Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Kartellrecht  (Gelesen 50155 mal)

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Offline reblaus

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Kartellrecht
« am: 04. März 2009, 15:22:55 »
Bei der Verwirkung kommt es doch auch darauf an, dass der Gasversorger darauf vertrauen darf, der Kunde werde seine Rechte nicht mehr geltend machen. Dieses Vertrauen ist aber nicht berechtigt, wenn der Versorger nicht redlich war.

In der Gaspreisdiskussion wurde zwar viel über Missbrauch der Marktstellung, Monopole etc. gewettert, der entscheidende Beschluss des BGH, B. v. 10.02.2009 KVR 67/07 hierzu ist aber still und leise hingenommen worden.

Schon im Laufe des Jahres 2007 hat das Bundeskartellamt sämtlichen Gasimporteuren und allen regionalen Ferngasgesellschaften untersagt, aus bestehenden langfristigen Lieferverträgen mit Orts- oder Regionalgasunternehmen zukünftig irgendwelche Rechte geltend zu machen. Insgesamt sind von den Beschlüssen 67% des Gasverbrauchs in Deutschland betroffen. Sämtliche Beschlüsse sind auf den Internetseiten des Bundeskartellamts veröffentlicht (liest sich wie ein Krimi).

Da die Lieferverträge auch von den Regional- und Ortsgasunternehmen unterschrieben wurden, kann man davon ausgehen, dass sich diese zumindest fahrlässig an dem Gaskartell beteiligt haben. Wenn dem so ist, steht aber jedem Verbraucher ein Schadensersatzanspruch nach § 33 GWB gegen seinen Gasversorger zu.

Da die Verjährungsfrist erst nach Bestandskraft der Beschlüsse des Bundeskartellamtes im Herbst 2007 zu laufen beginnt, können sich all die Gasversorger, die an dem Kartell beteiligt waren, nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen, solange die Schadensersatzansprüche aus ihrem Fehlverhalten noch nicht verjährt sind.

Wer nicht weiß, ob der Liefervertrag des eigenen Gaswerks von den Beschlüssen des Kartellamtes betroffen ist, kann sich dort ja mal informieren.

Offline RR-E-ft

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Kartellrecht
« Antwort #1 am: 04. März 2009, 16:04:09 »
@reblaus

Dis Diskussion, die Sie hier aufmachen, betrifft etwaige kartellrechtliche Schadensersatzansprüche der Kunden marktbeherrschender Gasversorgungsunternehmen gem. §§  33, (29) GWB. Solche haben mit unserer Diskussion an dieser Stelle nichts zu tun. Denn es geht ja nicht darum, wann solche auf das Wettberbsgesetz gestützten Schadensersatzansprüche der betroffenen Kunden verwirkt sind.

Offline Black

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Kartellrecht
« Antwort #2 am: 04. März 2009, 16:13:27 »
Zitat
Original von reblaus
Da die Lieferverträge auch von den Regional- und Ortsgasunternehmen unterschrieben wurden, kann man davon ausgehen, dass sich diese zumindest fahrlässig an dem Gaskartell beteiligt haben. Wenn dem so ist, steht aber jedem Verbraucher ein Schadensersatzanspruch nach § 33 GWB gegen seinen Gasversorger zu.

Wer sich von einem (mutmaßlichen) Monopolisten beliefern läßt nimmt  fahrlässig an einem Kartell teil?
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Kartellrecht
« Antwort #3 am: 04. März 2009, 17:16:20 »
@Black

Wer soll sich in diesem Zusammenhang von welchem Monopolisten beliefert lassen haben?

Oft bestehen seit langem parallele Leitungen verschiedener Gasgroßhändler nebeneinander, etwa in Thüringen EVG und Wingas.

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #4 am: 04. März 2009, 17:17:31 »
Nein, nein! Das Thema dieser Diskussion interessiert mich schon ungemein.

Wenn die Billigkeitseinrede nicht verwirkt ist entsteht nämlich kein Schaden. Diese Lösung würde ich daher vorziehen.

Der Gasversorger stützt sich bei seiner angeblich billigen Preiserhöhung auf gestiegene Bezugspreise. Wenn aber sein Bezugsvertrag mit dem Vorlieferanten wegen Verstoßes gegen Art. 81 EG nichtig ist, trifft ihn daran ein zumindest fahrlässiges Mitverschulden, weil er den Vertrag unterzeichnet hat (EuGH Slg. 2001, I-6297, Rn. 26 = GRUR 2002, 367). Aufgrund dieses Fehlverhaltens wird er in aller Regel nicht redlich sein, und kann sich nicht auf die Verwirkung der Billigkeitseinrede berufen.

