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Autor Thema: Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?  (Gelesen 145731 mal)

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Offline sternenmeer

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #135 am: 16. August 2011, 18:07:21 »
RR-E-ft
Zitat:\"Der konkludente Vertragsabschluss kann jedenfalls nicht zu Vertragsbedingungen führen,die ihrerseits gem.§ 1 Abs.3 AVBfernwärmeV
ein ausdrückliches Einverständnis voraussetzen.\"
Konkludent bedeutet doch \"Einverständnis\".Hierzu Witzel a.a.O.siehe o.,
S.58 zum Thema \"faktische Entnahme ohne Einigung\":
\"Es kann jedoch im Einzelfall auch eine der nach § 1 Abs. 1 oder Abs. 3 möglichen abweichenden Vertragsgestaltung zum Vertragsinhalt werden,
wenn bei vergleichbaren Verhältnissen regelmässig ein derartiger Vertrag
geschlossen würde.\"

RR-E-ft-Zitat:\"Sie referieren ernsthaft den Stand des Topp-Sellers 1997?\"
Offensichtlich hat der BGH bei der Begründung des heute veröffentlichten
Urteils (Az.:VIII ZR 339/10)auch keinen neueren/besseren\" Kommentar\" ge-
funden als dieses Standardwerk des Lobbyverbandes,sonst hätte er hierauf nicht mehrfach verwiesen.
Wenn jemand neuere/bessere \"Kommentare \"kennt,bitte ich um ent-
sprechende Mitteilung hier.

Nach meinem Verständnis des o. a. Urteils lässt der BGH  eine
Überprüfung  bestimmter Allgemeiner Versorgungsbedingungen zu
(auch ausserhalb des Versorgungsverhältnisses nach § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV),wenn er ausführt (Rn. 37):
\"Die Auslegung dieser Allgemeinen Versorgungsbedingung unterliegt der
uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung......und hat nach den
in §§ 305 ff. BGB niedergelegten Maßstäben zu erfolgen.Mit der AVBFernwärmeV wollte der Verordnungsgeber lediglich den Besonder-
heiten der Energielieferung Rechnung tragen.\"Weiter unten:
\"Anhaltspunkte dafür,dass der Verordnungsgeber bei Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Fernwärmebereich diese Auslegungsgrund-
sätze mit der Einführung der AVBFernwärmeV aufgeben wollte,sind nicht ersichtlich.\"

Offline sternenmeer

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #136 am: 21. August 2011, 13:05:15 »
@ Alle
Wie RR-E-ft w.o. eingehend erläutert hat,ist es dem Fernwärme-Versor-
gungsunternehmen erlaubt,seine Allgemeinen Versorgungsbedingungen
gem. § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV einseitig zu ändern und durch Veröf-
fentlichung wirksam werden zu lassen.
Hierzu ergeben sich für mich folgende Fragen:
1.Bezieht sich diese gesetzliche Regelung auch auf vertraglich vereinbarte,
  ergänzende Versorgungsbedingungen,die  NICHT  in direktem Zusammen-
  hang mit der Fernwärmelieferung stehen und somit der gerichtlichen Über-
  prüfbarkeit nach §§ 305 ff. BGB unterliegen (s. BGH v. 06.07.2011,:Az.
  VIII ZR 37/10,Rn. 29)?
2.Können solche nach §§ 305 ff. BGB überprüfbaren Allgemeinen Versor-
  gungsbedingungen einseitig  NEU  in ein Vertragsverhältnis integriert wer-
  den ohne Zustimmung der Kunden?
3.Kann z.B. eine vertraglich vereinbarte Allg. Versorgungsbedingung wie:
       \"Wenn eine Klausel unwirksam ist,verpflichtet sich das Unternehmen
       und deren Kunden,diese rechtswidrige Klausel durch eine gesetzes-
       konforme zu ersetzen.\"

  während der vertraglich festgelegten Laufzeit eliminiert werden und durch
  eine Klausel

     \"Änderungen der Allgemeinen Versorgungsbedingungen und des Preis-
     blatts werden erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam?

  ersetzt werden ?

Offline sternenmeer

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #137 am: 22. August 2011, 07:29:46 »
Korrektur meines letzten Beitrages

Es muss natürlich heissen:

3.Kann z.B. eine vertraglich vereinbarte ALLGEMEINE VERTRAGSBEDINGUNG
  (eine AGB,also keine Versorgungsbedingung) wie:\"Wenn eine ...usw.

