Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH  (Gelesen 98688 mal)

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Offline jroettges

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Wer demgegenüber Kritik am deutschen Gesetzgeber üben will, kann sich direkt an diesen wenden.

Das ist so und so wird es geschehen.

Offline RR-E-ft

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Wir unterscheiden zwei Bereiche, nämlich Belieferung im Rahmen der Vertragsfreiheit und Belieferung im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht.

1.

Im Bereich der Vertragsfreiheit sind die Lieferanten frei ob und ggf. wem sie überhaupt etwas anbieten.

Für den Bereich der Vertragsfreiheit hatten wir bereits festgestellt, dass der Kunde außer der vertraglich vereinbarten Belieferung nichts weiter beanspruchen kann. Wenn er Weiteres beansprucht, wird sein Vertrag im Zweifel ordnungsgemäß gekündigt und er kann froh sein, wenn er nicht auf einer schwarzen Liste landet, so dass niemend mehr einen Sondervertrag mit ihm abschließen möchte. Soweit die Erfahrungen mit BürgerGas.

Wenn man sich dies vergegenwärtigt, ist klar, wie sinnvoll es ist, dabei Zeit auf weitere Überlegungen zu verwenden.

2.

Für den Bereich der Versorgungspflicht hatten wir herausgearbeitet, dass eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers besteht, der Versorger einen Preis bestimmen muss, der den Kunden eine möglichst preisgünstige, effiziente Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen gewährleistet.

Nur der Grundversorger schuldet als solcher Haushaltskunden eine Versorgung, undzwar nicht eine Versorgung zu irgendwelchen Bedingungen und irgendwie gebildeten Preisen.

Zudem ist ersichtlich, dass es die gesetzliche  Verpflichtung des Versorgers ist, dafür Sorge zu tragen, dass die Versorgung so preisgünstig und effizient wie möglich erfolgen kann.

Er hat zum Beispiel für die möglichst sichere und preisgünstige Versorgung den Markt zu beobachten und seine Entscheidungen zur Beschaffungsstrategie danach auszurichten.
Das kann ihm niemend abnehmen.

Insbesondere kann ihm der Gesetzgeber nicht abnehmen, den Markt zu beobachten, und für ihn im Wege des Gesetzgebungsverfahrens die unternehmerisch zu treffenden Entscheidungen mit Bindungswirkung vorgeben.

Wenn man sich dies vergegenwärtigt, ist klar, wieviel gesetzgeberischer Spielraum insoweit besteht.  Und danach kann man sinnvolle Vorschläge an den Gesetzgeber ausrichten, wobei die konstruktiven Vorschläge lauten sollten \"Der Bundestag möge beschließen,.....\".

Dabei sollte man berücksichtigen, dass gesetzliche Regelungen, welche die unternehmerische Handlungsfreiheit der Unternehmen einschränken gem. Art. 2, 12 GG nur zulässig sind, soweit sie einen legitimen Zweck verfolgen und notwendig sind.

Offline Lothar Gutsche

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@ RR-E-ft

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Original von RR-E-ft
Zudem ist ersichtlich, dass es die gesetzliche Verpflichtung des Versorgers ist, dafür Sorge zu tragen, dass die Versorgung so preisgünstig und effizient wie möglich erfolgen kann.

Er hat zum Beispiel für die möglichst sichere und preisgünstige Versorgung den Markt zu beobachten und seine Entscheidungen zur Beschaffungsstrategie danach auszurichten.
Das kann ihm niemend abnehmen.

Insbesondere kann ihm der Gesetzgeber nicht abnehmen, den Markt zu beobachten, und für ihn im Wege des Gesetzgebungsverfahrens die unternehmerisch zu treffenden Entscheidungen mit Bindungswirkung vorgeben.
So leicht können Sie den Gesetzgeber nicht aus seiner Verantwortung entlassen. Was ist denn ein funktionierender Vorleistungsmarkt für Energie? Wo ist der Schutz des Vorleistungsmarktes vor Machtmissbrauch und Manipulation, auf dem der Versorger möglichst preisgünstig und sicher Energie beschaffen kann? Sowohl im Großhandel mit Strom als auch im Ferngasgeschäft gibt es genügend Anzeichen für einen nicht intakten Markt. Beim Strom zeigt das aktuell die Diskussion um die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamtes, siehe den Thread \"BKartA legt Abschlussbericht Sektorenuntersuchung Stromgroßhandel vor\", oder auch die Diskussion über die Strompreiserhöhungen zum 1.1.2011 wegen der gestiegenen EEG-Umlage, siehe z. B. die Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V. vom 12.11.2010 unter dem Titel \"Erneuerbare als Sündenbock\".  Beim Gas wird die Nichtfunktionsfähigkeit der Ferngasmärkte in der Sektoruntersuchung Gastransport bestätigt, den das Bundeskartellamt am 17.12.2009 über die Kapazitätssituation in den deutschen Gasfernleitungsnetzen veröffentlichte. Die Sektoruntersuchung erfolgte gemäß § 32e Abs. 3 GWB und ist auf der Homepage des Bundeskartellamtes abrufbar unter http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Stellungnahmen/0912_Ab schlussbericht_SU_Gasfernleitungsnetze.pdf.

