@reblaus
Was für ein Tohuwabohu.
Besteht im Verhältnis EVU- Letzverbraucher ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht , so ist das EVU gesetzlich verpflichtet, die Tarife der Billigkeit entsprechend zu bestimmen und diese auch anzupassen, wenn es den Kunden günstig ist = Preisabsenkung (BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26). Der Kunde, dem gegenüber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht, kann die Unbilligkeitseinrede erheben, vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV. Das aktuelle \"Prüfungsraster\" für eine solche Billigkeitskontrolle versucht BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 vorzugeben. Entscheidend ist dafür, ob es einen Kostenanstieg gab und worauf dieser ggf. gründet.
Dem Versorger kann das Berufen auf einen Kostenanstieg überhaupt nur soweit rechtlich abgeschnitten sein, wie er auf der Wirkung eines kartellrechtswidrigen Vertrages gründet. Im Übrigen fehlt es schon an der Kausalität.
Ein Kostenstieg gründet aber nur soweit auf der Wirkung eines (kartellrechtswidrigen) Vorlieferantenvertrages als dieser höher ausfällt, als es zur Anpassung an die Marktverhältnisse auf dem vorgelagerten Beschaffungsmarkt objektiv notwendig ist. Im Übrigen kann man sich nämlich den kartellrechtswidrigen Vertrag und dessen Wirkungen vollständig hinwegdenken, ohne dass sich am Ergebnis etwas ändert. Dann beruht der Anstieg insoweit gerade nicht auf den Wirkungen eines bestimmten Vertrages.
Bei einseitigem Leistungsbestimmungsrecht ist eine einseitige Preis(neu)festsetzung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich (besondere Form der Unwirksamkeit), wenn sie unbillig ist.
Dabei kann sich ergeben, dass vorgenommene einseitige Preisneufestsetzungen unbillig und unverbindlich waren. Die Unverbindlichkeit ist jedoch nur eine vorläufige, soweit nämlich noch eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB in Betracht kommt, soweit die Voraussetzungen einer Ersatzbestimmung nach dieser Norm vorliegen (vgl. BGH, Urt. v. 02.10.1991 - VIII ZR 240/90). Deswegen werden Zahlungsklagen des Versorgers bei unbilliger Tariffestsetzung auch nur als derzeit unbegründet abgewiesen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist es also möglich, bei einseitigem Leistungsbestimmungsrecht noch nachträglich zu einer erst dann verbindlichen werdenden Bestimmung zu gelangen, die gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB nach objektiven Maßstäben auf Antrag des einen oder des anderen Vertragsteils vom Gericht zu treffen ist. Der entsprechende Antrag kann auch vom Versorgungsunternehmen ausgehen (vgl. BGH, Urt. v. 02.10.1991 - VIII ZR 240/90). Die Verbindlichkeit ergibt sich bei einer gerichtlichen Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB erst mit der Rechtskraft des entsprechenden Gestaltungsurteils (vgl. BGH, Urt. v. 07.05.2005 - X ZR 60/04). Die Möglichkeit, dass der Versorger zulässigerweise noch einen Antrag nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB stellt, wurde wohl ausgeblendet.
Es kommt weder auf einen konkreten Vorlieferantenvertrag noch auf eine darin enthaltene Preisklausel an, sondern ausschließlich auf die objektiven Marktverhältnisse auf dem vorgelagerten Gasbeschaffungsmarkt (BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 43). Deshalb kann es ja gerade dahinstehen, ob der konkrete Vorlieferantenvertrag nun kartellrechtswidrig und insgesamt nichtig war oder aber nicht. Entscheidend ist doch, ob man das Gas (ohne den kartellrechtswidrigen Vorlieferantenvertrag) auf dem vorgelagerten Gasbeschaffungsmarkt günstiger hätte beschaffen können.
War der Wert der importierten Ware Erdgas an der deutschen Grenze entsprechend nominal gestiegen und war eine Anpassung an dieses Marktpreisniveau erforderlich und konnte der ggf. so vermittelte Kostenanstieg nicht durch rückläufige Kosten bei anderen preisbildenden Faktoren (Netzentgelte usw.) ausgeglichen werden?
Das macht die Sache schon deshalb leicht, weil ein objektivierter bzw. objektiver Marktpreis auf dem vorgelagerten Beschaffungsmarkt und dessen Entwicklung niemandes Geschäftsgeheimnis sein kann.
Wenn einzelne Stadtwerke (Jena) bereits seit 2006 Gas zu Fixpreisen bezogen haben, können sie selbsteredend nicht einen Preisanstieg auf dem vorgelagerten Gasbeschaffungsmarkt zum Anlass für einseitige Preiserhöhungen gem. § 315 Abs. 1 BGB nehmen, weil sie dadurch unbillig ihren Gewinnanteil erhöhen würden.