@ RuRo
Bei keiner.
Ich gebe zu, dass es einfacher ist, wenn der Tatbestand bewiesen werden kann. Es soll außerdem noch Gasversorger geben, die ihren Kunden redlich nach bestem Vermögen einen günstigen Preis einräumen. Die zehn günstigsten Gasversorger Deutschlands werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht an diesem Kartell teilgenommen haben.
Ganz ohne Argumente stehen Sie aber dennoch nicht da.
Bundeskartellamt Beschluss B8-113-06 vom 13.01.2007 gegen Bayerngas GmbH, München (sie kommen doch aus Bayern, oder?)
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7. Festgestellt werden konnte, dass rund 75% der erfassten Lieferverträge von Ferngasunternehmen mit Regional- und Ortsgasunternehmen so genannte wirtschaftliche Gesamtbedarfsdeckungs- oder Quasi-Gesamtbedarfsdeckungsverträge darstellen. Eine wirtschaftliche Gesamtbedarfsdeckung entspricht einem Liefervertrag über 100 % des Bedarfs des Kunden, und zwar unabhängig davon ob dies im Vertrag konkret vereinbart ist oder ob sich die Bedarfsdeckungsquote faktisch aus dem statistisch zu erwartenden Bedarf des Kunden ergibt. Eine wirtschaftliche Quasi-Gesamtbedarfsdeckung ist in einem Vertrag zu sehen, der mehr als 80% des Bedarfs deckt. Ein kleinerer Teil der von der Beschlussabteilung abgefragten Lieferverträge betrifft Liefervolumina von mehr als 50% bis einschließlich 80% . Alle vorgenannten Verträge haben Laufzeiten von über vier Jahren, sei es ab Vertragsschluss oder sei es ab Liberalisierung des Gassektors (29. April 1998).
8. In Bezug auf die Betroffene hat die Erhebung ergeben, dass von ihren Vertragsbeziehungen nahezu bei jedem Vertrag die an Weiterverteiler kontrahierten Liefermenge je nach Gasjahr um die 80% des Bedarfs des jeweils belieferten Weiterverteiler liegt ( bei Liefermengen von 80 – 100% geht die Beschlussabteilung von Quasi-Gesamtbedarfsdeckungsverträgen aus). Alle Lieferverträge haben eine Laufzeit von mehr als vier Jahren.
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13. Am 13. Januar 2006 hat das Bundeskartellamt mit sofort vollziehbarem Beschluss gegenüber der E.ON Ruhrgas AG im Wege des Musterverfahrens festgestellt, dass die zwischen dieser und Regional- und Ortsgasunternehmen geschlossenen Erdgaslieferverträge gegen Art. 81, 82 EG und § 1 GWB verstoßen, und dies mit einer Abstellungsaufforderung zum 30. September 2006 sowie mit Vorgaben für den Abschluss künftiger Verträge verbunden.
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17. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 hat die Betroffene die im Anhang zu diesem Beschluss aufgeführten Verpflichtungszusagen gemäß § 32 b GWB angeboten.
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20. Soweit bei bestehenden Verträgen mit einer Deckung des tatsächlichen Vertriebsbedarf des Abnehmers von über 80 % und einem Gesamtvertriebsbedarf von mehr als 250 GWh pro Jahr die Gesamtlaufzeit mehr als zwei Jahre beträgt und über das Gaswirtschaftsjahr 2006/07 (Ablauf am 30. September 2007) hinausreicht, enden derartige Verträge mit dem 30. September 2007.
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Nahezu wortgleiche Beschlüsse sind im Jahr 2007 gegen alle (meines Wissens) Ferngasunternehmen ergangen. Sie sind alle unter Entscheidungen auf der Homepage des Bundeskartellamts veröffentlicht.
Wenn Sie sich zusätzlich die Entscheidung des EuGH Slg. 2001, I-6297, Rn. 26 = GRUR 2002, 367 anschauen, sollte so ein Unterfangen nicht so aussichtslos sein, wie Sie befürchten. (Entscheidung veröffentlicht unter
http://www. curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=de; dort unter Az. „C-453/99“ eingeben).
(Art. 85 geändert in Art. 81!)