Wozu soll denn ein Versorger den \"Markt beobachten\", wenn der Markt schlicht nicht funktioniert? Die Verantwortung für die Funktionsfähigkeit der Energiemärkte trifft den Gesetzgeber. Der Gesetzgeber muss wirksame Spielregeln erlassen und deren Einhaltung überwachen. Und genau da versagt der Gesetzgeber genauso wie beim direkten Verbraucherschutz.

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) als zentrales Kartellgesetz ist für Verbraucher im allgemeinen ein ziemlich stumpfes Schwert. Denn die Beweis- und Darlegungslasten liegen bei demjenigen, der einen Kartellverstoß behauptet, vgl. auch ganz praktisch Ihren eigenen Beitrag zu meinem Fall in Würzburg unter http://forum.energienetz.de/thread.php?postid=78138#post78138. Das Bundeskartellamt als die Behörde, die das GWB praktisch durchsetzen soll, verweigert wie die EU-Kommission weitgehend ihre Arbeit. Im Streitfall gehen die Kartellwächter Deals ein, die dem Verbraucher nicht weiterhelfen. Gesetzliche Regelungen wie das GWB schränken die unternehmerische Handlungsfreiheit der Unternehmen ein und sind selbstverständlich zulässig. Offensichtlich sind solche Beschränkungen und deren Durchsetzung gerade im Energiemarkt dringend notwendig.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

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Ich kann manchen  Argumenten auch nicht folgen.

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Insbesondere kann ihm der Gesetzgeber nicht abnehmen, den Markt zu beobachten, und für ihn im Wege des Gesetzgebungsverfahrens die unternehmerisch zu treffenden Entscheidungen mit Bindungswirkung vorgeben.
    Die unternehmerische Entscheidung darf der Gesetzgeber ihm auch nicht abnehmen. Auch dem PKW-Lenker nimmt der Gesetzgeber mit der Straßenverkehrsordnung die Verantwortung nicht ab.
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Wenn man sich dies vergegenwärtigt, ist klar, wieviel gesetzgeberischer Spielraum insoweit besteht. Und danach kann man sinnvolle Vorschläge an den Gesetzgeber ausrichten, wobei die konstruktiven Vorschläge lauten sollten \"Der Bundestag möge beschließen,.....\".
Dabei sollte man berücksichtigen, dass gesetzliche Regelungen, welche die unternehmerische Handlungsfreiheit der Unternehmen einschränken gem. Art. 2, 12 GG nur zulässig sind, soweit sie einen legitimen Zweck verfolgen und notwendig sind.
    Ja und!? Mit seinem Fuhrpark muss der Unternehmer auch regelmäßig zum TÜV. Das dient auch dem Schutz Dritter. Den \"Spielraum\" gibt das Gesetz vor.Von einer verfassungsrelevanten Einschränkung kann keine Rede sein. Auch der eine oder andere staatliche Prüfer steht ab und zu vor der Türe. Eine Verordnung, die der Umsetzung von Gesetzen dient, ist keine unzulässige Einschränkung unternehmerischer Handlungsfreiheit. Die gibt es ohnehin nicht uneingeschränkt. Der Gesetzgeber hat schon auch dafür zu sorgen, dass das  Unternehmen sich innerhalb der gesetzlichen Vorgaben bewegt. Das gilt gerade auch für den Verbraucherschutz.

Offline RR-E-ft

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Die ganze Welt ist voller Unrecht und Missetaten.  Ach was muss man oft von bösen Buben hören oder lesen...! Das betrifft auch den Energiebereich in Deutschland.