Offline sternenmeer

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #138 am: 24. August 2011, 21:54:27 »
RR-E-ft
Wenn alle anderen Fernwärmekunden (Tatbestandsmerkmal:gleichartige
Abnehmerstruktur gem. § 19 GWB) einen Vertrag nach § 1 Abs. 1 mit wei-
teren gem. 305 Abs. 2 BGB wirksam einbezogenen AGB haben,führt die Kündigung eines einzelnen Vertrages (auch mit o.a. AGB) automatisch zu
einer kartellrechtlichen Ungleichbehandlung gegenüber allen anderen Kunden in dem konkreten Satzungsgebiet,weil- wie Sie w.o. aufgeführt ha-
ben-bei einem konkludenten Vertragsabschluss es nicht zu einer wirksamen
Einbeziehung der in den anderen Verträgen bzw. im eigenen gekündig-
tem Vertrag enthaltenen AGB gekommen sein kann.
Diese sind im konkludenten Vertrag somit verloren gegangen.Oder sehe
ich das falsch?Ist das keine Ungleichbehandlung?

Offline RR-E-ft

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #139 am: 25. August 2011, 20:30:26 »
Zitat
Original von sternenmeer

Wenn alle anderen Fernwärmekunden (Tatbestandsmerkmal:gleichartige
Abnehmerstruktur gem. § 19 GWB) einen Vertrag nach § 1 Abs. 1 mit wei-
teren gem. 305 Abs. 2 BGB wirksam einbezogenen AGB haben,führt die Kündigung eines einzelnen Vertrages (auch mit o.a. AGB) automatisch zu
einer kartellrechtlichen Ungleichbehandlung gegenüber allen anderen Kunden in dem konkreten Satzungsgebiet,weil- wie Sie w.o. aufgeführt ha-
ben-bei einem konkludenten Vertragsabschluss es nicht zu einer wirksamen
Einbeziehung der in den anderen Verträgen bzw. im eigenen gekündig-
tem Vertrag enthaltenen AGB gekommen sein kann.
Diese sind im konkludenten Vertrag somit verloren gegangen.Oder sehe
ich das falsch?Ist das keine Ungleichbehandlung?


Entscheidend ist wohl lediglich, ob dem Kunden, der einen neuen Vertrag abschließen möchte, der Abschluss einer entsprechenden Sondervereinbarung ohne sachliche Rechtfertigung verweigert wurde.

Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn sich der betreffende Kunde gegen den möglichen Abschluss einer entsprechenden Sondervereinbarung und statt dessen für den konkludenten Vertragsabschluss durch Energieentnahme entscheidet, der schon wegen § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV zu anderen Vertragsbedingungen führen muss und deshalb gerade keine entsprechende Sondervereinbarung begründen kann.

Der Versorger hat jedenfalls zu beachten, dass nur solche Nichtindustrie- Kunden zu den Bedingungen einer Sondervereinbarung beliefert werden können, die dem Abschluss einer Sondervereinbarung ausdrücklich zugestimmt haben, § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV.

Offline sternenmeer

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #140 am: 26. August 2011, 13:00:27 »
RR-E-ft
Mir wurde am 25.11.2009 ein \"Individuelles Vertragsangebot\"mit
-einem 1-Jahresvertrag (o. Preisänderungsklausel),
-einem höheren Preis(5,32 statt 5,22 Ct./kWh wie bei allen ander. Kunden),
-schlechteren TAB

zugestellt mit der \"freundlichen\" Zusatzbemerkung:

\"Sollten wir bis zum 15.12.2009 von Ihnen keine entsprechende Rückant-
 wort erhalten,gehen wir davon aus,dass Sie an der Fortsetzung des Ver-
 tragsverhältnisses kein Interesse haben und werden die Belieferung  
 möglichst zeitnah zum Auslaufen des Vertrages beenden.\"

Dieses Vertragsangebot haben wir wegen des kartellrechtlichen Gleichbe-
handlungsgrundsatzes am 03.12.2009 abgelehnt und um ein neues Ver-
tragsangebot gebeten.
Ein solches erfolgte nicht mehr bis zum 31.12.2009.
Im Protokoll der mündlichen Verhandlung (09.06.2011) vor dem LG steht:
\"Der Beklagtenvertreter erklärt,dass die Angabe von 5,32ct./kWh statt
 5,22 Ct./kWh auf einem VERSTEHEN (!!!) beruhte.\"

