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Autor Thema: Kartellrecht  (Gelesen 53874 mal)

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Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #45 am: 03. April 2009, 21:25:35 »
Sie können offensichtlich schneller tippen als denken.

Offline RR-E-ft

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Kartellrecht
« Antwort #46 am: 03. April 2009, 21:28:57 »
Zitat
Original von reblaus
Wenn in einem langlaufenden Liefervertrag die Preiserhöhungsklausel unwirksam ist, und der Versorger als erste Preisänderung die Preise gesenkt hat, steht ihm ein Anspruch nach § 812 BGB zu.

Da fehlt mir irgendwie immer noch ein Puzzlestein.

Setzen wir einen kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen ihren Versorger einfach mal voraus, weil Sie alle Voraussetzungen für einen solchen sowieso  beweisen können.

Wie beziffern Sie dann den daraus resultierenden Schadensersatzanspruch im konkreten Fall, mit dem dann möglicherweise eine Verrechnung erfolgen könnte, soweit nicht etwa Aufrechnungsverbote entgegenstehen?

Entsprechende Fragen sind seit einem Monat in der Welt.

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #47 am: 04. April 2009, 08:08:47 »
Zitat
Original von RR-E-ft Entsprechende Fragen sind seit einem Monat in der Welt.
...und wurden mit dem übernächsten Beitrag am folgenden Tag auch beantwortet.

Offline RR-E-ft

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Kartellrecht
« Antwort #48 am: 07. April 2009, 21:19:14 »
Wie man den resultierenden Schadensersatzanspruch im konkreten Einzelfall berechnen und beziffern soll, ist nicht ersichtlich.
Für eine Geltendmachung ist es jedoch zwingend  erforderlich, einen solchen Anspruch nachvollziehbar konkret zu beziffern.

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #49 am: 09. April 2009, 10:36:03 »
@RR-E-ft
Sie waren in Ihren Erkenntnissen schon mal weiter.
Zitat
Original von RR-E-ft vom 13.03.2009
Ihr Ansatz kann ggf. dann erfolgversprechend sein, wenn ein Versorger einen Bezugskostenanstieg auf vertragliche Regelungen in einem langfristigen Bezugsvertrag mit nur einem Vorlieferanten stützt, der wiederum wegen Verstoß gegen Art. 81 EGV, § 1 GWB unwirksam ist und mit ihm die Regelung über Preisänderungen.

Gleiches gilt, wenn im Übrigen Bezugsverträge bestanden, die nach ihrem Bezugsmengen- Laufzeit- Gerüst demnach kartellrechtswidrig waren.

Solche Verträge verstießen nach der Auffassung des BKartA gegen Art. 81 EGV und § 1 GWB. Diese Auffassung wurde vom OLG Düsseldorf und wohl auch vom BGH in der Entscheidung vom 10.02.2009 - KVR 67/07 bestätigt.
Die zwei Entscheidungen des OLG Düsseldorf vom 20.10.2006 Az. VI-2 Kart 1/06 (V) und 4.10.2007 Az.VI-2 Kart 1/06 (V) sind unter http://www.justiz.nrw.de/RB/nrwe2/index.php veröffentlicht.

Eine Mindestliefermenge von 250 MWh ist keine Tatbestandsvoraussetzung für einen Verstoß gegen Art. 81 EG, § 1 GWB.

Wird eine Preiserhöhung an den Endverbraucher auf die Erhöhung der Bezugskosten gestützt, und ist der die Bezugskostenerhöhung regelnde Vertrag kartellrechtswidrig, ist die Preiserhöhung gegenüber dem Endverbraucher nichtig. Insoweit ist gar keine Billigkeitsprüfung erforderlich. Es gibt auch keinen anderweitig konkludent vereinbarten Preis zwischen Versorger und Endverbraucher, da auch eine solche Vereinbarung nichtig wäre, weil sie ebenfalls gegen das Gesetz verstoßen würde. Damit wird bei einem Grundversorgungsvertrag die letzte nicht durch den kartellrechtswidrigen Vertrag ausgelöste Preiserhöhung zum vereinbarten Preis. Beim Sondervertrag gilt dies entsprechend, wenn eine wirksame Preiserhöhungsklausel vereinbart wurde. Ist schon die Erhöhungsklausel unwirksam, wirkt sich die Nichtigkeit der Preiserhöhungen nur im Bereich der Verjährung aus.