In diesem Thread geht es doch nur um das Verhältnis Kunde- Versorger und nicht um den Großhandelsmarkt, an dem der Verbraucher selbst nicht teilnimmt. Einen funktionierenden Großhandelsmarkt kann der Gesetzgeber ebensogut beschließen wie \"Kaiserwetter\" am Tag der deutschen Einheit. Man darf von der Gesetzgebung auch nicht zuviel erwarten. Allein der Umstand, dass Mord unter Strafe steht, führt nicht dazu, dass keine Morde mehr geschehen. Auch werden nach wie vor nicht alle Morde aufgeklärt.

Die Unzulänglichkeiten am Großhandelsmrkt sollten wir in diesem Thread außen vor lassen, weil es hier nur um das Verhältnis zwischen Verbraucher und eigenem Versorger gehen soll. Und auch in dem Verhältnis zwischen Verbraucher und eigenem Versorger gibt es genügend Missliches zu beobachten:  

Von 2008 auf 2009 sind infolge der rückläufigen Energienachfrage im Zuge der Wirtschaftskrise die Großhandelspreise für Strom an der EEX um ca. 3 Ct/ kWh gesunken. Für Großkunden sanken die Strompreise und die Stromerzeuger beklagten deshalb einen Ergebniseinbruch um ca. 40 Prozent.

Die Versorger erhöhten gegenüber den Verbrauchern sogar Anfang 2009 die Preise weiter. Der BDEW sagte im April 2009, die Strompreise für Verbraucher würden wegen der sinkenden Großhandelspreise erst 2010 sinken können. Das Jahr 2010 kam, die Strompreise wurden gegenüber den Verbrauchern weiter erhöht. Das Jahr 2010 ging und die Strompreise werden auch 2011 erhöht. Die rückläufigen Großhandelspreise kamen bei vielen Verbrauchern nicht an.

Auch im Gasbereich sanken die Großhandelspreise zum einen infolge der Wirtschaftskrise zum anderen wegen des Gasüberschusses in Amerika, was in Europa eine nie dagewesene Gasschwemme bewirkte. Großkunden sind wegen der EGIX- Gaspreise nicht bereit, der E.ON Ruhrgas überhaupt nur die ölpreisindexierten Erdgasimportpreise zu zahlen, weshalb Ruhrgas für 2011 einen Verlust in Milliardenhöhe erwartet. Es geht also etwas am Großhandelsmarkt, sogar soviel, dass die nach wie vor marktbeherrschende Ruhrgas ihre eigenen Beschaffungspreise auf der Absatzseite nicht mehr durchsetzen kann und deshalb mit Gazprom usw. über die eigenen Bezugskonditionen verhandeln muss.

Auch die dramatisch gefallenen Gas- Großhandelspreise haben viele Verbraucher nicht erreicht. Teilweise wurden die Gaspreise gegenüber den Verbrauchern sogar weiter erhöht, teilweise sogar drastisch.

Verantwortlich dafür, dass die drastisch gesunkenen Großhandelspreise die Verbraucher oft nicht erreichten, tragen die Versorger.

Die Versorger beschafften entweder auf dem Großhandelsmarkt die Energie nicht so preiswert wie möglich  oder sie benutzten den erzielten Preisvorteil am Großhandelsmarkt zur eigenen Margenerhöhung, gaben diesen nicht an die Verbraucher weiter. Beides stellt einen Verstoß gegen §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG da und verstößt gegen gesetzliche Verpflichtungen und hat auch  Einfluss auf die Billigkeit einseitiger Preisbestimmungen (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18, VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Das ist ein Verhalten, dass die Verbraucher ihrem Versorger nach den bereits geltenden gesetzlichen Regelungen vorwerfen können, jedoch nur soweit mit Erfolg, wie den Versorger überhaupt eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht trifft, der Versorger dem Verbraucher eine besondere Preisbestimmung gesetzlich und vertraglich implementiert schuldet.

Offline RR-E-ft

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Offline courage

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Original von RR-E-ft
Beitrag im BBH-Blog
Wie lautet denn die gepriesene sichere Preisanpassungsklausel von BBH?

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Die ganze Welt ist voller Unrecht und Missetaten. Ach was muss man oft von bösen Buben hören oder lesen...! Das betrifft auch den Energiebereich in Deutschland.

