Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH  (Gelesen 98716 mal)

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Offline jroettges

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RR-E-ft schrieb:
Wurden Rechtschreibfehler korrigiert?

Nein. Habe das Wörtchen \"fast\" in den letzten Satz eingefügt.  ;)

Offline RR-E-ft

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Es kommt für die Frage ganz entscheidend auf das Verständnis von § 315 BGB an.

Deshalb den Gesetzestext vorangestellt, den man schnell im Blick haben sollte:

Zitat
Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

Was sich daraus ganz zügig folgern lässt:

Wird bei Abschluss eines Sondervertrages (anstelle eines feststehenden Preises) vertraglich vereinbart, dass den Versorger nach Vertragsabschluss eine Preisbestimmungspflicht treffen soll, kann § 315 BGB unmittelbar anwendbar sein undzwar dann aber bereits auf den Anfangspreis (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Kein Blindzitat:


Zitat
BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32

Die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrags die Leistung bestimmen (BGHZ 128, 54, 57). An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn sich der bei Abschluss des Gaslieferungsvertrags ... eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart [wurde]


Bei der so vertraglich vereinbarten Preisbestimmungspflicht des Versorgers handelt es sich nicht um eine Preisnebenabrede in Form einer Preisänderungsklausel, die der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegt, sondern um die vertragliche Preishauptabrede.

Eine vertragliche Preishauptabrede unterliegt nicht der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.

Nun Aber:

Wird jedoch nicht nur eine den Versorger nach Vertragsabschluss treffende Preisbestimmungspflicht bei Vertragsabschluss vereinbart, sondern darüber hinaus auch besondere Kriterien dazu vereinbart, wie der Versorger  den Preis erst nach Vertragsabschluss bestimmen soll, so ist § 315 BGB unanwendbar.

§ 315 Abs. 1 BGB ist seinem Wortlaut nach nur dann anwendbar, wenn hinsichtlich der nach Vertragsabschluss auszuübenden Preisbestimmungspflicht nicht etwas Besonderes vertraglich vereinbart wurde.

Wurde hingegen dazu, wie die Preisbestimmungspflicht nach Vertragsabschluss vom Versorger ausgeübt werden soll, etwas Besonderes vertraglich vereinbart, ist § 315 Abs. 1 BGB unanwendbar,  weil dann nicht der \"Zweifel\" darüber besteht, wie die Preisbestimmung zu erfolgen hat bzw. erfolgen soll, der im Tatbestand des § 315 Abs. 1 BGB gefordert ist.

Wurde demnach lediglich vollkommen unspezifiziert eine nach Vertragsabschluss auszuübende Preisbestimmungspflicht des Versorgers bei Vertragsabschluss vereinbart, so kommt § 315 Abs. 1 BGB unmittelbar zur Anwendung.

Bei der Billigkeitskontrolle des vom Versorger einseitig bestimmten Energiepreises muss dann wieder die gesetzliche Verpflichtung des Versorgers aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 BGB Berücksichtigung finden (BGH VIII ZR 240/90 unter III.).

Für gesetzliche Preisbestimmungspflichten gilt das gleiche wie für eine vertraglich vereinbarte Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils.

Der Zweifel ist das alles Entscheidende für § 315 BGB und alle seine Verfechter!

Wer es nicht  so schnell im Blick hat oder haben kann, wird es wohl noch einmal von Anfang an zu lesen haben.

Ganz allgemein:

Es liegt mir ausgesprochen fern, das Verständnis - erst recht den Verstand - anderer zu beurteilen (zu zensieren).
Das überlasse ich immer noch denjenigen, die sich dazu besonders befähigt und berufen fühlen.
Es soll wohl auch dafür Experten geben.
Die machen Tests, wohl unter anderem dazu, wie herum jemand ein Buch hält.
(Zuweilen bereits Teil der Schulvoruntersuchung).

Niemand, aber wirklich niemand sollte jetzt Alles Rot sehen!
 