Die Ansprüche auf Erstattung zu viel bezahlter Beträge wegen der Nichtigkeit der Preiserhöhungen verjähren in drei Jahren nach Kenntnis der Tatbestandsvoraussetzungen und unabhängig davon in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Wer erst nach dem 1.01.2006 Kenntnis von den kartellrechtswidrigen Bezugsverträgen erlangt hat, kann alle seit Mitte 1999 zuviel bezahlten Beträge zurückfordern.

Die Nichtigkeit von Preiserhöhungen vor 1999 verjährt nicht. Kann dem Versorger nachgewiesen werden, dass alle Preiserhöhungen seit dem 29.04.1998 (Beginn des Kartells) nichtig waren, ist der vor dem 29.04.1998 geltende Preis der auch später vereinbarte Preis. Lediglich die Rückforderung der vor Mitte 1999 bezahlten Beträge ist gehemmt.

Fraglich ist, ob der Verbraucher neben dem Nachweis der Kartellrechtswidrigkeit der Bezugsverträge auch nachweisen muss, ob diese ursächlich für die Preiserhöhungen waren. Hier sehe ich die Beweispflicht eher beim Versorger. Die typische und gewollte Folge eines Kartells ist es, die Marktpreise nach oben zu manipulieren. Die Ursache einer Preiserhöhung liegt weiterhin in der Sphäre des Versorgers, so dass dort auch die Beweislast angesiedelt sein sollte.

Bei einer Preiserhöhung nach Zerschlagung des Kartells zum 30.09.2007 umfasst der mindestens der Billigkeitsprüfung unterworfene Erhöhungsbetrag die Differenz zwischen neuem und dem letzten wirksam erhöhten Preis.

Ein Schadensersatzanspruch nach § 33 GWB wird angesichts der oben gemachten Ausführungen in vielen Fällen gar nicht vorhanden sein, da es schlicht weg an einem Schaden fehlen dürfte. Soweit er dennoch bestehen sollte, z. B. weil der eigene Versorger keinen kartellrechtswidrigen Bezugsvertrag abgeschlossen hat, oder die angedachte Beweislastumkehr bei der Kausalität für die Preiserhöhung nicht durchgreifen sollte, wurde die Berechnung des Schadens bereits erörtert.
Zitat
Original von reblaus vom 6.03.2009 Beim Schadensersatz nach § 33 GWB hat das Gericht die Tatumstände so zu bewerten, wie sie sich aus der bestandskräftigen Entscheidung der Kartellbehörde ergeben. In jedem einzelnen Beschluss des Bundeskartellamts sind die Teilnehmer an dem Kartell namentlich aufgeführt. Hinzu kämen die Regionalgasversorger die solche Verträge schuldhaft abgeschlossen haben, was nachgewiesen werden müsste. Alle Teilnehmer sind Gesamtschuldner. Bei der Dauer wird nicht ganz klar, ob das Kartell schon seit dem 29.04.1998 (Liberalisierung der Energiemärkte) besteht. Beweisschwierigkeiten dürften sich aus der Feststellung des Schadens ergeben. So unüberwindlich halte ich das allerdings nicht. Wir haben die Steigerungen der Grenzübergangspreise und die Preissteigerungen beim Endverbraucher. Dann kennen wir die Kosten der Durchleitung, daraus berechnet sich ein gigantischer Betrag der in den vergangenen Jahren kassiert wurde, ohne dass ich irgendeine Leistung erkennen kann, die diese Summe rechtfertigen könnte. Das ist der Ausbeutungsgewinn. Und diesen kann man gem. § 33 GWB als volkswirtschaftlichen Schaden ansetzen. Dieser wäre durch den Gesamtverbrauch zu dividieren und mit dem Verbrauch des Klägers zu multiplizieren. Wenn das Kartell seit 1998 besteht, sind sämtliche Gewinne zwischen dem 29.04.1998 und dem 30.09.2007 betroffen. Dass ein Sachverständiger zu dem Ergebnis kommt, dass ein Schaden überhaupt nicht entstanden ist, halte ich für abwegig.
Es dürfte nicht sinnvoll sein, dass Einzelne ihren Schadensersatzanspruch separat geltend machen.

