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Autor Thema: Kartellrecht  (Gelesen 53700 mal)

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Offline tangocharly

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Kartellrecht
« Antwort #15 am: 05. März 2009, 20:47:02 »
@ Reblaus

Den euphemischen Vergleich zwischen Rechtsprechung und Gottesdienst kann man getrost vergessen. Bei Gericht bekommen Sie nicht Recht, sondern ein Urteil. Also lassen wir das.

Sie müssen aber wissen, dass bei vielen Gerichten der Begriff \"EuGH\" etwa im Vergleich so ist, also ob Sie Ihr Frühstücks-Ei mit der Beißzange essen wollten.

Solange es noch eine stattliche Anzahl von Amtsrichtern gibt, die geradezu versessen darauf sind, einen von der Zuständigkeitsrüge gem. § 102 EnWG touchierten Fall durchentscheiden zu wollen, werden Sie dort auch die gleiche \"Jungfräulichkeit\" im Denken mit dem GWB (§§ 19, 29, 87) antreffen (und mit Ihrem Zitat der EuGH-Rechtsprechung zum EV ähnliches Frohlocken auslösen).

Mit einem \"Drei-Zeiler\" als Urteilsbegründung könnte der Amtsrichter dem Versorger die \"Rote Karte\" (§ 134 BGB) zeigen. Statt dessen wird ausführlich der BGH zitiert (vornehmlich vom 13.06.07), insbesondere mit seinen Bemerkungen zur Unantastbarkeit der Vorlieferantenschiene (die er ja nun am 19.11.2008 etwas konterkariert hat).

Was denken Sie, warum selbst in höheren Instanzen Erkenntnisse der EuGH-Rechtsprechung gelegentlich ausgeblendet sind, so man sich nicht dazu genötigt sieht. Bei der Frage der Nichtigkeit solcher (Knebelungs-)Verträge, die unter Art. 81 EV fallen, geht es schließlich nicht nur darum, dass solche Verträge geschlossen werden dürfen, sondern auch darum, dass diese eine bestimmte Laufzeit nicht überschreiten dürfen. Wer diese Frage - auf Vortrag des Versorgers - entscheiden will (muß), wendet Kartellrecht an.

Habe ich da nicht in der Entscheidung vom 19.11.2008 gelesen, dass dieser ganze kartellrechtliche Kram Sache der Kartellbehörden sei - und nicht diejenige des Verbrauchers (Prozessflutvermeidung).
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Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #16 am: 06. März 2009, 14:21:42 »
Den Schlüssel zur Lösung sehe ich in Art. 81 EG. Der EuGH gesteht diesem eine privilegierte Stellung innerhalb der Kartellnormen zu, weil in Absatz 2 ausdrücklich bestimmt ist, dass Verstöße nach Absatz 1 nichtig sind. Das findet sich so weder in Art. 82 EG noch im GWB. Die Nichtigkeit von Handlungen gegen diese Verbote bemisst sich nach den jeweiligen nationalen Normen. Aus diesem Umstand liest der EuGH heraus, dass es die Verfasser des Art. 81 EG als besonders vordringliche Aufgabe ansahen, Verstöße gegen Art. 81 EG zu bekämpfen und zu verhindern.

Dies bedeutet dass die Bildung des Kartells strenger verfolgt werden muss, als die ökonomischen Folgen z. B durch überhöhte Preise, die es verursacht. Das trägt der ökonomischen Realität Rechnung. Es soll niemandem verboten werden Mondpreise zu verlangen. Wenn Sie auf Ihr T-Shirt dick „Chanel“ drucken, können Sie es für 160,00 € veräußern, wenn im Etikett „H & M„ steht halt nur für 20,00 € (bei gleicher Qualität!). Deshalb ist im Prinzip auch gegen die Preisbindung an leichtes Heizöl nichts einzuwenden. Solange der Markt funktioniert, soll es jedem unbenommen bleiben, sein überteuertes Gas mit wundervollen Versprechungen und tollem Namen unters Volk zu bringen. In einem funktionierenden Markt werden genügend Anbieter von den gigantischen Gewinnspannen angelockt werden, und sich mit günstigeren Preisen Marktanteile sichern.