Anderenfalls wäre der Verbraucher auf die Geltendmachung von Schadensersatz angewiesen. Dies würde aber die Durchsetzung seiner Rechte aus Art. 81 EG schon aus Beweisgründen übermäßig erschweren und gegen den Effektivitätsgrundsatz des EuGH verstoßen.

@ Black

Verträge die den Gasbezug von 100% des Belieferten umfassen und länger als zwei Jahre Laufzeit haben, oder mindestens 80% des gesamten Gasbezuges umfassen und eine Laufzeit von mehr als vier Jahren haben und zusätzlich ein Lieferumfang von mindestens 250 GWh Gas vereinbart wurde verstoßen wegen Marktverschlusses gegen Art. 81 EG, § 1 GWB und sind nichtig.

Wenn der Vorstandsvorsitzende eines Ortsgasunternehmens mit vorgehaltener Waffe  gezwungen wurde einen solchen Vertrag zu unterzeichnen, und anschließend ins Verlies gesteckt wurde, um kein Gericht anrufen zu können, dann ist dieses Gasunternehmen vollkommen unschuldig. Bei allen anderen bin ich mir da nicht so sicher.

Eigentlich sollte das jeden Gasverbraucher zum Jubeln bringen.

Offline RR-E-ft

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Kartellrecht
« Antwort #5 am: 04. März 2009, 17:22:26 »
@reblaus

Ein vertraglich vereinbarter Gaspreis kann kartellrechtswidrig überhöht sein und deshalb einen kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch des betroffenen Einzelkunden begründen.
Das ist aber wieder eine vollkommen andere Schiene, muss auch zu einem anderen Gericht, nämlich dem Kartellgericht.

Rechtsgutachten Professor Markert.

Bitte die Diskussion darüber an dieser Stelle nicht vertiefen, wo es um die Anfechtung konkludenter Willenserklärungen geht.

Offline ESG-Rebell

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Kartellrecht
« Antwort #6 am: 04. März 2009, 19:01:54 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Bitte die Diskussion darüber an dieser Stelle nicht vertiefen, wo es um die Anfechtung konkludenter Willenserklärungen geht.
Ich stimme RR-E-ft zu.
Sie dürfen jederzeit - und sollten auch - einen anderen Thread mit Ihrer Fragestellung eröffnen.

In Form eines einleitenden Beitrags können Sie ja nochmal ihre kartellrechtlichen Betrachtungen zusammenfassen.

Ich bin sicher, dass dieses Thema auch diskutiert werden wird.

Gruss,
ESG-Rebell.

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #7 am: 05. März 2009, 10:01:29 »
@ RR-E-ft

Ihr Problem ist, dass Sie den Sachverhalt nicht begreifen. Sie wissen zwar dass die Gasversorger gemeinschaftlich an den Preisen drehen. Sie haben aber keine Ahnung davon wie die das genau anstellen. Sie erkennen den Sachverhalt noch nicht einmal, wenn man ihn vor Ihrer Nase ausbreitet.

Wie soll aber ein Richter die §§ 138, 142, 242, 315 BGB richtig auslegen, wenn die Anwälte mangels Kenntnis der tatsächlichen Umstände nur unsubstantiiert vortragen? Wenn es dann schief geht, wird über den Vorsitzenden Ball gewettert. Tatsächlich haben es aber die Anwälte verbockt.

Es mag ja sein, dass Sie mit Ihrer Methode einem biederen Stadtwerker den einen oder anderen Tausender wieder abluchsen können. E.ON wird aber von Freshfields, Bruckhaus, Deringer vertreten, und macht sich in der gleichen Zeit mit Milliarden vom Acker.

Wer glaubt er sei schon klug genug, und müsse nichts Neues mehr erfahren, soll halt weiter den Feldwebel spielen, aber sich dann nicht wundern warum es manche bis zum General schaffen. Alle anderen brauchen nur einen der Beschlüsse des Bundeskartellamts und das zitierte Urteil des EuGH durchzulesen. Beides ist im Internet in deutscher Sprache veröffentlicht. Danach wird die Anwendung des BGB ganz leicht.

