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Autor Thema: Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?  (Gelesen 146077 mal)

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Offline RR-E-ft

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #105 am: 08. August 2011, 15:28:54 »
Bei Lichte btrachtet wird wohl einfach nur der entscheidenden Erkenntnis ausgewichen.

Sollten die anderen Verträge wegen ausdrücklicher Einverständnisse der Kunden tatsächlich wirksam von den Bedingungen der AVBFernwärmeV abweichen, so kann ein konkludenter Vertragsabschluss gem. § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV wegen des fehlenden ausdrücklichen Einverständnisses jedenfalls nicht zu den gleichen Vertragsbedingungen führen, § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV.

Sollte in den anderen Verträgen nicht von § 4 AVBFernwärmeV abgewichen sein, so könnte diese Regelung möglicherweise selbst einer anwendbaren Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB standhalten (wegen § 310 Abs. 2 BGB).

Ein vor dem 01.07.10 konkludent abgeschlossener Vertrag konnte jedenfalls gem. § 4 AVBFernwärmeV zum 01.07.10 einseitig abgändert werden, ohne dass sich dafür überhaupt die Frage stellt, ob auch Verträge mit wirksam abweichenden Bedingungen gem. § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV ebenso zu diesem Zeitpunkt einseitig abgeändert werden konnten.

Wenn der Versorger jedoch  berechtigt war, gem. § 4 AVBFernwärmeV die Bedingungen zum 01.07.10 einseitig zu ändern, stellt sich allenfalls noch die Frage, ob die dabei geänderten Bedingungen im Einzelnen wirksam sind oder nicht.

Zitat
Original von sternenmeer
Gehen Sie doch einfach einmal davon aus,dass ich das gesetzliche Regelungwerk der Fernwärme-Versorgung ganz gut kenne.

Wirklich?

Diejenigen Kunden, die selbst wirksam einen Vertrag zu abweichenden Bedingungen gem. § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV abgeschlossen hatten, sind wohl auch keine vergleichbaren Kunden, weil deren Belieferung schließlich auf anderer vertraglicher Grundlage erfolgt.

Offline sternenmeer

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #106 am: 08. August 2011, 19:43:35 »
RR-E-ft
BGH v.06.04.2011,Az.:VIII ZR 66/09
Zitat(Rn 24):\"Der Abschluss von Sondervereinbarungen,die nicht den Vor-
gaben der §§ 2-34 AVBFernwärmeV genügen,.....ist nur dann möglich,wenn
das Versorgungsunternehmeneinen Vertragsabschluss zu abweichenden Bedingungen anbietet und der Kunde ausdrücklich mit diesen abweichen-
den Bedingungen einverstanden ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2,Abs. 2,Abs. 3 Satz 1
AVBfernwärmeV).\"
Wenn also eine Sondervereinbarung,die den Rahmen der AVBFernwärmeV
überschreitet und die o.a. vertraglichen Regelungen (§ 1 Abs. 3) nicht vorliegen,wie ist diese zu behandeln? Im Urteil steht ja w.o.\" ist nicht
möglich\".

Offline RR-E-ft

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #107 am: 08. August 2011, 19:55:01 »
Zitat
BGH VIII ZR 66/09 Rn. 24, juris:

Eine Differenzierung zwischen Tarifabnehmer- und Sonderkundenverträgen soll dabei nach dem Willen des Verordnungsgebers - abgesehen von den Fällen des § 1 Abs. 2, 3 AVBFernwärmeV - nicht erfolgen, weil es im Gegensatz zum Strom- und Gassektor bei der Fernwärme keine gesetzlichen Regelungen über unterschiedliche Tarifgestaltungen gibt (vgl. BR-Drucks. 90/80, abgedruckt bei Witzel/Topp/Witzel, aaO, S. 238; vgl. ferner Büdenbender, aaO S. 67).

In Umsetzung dieses Ziels sieht § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV vor, dass bei sämtlichen Verträgen, in denen vom Versorgungsunternehmen vorformulierte Allgemeine Versorgungsbedingungen verwendet werden, automatisch und unterschiedslos die in §§ 2 bis 34 AVBFernwärmeV getroffenen Regelungen Bestandteil der mit Wärmekunden abgeschlossenen Versorgungsverträge werden, sofern nicht die in § 1 Abs. 2, 3, § 35 AVBFernwärmeV genannten Ausnahmen eingreifen. Der Abschluss von Sondervereinbarungen, die nicht den Vorgaben der §§ 2 bis 34 AVBFernwärmeV genügen, ist daher nur bei den nach § 1 Abs. 2 AVBFernwärmeV vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommenen Industriekunden (vgl. Senatsurteil vom 28. Januar 1987 - VIII ZR 37/86, aaO, vgl. ferner für die gleich lautende Vorschrift in § 1 Abs. 2 AVBWasserV Senatsurteil vom 6. Februar 1985 - VIII ZR 61/84, BGHZ 93, 358, 359 f.) und daneben - also auch bei Haushaltskunden - nur dann möglich, wenn das Versorgungsunternehmen einen Vertragsabschluss zu abweichenden Bedingungen anbietet und der Kunde ausdrücklich mit diesen abweichenden Bedingungen einverstanden ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 AVBFernwärmeV).

Genau das ist doch meine Rede:

Wenn die anderen Kunden unter den Voraussetzungen des  § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV tatsächlich zu abweichenden Bedingungen (Sondervereinbarungen) beliefert werden, so kann ein konkludenter Vertragsabschluss nicht zu den selben Vertragsbedingungen einer Sondervereinbarung  führen, welche für ihre Wirksamkeit neben der Vertragsalternative ein ausdrückliches Einverständnis des Kunden voraussetzen.