Auch kein Grund zu schlechter Laune: Ich Sag Nicht Ja!

Offline RR-E-ft

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Original von jroettges
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RR-E-ft schrieb:
Wurden Rechtschreibfehler korrigiert?

Nein. Habe das Wörtchen \"fast\" in den letzten Satz eingefügt.  ;)

Es ist leider schon wieder nicht nachvollziehbar, welche Änderung am neuerlichen Beitrag nachträglich vorgenommen wurde.
Warum wurden denn nicht gleich auch Rechtschreibfehler korrigiert? ;)

Offline jroettges

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Warum wurden denn nicht gleich auch Rechtschreibfehler korrigiert?
 
War nicht erforderlich. Der Smiley fehlte aber noch!  ;)

P.S. So kann man mit kleinen Dingen, .....

Offline RR-E-ft

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Original von jroettges
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Warum wurden denn nicht gleich auch Rechtschreibfehler korrigiert?
 
War nicht erforderlich. Der Smiley fehlte aber noch!  ;)

P.S. So kann man mit kleinen Dingen, .....

Keinerlei Zweifel? Na dann volle Fahrt vorraus! ;)

Offline RR-E-ft

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Manche sind der Auffassung, ich würde mich auch in der Sache nicht klar und verständlich genug ausdrücken.

Deshalb unmissverständlich auf den Punkt gebracht:

Würde der Gesetzgeber konkreter regeln, wie die gesezliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers ausgeübt werden muss, würde dadurch nicht nur der Ermessensspielraum der Versorger eingeschränkt und zugleich die gerichtliche Billigkeitskontrolle entsprechend eingeschränkt, sondern die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB fände wohl aus o. g. Gründen überhaupt gar keine Anwendung mehr.

Und deshalb gilt es m.E. durchaus, die Trommel zu rühren und deutlich zu widersagen.

Bei mir bleibt jedenfalls der Eindruck, manche wissen gar nicht, was sie sich selbst vorgenommen haben.

Offen geblieben ist die Frage, ob es im europäischen Ausland gesetzliche Regelungen gibt, die dem Einzelnen eine bessere Möglichkeit verschaffen, die Preise des Grundversorgers auf ihre Angemessenheit überprüfen zu lassen.

Offline RR-E-ft

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Möglicherweise sollte man erst einmal definieren, was man sich selbst als den angemessenen, kostenbasierten  Grundversorgungspreis vorstellt.

Es gibt mittlerweile Grundversorger, die weder Netzbetreiber sind, noch mit dem Netzbetreiber überhaupt irgendetwas zu tun haben, zB. Lichtblick im Netzgebiet der E.ON Hanse.

Die der Regulierung unterliegenden, veröffentlichten Netzentgelte wird man deshalb als fremdbestimmte Größe einzustellen haben, ebenso die im Wettbewerb gebildeten Großhandelspreise (zB.  EGIX- Gaspreis)  und die Steuern und Abgaben.

Zieht man vom konkreten, gem. § 36 Abs. 1 EnWG öffentlich bekannt gemachten Allegmeinen Preis vorgenannte (als unbeeinflussbar unterstellte) Kostenblöcke ab, verbleibt eine allein vom Versorger zu beeinflussende Differenz. Und zu dieser verbleibenden Differenz ist jeweils die Frage zu klären, ob sie angemessen ist.  Dies wiederum muss sich an bestimmten Kriterien festmachen lassen.

Wenn man dieses Ziel klar umrissen hat, lässt sich die Frage, wie man zu diesem Ziel gelangt, mithin die Frage nach dem Weg, womöglich besser klären.