Für Ihre Urteilssammlung bin ich Ihnen aber unabhängig davon sehr dankbar. Das erleichtert die Arbeit ungemein.

Offline Thomas S.

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Kartellrecht
« Antwort #8 am: 05. März 2009, 10:15:15 »
@reblaus

Es scheint endlich mal ein wenig vertiefend in die richtige Richtung zu gehen...

(RR-E-ft und Black kommen doch nicht so recht zu einem greifbaren Ergebnis  :D )

Die Frage, die sich mir sofort aufdrängt: wie kommt man an solche Informationen heran, um substantiiert im konkreten Fall zum eigenen Versorger vorzutragen, der über zwei Ecken zu einem großen Teil E.ON gehört?

Theoretisch ganz schön, aber in der Praxis...  X(

Man kann ja nicht so ohne Weiteres einen Vertrauten gewinnen, der einem aussagekräftige Unterlagen verschafft.

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #9 am: 05. März 2009, 11:54:31 »
@Thomas S.

Wenn es sich um ein Tochterunternehmen von E.ON handelt, d. h. die Beteiligung mindestens 50,1 % ausmacht, sollte das schon ausreichen. Es gibt den Beschluss des Bundeskartellamts und den Beschluss des BGH dazu. Daraus lässt sich beweisen, dass E.ON Mitglied dieses Kartells war. Das wirkt sich auch auf das Tochterunternehmen aus. Für die Einrede der Unbilligkeit oder der fehlenden Verwirkung reicht das aber noch nicht.

Im Rahmen der Billigkeitsprüfung wird der Gasversorger irgend etwas dazu vortragen müssen, wie sich seine Bezugspreise verändert haben. Dazu gehört doch wohl mindestens, dass er den Namen seiner Lieferanten preisgibt, und ob die Laufzeit der Bezugsverträge zwei oder gar vier Jahre überschreiten. Die Vorlage des Jahresabschlusses sollte doch auch noch zumutbar sein. In meinem Fall wurde mir im Testat des Wirtschaftsprüfers arglos mitgeteilt, dass der Versorger seinen gesamten Gasbezug von der Gasversorgung Süddeutschland GmbH erhält, und die Verträge lang laufend sind, aus dem Zusammenhang ergab sich, dass sie mindestens vier Jahre laufen. Da mein Versorger auch noch sehr stolz darauf ist, was für hohe Gewinne das Management jährlich erwirtschaftet, hat er sämtliche Jahresabschlüsse der vergangenen Jahre auf seiner Internetseite veröffentlicht. Dort rühmt er sich in der GuV nicht nur der beständig sinkenden Kosten für Personal, Abschreibungen, Zinsen etc. sondern dient in fast schon devoter Haltung umfangreiche Informationen zur Menge des bezogenen Gases pro Jahr aufgeteilt nach Privatkunden, Firmenkunden und Weitervertrieb an. Damit sollte es ein Leichtes sein, die vom Bundeskartellamt beschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 81 EG, § 1 GWB zu beweisen. (Man kann damit noch manch anderes zumindest substantiiert bestreiten)

Die GuV und die Bilanz ist im übrigen zumindest beim örtlichen Handelsregister hinterlegt.

Meines Erachtens benötigen Sie diese Unterlagen aber nur, wenn Sie eine Willenserklärung wegen Irrtums über die Kartellbildung anfechten wollen. Den Tatbestand der Billigkeit und der Verwirkung hat der Versorger zu beweisen. In diesem Fall sollte ausreichen, wenn Sie substantiiert darlegen, dass dieses Kartell bestanden hat, dass der Gasbezugsvertrag Ihres Versorgers vermutlich davon betroffen ist, und welche Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen. Dann muss der Versorger beweisen, dass er überhaupt einen wirksamen Gasbezugsvertrag hat, und im Falle der Verwirkung, dass er trotz seiner Verfehlung darauf vertrauen durfte, dass der Kunde die Billigkeitseinrede nicht mehr erheben werde.

Offline RuRo

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Kartellrecht
« Antwort #10 am: 05. März 2009, 13:06:54 »
Zitat
Original von reblaus
... In diesem Fall sollte ausreichen, wenn Sie substantiiert darlegen, dass dieses Kartell bestanden hat, dass der Gasbezugsvertrag Ihres Versorgers vermutlich davon betroffen ist, und welche Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen. Dann muss der Versorger beweisen, dass er überhaupt einen wirksamen Gasbezugsvertrag hat, und im Falle der Verwirkung, dass er trotz seiner Verfehlung darauf vertrauen durfte, dass der Kunde die Billigkeitseinrede nicht mehr erheben werde.