Der freie Marktzutritt ist die fundamentale Regulierungsvoraussetzung in einer Marktwirtschaft. Wenn genügend Kunden mit ihren Anbietern unzufrieden sind, eröffnet sich eine Marktlücke für ein Unternehmen, dass die Leistung besser anbietet. Dann rennen die Kunden zur Konkurrenz und nicht vor Gericht. Vielleicht sollte man den unwilligen Amtsrichtern klar machen, dass sie ohne freien Marktzutritt die vielen Verbraucherklagen auch bei 20 Stundenschichten nicht würden abarbeiten können.

@tango-charly
Dies deckt sich mit der Einschätzung des BGH, dass diese Prozesswelle durch den nicht funktionierenden Markt verursacht wurde. Er übersieht aber, dass die Rechtsprechung diese Barrieren überhaupt erst geschaffen hat, hinter denen es sich die Kartelle so gemütlich machen, und dass die Schwerter der Kartellbehörden, die er herbeisehnt, immer noch stumpf sind. Erst wenn die Kartellbildung ebenso hart bestraft wird wie die Steuerhinterziehung, hat die Verwaltung genügend Sanktionskraft, um diesen Missbrauch zu verhindern.

Die Vorstellung von der Wichtigkeit gut funktionierender Märkte ist in der Rechtsprechung z. B. bei Unterlassungsansprüchen wegen Wettbewerbsverstößen verwendet worden. Außergerichtliche Anwaltskosten können mit Hinweis auf die Geschäftsführung ohne Auftrag auf den Gegner abgewälzt werden, weil auch dieser als Marktteilnehmer ein elementares Interesse an einem funktionieren Wettbewerb hat. Was spricht dagegen, diese Idee auf die Marktabschottung anzuwenden. Dem redlichen Gasversorger eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten in einem funktionierenden Markt sein Geschäft auszuweiten. Er hat daher ein elementares Interesse daran, dass die Märkte funktionieren.

Schließlich ist der freie Marktzutritt auch durch Art. 12 GG geschützt. Er ist sogar die entscheidende Grundvoraussetzung, dass ein freies Gewerbe überhaupt entstehen und weiterexistieren kann. Ohne freien Marktzutritt kann niemand Geschäfte abschließen, es sei denn, er ist Teil der privilegierten Marktteilnehmer. Ohne Aussicht auf Geschäftsmöglichkeiten sind aber Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse völlig wertlos. Es ist daher kontraproduktiv die Bekämpfung von Kartellen zu erschweren, in dem man dem Schutzerfordernis für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse größere Bedeutung zuweist.

Der Kern der Problematik besteht meines Erachtens aus zwei Fragen:

1.   Gebietet Art. 81 EG dass alle nationalen Normen unter Beachtung der Grundrechte so auszulegen sind, dass sie eine möglichst effektive Durchsetzung des Verbots in Absatz 1 ermöglichen?
2.   Sind alle Handlungen und Vereinbarungen die ursächlich auf einem Verstoß gegen Art. 81 EG beruhen von der Nichtigkeit in Absatz 2 umfasst?

Werden beide Fragen mit ja beantwortet, sollte die Sache bedeutend einfacher sein.

Den Vertoß gegen Art. 81 EG kann man durch die bestandskräftigen Beschlüsse des Bundeskartellamts analog § 33 GWB beweisen.

Bei § 315 BGB dürfen die Beweiserleichterungen des Versorgers nicht soweit gehen, dass er seine Verstrickung in das Kartell verheimlichen kann. Wenn er verstrickt ist, sind Preiserhöhungen unbillig, die auf unwirksamen Bezugspreiserhöhungen beruhen. Die Folge ist, dass er lediglich Kostensteigerungen aus ungerechtfertigter Bereicherung weitergeben darf. Die Rechtsprechung des BGH zur Überprüfung der Ölpreisbindung halte ich nicht für einschlägig, weil dies allenfalls ein Verstoß gegen „einfaches“ Kartellrecht darstellen würde, was begründen könnte, dies nicht so streng zu sehen.

Unter Hinweis auf die Äußerung des EuGH

Zitat
Darüber hinaus erfasst diese Nichtigkeit die getroffenen Vereinbarungen oder Beschlüsse in allen ihren vergangenen oder zukünftigen Wirkungen

könnte man sogar eine Nichtigkeit der Preisfestsetzung begründen (Theorie „der Früchte vom vergifteten Baum“), so dass sämtliche Kunden des Versorgers einen neuen Anlauf nehmen könnten. Allerdings müsste man hierfür ein deutsches Gericht finden, das eine so weit reichende Entscheidung fällen würde. Dann ist nämlich neben den Banken und der Automobilindustrie auch noch die Gaswirtschaft pleite. Dem EuGH könnte man soviel Chuzpe vielleicht noch zutrauen.