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21 Die Bedeutung dieser Bestimmung hat die Verfasser des EG-Vertrags im Übrigen dazu veranlasst, in Artikel 85 Absatz 2 EG-Vertrag ausdrücklich anzuordnen, dass die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse nichtig sind (siehe Urteil Eco Swiss, Randnr. 36).
22 Diese Nichtigkeit, die von jedem geltend gemacht werden kann, hat das Gericht zu beachten, sofern der Tatbestand des Artikels 85 Absatz 1 erfuellt ist und die betroffene Vereinbarung die Gewährung einer Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag nicht rechtfertigen kann (zu dem letztgenannten Punkt siehe u. a. Urteil vom 9. Juli 1969 in der Rechtssache 10/69, Portelange, Slg. 1969, 309, Randnr. 10). Da die Nichtigkeit nach Artikel 85 Absatz 2 absolut ist, erzeugt eine nach dieser Vorschrift nichtige Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern keine Wirkungen und kann Dritten nicht entgegengehalten werden (siehe Urteil vom 25. November 1971 in der Rechtssache 22/71, Béguelin, Slg. 1971, 949, Randnr. 29). Darüber hinaus erfasst diese Nichtigkeit die getroffenen Vereinbarungen oder Beschlüsse in allen ihren vergangenen oder zukünftigen Wirkungen (siehe Urteil vom 6. Februar 1973 in der Rechtssache 48/72, Brasserie de Haecht II, Slg. 1973, 77, Randnr. 26).
23 Drittens hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag und 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) in den Beziehungen zwischen Einzelnen unmittelbare Wirkungen erzeugen und unmittelbar in deren Person Rechte entstehen lassen, die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben (siehe Urteile vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 127/73, BRT/SABAM, genannt BRT I\", Slg. 1974, 51, Randnr. 16, und vom 18. März 1997 in der Rechtssache C-282/95 P, Guérin automobiles/Kommission, Slg. 1997, I-1503, Randnr. 39).
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26 Die volle Wirksamkeit des Artikels 85 EG-Vertrag und insbesondere die praktische Wirksamkeit des in Artikel 85 Absatz 1 ausgesprochenen Verbots wären beeinträchtigt, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist.
27 Ein solcher Schadensersatzanspruch erhöht nämlich die Durchsetzungskraft der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln und ist geeignet, von - oft verschleierten - Vereinbarungen oder Verhaltensweisen abzuhalten, die den Wettbewerb beschränken oder verfälschen können. Aus dieser Sicht können Schadensersatzklagen vor den nationalen Gerichten wesentlich zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Gemeinschaft beitragen.
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Ich wüsste nicht wie man die Bedeutung des Art. 81 EG noch mehr hervorheben könnte. Soweit es um die Nichtigkeit geht, ist das doch keine Rechtsprechung mehr sondern schon Gottesdienst..
In RN 27 wird die Verschleierung von solchen Vereinbarungen hervorgehoben, die es besonders zu verhindern gilt. Hieraus lässt sich ableiten, dass überspannte Anforderungen an die Darlegungspflicht eines solchen Verstoßes mit Art. 81 EG unvereinbar sein könnten. Abgesehen davon kann ein Gasversorger der an dem Kartell nicht beteiligt ist, durch Vorlage von Rechnungen unterschiedlicher Gaslieferanten beweisen, wer wie viel zu seinem Gesamtbezug beiträgt. Um einen falschen Verdacht auszuräumen muss er keinen Einblick in seine Geschäftsgeheimnisse gewähren.
Im Gegensatz zu Entscheidungen des BGH sind die Entscheidungen des EuGH für alle Gerichte verbindlich. Die letzte Instanz muss sogar vorlegen, wenn sie von einer Entscheidung abweichen will, oder eine Auslegungslücke erkennt. Anderenfalls ist das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt.
Ich kann hier niemandem eine Garantie geben, dass das alles so klappt. Aber bisher ist mir noch kein Argument eingefallen, warum diese Idee völlig abwegig sein soll.
Eines möchte ich zu bedenken geben. Wenn jetzt reihenweise Preiserhöhungen über viele Jahre für nichtig erklärt würden, könnte das die gesamte Gaswirtschaft in den Abgrund reißen. Die wenigsten Versorger haben genug Eigenkapital um den Gewinn von mehreren Jahren herausgeben zu können. Allein deswegen wird man irgendwelche Begrenzungen finden.