die Preiserhöhung der Billigkeit entspricht für die Abrechnung keine Rolle mehr spielen soll. Die Zahlung kann bei verständiger Würdigung nicht anders interpretiert werden. Da der Kunde aber unter gewissen Umständen gesetzlich verpflichtet ist, auch eine möglicherweise unrichtige Abrechnung erst einmal zu bezahlen, bevor über den Widerspruch entschieden wurde, sagt der BGH, dass die Willenserklärung der Zahlung erst dann vollständig abgegeben wurde, wenn die Widerspruchsfrist abgelaufen ist.
Sieht man von der Wartefrist ab, ist dies das Rechtsinstitut des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses. Dieses wirkt aber nur für die Jahresabrechnung, die bezahlt wurde. Zukünftige Vereinbarungen können damit nicht getroffen werden. Aber mit der Zahlung wurde der einseitig erhöhte Preis vom Kunden eindeutig für die Vergangenheit akzeptiert.
Jetzt zieht der BGH die Tatsache heran, dass nach der GasGVV der Kunde einen Grundversorgungsvertrag abschließen kann, indem er einfach Gas aus dem Netz entnimmt. Es kommt dann ein Vertrag zu den allgemeinen Tarifen des Versorgers zustande. Genau das gleiche passiert, wenn der Kunde eine einseitig vorgenommene Preiserhöhung für die Vergangenheit akzeptiert hat, und in Zukunft wieder Gas entnimmt. Dadurch vereinbart er diesen Preis auch für die Zukunft. Er kennt die Preiserhöhung, er hat sie akzeptiert und kann sich in Zukunft nicht darauf berufen, dass er das nicht auch für das neu entnommene Gas getan hat.
Wenn der Versorger Sie in die Grundversorgung eingruppieren möchte, sie dem Preis widersprechen, und der Versorger die Belieferung nicht unterbricht, haben Sie zwei Möglichkeiten, wie Sie diese Handlung des Versorgers interpretieren können. Zum einen können Sie annehmen, dass der Versorger Ihren Widerspruch akzeptiert, und eine Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises vereinbart wird, oder Sie können es dahingehend interpretieren, dass der Versorger von einem Vertragsschluss durch Gasentnahme aus dem Netz ausgeht. Somit haben Sie keine eindeutig bestimmte Willenserklärung des Versorgers. Eine Vereinbarung in Ihrem Sinne kommt damit nicht zustande.
@Black
Apropos, was kommt den Ihrer Ansicht nach durch die Gasentnahme rechtstechnisch zustande? Wird der Sondervertrag zu neuen Konditionen fortgesetzt oder schließen die Parteien einen Grundversorgungsvertrag ab? Mit § 2 GasGVV kann schließlich nur ein Grundversorgungsvertrag abgeschlossen werden. Meinen Sie, dass der Kunde mit jeder Zahlung einer Jahresabrechnung den Willen hat, seinen Sondervertrag zu kündigen, um in die Grundversorgung zu fallen?
Sollten Sie an dem Sondervertrag festhalten, inwieweit müsste diese Analogie dann Auswirkungen auf andere Dauerschuldverhältnisse haben?