Vielleicht zieht der eine oder andere Versorger seine Zahlungsklage angesichts derart unverhältnismäßiger Risiken zurück.

Kann die schuldhafte Verstrickung eines Versorgers durch Recherche der Tatbestandsvoraussetzungen im Internet jetzt nachgewiesen werden, und besteht ein ursächlicher Zusammenhang zu einer vereinbarten Preiserhöhung, besteht ein Anfechtungsgrund.

Auf eine Verwirkung von Rechten des Kunden kann sich ein Gasversorger nur dann berufen, wenn er auf darauf vertrauen durfte, dass diese Rechte nicht mehr wahrgenommen werden. Dieses Vertrauen besteht aber nicht, wenn er durch eine schuldhafte Verstrickung in das Kartell wissen muss, dass der Kunde bei Kenntnis dieser Umstände seine Forderung aus anderen Rechtsgründen z. B. wegen § 33 GWB geltend machen könnte.

In allen Fällen vermute ich nicht, dass man die Preise von 1998 wird durchsetzen können, man müsste dazu ja jeden einzelnen Preisschritt beseitigen können, aber die Preise von 2003 waren auch noch besser als die 2007. Preiserhöhungen nach dem September 2007 sind mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht angreifbar, aber vielleicht wurde ja schon wieder ein neues Kartell gegründet.

Beim Schadensersatz nach § 33 GWB hat das Gericht die Tatumstände so zu bewerten, wie sie sich aus der bestandskräftigen Entscheidung der Kartellbehörde ergeben. In jedem einzelnen Beschluss des Bundeskartellamts sind die Teilnehmer an dem Kartell namentlich aufgeführt. Hinzu kämen die Regionalgasversorger die solche Verträge schuldhaft abgeschlossen haben, was nachgewiesen werden müsste. Alle Teilnehmer sind Gesamtschuldner. Bei der Dauer wird nicht ganz klar, ob das Kartell schon seit dem 29.04.1998 (Liberalisierung der Energiemärkte) besteht. Beweisschwierigkeiten dürften sich aus der Feststellung des Schadens ergeben. So unüberwindlich halte ich das allerdings nicht. Wir haben die Steigerungen der Grenzübergangspreise und die Preissteigerungen beim Endverbraucher. Dann kennen wir die Kosten der Durchleitung, daraus berechnet sich ein gigantischer Betrag der in den vergangenen Jahren kassiert wurde, ohne dass ich irgendeine Leistung erkennen kann, die diese Summe rechtfertigen könnte. Das ist der Ausbeutungsgewinn. Und diesen kann man gem. § 33 GWB als volkswirtschaftlichen Schaden ansetzen. Dieser wäre durch den Gesamtverbrauch zu dividieren und mit dem Verbrauch des Klägers zu multiplizieren. Wenn das Kartell seit 1998 besteht, sind sämtliche Gewinne zwischen dem 29.04.1998 und dem 30.09.2007 betroffen. Dass ein Sachverständiger zu dem Ergebnis kommt, dass ein Schaden überhaupt nicht entstanden ist, halte ich für abwegig.

Ich halte mich keinesfalls für befähigt, gegen eine Phalanx der Firmen E.ON, RWE, BASF, Shell, Exxon-Mobile, ENI etc. anzutreten, und auch noch den Hauch einer Chance zu haben. Von daher sind das alles nur Denkanstöße.

Wenn man es dann geschafft hat, nach zweimaliger Anrufung des BVerfG endlich zum EuGH vorgelassen zu werden, kann man immer noch nicht ausschließen, dass die einem dort lapidar mitteilen, dass sie das alles nicht so ernst gemeint haben. Aber das kennen Sie ja.

Offline tangocharly

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Kartellrecht
« Antwort #17 am: 06. März 2009, 18:07:48 »
@ reblaus

.... und wie halten Sie es mit dem Kriterium der \"Zielgerichtetheit\" (vgl. z.B. Landgericht Mainz, 15.01.2004, Az.: 12 HK.O 52/02 Kart = juris) ?