Offline PLUS

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Original von RR-E-ft
Möglicherweise sollte man erst einmal definieren, was man sich selbst als den angemessenen, kostenbasierten  Grundversorgungspreis vorstellt.
...
Nach Rom auf unterschiedlichen Wegen!  ;)

Möglicherweise sollte der Gesetz- und Verordnungsgeber erst einmal definieren und regeln, wie die Billigkeit der Grundversorgungspreise festgestellt wird und dass die Billigkeit jeweils verpflichtend (z.B. im Rahmen der Jahresabschlussprüfungen) nach einheitlichen Regeln allgemeinverbindlich festgestellt und kontrolliert wird.  Das wäre dann lediglich die bisher unzureichende Umsetzung bestehender Gesetze und keine Fixierung staatlicher Preise. Gerichte wären dann weit seltener gefordert und eher in der Lage Paragraphen wie den 315 BGB zu erfüllen.

Offline RR-E-ft

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Original von PLUS

Möglicherweise sollte der Gesetz- und Verordnungsgeber erst einmal definieren und regeln, wie die Billigkeit der Grundversorgungspreise festgestellt wird und dass die Billigkeit jeweils verpflichtend (z.B. im Rahmen der Jahresabschlussprüfungen) nach einheitlichen Regeln allgemeinverbindlich festgestellt und kontrolliert wird.

Eben dies geht nicht. Die \"Billigkeit\" im Sinne des § 315 BGB ist ein Rechtsbegriff, wobei es für die Prüfung auf Tatsachenfragen im konkreten Einzelfall ankommt (BGH III ZR 277/06 Rn. 20).

\"Billigkeit\" im Sinne des § 315 BGB ist deshalb nicht zu verwechseln mit der \"Preisgünstigkeit\" des § 1 EnWG.

Kein Blindzitat:

Zitat
BGH III ZR 277/06 Rn. 20 f.

Dem Inhaber des Bestimmungsrechts verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum, der Voraussetzung der richterlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB ist (Senatsurteil BGHZ 115, 311, 319). Innerhalb des Spielraums stehen dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Die Prüfung, ob die Bestimmung der Höhe des Entgelts der Billigkeit entspricht, erfordert die Abwägung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragspartner und eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.; BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991 - VIII ZR 240/90 - NJW-RR 1992, 183, 184 unter III. 1. m.w.N.; Clausen, Zivilgerichtliche Preiskontrolle über die Landeentgelte der Verkehrsflughäfen in Deutschland S. 76; Schwenk/Giemulla, Handbuch des Luftverkehrsrechts 3. Aufl. S. 581; jew. m.w.N.).

Ziel dieser Prüfung ist nicht die Ermittlung eines \"gerechten Preises\" von Amts wegen. Vielmehr geht es darum, ob sich die getroffene Bestimmung in den Grenzen hält, die durch die Vorschrift des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gezogen werden (Senatsurteil vom 24. November 1977 aaO S. 143 unter A. II. 2.). Damit dient die anzustellende Billigkeitskontrolle der Sicherung elementarer Vertragsgerechtigkeit (Landgericht Berlin, ZLW 2001, 475, 481).

Die Ermessens- oder Billigkeitskontrolle der privatautonomen Leistungsbestimmung obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, weil sie tatsachenabhängig ist und einen entsprechenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum verlangt (Soergel/Wolf, BGB 12. Aufl. § 315 Rn. 48; Staudinger/Rieble, BGB [2004] § 315 Rn. 301).

Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB im konkreten Fall können vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit verkannt hat, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob es von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensübung versperrt hat (Senat, BGHZ 115 aaO S. 321; BGH, Urteile vom 24. November 1995 - V ZR 174/94 - NJW 1996, 1054, 1055 m.w.N.; vom 21. September 2005 - VIII ZR 7/05 - NJW-RR 2006, 133, 134 unter II. 2.; vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06 - NJW 2007, 2540, 2542 Rn. 20; Staudinger/Rieble aaO Rn. 302).

Offline PLUS

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Original von RR-E-ft
Eben dies geht nicht. Die \"Billigkeit\" im Sinne des § 315 BGB ist ein Rechtsbegriff, wobei es für die Prüfung auf Tatsachenfragen im konkreten Einzelfall ankommt (BGH III ZR 277/06 Rn. 20).