Rein interessehalber:

Wievielen erstinstanzlichen Verhandlungen zum Preisanpassungsrecht eines Versorgers haben Sie aktiv oder passiv  beigewohnt?

Mein Erfahrungsschatz beläuft sich auf drei Verhandlungen. Ich versichere Ihnen, nicht ein einziger Richter dieser Verhandlungen hätte sich auf Ihre Argumentation eingelassen.
Leiderln hoits z\'sam, sonst gehts nimma recht lang

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #11 am: 05. März 2009, 17:36:12 »
@ RuRo

Bei keiner.

Ich gebe zu, dass es einfacher ist, wenn der Tatbestand bewiesen werden kann. Es soll außerdem noch Gasversorger geben, die ihren Kunden redlich nach bestem Vermögen einen günstigen Preis einräumen. Die zehn günstigsten Gasversorger Deutschlands werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht an diesem Kartell teilgenommen haben.

Ganz ohne Argumente stehen Sie aber dennoch nicht da.

Bundeskartellamt Beschluss B8-113-06 vom 13.01.2007 gegen Bayerngas GmbH, München (sie kommen doch aus Bayern, oder?)

Zitat
(…)
7. Festgestellt werden konnte, dass rund 75% der erfassten Lieferverträge von Ferngasunternehmen mit Regional- und Ortsgasunternehmen so genannte wirtschaftliche Gesamtbedarfsdeckungs- oder Quasi-Gesamtbedarfsdeckungsverträge darstellen. Eine wirtschaftliche Gesamtbedarfsdeckung entspricht einem Liefervertrag über 100 % des Bedarfs des Kunden, und zwar unabhängig davon ob dies im Vertrag konkret vereinbart ist oder ob sich die Bedarfsdeckungsquote faktisch aus dem statistisch zu erwartenden Bedarf des Kunden ergibt. Eine wirtschaftliche Quasi-Gesamtbedarfsdeckung ist in einem Vertrag zu sehen, der mehr als 80% des Bedarfs deckt. Ein kleinerer Teil der von der Beschlussabteilung abgefragten Lieferverträge betrifft Liefervolumina von mehr als 50% bis einschließlich 80% . Alle vorgenannten Verträge haben Laufzeiten von über vier Jahren, sei es ab Vertragsschluss oder sei es ab Liberalisierung des Gassektors (29. April 1998).

8. In Bezug auf die Betroffene hat die Erhebung ergeben, dass von ihren Vertragsbeziehungen nahezu bei jedem Vertrag die an Weiterverteiler kontrahierten Liefermenge je nach Gasjahr um die 80% des Bedarfs des jeweils belieferten Weiterverteiler liegt ( bei Liefermengen von 80 – 100% geht die Beschlussabteilung von Quasi-Gesamtbedarfsdeckungsverträgen aus). Alle Lieferverträge haben eine Laufzeit von mehr als vier Jahren.
(…)
13. Am 13. Januar 2006 hat das Bundeskartellamt mit sofort vollziehbarem Beschluss gegenüber der E.ON Ruhrgas AG im Wege des Musterverfahrens festgestellt, dass die zwischen dieser und Regional- und Ortsgasunternehmen geschlossenen Erdgaslieferverträge gegen  Art. 81, 82 EG und § 1 GWB verstoßen, und dies mit einer Abstellungsaufforderung zum  30. September 2006 sowie mit Vorgaben für den Abschluss künftiger Verträge verbunden.
(…)
17. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 hat die Betroffene die im Anhang zu diesem Beschluss aufgeführten Verpflichtungszusagen gemäß § 32 b GWB angeboten.
(…)
20. Soweit bei bestehenden Verträgen mit einer Deckung des tatsächlichen Vertriebsbedarf des Abnehmers von über 80 % und einem Gesamtvertriebsbedarf von mehr als 250 GWh pro Jahr die Gesamtlaufzeit mehr als zwei Jahre beträgt und über das Gaswirtschaftsjahr 2006/07 (Ablauf am 30. September 2007) hinausreicht, enden derartige Verträge mit dem 30. September 2007.
(…)

Nahezu wortgleiche Beschlüsse sind im Jahr 2007 gegen alle (meines Wissens) Ferngasunternehmen ergangen. Sie sind alle unter Entscheidungen auf der Homepage des Bundeskartellamts veröffentlicht.