Somit stellt sich für mich die Frage,was ist unter dem am 01.01.2010 be-
ginnenden \"konkludentem Vertragsverhältnis \"zu verstehen in Bezug auf
-den Anfangspreis (§ 315 BGB ?),
-den vertraglichen Preisänderungsklauseln (am 01.01.2010 gab es keine
  anderen als die gesetzwidrigen aus 1984 wie bei allen anderen FW-Kun-
  den),
-den \"Ergänzenden Versorgungsbedingungen\" (d. §§ 305 ff. BGB entzogen)
-Sonstigen Vertragsbedingungen (den §§ 305 ff. BGB NICHT entzogen)?
In den vergleichbaren Versorgungsverhältnissen sind die gleichen Be-
dingungen enthalten wie in meinem gekündigtem Vertragsverhältnis.Alle
anderen Verträge blieben ja zum 01.01.2010 unverändert,da sie nicht ge-
kündigt worden sind.

Dieses \"konkludente Vertragsverhältnis\"ab dem 01.01.2010 muss folgen-
den Anforderungen gerecht werden:

1.§ 2 Abs. AVBFernwärmeV (\"gleichartiges Versorgungsverhältnis\"=Verträ-
   ge aller meiner Nachbarn) genügen,
2.kartellrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (gleichartige Abnehmer-
   struktur gem § 19 GWB) erfüllen und
3.den bisherigen Grundsatzurteilen des BGH gerecht werden ( bezüglich
   § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV).
Wie können diese Bedingungen erfüllt werden, ohne ab dem 01.01.2010
schlechter gestellt zu sein wie alle meine (nicht protestierenden) Nach-
barn?

Offline sternenmeer

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #141 am: 31. August 2011, 12:59:35 »
Wenn \"Vertragsbedingungen\" über den Rahmen der §§ 2-34 AVBFernwär-
meV hinaus gem. § 305 BGB in ein Vertragsverhältnis nach § 1 Abs. 1 AVB-
FernwärmeV einbezogen sind,können diese dann gem. § 4 Abs. 2 AVBFern-
wärmeV vom FVU einseitig durch Bekanntgabe gelöscht,geändert werden
oder gar gegen neue \"Vertragsbedingungen\" ohne Zustimmung der Kun-
den ausgetauscht werden?
Wo ist der Unterschied solcher \"abweichenden Vertragsbedingungen\" zu den \"Sondervereinbarungen\" im Rahmen des § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV?

Offline sternenmeer

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #142 am: 31. August 2011, 15:17:25 »
Pardon:Was ist der Unterschied zwischen den \"abweichenden Vertragsbe-
dingungen\" in § 1 Abs. 1 und den \"Sondervereinbarungen\" gem. § 1 Abs. 3
AVBFernwärmeV?

Offline sternenmeer

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« Antwort #143 am: 01. September 2011, 15:06:39 »
RR-E-ft
Der BGH hat in seinem Urteil (v. 06.04.2011,Az.:VIII ZR 273/09,Rn. 23) u.a.
aufgeführt,dass \"der Abschluss von Sondervereinbarungen, die nicht den
Vorgaben der §§ 2-34 AVBFernwärmeV genügen,\" nur im Rahmen des
§ 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV möglich sind.Zitat:\"Konsequenz des beschriebenen Regelungskonzepts der AVBFernwärmeV ist,dass eine Inhaltskontrolle nach der Generalklausel des § 307 BGB nur in den Fallkon-
stellationen des § 1 Abs. 3 AvbfernwärmeV....erfolgen kann.\"

Diese Rechtsposition gibt der BGH m.E. in seinem Urteil v. 13.07.2011,Az.:
VIII ZR 339/10 Rn. 37 auf,indem er aufführt:\"Die Auslegung dieser Allgemei-
nen Versorgungsbedingung unterliegt der uneingeschränkten revisions-
rechtlichen Nachprüfung und hat nach den in §§ 305ff. BGB niedergelegten
Maßstäben zu erfolgen.\"Von einem Vertragsverhältnis nach § 1 Abs. 3 AVB-
FernwärmeV ist aber m. E. nicht die Rede.

