@sternenmeer
Ihre anscheinend aufgetretene Verwirrung ist verständlich. Hängt aber damit zusammen, dass Sie die Entscheidung vom 13.07.2011 etwas anders strukturiert lesen müssen (weil dies halt im dort entschiedenen Sachverhalt abhängig vom dortigen Prüfungsraster anders abzuhandeln war).
Versuche mal eine kleine Lesehilfe zu bieten:
Tz. 17, 18
Zwar handelt es sich hierbei nach den unangefochten gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Jedoch richten sich bei der Versorgung mit Fernwärme die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien eines Wärmelieferungsvertrages grundsätzlich nach der gemäß § 27 AGBG als Rechtsverordnung erlassenen AVBFernwärmeV (vgl. im Einzelnen Senatsurteile vom 6. April 2011 - VIII ZR 66/09, aaO Rn. 23 ff.; VIII ZR 273/09, aaO Rn. 22 ff., jeweils mwN; vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 37/10 Rn. 28, zur Veröffentlichung bestimmt). Allgemeine Geschäftsbedingungen in Verträgen zwischen Lieferanten und Abnehmern von Fernwärme unterliegen daher regelmäßig nicht der Überprüfung nach §§ 307 ff. BGB oder §§ 9 ff. AGBG (Senatsurteile vom 6. April 2011 - VIII ZR 273/09, aaO, und VIII ZR 66/09, aaO; vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 37/10, aaO; vgl. ferner Senatsurteil vom 28. Januar 1987 - VIII ZR 37/86, BGHZ 100, 1, 4, 6 f.). Eine solche Inhaltskon-trolle findet bei derartigen Verträgen nur dann statt, wenn entweder die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV vorliegen oder wenn es sich um Wärmelieferungsverträge mit Industriekunden handelt (§ 1 Abs. 2 AVBFernwärmeV; vgl. Senatsurteile vom 6. April 2011 - VIII ZR 273/09, aaO 23 f., und VIII ZR 66/09, aaO Rn. 24 f.; vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 37/10, aaO). Dass einer dieser Ausnahmefälle vorliegt, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; Entsprechendes wird auch nicht in der Revisionsinstanz geltend gemacht.
Diese Feststellung des Nichtvorliegens der Voraussetzungen gem. § 1 Abs. 2 u. 3 AVB wird auch bei sorgfältiger Lektüre der Entscheidungsgründe zunächst nicht deutlich. Deutlich würde der Sachverhalt aber, wenn man dort lesen könnte: der Abnehmer ist \"kein Industriekunde\" oder der Abnehmer \"hat sich mit den abweichenden Bedingungen nicht einverstanden erklärt\".
Wenn aber die Klageparteien hierzu nichts vortragen und in den Tatsacheninstanzen hierzu nichts festgestellt wurde, dann braucht auch der BGH in sein Urteil nichts dazu schreiben. Und der Satz \"einer dieser Ausnahmefälle liegt nicht vor\" ist ausreichend.
Soweit zur Frage der Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen gem. §§ 305 ff. BGB.
Wenn Sie die Entscheidung weiter lesen und zwar bis Seite -20-, dann werden Sie dor keine Silbe mehr dazu finden, ob etwas nach §§ 305 ff. BGB zu prüfen ist oder ob nicht.
Erst mit der Tz. 37 auf Seite -21- wird es wiederum spannend:
Tz. 37
bb) Die Auslegung dieser Allgemeinen Versorgungsbedingung unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 37/10, aaO Rn. 30 mwN) und hat nach den in §§ 305 ff. BGB niedergelegten Maßstäben zu erfolgen. Mit der AVBFernwärmeV wollte der Verordnungsgeber lediglich den Besonderheiten der Energielieferung Rechnung tragen (BR-Drs. 90/80, abgedruckt bei Witzel/Topp, aaO, S. 237 f.). Soweit die Auslegungsfrage aber nicht auf diesen Besonderheiten beruht, ist ein Rückgriff auf die zu §§ 305 ff. BGB entwickelten Grundsätze möglich, die ohnehin weitgehend bereits bei Erlass der Vorgängerreglung (§§ 1 ff. AGBG) durch die Rechtsprechung entwickelt waren und daher zunächst unabhängig von einer Kodifizierung auf derartige Verträge Anwendung fanden (Senatsurteil vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 37/10, aaO Rn. 29; vgl. auch Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl., Einl. Rn. 6). Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber bei Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Fernwärmebereich diese Auslegungsgrundsätze mit der Einführung der AVB-FernwärmeV aufgeben wollte, sind nicht ersichtlich.
Doch, es kann auch auf die §§ 305 ff. BGB ankommen. Noch mal ruhig durch den Kopf gehen lassen, was dem BGH durch den Kopf geht. Die entscheidende Passage ist rot markiert.
Verkürzt ausgedrückt lautet der Merksatz:
(1) § 1 Abs. 2 oder Abs. 3 AVB positiv, dann §§ 305 ff. BGB positiv;
(2) § 1 Abs. 2 oder Abs. 3 AVB negativ, dann §§ 305 ff. BGB negativ;
(3) §§ 3 bis 35 AVB positiv, dann §§ 305 ff. BGB negativ;
(4) §§ 3 bis 35 AVB negativ, dann §§ 305 ff. BGB .......*)
Ja, was denn nun (......*) ? Hier spricht der BGH verquirrlten Frischkäse.
Zitat: \"...hat nach den in §§ 305 ff. BGB niedergelegten Grundsätzen zu erfolgen\" und \"... ist ein Rückgriff auf die zu §§ 305 ff. BGB entwickelten GRundsätze möglich\" und \" Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber bei Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Fernwärmebereich diese Auslegungsgrundsätze mit der Einführung der AVB-FernwärmeV aufgeben wollte, sind nicht ersichtlich\".
Es geht halt einfach nichts über die klare Deutsche Sprache. Was sollen diese verquasten Fragmente dazu, ob jetzt \"die Bestimmungen anwendbar werden\" oder \"nur bei der Auslegung zu berücksichtigen sind\" ?
Wenn schon keine Bestimmungen tangiert sind, die \"den Besonderheiten der Energielieferung Rechnung tragen\" sollen, also keine Kollisionslage eintritt, weshalb sollte dann eine rangordnungsmäßig niedrigere Norm zu einer Analogie auf rangordnungsmäßig höhere Normen zwingen, die schon über § 310 BGB nicht abgekoppelt sind ?