Anm.: diese Entscheidung ist sehr instruktiv zur Frage der Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 33 GWB und zu den europarechtlichen Vorfragen.
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Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #18 am: 06. März 2009, 18:46:27 »
@tangocharly

Jetzt muss ich sogar meine geheimsten Quellen offenlegen. Lesen Sie mal diesen Artikel:

www .carteldamageclaims.com/files/Entwicklung_Priv_KartRDurchsetzung.doc -

Offline Thomas S.

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Kartellrecht
« Antwort #19 am: 07. März 2009, 11:30:32 »
@reblaus

Im WORD-Dokument ist ein Name im Klartext vorhanden. Sollte das so nicht sein (Datenschutz), wäre eine Umwandlung in ein PDF sehr sinnvoll!! :rolleyes:

Im Übrigen gibt es keine Quellenangabe zum Dokument...  :rolleyes: :rolleyes:

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #20 am: 07. März 2009, 17:24:24 »
@Thomas S.
Das ist mir genau so beim Surfen auf den Bildschirm geflattert, wie im übrigen schon die Entscheidung des Bundeskartellamts zur Gasversorgung Süddeutschland. Ich bin nicht der Urheber. Die Urheberin betreibt die Seite http://www. carteldamageclaims.com. Bei dem Aufsatz handelt es sich um eine ergänzende Erläuterung ihrer Erklärungen auf der Seite Private Kartellrechtsdurchsetzung – Schadensersatzansprüche – Rechtsgrundlagen unter (…) 7. GWB Novelle „mehr“. Ich habe mit dem Unternehmen nichts zu tun und bekomme auch keine Provision.

Aber eine clevere Marktlücke haben die schon entdeckt. Solche Schadensersatzprozesse kann der Kleinverbraucher nie in Eigenregie betreiben. Lesen Sie mal durch, was die Zement-Kartell-Teilnehmer wegen jedem Minibeschluss für Achterbahnfahrten durch die Instanzen machen. Und die sind Hungerleider im Vergleich zu den Teilnehmern des Gaskartells. Dort übersteigen die kumulierten Jahresumsätze der Mutterkonzerne das BIP mittlerer Industriestaaten.

Offline RR-E-ft

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Kartellrecht
« Antwort #21 am: 13. März 2009, 21:40:11 »
@reblaus

Ihr Ansatz kann ggf. dann erfolgversprechend sein, wenn ein Versorger einen Bezugskostenanstieg auf vertragliche Regelungen in einem langfristigen Bezugsvertrag mit nur einem Vorlieferanten stützt, der wiederum wegen Verstoß gegen Art. 81 EGV, § 1 GWB unwirksam ist und mit ihm die Regelung über Preisänderungen.

Gleiches gilt, wenn im Übrigen Bezugsverträge bestanden, die nach ihrem Bezugsmengen- Laufzeit- Gerüst demnach kartellrechtswidrig waren.

Solche Verträge verstießen nach der Auffassung des BKartA gegen Art. 81 EGV und § 1 GWB. Diese Auffassung wurde vom OLG Düsseldorf und wohl auch vom BGH in der Entscheidung vom 10.02.2009 - KVR 67/07 bestätigt.

Dies wird jedoch im Ergebnis nicht zu einem statischen Gaspreis führen.

Die Großhandelspreise für Erdgas im Inland bemessen sich wegen der großen Importabhängigkeit weiter nach dem Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze (Erdgasimportpreis aufgrund der [Erd-] Ölpreisbindung in den langfristigen Importverträgen).

Die langfristigen Erdgasimportverträge mit Russland usw. wurden vom Bundeskartellamt ausdrücklich ausgenommen. Diese bleiben unangefochten bestehen.

Die Preisentwicklung bei den Großhandelspreisen für Erdgas und damit auf dem vorgelagerten Gasbeschaffungsmarkt  muss aber auch unabhängig davon bereits bei der Billigkeitskontrolle von einseitigen Gaspreiserhöhungen beachtet werden (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Rn. 39).

Man könnte fast meinen, der achte Zivilsenat des BGH habe damit auf Kritik reagiert, wonach der Gasbezug zu \"Wünsch- Dir- was\"- Preisen nicht mit dem Energiewirtschaftsgesetz vereinbar ist.