§ 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV sagt doch:\"......für eine Vielzahl von Verträgen
vorformuliert sind (allgemeine Versorgungsbedingungen),gelten die §§ 2-34.\"
Hiermit kommt doch zum Ausdruck,dass Ergänzende Allgemeine Versor-
gungsbedingungen,die den Rahmen der §§ 2-34 AVBFernwärmeV
\"sprengen\",nicht erlaubt sind
und somit einer Kontrolle nach §§ 305 ff. erst gar nicht zugänglich sind.Sie
sind nur als Sondervereinbarung im gesetzlichen Rahmen des § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV möglich.

-Gibt es somit nach dem Urteil v. 13.07.2011 auch im Rahmen des § 1 Abs.1
  AVBFernwärmeV \"Norm-Sonderverträge\" wegen \"Sondervereinbarungen\"
  außerhalb der §§ 2-34 AVBFernwärmeV?
-Wo ist die gesetzliche Grundlage für eine vertragliche Zulassung von
  Allgemeinen Versorgungsbedingungen = Sondervereinbarungen im Rah-
  men des § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV?
-Können solche Allgemeinen Versorgungsbedingunge = Sondervereinba-
  rungen gem. § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV einseitig nach öffentlicher Be-
  kanntgabe wirksam werden?Wie ist es dann mit der AGB-Kontrolle?

Der Gesetzgeber wollte mit der Zulassung von \"Ergänzenden Bestim-
mungen\" den FVU nicht die Möglichkeit geben,den durch die AVBFern-
wärmeV vorgesehenen Interessenausgleich zu ihren Gunsten zu verän-
dern.
Dieser Interessenausgleich ist m.E. nicht mehr gegeben,wenn ein FVU ver-
sucht,\"Ergänzende Bestimmungen=Sondervereinbarungen\" nicht im ge-
setzlich erlaubten Rahmen des § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV mit ihren Kunden
zu vereinbaren,sondern sie im Rahmen eines Vertragsverhältnises nach
§1 Abs.1 AVBFernwärmeV einfließen läßt,sozusagen als Gesetzesnorm.Als
solche wird sie auch vom Fernwärmekunden empfunden.

RR-E-ft,auch Sie haben mehrfach w.o. den Standpunkt vertreten,dass eine
Sondervereinbarung nur im Rahmen des § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV gesetz-
lich möglich ist.
Erst später haben Sie eingeräumt,dass Vertragsbestimmungen außerhalb
der §§ 2-34 AVBFernwärmeV wohl doch der Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB
unterliegen.Worauf stützt sich Ihre Korrektur?
Ich bin mir nicht sicher,ob das folgende Zitat von Witzel (a.a.O.) auch auf
ein Fernwärme-Versorgungsverhältnis gem. § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV zu-
trifft.
\"Soweit diese Bedingungen nicht Rahmenbedingungen der AVBFernwärmeV
(z.B. die Laufzeit) konkretisieren,sind es vom FVU gestellte AGB,auf die das AGBG uneingeschränkt anwendbar ist ( § 1 Abs. 1 S. 1 AGBG).\"

Offline tangocharly

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #144 am: 04. September 2011, 20:57:19 »
@sternenmeer

Ihre anscheinend aufgetretene Verwirrung ist verständlich. Hängt aber damit zusammen, dass Sie die Entscheidung vom 13.07.2011 etwas anders strukturiert lesen müssen (weil dies halt im dort entschiedenen Sachverhalt abhängig vom dortigen Prüfungsraster anders abzuhandeln war).

Versuche mal eine kleine Lesehilfe zu bieten:

Zitat
Tz. 17, 18
Zwar handelt es sich hierbei nach den unangefochten gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Jedoch richten sich bei der Versorgung mit Fernwärme die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien eines Wärmelieferungsvertrages grundsätzlich nach der gemäß § 27 AGBG als Rechtsverordnung erlassenen AVBFernwärmeV (vgl. im Einzelnen Senatsurteile vom 6. April 2011 - VIII ZR 66/09, aaO Rn. 23 ff.; VIII ZR 273/09, aaO Rn. 22 ff., jeweils mwN; vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 37/10 Rn. 28, zur Veröffentlichung bestimmt). Allgemeine Geschäftsbedingungen in Verträgen zwischen Lieferanten und Abnehmern von Fernwärme unterliegen daher regelmäßig nicht der Überprüfung nach §§ 307 ff. BGB oder §§ 9 ff. AGBG (Senatsurteile vom 6. April 2011 - VIII ZR 273/09, aaO, und VIII ZR 66/09, aaO; vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 37/10, aaO; vgl. ferner Senatsurteil vom 28. Januar 1987 - VIII ZR 37/86, BGHZ 100, 1, 4, 6 f.). Eine solche Inhaltskon-trolle findet bei derartigen Verträgen nur dann statt, wenn entweder die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV vorliegen oder wenn es sich um Wärmelieferungsverträge mit Industriekunden handelt (§ 1 Abs. 2 AVBFernwärmeV; vgl. Senatsurteile vom 6. April 2011 - VIII ZR 273/09, aaO 23 f., und VIII ZR 66/09, aaO Rn. 24 f.; vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 37/10, aaO). Dass einer dieser Ausnahmefälle vorliegt, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; Entsprechendes wird auch nicht in der Revisionsinstanz geltend gemacht.

Diese Feststellung des Nichtvorliegens der Voraussetzungen gem. § 1 Abs. 2 u. 3 AVB wird auch bei sorgfältiger Lektüre der Entscheidungsgründe zunächst nicht deutlich. Deutlich würde der Sachverhalt aber, wenn man dort lesen könnte: der Abnehmer ist \"kein Industriekunde\" oder der Abnehmer \"hat sich mit den abweichenden Bedingungen nicht einverstanden erklärt\".
Wenn aber die Klageparteien hierzu nichts vortragen und in den Tatsacheninstanzen hierzu nichts festgestellt wurde, dann braucht auch der BGH in sein Urteil nichts dazu schreiben. Und der Satz \"einer dieser Ausnahmefälle liegt nicht vor\" ist ausreichend.

Soweit zur Frage der Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen gem. §§ 305 ff. BGB.

Wenn Sie die Entscheidung weiter lesen und zwar bis Seite -20-, dann werden Sie dor keine Silbe mehr dazu finden, ob etwas nach §§ 305 ff. BGB zu prüfen ist oder ob nicht.

Erst mit der Tz. 37 auf Seite -21- wird es wiederum spannend:

Zitat
Tz. 37
bb) Die Auslegung dieser Allgemeinen Versorgungsbedingung unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 37/10, aaO Rn. 30 mwN) und hat nach den in §§ 305 ff. BGB niedergelegten Maßstäben zu erfolgen. Mit der AVBFernwärmeV wollte der Verordnungsgeber lediglich den Besonderheiten der Energielieferung Rechnung tragen (BR-Drs. 90/80, abgedruckt bei Witzel/Topp, aaO, S. 237 f.). Soweit die Auslegungsfrage aber nicht auf diesen Besonderheiten beruht, ist ein Rückgriff auf die zu §§ 305 ff. BGB entwickelten Grundsätze möglich, die ohnehin weitgehend bereits bei Erlass der Vorgängerreglung (§§ 1 ff. AGBG) durch die Rechtsprechung entwickelt waren und daher zunächst unabhängig von einer Kodifizierung auf derartige Verträge Anwendung fanden (Senatsurteil vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 37/10, aaO Rn. 29; vgl. auch Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl., Einl. Rn. 6). Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber bei Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Fernwärmebereich diese Auslegungsgrundsätze mit der Einführung der AVB-FernwärmeV aufgeben wollte, sind nicht ersichtlich.

Doch, es kann auch auf die §§ 305 ff. BGB ankommen. Noch mal ruhig durch den Kopf gehen lassen, was dem BGH durch den Kopf geht. Die entscheidende Passage ist rot markiert.

Verkürzt ausgedrückt lautet der Merksatz:

(1)  § 1 Abs. 2 oder Abs. 3 AVB positiv, dann §§ 305 ff. BGB positiv;
(2)  § 1 Abs. 2 oder Abs. 3 AVB negativ, dann §§ 305 ff. BGB negativ;
(3)  §§ 3 bis 35 AVB positiv, dann §§ 305 ff. BGB negativ;
(4)  §§ 3 bis 35 AVB negativ, dann §§ 305 ff. BGB .......*)

Ja, was denn nun (......*) ? Hier spricht der BGH verquirrlten Frischkäse.
Zitat: \"...hat nach den in §§ 305 ff. BGB niedergelegten Grundsätzen zu erfolgen\" und \"... ist ein Rückgriff auf die zu §§ 305 ff. BGB entwickelten GRundsätze möglich\" und \" Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber bei Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Fernwärmebereich diese Auslegungsgrundsätze mit der Einführung der AVB-FernwärmeV aufgeben wollte, sind nicht ersichtlich\".