In diesem Thread geht es doch nur um das Verhältnis Kunde- Versorger und nicht um den Großhandelsmarkt, an dem der Verbraucher selbst nicht teilnimmt. Einen funktionierenden Großhandelsmarkt kann der Gesetzgeber ebensogut beschließen wie \"Kaiserwetter\" am Tag der deutschen Einheit.
Ja, es ist nicht mehr zu überlesen, immer haarscharf am Thema vorbei! :rolleyes:

Mit \"Bösen Buben\" kommen viele gut aus,
Energieverbraucher sind sie ein Kraus,
denn die Buben sehn oft harmlos aus,
spielen wie die Katz mit der Maus,
wollen, dass man sich ganz sicher fühlt,
und von selber mit dem Feuer spielt.
Ja, sie machen, schlimme Sachen.
 ..
Doch auch böse Buben müssen sein,
denn die guten sind so streng und fein.
Gäb es keine bösen Buben mehr,
quälte uns die Langeweile sehr.
Denn die braven und bequemen,
Musterknaben sind zum gähnen.
Frei nach Wencke Myhre

Offline Jagni

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von RR-E-ft

Die Versorger beschafften entweder auf dem Großhandelsmarkt die Energie nicht so preiswert wie möglich oder sie benutzten den erzielten Preisvorteil am Großhandelsmarkt zur eigenen Margenerhöhung, gaben diesen nicht an die Verbraucher weiter. Beides stellt einen Verstoß gegen §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG da und verstößt gegen gesetzliche Verpflichtungen und hat auch Einfluss auf die Billigkeit einseitiger Preisbestimmungen (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18, VIII ZR 138/07 Rn. 43).



Die Erfahrungen, die wir Verbraucher jetzt schon seit annähernd 6 Jahren mit diesem Gesetz machen, die auch in vorstehendem Zitat zum Teil aufgezeigt werden, liefern  hinreichend Beweis dafür, dass sich ein wirksamer Verbraucherschutz gerade nicht eingestellt hat.

Das Gesetz ist mit dem Ziel angetreten, die Vorgaben aus den Eu-Richtlinien auch  hinsichtlich dieses Schutzes umzusetzen, hat es aber nicht hinbekommen.

Allein die Tatsache, dass in den rückliegenden Jahren kein höherer Schutz für die Kleinabnehmer gefordert wurde, konnte dazu führen, dass der Mangel aus der Grundversorgung auch auf  die Sonderabnehmer übertragen wurde.  Augenscheinlich werden  Sondervertragskunden und grundversorgte Kunden jetzt gleich schlecht behandelt.

Noch deutlicher:
40 Mio Haushalte in Deutschland werden jetzt gemeinsam in der Abhängigkeit und im Drangsal der Energieversorger gehalten. Ihren Schutz müssen sich die \"ahnungslosen\" Verbraucher selbst erarbeiten.

Es ist verständlich, wenn in dem Gesetz u.a. eine Regelung zur Zweckerfüllung der Daseinsvorsorge gesehen wird.  Nicht mehr, aber auch nicht weniger wird man zugestehen können. Völlig unverständlich aber, wenn die Grundversorgung hinsichtlich des Verbraucherschutzes eine Glorifizierung erfahren soll.


Gruß
Jagni

Offline RR-E-ft

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Von einer Glorifizierung der Grundeverosrgung kann doch keine Rede sein.

Fakt ist, dass Großkunden am Großhandelsmarkt Verhandlungsmacht haben und diese auch einsetzten, was etwa Ruhrgas derzeit deutlich zu spüren bekommt, die nicht einmal ihre Bezugspreise auf der Absatzseite gegenüber Großkunden  durchsetzen kann und deshalb für 2011 einen Verlust in Milliardenhöhe  besorgt.

Kleinkunden nehmen am Großhandelsmarkt nicht teil.
Sie verfügen auch nicht über Verhandlungsmacht.

Der Gesetzgeber hat deshalb die Grundversorgung zum Schutz der Kleinkunden geschaffen. Dieser Schutz funktioniert nur, wenn die Grunversorger ihre gesetzlichen Verpflichtungen erfüllen, insbesondere Energie so preisgünstig wie möglich beschaffen und dabei erzielte Kostenvorteile möglichst zügig und umfassend an ihre grundversorgten Kunden weitergeben, wie es ihrer gesetzlichen Verpflichtung entspricht (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18]. Die Grundversorger treten auf dem vorgelagerten Großhandelsmarkt als Großkunden auf...