Offline RR-E-ft

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Kartellrecht
« Antwort #50 am: 09. April 2009, 11:26:49 »
@reblaus

Die Kartellrechtswidrigkeit eines langfristigen Vorlieferantenvertrages lässt die Wirksamkeit des Vertrages zwischen Energieversorgungsunternehmen und Letztverbraucher und darin enthaltener Preisänderungsklauseln grundsätzlich unberührt. Letztere sind wirksam oder unwirksam (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 und Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06).

Im Rahmen einer Billigkeitskontrolle ließe sich ggf. dem Argument gestiegener Bezugskosten im Vorlieferantenverhältnis der Boden entziehen.

Der BGH stellt dabei aber schon  selbst nicht mehr auf einen tatsächlichen Bezugskostenanstieg ab, sondern nur auf einen solchen, der im Vorlieferantenverhältnis zur Anpassung an die Marktverhältnisse überhaupt nur notwendig war (BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07).

Stellt man auf die Großhandelspreise und monatlichen BAFA- Erdgasimportpreise (Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze) ab, so waren diese aber auch nicht statisch, sondern variabel.

Die nominale Steigerung der Großhandelspreise auf dem vorgelagerten Großhandelsmarkt (aber auch nur diese!) wäre also [ohne Kompensationsmöglichkeit bei anderen preisbildenden Faktoren wie Netzentgelten] auch dann beim Letzverbraucher angekommen, wenn es die Langfristverträge zwischen Importeuer und Regionalversorger usw. in der Lieferkette ab deutscher Grenze nicht gegeben hätte, das Gas auf dem vorgelagerten Großhandelsmarkt frei beschafft worden wäre.

Es ist also nicht so, dass es ohne die kartellrechtswidrigen Langfristverträge keine Preisänderungen bei den Letzverbrauchern gegeben hätte, wo diese aufgrund einseitiger Leistungsbestimmungsrechte zulässig waren. Sie wären für die Letztverbraucher nur deutlich günstiger ausgefallen.

Darauf zu schließen, dass die Kartellrechtswidrigkeit eines Vorlieferantenvertrages per se jede Berechtigung zur einseitigen Preisanpassung bei bestehendem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht  entfallen ließe und deshalb jedenfalls die alten Letzverbraucherpreise weitergelten müssten, ist nicht angezeigt. Es wäre vielmehr daran zu denken, ob nicht etwa die Vorsaussetzungen für eine gerichtliche Neubestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB im konkreten Fall vorliegen.

Die Probleme sind sinnvollerweise bereis im Rahmen einer Unbilligkeitseinrede im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV abzuhandeln.

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #51 am: 09. April 2009, 14:08:15 »
@RR-E-ft
Ich habe nicht behauptet, dass sich aus der Nichtigkeit eines Bezugsvertrages auch die Nichtigkeit eines Liefervertrages an den Endverbraucher ergibt. Ihr Einwand irritiert insoweit.

Die Nichtigkeit eines Bezugsvertrages erstreckt sich gem. Art. 81 Abs. 2 EG auf sämtliche Wirkungen die aus dem nichtigen Vertrag entstehen (EuGH Slg. 2001, I-6297, Rn. 22 = GRUR 2002, 367). Wenn der Versorger eine Preiserhöhung vornimmt, die auf der Erhöhung seiner Bezugskosten basiert, die wiederum aufgrund eines nach Art. 81 EG nichtigen Vertrages vorgenommen wurde, so ist die Preiserhöhung an den Endverbraucher eine Wirkung des nichtigen Bezugsvertrages und damit ebenfalls nichtig. Dies schließt nicht aus, dass der Versorger die Preise möglicherweise aus anderen Gründen hätte erhöhen können. Weist der Versorger z. B. nach, dass er für die Kalkulation der Preiserhöhung sich nicht auf die Erhöhung der Bezugskosten, sondern auf die Erhöhung der Personalkosten gestützt hat, so ist die Preiserhöhung wirksam, jedenfalls insoweit gestiegene Personalkosten nicht durch gesunkene Kosten an anderer Stelle aufgefangen werden konnten.