Aus dem Jahresabschluss 2006 des Erdgasimporteurs Verbundnetz Gas AG Leipzig:


Zitat
Für das Geschäftsjahr 2006 weist die VNG einen Jahresüberschuss von 154,8 Mio. € aus, der sich gegenüber dem Vorjahr (93,7 Mio. €) deutlich erhöhte. Die Ertragslage hat sich insbesondere im Kerngeschäft signifikant verbessert. Die Umsatzerlöse wuchsen gegenüber dem Vorjahr um rund 31 Prozent auf 5,0 Mrd. €. Der Anstieg resultiert insbesondere aus der vertragsgemäßen Anpassung der Verkaufspreise an die Entwicklung der Ölproduktpreise und aus einem Mehrabsatz.

Die infolge der Ölpreisentwicklung ebenfalls gestiegenen Bezugspreise konnten durch die Optimierung des Gaseinkaufs teilweise kompensiert werden. Darüber hinaus wurde der Mehrabsatz des ersten Quartals 2006 überwiegend aus Speichervorräten gedeckt, die in der Vergangenheit zu günstigeren Einkaufspreisen angelegt wurden.


Aus dem Jahresabschluss 2007 der E.ON Ruhrgas AG:

Zitat
Bezugs- und Absatzrisiken

Der Bezug von Erdgas und dessen Absatz in Deutschland und in Europa unterliegen den auf den regionalen und internationalen Energiemärkten üblichen Preis- und Mengenrisiken. Um diese Marktrisiken zu begrenzen und zu steuern, finden bei E.ON Ruhrgas bewährte Instrumente wie Liefervereinbarungen mit Mengenflexibilitäten, Preisgleitklauseln und Preisüberprüfungsbestimmungen Anwendung.

Die für eine sichere Erdgasversorgung notwendigen langfristigen Importverträge machen es erforderlich, dass die Importunternehmen die eingekauften Gasmengen - zumindest in wesentlichen Teilmengen - auch langfristig absetzen können. Um mögliche Risikokonzentrationen infolge von Lieferanten- oder Kundenabhängigkeiten von vornherein zu vermeiden, betreibt E.ON Ruhrgas eine Preispolitik nach den Regeln der Wettbewerbspreisbildung und strebt eine breite Diversifizierung der nationalen und internationalen Erdgasbezugsquellen an.

Weitere externe Risiken ergeben sich aus dem politischen, rechtlichen und regulatorischen Umfeld der E.ON Ruhrgas, dessen Änderung zu Planungsunsicherheiten führen kann. E.ON Ruhrgas verfolgt das Ziel, durch intensiven und konstruktiven Dialog mit Behörden und Politik sachlich, kompetent und aktiv die Rahmenbedingungen mit zu gestalten. Derzeit sind vor allem folgende Themen relevant:

Das Bundeskartellamt hat E.ON Ruhrgas mit Verfügung vom 13. Januar 2006 die Durchführung bestimmter bestehender langfristiger Gasvertriebsverträge mit Weiterverteilern und den Abschluss gleicher oder gleichartiger Verträge untersagt. E.ON Ruhrgas hat gegen diese Abstellungsverfügung des Bundeskartellamtes Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt. In diesem Hauptsacheverfahren hat sich E.ON Ruhrgas im Wesentlichen nur noch gegen das vom Bundeskartellamt verfügte sogenannte Wettbewerbsverbot gewendet, wonach es E.ON Ruhrgas selbst im Rahmen des vom Bundeskartellamt vorgegebenen Mengen- und Zeitgerüstes verboten ist, am Wettbewerb um bestimmte Teilmengen zur Belieferung von Stadtwerken teilzunehmen. Am 4. Oktober 2007 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Beschwerde von E.ON Ruhrgas zurückgewiesen. E.ON Ruhrgas bedauert die Entscheidung des Gerichts, die das volkswirtschaftlich schädliche Wettbewerbsverbot bestätigt. Nach sorgfältiger Analyse der Entscheidungsgründe hat E.ON Ruhrgas Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof erhoben, um eine grundsätzliche Klärung der Frage der Zulässigkeit des Wettbewerbsverbotes herbeizuführen.

Am 22. Dezember 2007 ist das Gesetz zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung in Kraft getreten, das zu einer Verschärfung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht im Strom- und Gasmarkt führt (§ 29 GWB). Unternehmen, die allein oder gemeinsam eine marktbeherrschende Stellung auf diesen Märkten inne haben, dürfen keine Entgelte oder sonstigen Geschäftsbedingungen fordern, die ungünstiger sind als die vom Unternehmen auf vergleichbaren Märkten. Ferner dürfen die Unternehmen keine Entgelte fordern, welche die Kosten in unangemessener Weise überschreiten. Des Weiteren sieht das Gesetz unter anderem vor, dass die Anordnungen der Kartellbehörden grundsätzlich sofort vollziehbar sind. Bei Anwendung dieses Gesetzes erwartet E.ON Ruhrgas eine erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf den heimischen Energiemärkten. Schon das Gesetzesvorhaben ist deshalb auch von nahezu allen Seiten, wie beispielsweise der Monopolkommission, erheblich kritisiert worden.