\"Billigkeit\" im Sinne des § 315 BGB ist deshalb nicht zu verwechseln mit der \"Preisgünstigkeit\" des § 1 EnWG.
Wer sagt denn, dass die Feststellung der Billigkeit nicht im konkreten Fall erfolgt? Billigkeit als reine Auslegung und Rechtsbegriff ohne Regeln funktioniert ja offensichtlich nach Meinung vieler Verbraucher nicht genügend.
Die Erfahrungen mit den unterschiedlichen Entscheidungen und Auslegungen vor den Gerichten machen einen Handlungsbedarf des Gesetz- und Verordnungsgebers deutlich, gerade in diesem existentiellen Bereich der Energieversorgung.  Eine reine juristische Antwort darauf reicht wohl nicht.

Offline RR-E-ft

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@PLUS

Sie sollten nochmals meine Beiträge 30.01.2011 21:09 und 31.01.2011  22:30 lesen.
Möglicherweise besteht ein grundsätzliches Verständnisproblem.

Man sollte sich die paar Minuten nehmen, alles genau bei Lichte zu betrachten, sich ein Bild von den Dingen zu machen.  ;)

Offline tangocharly

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Wo zu suchen ist, hat der Kartellsenat am 04.03.2008 beantwortet:

Zitat
Tz. 21
[...] Der Maßstab der Billigkeit und Angemessenheit ist lediglich kein individueller, sondern muss aus der typischen Interessenlage des Netznutzungsverhältnisses und den für dessen Ausgestaltung maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben gewonnen werden (vgl. BGHZ 115, 311, 317 ff.; BGH NJW 2007, 2540 Tz. 17).
.

Wer da behaupten will, man müsse nur eine Schublade aufziehen und fände darin die Billigkeit, der sucht lange.

Richtig ist aber auch, dass der Gesetzgeber gefragt ist, seine Richter an die Leine zu nehmen.
Ein Richter, der 25-mal am Tag den Begriff \"Ermessensspielraum\" in den Mund nimmt und dabei an die 20 %-Marke der Honorare der Patentanwälte denkt, wird zwangsläufig zunächst einmal nicht auf die maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben stoßen, welche in §§ 1 u. 2 EnWG geregelt sind.

Wenn der die Kurve über § 433 Abs. 2 BGB zu § 315 Abs. 3 BGB hin bekommen hat (und nicht weiter liest), dann ist der Schluß darauf, was daran nicht interessengerecht sei, wenn der Abnehmer am Jahresende 20,00 € mehr zahlt, recht nahe.

Die Prüfung hört damit eigentlich dort schon auf, wo sie eigentlich anfängt. Der Gewinn, so der Kartellsenat, liegt in der Berücksichtigung

(a) der typischen Interessenlage

und

(b) der maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben.

Und wer dann noch weiter liest, um den maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden, der muß dann zwangsläufig auf derart klare und bestimmte Vorgaben stoßen, wie sie in § 10 EnWG 2005 nieder gelegt sind.

Doch wer die Bestimmungen gem. §§ 1 u. 2 EnWG unter dem Vorzeichen liest, \"der Geist war willig, doch das Fleisch so schwach\", der findet bald sein Ruhekissen -  und begnügt sich mit Zeugenaussagen von Sachbearbeitern und WP-Atlaten (ohne überhaupt zu wissen, von was die dann da reden (\"das Wetter ist schön, die Sonne scheint und bald gibts a Brotzeit\").
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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BGH KZR 29/06 Rn. 20 stützt meine Auffassung, dass sich die gesetzliche Leistungsbestimmungspflicht des Allgemeinversorgers aus § 10 Abs. 1 EnWG 1998 selbst ergab.