Stützt der Versorger seine Preiserhöhung sowohl auf gestiegene Bezugskosten als auch auf Kostensteigerungen in anderen Bereichen, käme eine Teilnichtigkeit in Betracht, so dass die Preiserhöhung nur in Höhe der Kostensteigerungen aus anderen Bereichen wirksam vorgenommen worden wäre. Die zum 1.01.2003 gestiegene Erdgassteuer könnte so umgelegt werden.

Alle Kostensteigerungen die sich bereits auf der Vorlieferantenstufe ergeben, bleiben bei der Preisfestsetzung für den Endverbraucher ohne Belang. Diese Kostensteigerungen wären bei gesetzmäßigem Vorgehen der Gaswirtschaft über die Preisgleitklausel im Bezugsvertrag weitergegeben worden. Da die Preisgleitklausel nichtig ist, existieren auch keine Kostensteigerungen. Es können auch keine bereicherungsrechtlichen Kostensteigerungen hergeleitet werden, da bei einer schuldhaften Teilnahme an einem Kartell bereicherungsrechtliche Ansprüche nach § 817 BGB ausgeschlossen sind. Die Kostenbelastungen aus der Sanktion des § 817 BGB entstehen nicht aufgrund der Gaslieferungen an den Endverbraucher sondern aufgrund der illegalen Teilnahme an einem Kartell. Die Kosten von illegalem Verhalten einer Geschäftsführung sind aber nicht auf den Verbraucher abwälzbar, sondern bei den verantwortlichen Personen als Schadensersatz geltend zu machen.

Alles andere wäre nur im Wege einer Umdeutung der Preiserhöhung nach § 140 BGB zu bewerkstelligen. Nur dann käme man dennoch zu einer Billigkeitsprüfung. Die Umdeutung ist bei sittenwidrigen Rechtsgeschäften aber ausgeschlossen.

Die Kostensteigerungen auf der Vorlieferantenstufe, soweit sie sich auch im Rahmen eines rechtmäßigen Marktgeschehens ergeben hätten, müssen nur bei einem Anspruch auf Schadensersatz berücksichtigt werden

Offline RR-E-ft

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Kartellrecht
« Antwort #52 am: 09. April 2009, 14:16:33 »
@reblaus

Sie meinen wohl, ohne die kartellrechtswidrigen Langfristverträge hätte es keine Bezugskostenveränderung gegeben.

Auch bei einer Beschaffung am freien vorgelagerten Gasbeschaffungsmarkt hätten sich die Beschaffungskosten verändert, weil sich der Wert der importierten Ware Erdgas an der deutschen Grenze verändert hat. Die dadurch begründete Änderung der Beschaffungskosten gründet also gerade nicht auf der Kartellrechtswidrigkeit langfristiger Vorlieferantenverträge, sind insoweit wohl also  nicht Resultat der Wirkung nichtiger Verträge.

Im Rahmen des Vertragsverhältnisses EVU - Letztverbraucher besteht entweder ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und es findet allein deshalb eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB statt oder es besteht kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und es findet deshalb keine Billigkeitskontrolle statt (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06). Wo schon kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht und allein deshalb einseitige Preisneufestsetzungen unwirksam sind, kommt es gerade nicht erst darauf an, ob es überhaupt einen Kostenanstieg gab und worauf dieser ggf. gründete (BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 und Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06).

Findet jedoch im Vertragsverhältnis EVU- Letzverbraucher demnach überhaupt  eine Billigkeitskontrolle statt (Tarifkundenverhältnis), spielt es bei dieser eine entscheidende Rolle, ob es überhaupt einen Kostenanstieg gab und worauf dieser ggf. gründete. Dabei spielt eine Rolle, ob tatsächlich gestiegene Bezugskosten überhaupt im Vorlieferantenverhältnis für eine Anpassung an die Marktverhältnisse notwendig waren oder nicht (BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 43).

Die Marktverhältnisse auf dem vorgelagerten Gasbeschaffungsmarkt ergeben sich objektiv aus der monatlichen Entwicklung des Wertes der importierten Ware Erdgas an der deutschen Grenze.