Die EU-Kommission hat im Mai und Dezember 2006 bei mehreren Energieversorgungsunternehmen in Europa Nachprüfungen durchgeführt, darunter auch bei der E.ON Ruhrgas. Im Nachgang zu den Nachprüfungen initiierte die EU-Kommission auch Auskunftsersuchen zu verschiedenen regulatorischen und energiebezogenen Fragestellungen bei E.ON Ruhrgas, die zwischenzeitlich beantwortet worden sind. Die EU-Kommission hat mit Entscheidung vom 18. Juli 2007 ein Kartellverfahren wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen Art. 81 EG-Vertrag gegen E.ON Ruhrgas und Gaz de France eingeleitet (vgl. Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 30.07.2007; MEMO/07/316). Die Kommission weist darauf hin, dass die Verfahrenseinleitung nicht bedeutet, dass abschließende Beweise für einen Verstoß vorliegen.

Aus den Aktivitäten der EU, den Maßnahmen des Bundeskartellamts oder potenziellen Regelungsänderungen nationaler Gesetze können sich künftig Ertragsrisiken für E.ON Ruhrgas ergeben, deren Höhe sich heute nicht abschätzen lässt.

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #22 am: 14. März 2009, 08:45:40 »
Ich wusste gar nicht, dass die E.ON ihren Jahresabschluss von Werbetextern erstellen lässt. Mutmaßlich die Gleichen, die auch die Reisekataloge der TUI formulieren.

Ich wende mich nicht gegen die Preisbindung an Rohöl vor der Grenze zur Bundesrepublik. Dieser Preismechanismus ist durch das zerschlagene Gaskartell nicht beeinflussbar gewesen. Lediglich die Bindung der inländisch entstandenen Preisbestandteile an den Preis für leichtes Heizöl dürfte auf das Gaskartell zurückzuführen sein.

Die Preisbindung des Rohstoffs Gas an den Preis für Rohöl und der einheitliche Lieferort \"Grenze Deutschland\" halte ich solange für gerechtfertigt, als wir auf wenige Gasförderer angewiesen sind. Sollte irgendwann einmal die Nabuccoleitung den Eintritt von Katar oder vielleicht auch eines gemäßigten Irans in den Markt erlauben, und verfügen wir in einigen Jahren über die technischen Anlagen für die Anlandung von verflüssigtem Gas wird sich diese Preisbindung durch eine Vielzahl von Anbietern von selbst erledigen.

Statische Preise halte ich auf lange Sicht sogar für sehr nachteilig. Die Knappheit eines Gutes muss sich in einem höheren Preis niederschlagen, nur dadurch werden Innovationen wirtschaftlich, durch die das Wirtschaftsgut substituiert oder der Verbrauch vermindert werden kann.

Wichtig erscheint mir aber, dass in einem Rechtsstreit auf die Tatbestandsvoraussetzungen eines kartellrechtswidrigen Bezugsvertrages explizit hingewiesen wird. Zwar sollten die Gerichte den vorgetragenen Sachverhalt von Amts wegen darauf prüfen, was aber mangels Erfahrung mit solch seltenen Fällen in der Regel nicht geschehen wird.

In einem von Ihnen erläuterten Fall wurden bis auf die Mindestbezugsmenge sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen in das Verfahren eingebracht. Die erforderliche Mindestbezugsmenge von 250 MWh entspricht in etwa dem Verbrauch von 2.500 Einfamilienhaushalten, sollte daher von einem Regionalversorger spielend erreicht werden. Trotzdem hat sich das Gericht mit der Rechtsfrage nicht auseinandergesetzt.

Dies erscheint mir typisch zu sein, da die Versorger die wesentlichen Angaben zu ihren Verträgen selbst vortragen, um ihre Preiserhöhungen zu rechtfertigen.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #23 am: 15. März 2009, 23:04:21 »
@reblaus

Unsere Zivilprozessordnung kennt keine Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen. Wird ein Sachvortrag nicht bestritten, gilt er als zugestanden, wurde er hingegen bestritten, muss er von der darlegungs- und beweisbelasteten Partei bewiesen werden ( vgl. etwa § 138 ZPO).