Wenn Sie sich zusätzlich die Entscheidung des EuGH Slg. 2001, I-6297, Rn. 26 = GRUR 2002, 367 anschauen, sollte so ein Unterfangen nicht so aussichtslos sein, wie Sie befürchten. (Entscheidung veröffentlicht unter http://www. curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=de; dort unter Az. „C-453/99“ eingeben).

Zitat
(Art. 85 geändert in Art. 81!)
(…)
21 Die Bedeutung dieser Bestimmung hat die Verfasser des EG-Vertrags im Übrigen dazu veranlasst, in Artikel 85 Absatz 2 EG-Vertrag ausdrücklich anzuordnen, dass die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse nichtig sind (siehe Urteil Eco Swiss, Randnr. 36).

22 Diese Nichtigkeit, die von jedem geltend gemacht werden kann, hat das Gericht zu beachten, sofern der Tatbestand des Artikels 85 Absatz 1 erfuellt ist und die betroffene Vereinbarung die Gewährung einer Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag nicht rechtfertigen kann (zu dem letztgenannten Punkt siehe u. a. Urteil vom 9. Juli 1969 in der Rechtssache 10/69, Portelange, Slg. 1969, 309, Randnr. 10). Da die Nichtigkeit nach Artikel 85 Absatz 2 absolut ist, erzeugt eine nach dieser Vorschrift nichtige Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern keine Wirkungen und kann Dritten nicht entgegengehalten werden (siehe Urteil vom 25. November 1971 in der Rechtssache 22/71, Béguelin, Slg. 1971, 949, Randnr. 29). Darüber hinaus erfasst diese Nichtigkeit die getroffenen Vereinbarungen oder Beschlüsse in allen ihren vergangenen oder zukünftigen Wirkungen (siehe Urteil vom 6. Februar 1973 in der Rechtssache 48/72, Brasserie de Haecht II, Slg. 1973, 77, Randnr. 26).

23 Drittens hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag und 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) in den Beziehungen zwischen Einzelnen unmittelbare Wirkungen erzeugen und unmittelbar in deren Person Rechte entstehen lassen, die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben (siehe Urteile vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 127/73, BRT/SABAM, genannt BRT I\", Slg. 1974, 51, Randnr. 16, und vom 18. März 1997 in der Rechtssache C-282/95 P, Guérin automobiles/Kommission, Slg. 1997, I-1503, Randnr. 39).
(…)
26 Die volle Wirksamkeit des Artikels 85 EG-Vertrag und insbesondere die praktische Wirksamkeit des in Artikel 85 Absatz 1 ausgesprochenen Verbots wären beeinträchtigt, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist.

27 Ein solcher Schadensersatzanspruch erhöht nämlich die Durchsetzungskraft der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln und ist geeignet, von - oft verschleierten - Vereinbarungen oder Verhaltensweisen abzuhalten, die den Wettbewerb beschränken oder verfälschen können. Aus dieser Sicht können Schadensersatzklagen vor den nationalen Gerichten wesentlich zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Gemeinschaft beitragen.
(…)

Ich wüsste nicht wie man die Bedeutung des Art. 81 EG noch mehr hervorheben könnte. Soweit es um die Nichtigkeit geht, ist das doch keine Rechtsprechung mehr sondern schon Gottesdienst..

In RN 27 wird die Verschleierung von solchen Vereinbarungen hervorgehoben, die es besonders zu verhindern gilt. Hieraus lässt sich ableiten, dass überspannte Anforderungen an die Darlegungspflicht eines solchen Verstoßes mit Art. 81 EG unvereinbar sein könnten. Abgesehen davon kann ein Gasversorger der an dem Kartell nicht beteiligt ist, durch Vorlage von Rechnungen unterschiedlicher Gaslieferanten beweisen, wer wie viel zu seinem Gesamtbezug beiträgt. Um einen falschen Verdacht auszuräumen muss er keinen Einblick in seine Geschäftsgeheimnisse gewähren.

Im Gegensatz zu Entscheidungen des BGH sind die Entscheidungen des EuGH für alle Gerichte verbindlich. Die letzte Instanz muss sogar vorlegen, wenn sie von einer Entscheidung abweichen will, oder eine Auslegungslücke erkennt. Anderenfalls ist das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt.