Die Langfristverträge im Inland (und nur diese) wurden wegen der marktabschottenden Wirkung für kartellrechtswidrig erklärt und nicht wegen der darin enthaltenen Preisklauseln (vgl. BGH, B. v. 10.02.2009 - KVR 67/07).

Was es in diesem Zusammenhang mit der Umdeutung einer Preiserhöhung gem. § 140 BGB und § 817 BGB auf sich haben soll, erschließt sich mir nicht.

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #53 am: 09. April 2009, 14:47:48 »
Ich weiß sehr wohl, dass es beim Import eine erhebliche Steigerung der Rohstoffkosten gegeben hat. Aufgrund der Nichtigkeit seiner Preiserhöhung ist der Gasversorger aber aus rechtlichen Gründen davon abgeschnitten, diese Kostensteigerungen an den Endkunden weiterzugeben.

Eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB findet nur statt, wenn der Versorger eine einseitige Preisbestimmung vorgenommen hat. Da die vorgenommene Preisbestimmung aber nichtig ist, hat der Versorger keine Preisbestimmung vorgenommen, so dass eine Billigkeitskontrolle überhaupt nicht erforderlich ist.

Wenn man Ihrer Ansicht folgen würde, müsste sich der Versorger darauf berufen können, dass es unbillig sei, dass er keine Preisbestimmung vorgenommen habe, oder besser noch, dass die Nichtigkeit seiner Preisbestimmung unbillig sei. Der Unbilligkeitseinwand kann aber doch demjenigen nicht zugestanden werden, der den Preis einseitig bestimmt.

Allenfalls könnte der Verbraucher einwänden, dass auch der seit 1998 geltende Preis unbillig sei, und abgesenkt werden müsse. Er wird ja wohl nicht einwänden wollen, dass der geltende Preis unbillig sei und erhöht werden müsse, da die Importpreise für Erdgas zwischenzeitlich gestiegen sind.

Ist Ihrer Ansicht nach eine Preisgleitklausel weiterhin gültig, wenn der gesamte Liefervertrag nichtig ist?

Offline RR-E-ft

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Kartellrecht
« Antwort #54 am: 09. April 2009, 15:04:24 »
@reblaus

Was für ein Tohuwabohu.

Besteht im Verhältnis EVU- Letzverbraucher ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht , so ist das EVU gesetzlich verpflichtet, die Tarife der Billigkeit entsprechend zu bestimmen und diese auch anzupassen, wenn es den Kunden günstig ist = Preisabsenkung (BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26). Der Kunde, dem gegenüber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht, kann die Unbilligkeitseinrede erheben, vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV. Das aktuelle \"Prüfungsraster\" für eine solche Billigkeitskontrolle versucht BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 vorzugeben.  Entscheidend ist dafür, ob es einen Kostenanstieg gab und worauf dieser ggf. gründet.

Dem Versorger kann das Berufen auf einen Kostenanstieg überhaupt nur soweit rechtlich abgeschnitten sein, wie er auf der Wirkung eines kartellrechtswidrigen Vertrages gründet. Im Übrigen fehlt es schon an der Kausalität.

Ein Kostenstieg gründet aber nur soweit auf der Wirkung eines (kartellrechtswidrigen) Vorlieferantenvertrages als dieser höher ausfällt, als es zur Anpassung an die Marktverhältnisse auf dem vorgelagerten Beschaffungsmarkt objektiv notwendig ist. Im Übrigen kann man sich nämlich den kartellrechtswidrigen Vertrag und dessen Wirkungen vollständig hinwegdenken, ohne dass sich am Ergebnis etwas ändert. Dann beruht der Anstieg insoweit gerade nicht auf den Wirkungen eines bestimmten Vertrages.
 