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #24 am: 16. März 2009, 09:07:42 »
Da habe ich mich missverständlich ausgedrückt.

Wenn der vorgetragene Sachverhalt ergibt, dass zwei von drei Tatbestandsmerkmalen eines kartellrechtswidrigen Vertrages erfüllt sind, kann das Gericht aus dem fehlenden Sachverhalt nicht den Schluss ziehen, dass ein kartellrechtswidriger Vertrag nicht vorliegt. In diesem Fall ist das Vorliegen eines kartellrechtswidrigen Vertrages nicht bewiesen. Dies trifft aber die beweisbelastete Partei. Den Verbraucher nur insoweit, als er sich darauf beruft, dass Preiserhöhungen nichtig sind.

Beruft sich der Versorger bei seiner Preiserhöhung auf die Steigerung seiner Bezugskosten, muss er diese Preissteigerung nachweisen. Hierbei ist inzident zu prüfen, ob diese Preissteigerung überhaupt in wirksamer Weise vereinbart wurde. Dann trifft nach meiner Auffassung den Versorger die Beweislast für einen wirksamen Lieferantenvertrag. Und in diesem Falle ist die Beweiswürdigung durch das Gericht fehlerhaft, wenn es trotz starker gegenteiliger Hinweise davon ausgeht, der Liefervertrag sei wirksam, zumal dann wenn der fehlende Sachverhalt geradezu den typischerweise vorliegenden Fall darstellt.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #25 am: 16. März 2009, 20:58:14 »
@reblaus

Der Versorger muss nicht nachweisen, dass der Bezugsvertrag kartellrechtlich nicht nichtig war (vgl. BGH, Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 und BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07).

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #26 am: 17. März 2009, 09:06:34 »
Diesem Argument habe ich nichts entgegen zu setzen. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 ist insoweit eindeutig und auch einleuchtend.

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #27 am: 18. März 2009, 08:16:50 »
Die Frage stellt sich, ob die vertragliche Mindestmenge von 250 MWh überhaupt Tatbestandsmerkmal eines nach Art. 81 EG, § 1 GWB kartellrechtswidrigen Vertrages ist, oder ob dieser Grenzwert vom Bundeskartellamt nur im Interesse eines rationellen Vorgehens aufgenommen wurde.

Die ökonomische Folge einer solchen Aufteilung ist doch, dass große Gasversorger im Herbst 2007 neue Bezugsverträge aushandeln konnten, während sehr kleine Gaswerke, an ihren teils noch Jahrzehnte laufenden Verträgen festhalten müssen. Bei einem zwischenzeitlich aufkommenden Wettbewerb bedeutet diese Ungleichbehandlung doch notwendigerweise den Todesstoß für kleine Gasversorger. Aus rechtlicher Betrachtung kommt mir kein Argument in den Sinn,, das eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #28 am: 02. April 2009, 20:36:34 »
@reblaus

Haben Sie denn nun bei einem Gericht schon einen (vorläufigen) Erfolg zu vermelden oder denken Sie nur fortlaufend darüber nach, was man ggf. tun könnte?

Offline reblaus

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Kartellrecht
« Antwort #29 am: 02. April 2009, 21:32:18 »
Ich las die nehmen seit neuestem nur noch Kandidaten mit zwei Prädikatsexamen und Promotion. Das wird wohl der Grund sein. Wahrscheinlich war der gegnerische Anwalt von Ihrer Grandiosität so beeindruckt, dass er keinen vernünftigen Gedanken mehr zu Wege brachte.

Leider kann ich persönlich meine Erkenntnisse nur dazu verwenden, die Verjährungsfristen soweit auszudehnen, dass ich in den nächsten Jahren noch keine Eile an den Tag zu legen brauche, um die Rückforderungsansprüche geltend zu machen.

Ich kann meine Zeit daher bis auf weiteres noch dafür verwenden andere vollzulabern.

Anfang Juli verjähren die ersten Tausender meines Versorgers. Warten wir mal ab, ob der Tiger überhaupt springt. Bis dahin ärgere ich ihn, indem ich andere an meinen Erkenntnissen teilhaben lasse. Und wenn die den Ruhm einheimsen, so freue ich mich still und leise.

Schwierig zu verstehen, nicht wahr?

 

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