Es geht halt einfach nichts über die klare Deutsche Sprache. Was sollen diese verquasten Fragmente dazu, ob jetzt \"die Bestimmungen anwendbar werden\" oder \"nur bei der Auslegung zu berücksichtigen sind\" ?

Wenn schon keine Bestimmungen  tangiert sind, die \"den Besonderheiten der Energielieferung Rechnung tragen\" sollen, also keine Kollisionslage eintritt, weshalb sollte dann eine rangordnungsmäßig niedrigere Norm zu einer Analogie auf rangordnungsmäßig höhere Normen zwingen, die schon über § 310 BGB nicht abgekoppelt sind ?
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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« Antwort #145 am: 05. September 2011, 10:56:49 »
§§ 305 ff. BGB finden laut BGH auf Allgemeine Geschäftsbedingungen in Fernwärmeversorgungsverträgen keine unmittelbare Anwendung, wenn es sich um keinen Industriekunden handelt und die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV nicht vorliegen.

Obgleich die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung der §§ 305 ff. BGB nicht vorliegen, können jedoch laut BGH die dazu entwickelten Auslegungsgrundsätze auch auf Vertragsklauseln Anwendung finden, die sich im Rahmen der §§ 2 bis 32 AVBFernwärmeV bewegen. Diese maßgeblichen Auslegungsgrundsätze seien nämlich von der Rechtsprechung bereits vor Kodifizierung des AGBG und der AVBFernwärmeV entwickelt worden und es ergäbe sich nichts dafür, dass diese Grundsätze im Geltungsbereich der AVBFernwärmeV keine Anwendung finden sollten.

Zitat
BGH VIII ZR 339/10 Rn. 37

bb) Die Auslegung dieser Allgemeinen Versorgungsbedingung unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 37/10, aaO Rn. 30 mwN) und hat nach den in §§ 305 ff. BGB niedergelegten Maßstäben zu erfolgen. Mit der AVBFernwärmeV wollte der Verordnungsgeber lediglich den Besonderheiten der Energielieferung Rechnung tragen (BR-Drs. 90/80, abgedruckt bei Witzel/Topp, aaO, S. 237 f.). Soweit die Auslegungsfrage aber nicht auf diesen Besonderheiten beruht, ist ein Rückgriff auf die zu §§ 305 ff. BGB entwickelten Grundsätze möglich, die ohnehin weitgehend bereits bei Erlass der Vorgängerreglung (§§ 1 ff. AGBG) durch die Rechtsprechung entwickelt waren und daher zunächst unabhängig von einer Kodifizierung auf derartige Verträge Anwendung fanden (Senatsurteil vom 6. Juli 2011 - VIII ZR 37/10, aaO Rn. 29; vgl. auch Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl., Einl. Rn. 6). Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber bei Allgemeinen Versorgungsbedingungen im Fernwärmebereich diese Auslegungsgrundsätze mit der Einführung der AVBFernwärmeV aufgeben wollte, sind nicht ersichtlich.

Das bedeutet jedoch nicht, dass dabei  §§ 305 ff. BGB unmittelbare Anwendung finden. Zur Anwendung kommen sollen dabei nur die dazu entwickelten Auslegungsgrundsätze.

Offline sternenmeer

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« Antwort #146 am: 05. September 2011, 17:44:05 »
tangocharly,RR-E-ft

Wenn die Auslegung Allgemeiner Versorgungsbedingungen der uneinge-
schränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt,dann müsste diese
doch bei einem Vorliegen einer \"Sondervereinbarung\" innerhalb eines Fern-
wärme-Versorgungsvertrages nach § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV zum Ergeb-
nis führen, dass diese unwirksam ist (§ 134 BGB),da sie nur innerhalb eines
Vertragsverhältnisses nach § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV vereinbart werden
durfte.
Dies müsste doch auch für eine \"Sondervereinbarung\" gelten,zu der in den
§§2-34 AVBFernwärmeV keine entsprechende Regelung vorhanden ist.