M.E. ergibt sich auch die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers unmittelbar aus § 36 Abs. 1 EnWG selbst. Ich meine, dass wegen der Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers und dessen einseitiger Leistungsbestimmungspflicht gem. § 315 Abs. 1 BGB, die im laufenden Vertragsverhältnis fortbesteht, weder bei Abschluss des Grundversorgungsvertrages noch später eine Preisvereinbarung mit dem Kunden getroffen wird, sich der vom Kunden zu zahlende Preis sich vielmehr jederzeit  nur aus der einseitigen Leistungsbestimmung des Grundversorgers in Erfüllung dessen gesetzlicher Preisbestimmungspflicht ergibt. Die einseitige Preisbestimmungspflicht des Versorgers allein bildet m.E. die vertragliche Preishauptabrede. Dies ist auch für Vertragsabschlüsse im Bereich des Kaufrechts möglich. § 433 Abs. 2 BGB steht dem also nicht entgegen.

Dafür, dass es sich bei der Preisbestimmungspflicht des Versorgers um die vertragliche Preishauptabrede handelt, spricht m. E. die vertragsgegenständliche Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 GVV, wonach der Grundversorger die Energie zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen zur Verfügung zu stellen hat [hinsichtlich derer ihn allein die Preisbestimmungspflicht trifft].

§ 5 GVV räumt dem Versorger kein Preisänderungsrecht ein, sondern regelt, wie dieser imlaufenden Vertragsverhältnis seine aus § 36 Abs. 1 EnWG folgende Preisbestimmungspflicht auzuüben hat. Es handelt sich um eine besondere Regelung in Abweichung von § 315 Abs. 2 BGB. Um mehr nicht.  

BGH KZR 29/06 Rn. 27 stützt meine Auffassung, dass dem Antrag des anderen Vertragsteils auf Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB allzuleicht der Erfolg versagt sein kann, nämlich dann, wenn wegen fehlender Darlegungen der zur einseitigen Leistungsbestimmung berufenen Partei offen geblieben ist, ob deren einseitige Leistungsbestimmung der Billigkeit entsprach oder nicht (so schon BGH VIII ZR 240/90 am Ende).

Ebenso wie für die gesetzliche Leistungsbestimmungspflicht des Allgemeinversorgers gem. § 10 Abs. 1 EnWG 1998 fehlte es auch für die gesetzliche Leistungsbestimmungspflicht des Netzbetreibers gem. § 6 EnWG 1998 (über § 1 EnWG hinaus) vollständig an gesetzlichen Regelungen. Insbesondere bei den Preisfindungsprinzipien der VVII bzw. VVII plus handelte es sich nicht um gesetzliche Regelungen für die Ermittlung des Netznutzungsentgelts. Deren Anwendung konnte jedoch vertraglich vereinbart werden. Die Verpflichtung aus § 1 EnWG musste auch bei der Ermittlung der Netzentgelte berücksichtigt werden (so ebenfalls schon BGH VIII ZR 240/90 für die einseitige Bestimmung eines Strompreises).

Auf die Unbilligkeitseinrede des Kunden hat der Grundversorger m.E. nachvollziehbar und prüffähig darzulegen, warum er meint, dass der von ihm bestimmte Preis dem Kunden die vom Versorger gesetzlich geschuldete möglichst preisgünstige, effiziente Versorgung ermöglicht. Und er hat dies (nach den erfolgten nachvollziehbaren und prüffähigen Darlegungen) auf Bestreiten des Kunden im Prozess ggf. zu beweisen.
An dieser Stelle greift § 93 ZPO.

Offline PLUS

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Es geht mir nicht um Zweifel an der Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers oder um die Frage nach der vertragliche Preishauptabrede. Es geht mir um eine notwendige Ergänzung dazu, es geht um die Technik, um Instruktion, um allgemeinverbindliche Regeln zur Feststellung der Billigkeit, mindestens im Grundversorgungsbereich. Hier sehe ich keinen Fortschritt und gerade bei der Lektüre von Urteilen und den seitenfüllenden juristischen Auseinandersetzungen ein ungelöstes grundlegendes Defizit.  Bei der Bedeutung für die Menschen ist das kein Zustand.
 