Ich kann hier niemandem eine Garantie geben, dass das alles so klappt. Aber bisher ist mir noch kein Argument eingefallen, warum diese Idee völlig abwegig sein soll.

Eines möchte ich zu bedenken geben. Wenn jetzt reihenweise Preiserhöhungen über viele Jahre für nichtig erklärt würden, könnte das die gesamte Gaswirtschaft in den Abgrund reißen. Die wenigsten Versorger haben genug Eigenkapital um den Gewinn von mehreren Jahren herausgeben zu können. Allein deswegen wird man irgendwelche Begrenzungen finden.

Offline RR-E-ft

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Kartellrecht
« Antwort #12 am: 05. März 2009, 17:42:55 »
@reblaus

RuRo hat womöglich den von Ihnen genannten Beschluss des Bundeskartellamtes gegen Bayerngas längst vor einem Bayerischen Landgericht präsentiert und dazu auch umfassend Vortrag gehalten, ohne dass sich das Gericht, welches kein Kartellgericht war, dafür auch nur ansatzweise interessiert hätte, so dass sich nun wohl  der Kartellsenat des OLG München damit befassen muss.

Da ich es nicht besser erklären könnte, wie man als Kunde prüft, ob man nach dem geltenden Kartellrecht einen eigenen Anspruch hat, hatte ich dazu auf das ausführliche Rechtsgutachten von Professor Markert verwiesen, auf welches Sie möglicherweise gar nicht erst angewiesen sind, weil Sie es schon längstens besser wussten.  

Nach Prof. Markert  bedarf es einer Vielzahl von juristischen Prüfungsschritten im konkreten Einzelfall und es kommt entscheidend darauf an, wer wofür die Darlegungs- und Beweislast trägt. Das ist  grundsätzlich derjenige, der sich  auf einen kartellrechtlichen (Gegen-) Anspruch beruft. Klar ist, dass sowohl im Aktivprozeß (Kunde klagt) als auch im Passivprozeß (Kunde wird verklagt), immer dann, wenn sich eine Partei auf kartellrechtliche Vorschriften beruft, gem. § 87 GWB eine ausschließliche Zuständigkeit eines besonderen Kartellgerichts begründet ist.

Womöglich sind Sie sogar in der Lage, einen eigenen kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen ihren Vertragspartner konkret zu beziffern und diesen Anspruch detailliert herzuleiten, haben dafür alle notwendigen Fakten und Beweise beieinander.

Dass die Vorlieferantenverträge und mithin in diesen enthaltene Preisänderungsbestimmungen wegen Kartellrechtswidrigkeit nichtig sein können, habe ich nicht nur hier schon vor Jahren geschrieben. Es gibt ganze Bücher dazu. Siehste hier oder hier.

Wenn der Vorlieferantenvertrag nichtig ist, stellt sich die Frage, was dann für das gleichwohl gelieferte und bezogene Gas zu zahlen ist (unentgeltlich sollte es wohl trotzdem nicht geliefert worden sein). Die nach den bekannten Entscheidungen des BKartA beanstandeten Verträge wurden übrigends alle zum 01.10.2006 abgestellt. Alle Verträge wurden nach Laufzeit und Menge den Vorgaben des Bundeskartellamtes entsprechend angepasst. Es gibt sie nicht mehr.

Nun läuft für alle die, die schon immer alles wussten, auch wegen bestehender kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche die Verjährungsfrist. Und hat man sich nicht versehen, ist diese auch schon abgelaufen. Haben eigentlich schon Häuslebauer ihre Schadensersatzansprüche gegen das Zement-Kartell beziffert und gerichtlich geltend gemacht?

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #13 am: 05. März 2009, 19:24:00 »
@RR-E-ft
Da haben Sie wohl das Gutachten von Prof. Markert nicht mehr ganz parat.

Zitat
„Vorbemerkungen (…) Außer Betracht bleibt hier das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen nach § 1 GWB, weil jedenfalls deren Nachweisbarkeit in aller Regel sehr schwierig ist.“

Lediglich die Verträge der E.ON wurden zum 30.09.2006 beendet. Die Verfahren gegen die anderen Ferngasgesellschaften führten erst zum 30.09.2007 (einige sogar noch später) zur Beendigung der Verträge.

Es geht nicht um Kartelle allgemein, sondern nur um ein einziges und ganz bestimmtes: Nämlich das einzigartige Kartell der Deutschen Gasversorger, das seit 1998 dafür sorgte, dass wir immer mehr für unser Gas bezahlen mussten, obwohl die Kosten für den Import nur um etwa die Hälfte der Preissteigerungen für den Endverbraucher gestiegen sind. Dieses Kartell hat das Bundeskartellamt 2007 zerschlagen.