Durch die AVBFernwärmeV ist eine vollzwingende Normierung der Vertrags-inhalte hinsichtlich von \"Sondervereinbarungen\" festgelegt worden,die ein
Abweichen nicht erlaubt.
Wenn eine Klausel nicht durch das Gesetz gedeckt ist,dann ist sie m.E. un-
wirksam und somit einer revisionsrechtlichen Nachprüfung entzogen.
Wenn in einem Fernwärme-Versorgungsvertrag gem. § 1 Abs. 1 AVBFern-
wärmeV eine Laufzeit von 50 Jahren vereinbart wurde,dann ist eine solche
unwirksam (§ 134 BGB).Eine solche hätte gem. § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV
abgeschlossen werden müssen.(s. hierzu OLG Brandenburg v. 10.10.2007,
Az.: 3 U 50/07).

Offline Tom81

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« Antwort #147 am: 05. September 2011, 18:40:05 »
Hallo sternenmeer,

hast du bereits erwogen, Dich mal ans Fernsehen zu wenden? Die Sendung Plusminus hat letztes Jahr bereits einmal über Fernwärme kritisch berichtet.

h*t*t*p://www.daserste.de/plusminus/beitrag_dyn~uid,ztnkbla9xzoiv5ja~cm.asp

In Deinem Fall hat es ja schon Geschmäckle, wenn dem \"einzigen Protestler\" gekündigt wurde, die anderen aber weiter auf Basis des alten Tarifs beliefert werden. Mir ist zwar klar, dass sich die Juristen da dann gleich wieder rausreden von wegen \"Gleiches gleich und Ungleiches ungleich\" aber diese relative Gleichheit ist ja schließlich auch auslegungsbedürftig - man denke nur an \"eingetragene Lebenspartnerschaften\" versus \"die klassische Ehe\" in Steuerfragen (z.B. ErbSt). Du kannst doch bei Plusminus mal anrufen und vielleicht berichten sie über Deinen Fall.

Weiterhin könntest Du dich an die zuständige Landeskartellbehörde Deines Bundeslandes wenden und denen das zumindest mal telefonisch erklären. Vielleicht haben die noch einen Tip für Dich.

Als letzte Möglichkeit fiele mir noch die Lokalpresse Eurer Region ein. Damit würdest Du zumindest für ein bißchen negative Publicity sorgen.

VG

Offline sternenmeer

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« Antwort #148 am: 05. September 2011, 19:24:54 »
Tomm81
Landeskartellamt BW:Seit Anfang 2005 über alles informiert.Auf vielen Sei-
ten habe ich die Kartellrechtswidrigkeit der Preisänderungsklausel nachge-
wiesen.Keine Antwort.Dafür wird es Gründe geben.Dagegen haben sie mir bei der Sperrandrohung geholfen.Die SWLB haben anschließend davon Abstand genommen.

Fernsehen:Ja,es gab Anfragen von Fernseh-Anstalten.Z.Zt. kein Interesse
meinerseits.

Bundeskartellamt:Da das LG das BKartA nicht über das Kartellrechtsverfah-
ren informiert hatte,wurde auf meinen telef. Anruf das Urteil angefordert.
M.E. wird das BKartA erst bei einem Verfahren vor dem BGH tätig und gibt erst dann eine Stellungnahme ab.


Örtl. Presse:Z.Zt. keine Aktionen geplant.Das kann sich aber ändern.

Offline tangocharly

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« Antwort #149 am: 05. September 2011, 20:15:28 »
@ sternenmeer
Die Entscheidung OLG Brandenburg v. 10.10.2007, Az.: 3 U 50/07 liegt da schon richtig, wenn gleich sie über einen Schönheitsfehler verfügt (es wird auf §§ 308, 309 BGB rekurriert).

Aber ich erkenne noch nicht richtig, worauf Sie hinaus wollen.

Deshalb folgende Kontrollfrage:

Was verstehen Sie unter \"Abweichung\" ?

Die Energiepartner vereinbaren z.B.:

(1) § 32 AVB soll nicht gelten
oder
(2) einen Treuebonus von x% pro Vertragsjahr.

Denn wenn bei Ihnen alles, was über die §§ 2 - 34 AVB hinaus geht, eine \"Abweichung\" darstellt, dann werden Sie sich kaum auf der Linie des BGH wieder finden. Und diese Linie hat der BGH ja unter Tz. 37 (13.07.11) aufgezeigt.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

 

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