Den grundversorgten Kunden ist es nach den gesetzlichen Regelungen möglich, ihre entsprechenden Ansprüche auf möglichst preisgünstige Versorgung gerichtlich durchzusetzen. Allein die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats mit der sog. Preissockeltheorie, die im Gesetz keine Stütze findet, hindert sie daran. Und deshalb bedarf es bei der Rechtsprechung Korrekturen, so dass diese wieder im Einklang steht mit der materiellen Rechtslage.

Bei Sonderverträgen ohne wirksam einbezogene oder ohne einbezogene wirksame Preisänderungsklausel ist der Lieferant hingegen weder zu einseitigen Preisänderungen berechtigt, noch zu solchen verpflichtet.

Offline Jagni

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@RR-E-ft

Fakt ist, dass die Grundversorger ihre gesetzliche Pflicht nicht erfüllen. Erkannt ist, warum sie ihre gesetzliche Pflicht nicht erfüllen.  Und wenn der Schutz nur funktioniert, wenn die Versorger ihrer Pflichtigkeit entsprechen, dann muss doch verständlich werden, dass wir über diesen Wege der Hoffnung keinen Verbraucherschutz herbeihoffen können.

Altes russisches Sprichwort: Auf der Wiese der Hoffnung grasen viele Narren. Sollen wir Verbraucher uns dort einreihen?

Wenn Kleinkunden nur deswegen überhöhte Preis aufgedrückt bekommen, weil der Versorger es unterlässt, auf der Einkaufsseite den Wettbewerb auszuschöpfen, dann nimmt dieser Kleinkunde sehr wohl am Großhandelsmarkt insoweit teil, als er die Suppe auslöffelt.

Es reicht nicht aus, dass wir jetzt nur noch die Pflichten der Versorger penetrieren. Es ist längst erkannt, dass die Versorger um diese Pflichten Bogen schlagen.

Zitat
RR-E-ft

Den grundversorgten Kunden ist es nach den gesetzlichen Regelungen möglich, ihre entsprechenden Ansprüche auf möglichst preisgünstige Versorgung gerichtlich durchzusetzen.

Warum müssen wir uns über solche Selbstverständlichkeiten austauschen? Das ist doch kein Verbraucherschutz! Das ist risikoreiche Schwerstarbeit für 40 Mio Haushalte! Sollen die alle durch den Billigkeitsmechanismus marschieren, um die Versorger zu disziplinieren?

Dass  bei der Rechtsprechung Korrekturen erforderlich werden ist die eine Betrachtung. Ihrer Aktivität in dieser Sache gebührt höchster Respekt, und ich wünsche Ihrer Initiative allen Erfolg.
Es verstellt mir aber nicht den Blick auf den Mangel im Gesetz. Und hier verspüre ich Ihren Widerstand, dessen Ursache nicht erkennbar wird.

Gruß
Jagni

Offline RR-E-ft

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Es ist doch auch sonst so, dass der Gesetzgeber sich darauf beschränkt, Ansprüche zu definieren, so wie auch den Anspruch der grundversorgten Kunden auf eine Versorgung, die ihnen eine möglichst sichere, preisgünstige, effiziente Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen gewährleisten muss. Nicht anders den Anspruch auf Sozialleistungen nach SGB II....

Ob der so gesetzlich Anspruchsberechtigte seine Ansprüche dann auch geltend macht und ggf. gerichtlich verfolgt, bleibt ihm jedoch immer  selbt überlassen. Staatliche \"Zwangsbeglückung\" ist nicht vorgesehen. Auch der Geschädigte eines Verkehrsunfalls muss selbst entscheiden, ob er daraus erwachsende Ansprüche überhaupt geltend macht und ggf. gerichtlich gégen seine Schuldner verfolgt.

Aufgabe des Staates ist es gem. Art. 19 IV GG, effektiven Rechtsschutz zu ermöglichen, also die gerichtliche Durchsetzbarkeit von bestehenden zivilrechtlichen Ansprüchen zu ermöglichen. Und da setzt die Kritik an der bisherigen Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats an.

Offline Jagni

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Für den Verbraucher kommt es nicht darauf an, was sonst so ist. Sondern es kommt ihm nur darauf an, was in seinem Vertragsverhältnis sachlich geboten oder zwingend erforderlich ist.

Hinsichtlich der Durchsetzung seines  Rechts ist zu beachten, dass er nicht einem  leistungsgewährenden  Staat als Anspruchsgegner gegenübersteht, sondern dass er es im  Energiebereich mit einem  marktmächtigen Versorger zu tun hat, der allein schon aus einem natürlichen Egoismus heraus seine Marktmacht ausspielt und sein Interesse verfolgt. In diesem Vertragsverhältnissen  bestehen somit typische Interessensgegensätze.