Entscheidend ist dabei, dass durch die Beschlüsse des Bundeskartellamts die Existenz dieses Kartells, die vorher nur jeder vermutete, bewiesen werden kann. Und dann spielt unerwartet von Prof. Markert § 1 GWB und vor allem Art. 81 EG eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Sie befassen sich in Ihren Kartellrechtsbetrachtungen nur mit den ökonomischen Folgen dieses Kartells, die typischerweise darin liegen, dass überhöhte Preise gefordert werden. Das ist der Schaden. Und deshalb kommen Sie völlig unbeanstandet zu einem Schadensersatzanspruch aus Kartellrechtsverletzung.

Ich habe mein Augenmerk aber auf die Rechtsfolgen der Nichtigkeit dieser Lieferverträge und der unerlaubten Handlung gerichtet. Und da fallen mir als Rechtsfolgen nicht in erster Linie Schadensersatzansprüche ein.

Der Regionalgasversorger wird seinem Lieferanten die ungerechtfertigte Bereicherung herausgeben müssen. Diese ist dann die Basis für die Bestimmung des Preises an den Endkunden. Nur mit welchem Recht wird bei der ungerechtfertigten Bereicherung angesetzt werden können, dass die inländischen Preisbestandteile entsprechend dem Preis für leichtes Heizöl zu steigen haben. Man wird daher zu prüfen haben, ob sich die inländischen Preisbestandteile beim Vorhandensein von Wettbewerb entsprechend dem Preis für leichtes Heizöl entwickelt hätten. Das halte ich für Blödsinn.

Was haben Sie denn gegen die Kartellgerichte? Glauben Sie der Kartellsenat des BGH hätte einen \"Wärmemarkt\" erfunden?

Ich wollte mich über Ihre unbestreitbar großen Fähigkeiten in keinster Weise abfällig äußern. Sie haben bei mir nur den Eindruck erweckt, dass Sie etwas betriebsblind ökonomische Fragen nicht so interpretiert haben, wie dies zweckdienlich gewesen wäre.

Offline RR-E-ft

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Kartellrecht
« Antwort #14 am: 05. März 2009, 19:39:52 »
@reblaus

Ich habe sowohl das Gutachten von Prof. Markert parat, wie auch Gerichtsurteile aus 2001, wonach die langfristigen Gaslieferverträge mit Vorlieferanten, in denen Gebietsabsprachen enthalten waren, seit dem 28.04.1998 wegen Verstoß gegen § 1 GWB kartellrechtswidrig und nichtig waren. Das ist nichts Neues. Das wurde von Gerichten so entschieden.

Nur habe ich immer noch nicht verstanden, welcher konkrete Anspruch sich für den betroffenen Kunden daraus wie herleiten lassen soll.

Wenn der Regionalversorger vor dem 01.10.2006 an den Vorlieferanten aufgrund eines bis dahin nichtigen Vertrages Zahlungen geleistet hat, dann hat dieser Regionalversorger gegen den Vorlieferanten deshalb grundsätlich einen bericherungsrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung gem. § 812  BGB, wobei der Wert der bezogenen und verbrauchten Gasmengen als Saldo gegenzurechnen sein wird. Aber auch dieser Anspruch unterliegt der Verjährung.   Und dieser Anspruch des Regionalversorgers gegen seinen Vorlieferanten führt auch nicht automatisch zu einem Anspruch des Kunden, der seinerseits mit seinem Lieferanten einen gültigen Vertrag zu einem vertraglich vereinbarten Preis hat, oftmals ohne wirksame Preisänderungsklausel und somit seit Jahr und Tag zu einem vertraglichen Fixpreis.

Woraus ergibt sich nun welcher Anspruch eines Kunden gegen wen und wie steht es ggf. mit den Möglichkeiten einer gerichtlichen Durchsetzung eines solchen Anspruchs?

Wer einen Schaden hat, hat deshalb noch lange keinen materiell- rechtlichen Anspruch auf Schadensersatz und wer einen Anspruch auf Schadensersatz hat, muss diesen Anspruch im Zweifel einklagen und ihn dabei beziffern. Womöglich ist dies den Zement- Kartell- Endgeschädigten bis heute nicht gelungen.

 

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