Zitat
Art 80 GG
(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben............

Offline RR-E-ft

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Das geht doch gar nicht.

Die vom Grundversorger beeinflussbaren Kosten sind allein die Beschaffungskosten und die eigentlichen Vertriebskosten der Grundversorgung.

Der Gesetzgeber gibt in §§ 2, 1 EnWG vor: möglichst sicher, preisgünstig, effizient.
Damit ist vom Gesetzgeber alles gesagt, was zu sagen ist.

Die Beschaffungskosten hängen maßgeblich ab von der Beschaffungsstrategie, also davon wo und zu welchen Bedingungen sich der Versorger die Energie beschafft, um den Bedarf der Kunden möglichst sicher, preisgünstig und effizient zu decken.

Und derer Möglichkeiten zur Beschaffung wie auch der Konditionen gibt es mannigfaltige (kurzfristig, langfristig, mit Preisänderungsklausel oder ohne, Bandlieferung oder Vollversorgung, mit take or pay- Klausel  oder ohne...).

Soll der Gesetzgeber den Grundversorgern etwa exakt vorschreiben, wo und zu welchen Bedingungen sie die Energie zu beschaffen haben, um den Bedarf der Kunden möglichst sicher, preisgünstig und effizient zu decken?

Das Gesetz weist so eindeutig wie zutreffend den Versorgern die Kompetenz zu, ihre gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG zu erfüllen.

Ist wirklich jemand der Meinung, der Gesetzgeber könnte hinsichtlich der Beschaffungsstrategie klüger sein als die mit besonderem Sachverstand ausgestatten Versorger und ihnen deshalb deren Beschaffungsstratgie vorschreiben?

Wenn es zum Streit kommt, hat der Versorger nachvollziehbar und prüffähig darzulegen, dass er seine gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG (möglichst sicher, preisgünstig, effizient) erfüllt hat und dies auf Bestreiten im Prozess zu beweisen.

Natürlich kann der Kunde ohne die erforderlichen nachvollziehbaren und prüffähigen Darlegungen des Versorgers relativ schlecht einschätzen, ob die Preisbestimmung des Versorgers der Billigkeit entspricht oder nicht.

Deshalb greift ja gerade § 93 ZPO im Zahlungsprozess des Versorgers gegen den Kunden, der nach der sehr leicht  erhobenen Unbilligkeitseinrede gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB seine Zahlungen ebenso leicht und einfach gekürzt hatte.
Leicht und einfach steht bei mir synonym für effektiv.  

Für halbwegs unsinnig halte ich den Weg, wie er der Entscheidung BGH KZR 29/06 zu Grunde lag (Rückforderungsklage nach Vorbehaltszahlungen im Wege der Stufenklage: Auskunft über preisbildende Kostenfaktoren, sodann gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, sodann Bezifferung des Rückforderungsanspruchs). Viel zu kompliziert und vor allem auch unnötig.

Der Streit darüber, ob der Versorger seine gesetzliche Verpflichtung aus §§ (36 I), 2, 1 EnWG erfüllt hat, gehört für mich gem. §§ 108, 102, 103 EnWG erstinszanzlich vor die besonderen Kammern bei den Landgerichten.
Dabei eingeholte gerichtliche Sachverständigengutachten können gem. § 411a ZPO in Parallelverfahren verwendet werden.

Weil die Preisbestimmungen des Grundversorgers in Ausübung seiner gesetzlichen Preisbestimmungspflicht immer alle seine grundversorgten Kunden gleichermaßen betrifft, die Frage der Billigkeit der Preisbestimmung einheitlich zu beurteilen ist, wäre ein besonderes Klagerecht der Verbraucherverbände wünschenswert, wie es bereits im Gesetzgebungsverfahren zum EnWG 2005 in der Diskussion war.

 

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