Bei einseitigem Leistungsbestimmungsrecht ist eine einseitige Preis(neu)festsetzung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich (besondere Form der Unwirksamkeit), wenn sie unbillig ist.
Dabei kann sich ergeben, dass vorgenommene einseitige Preisneufestsetzungen unbillig und unverbindlich waren. Die Unverbindlichkeit ist jedoch nur eine vorläufige, soweit nämlich noch eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB in Betracht kommt, soweit die Voraussetzungen einer Ersatzbestimmung nach dieser Norm  vorliegen (vgl. BGH, Urt. v. 02.10.1991 - VIII ZR 240/90). Deswegen werden Zahlungsklagen des Versorgers bei unbilliger Tariffestsetzung auch nur als derzeit unbegründet abgewiesen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist es also möglich, bei einseitigem Leistungsbestimmungsrecht noch nachträglich zu einer erst dann verbindlichen werdenden Bestimmung zu gelangen, die gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB nach objektiven Maßstäben auf Antrag des einen oder des anderen Vertragsteils vom Gericht zu treffen ist. Der entsprechende  Antrag kann auch vom Versorgungsunternehmen ausgehen (vgl. BGH, Urt. v. 02.10.1991 - VIII ZR 240/90). Die Verbindlichkeit ergibt sich bei einer gerichtlichen Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB  erst mit der Rechtskraft des entsprechenden Gestaltungsurteils (vgl. BGH, Urt. v. 07.05.2005 - X ZR 60/04). Die Möglichkeit, dass der Versorger zulässigerweise noch einen Antrag nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB stellt, wurde wohl ausgeblendet.

Es kommt weder auf einen konkreten Vorlieferantenvertrag noch auf eine darin enthaltene Preisklausel an, sondern ausschließlich auf die objektiven Marktverhältnisse auf dem vorgelagerten Gasbeschaffungsmarkt (BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 43). Deshalb kann es ja gerade dahinstehen, ob der konkrete Vorlieferantenvertrag nun kartellrechtswidrig und insgesamt nichtig war oder aber nicht. Entscheidend ist doch, ob man das Gas (ohne den kartellrechtswidrigen Vorlieferantenvertrag) auf dem vorgelagerten Gasbeschaffungsmarkt günstiger hätte beschaffen können.

War der Wert der importierten Ware Erdgas an der deutschen Grenze entsprechend nominal gestiegen und war eine Anpassung an dieses Marktpreisniveau erforderlich und konnte der ggf. so vermittelte Kostenanstieg nicht durch rückläufige Kosten bei anderen preisbildenden Faktoren (Netzentgelte usw.) ausgeglichen werden?

Das macht die Sache schon deshalb leicht, weil ein objektivierter bzw. objektiver Marktpreis auf dem vorgelagerten Beschaffungsmarkt und dessen Entwicklung niemandes Geschäftsgeheimnis sein kann.

Wenn einzelne Stadtwerke (Jena) bereits seit 2006 Gas zu Fixpreisen bezogen haben, können sie selbsteredend nicht einen Preisanstieg auf dem vorgelagerten Gasbeschaffungsmarkt zum Anlass für einseitige Preiserhöhungen gem. § 315 Abs. 1 BGB nehmen, weil sie dadurch unbillig ihren Gewinnanteil erhöhen würden.

Offline reblaus

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« Antwort #55 am: 09. April 2009, 16:36:36 »
Zitat
Original von RR-E-ft Was für ein Tohuwabohu.
...was Sie da anrichten.

Stimmen Sie mir wenigstens dahingehend zu, dass die einseitige Preisfestsetzung des Versorgers ein Rechtsgeschäft ist? Wenn dem nicht so ist, was soll es denn dann Ihrer Ansicht nach sein?

Sollten Sie mir zustimmen, dass die Preisfestsetzung ein Rechtsgeschäft ist, würden Sie mir dann auch zustimmen, dass auch dieses Rechtsgeschäft nichtig sein kann?

Nur zur Erinnerung:
Zitat
§ 138 Abs. 1 BGB Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
Wenn Sie nach wie vor der Ansicht sind, eine einseitige Preisfestsetzung könne niemals nichtig sein, auf welches Gesetz gründen Sie Ihre Annahme, dass § 138 BGB auf einseitige Preisfestsetzungen des Versorgers nicht anwendbar ist?

Sollten Sie mir aber darin zustimmen, dass einseitige Preisfestsetzungen im Prinzip auch nichtig sein können, so stellen Sie sich mal für einen Augenblick vor, es sei so. Und dann stellen Sie sich weiter vor, was für eine Rechtsfolge eine solch nichtige Preisfestsetzung hätte. Und wenn Sie dann immer noch zu dem Ergebnis kommen, dass diese nichtige Preisfestsetzung grundsätzlich auf ihre Billigkeit hin überprüft werden müsse, dann muss ich bei dem Versuch, es Ihnen zu erklären, kapitulieren.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #56 am: 09. April 2009, 16:45:13 »
@reblaus

Man muss sich eine \"Richter- Skala\" vorstellen.
 