Die Pflichten aus dem EnWG sind für den Versorger nur Hemmnisse bei der Verfolgung seines Ziels   - der Gewinnmaximierung. Diesem Interesse ist der Verbraucher ausgeliefert, wenn nicht durch wirksamen Verbraucherschutz von Anfang an eine Gleichwertigkeit zwischen den Vertragspartner hergestellt wird. Erst dann kann man überhaupt von Vertragsgerechtigkeit sprechen.

In der Rechtswirklichkeit der Grundversorgung existiert diese Gleichberechtigung der Parteien nicht. Es stehen sich wirtschaftlich ungleiche Partner gegenüber, und der wirtschaftlich stärkere wird durch eine intransparente Preisänderungsregelung bevorteilt. Der Verbraucher ist dem Preisgebaren des Versorgers ausgeliefert. Daran ändert sich auch nichts, wenn das Gesetz nur mit vernebelten Pflichten aufwartet.

Der durchschnittliche Verbraucher kann überhaupt nicht erkennen, wann und in welchem Umfang der Versorger seine Pflichtigkeit verletzt. Dennoch wird er auf den Rechtsweg verwiesen. Das soll sein einziger Schutz sein.

Nur weil diese Vertragsungerechtigkeit in der Grundversorgung existiert, konnte der Gedanke aufkommen, sie auch auf den Versorgungsbereich der Sonderabnehmer auszudehnen. Das Übel trifft jetzt 40 Mio Haushalte in Deutschland. Das Thema hat daher auch eine politische Dimension.

Den Verbraucher schon aus seiner schwachen, unterlegenen Position heraus  auf den Rechtsweg zu verweisen, ist wegen der unverhältnismäßigen Risiken makaber.

Und mit staatlicher „Zwangsbeglückung“ der Verbraucher hat es rein gar nichts zu tun, wenn die Versorger auch in der Grundversorgung zum Schutz der Verbraucher Transparenzanforderungen unterworfen werden, die zu einer Vertragsgerechtigkeit hinführen. Auf den Vergleich mit einem Verkehrsunfall fällt es mir sehr schwer, überhaupt noch eine Antwort zu finden.

Es war ein langer Weg, den Schutz der Schwächeren in unserem Recht zu etablieren, wie beispielsweise im Mietrecht oder im Arbeitsrecht. Etwa seit 1970 wird auch die Notwendigkeit eines Schutzes der Verbraucher herausgearbeitet. Im krassen Gegensatz dazu ist er im Energierecht, den Mangel in der Grundversorgung überhaupt nicht sehend,  im Jahr 2009 endgültig verlorengegangen.


Gruß
Jagni

Offline RR-E-ft

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In jedem Vertragsverhältnis bestehen Interessengegensätze. Das macht ein Vertragsverhältnis bei Lichte betrachtet gerade aus, ohne dass es dafür auf eine marktbeherrschende Stellung ankommt. Und die Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche aus einem Vertragsverhältnis ist nun mal immer eine Privatangelegenheit. So ist es zB. auch eine Privatangelegenheit des Versorgers, ob er nach Zahlungskürzungen des Kunden diesen deshalb verklagt oder nicht.

Jeder, der vom Gesetzgeber einen Anspruch eingeräumt bekommen hat, entscheidet autonom darüber, ob er ihn beim Schuldner geltend macht und ggf. gerichtlich verfolgt.

Offline RR-E-ft

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Der Sondervertragskunde hat keinen Anspruch auf wirksame Einbeziehung einer Preisänderungsklausel, erst recht nicht auf Einbeziehung einer wirksamen Preisänderungsklausel. Geschützt wird er durch §§ 305 ff. BGB auch in Umsetztung der EU- Richtlinie gegen missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen.

Gesetzliche Regelungen wie die Bestimmungen der StromGVV/ GasGVV unterliegen in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich keiner Inhaltskontrolle nach AGB- rechtlichen Bestimmungen.

Der grundversorgte Kunde hat einen gesetzlichen Anspruch auf eine jeweils der Billigkeit entsprechende Preisbestimmung des Grundversorgers, auch in Umsetzung der entsprechenden EU- Richtlinien.

Soweit die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH hierzu im Widerspruch steht und deshalb auch effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 IV GG verwehrt, bedarf diese Rechtsprechung  einer Korrektur.

 

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