Bevor man die Tatbestandsvoraussetzungen von Sittenwidrigkeit und Wucher überhaupt nur erreicht, ist Unbilligkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB schon längst gegeben, vgl. zB. Braband \"Strompreise zwischen Privatautonomie und staatlicher Kontrolle\" Diss. Jena 2001 m.w.N..  

Dass § 315 BGB einen weit besseren Schutz verschafft als §§ 134, 138 BGB es ermöglichen könnten,  sieht man möglicherweise an der Entscheidung OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2008.

Wenn in einem konkreten Vertragsverhältnis ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht und deshalb § 315 BGB unmittelbare Anwendung findet, dann beteht in § 315 BGB eine speziellere gesetzliche Regelung. Und die Regelung des § 315 Abs. 3 BGB besteht nun einmal aus zwei Sätzen und kennt das Korrektiv der gerichtlichen Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.

Offline reblaus

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« Antwort #57 am: 09. April 2009, 17:05:23 »
Neben der Nichtigkeit bleibt der § 315 BGB natürlich weiter anwendbar.

Das von Ihnen zitierte Urteil betrifft aber einen Spezialfall, in dem der Versorger überhaupt keine Zahlen vorgelegt hat, und würde auch nur dann Anwendung finden, wenn die Rechtsprechung des BGH zum Sockelpreis aufgegeben würde, oder durch die Hintertüre ausgehebelt werden könnte. :D Soweit diese Rechtsprechung aber fortbesteht, und der Versorger Zahlen offenlegt, kommen Sie mit der Nichtigkeit in der Regel zu einer höheren Rückforderung.

Zitat
Original von RR-E-ft Wenn in einem konkreten Vertragsverhältnis ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht und deshalb § 315 BGB unmittelbare Anwendung findet, dann beteht in § 315 BGB eine speziellere gesetzliche Regelung.
Lex spezialis könnte § 315 BGB zu § 138 BGB nur dann sein, wenn § 138 BGB das allgemeinere Gesetz für die in § 315 BGB geregelten Fälle wäre. § 138 BGB regelt aber den Tatbestand des sittenwidrigen Rechtsgeschäfts und nicht den Tatbestand der Preisbestimmungen.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #58 am: 09. April 2009, 17:12:29 »
Zitat
Original von reblaus
 § 138 BGB regelt aber den Tatbestand des sittenwidrigen Rechtsgeschäfts und nicht den Tatbestand der Preisbestimmungen.

§ 315 BGB regelt nicht den Tatbestand der einseitigen Preisbestimmung, sondern der einseitigen Leistungsbestimmung, undzwar da, wo im konkreten Vertragsverhältnis ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht. Das kann auch das Direktionsrecht des Arbeitgebers sein.

Zitat
Original von reblaus
Neben der Nichtigkeit bleibt der § 315 BGB natürlich weiter anwendbar.

Wie sieht denn die \"natürliche Anwendung\" des § 315 Abs. 3 BGB dabei nun konkret aus, insbesondere mit Rücksicht auf BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26 ?

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #59 am: 09. April 2009, 17:16:25 »
Ich habe gegen die von Ihnen vertretene Auslegung des § 315 Abs. 3 BGB keine Einwände.

Selbstverständlich kann sich der Verbraucher auch darauf berufen, dass der Versorger sein Preisanpassungsrecht wahrnehmen müsse, um Preissenkungen weiterzugeben, obwohl er dadurch einen finanziellen Nachteil erfährt. Niemand soll gezwungen sein, die unverhofften und unter normalen Bedingungen auch ungerechtfertigten finanziellen Vorteile einer nichtigen Preisanpassung zu seinem Vorteil gelten zu lassen.

Es soll in Hamburg Kaufleute geben, die es als außerordentlich unschicklich empfinden, einer Forderung die Einrede der Verjährung entgegen zu halten. In diesen Kreisen ist man der Auffassung, dass ein Ehrenmann bezahlt, was er bestellt hat.

 

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