Der konkludente Abschluss einer Sondervereinbarung, wie sie die anderen Kunden möglicherweise ausdrücklich abgeschlossen haben, ist - auch für Sie - nicht möglich!

Haben die anderen Kunden jedoch tatsächlich gar keine Sondervereinbarung abgeschlossen, gilt auch bei diesen § 4 AVBFernwärmeV unmittelbar.
Dafür wiederum  ist es vollkommen belanglos, ob sich jene Verträge gerade gem. § 32 Abs. 1 Satz 2  AVBFernwärmeV stillschweigend um weitere fünf Jahre verlängert haben.

Zitat
§ 32 AVBFernwärmeV

(1) Die Laufzeit von Versorgungsverträgen beträgt höchstens zehn Jahre. Wird der Vertrag nicht von einer der beiden Seiten mit einer Frist von neun Monaten vor Ablauf der Vertragsdauer gekündigt, so gilt eine Verlängerung um jeweils weitere fünf Jahre als stillschweigend vereinbart.

Voraussetzung einer stillschweigenden Verlängerung ist u.a., dass der Vertrag wirksam zeitlich befristet war. Ist er nicht wirksam befrist, etwa bei einer Erstlaufzeit von 20 Jahren, ohne dass ein Zehnjahresvertrag bei Vertragsabschluss auch angeboten wurde, so handelt es sich um einen unbefristeten Vertrag, der - ohne Ansehung einer Vertragslaufzeit - ordentlich gekündigt werden kann.


Zitat
Original von sternenmeer
Gehen Sie doch einfach einmal davon aus, dass ich das gesetzliche Regelungwerk der Fernwärme-Versorgung ganz gut kenne.

Von wegen. Gehen Sie mal besser auch nicht mehr einfach davon aus. ;)

Offline sternenmeer

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #108 am: 08. August 2011, 20:53:34 »
RR-E-ft
Meine Aussage \"ganz gut\" müssen Sie doch nicht in Relation zu Ihrem Fach-wissen verstehen.Es war doch nur so gemeint,dass ich im Vergleich zu
vielen anderen Fernwärmekunden doch schon relativ viel von der AVBFern-wärmeV verstehe.So war`s gemeint.Ich diskutiere hier mit Ihnen,um etwas
zu lernen.Ich hatte gesagt,dass ich Rechts-Laie bin.

Offline RR-E-ft

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #109 am: 08. August 2011, 20:55:16 »
\"Ganz gut\" hatte ich verstanden in Bezug auf \"das gesetzliche Regelungswerk der Fernwärme- Versorgung\".

Dieses kann man gar nicht, schlecht, gut, ganz gut, ausgezeichnet, vorzüglich wie kein anderer.... kennen.
Sie kennen es zwar, aber wohl nicht ganz gut.

Offline sternenmeer

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #110 am: 08. August 2011, 21:04:49 »
RR-E-ft
Auf meine Frage haben Sie bisher nicht geantwortet.Was heisst \"nur dann
möglich\"? Wenn solche Sondervereinbarungen trotzdem im Vertrag stehen?
(bezieht sich nicht auf meinen Fall).
Wie sind dann solche Sondervereinbarungen zu behandeln?

Offline RR-E-ft

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Kündigung des Fernwärmevertrages kartellrechtlich wirksam?
« Antwort #111 am: 08. August 2011, 21:05:56 »
Zitat
Original von sternenmeer
RR-E-ft
Auf meine Frage haben Sie bisher nicht geantwortet.Was heisst \"nur dann
möglich\"? Wenn solche Sondervereinbarungen trotzdem im Vertrag stehen?
(bezieht sich nicht auf meinen Fall).
Wie sind dann solche Sondervereinbarungen zu behandeln?

Es ist schon schwierig, eine Frage zu erkennen/ zu verstehen.

Zitat
Original von sternenmeer
RR-E-ft
BGH v.06.04.2011,Az.:VIII ZR 66/09
Zitat(Rn 24):\"Der Abschluss von Sondervereinbarungen,die nicht den Vor-
gaben der §§ 2-34 AVBFernwärmeV genügen,.....ist nur dann möglich,wenn
das Versorgungsunternehmeneinen Vertragsabschluss zu abweichenden Bedingungen anbietet und der Kunde ausdrücklich mit diesen abweichen-
den Bedingungen einverstanden ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2,Abs. 2,Abs. 3 Satz 1
AVBfernwärmeV).\"
Wenn also eine Sondervereinbarung,die den Rahmen der AVBFernwärmeV
überschreitet und die o.a. vertraglichen Regelungen (§ 1 Abs. 3) nicht vorliegen,wie ist diese zu behandeln? Im Urteil steht ja w.o.\" ist nicht
möglich\".

Der Vertrag ist entweder insgesamt eine Sondervereinbarung im Sinne des § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV oder eben insgesamt keine Sondervereinbarung im Sinne des § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV.

Es gibt also nur Verträge, die Sondervereinbarungen sind, und andere Verträge, die keine Sondervereinbarungen sind.
Letztere kann man auch konkludent abschließen.
Erstere hingegen nicht, weil es dafür einer ausdrücklichen Einverständniserklärung bedarf.

Der Abschluss einer Sondervereinbarung mit Nicht- Industriekunden setzt voraus, dass der Versorger dem Kunden für den  Vertragsabschluss sowohl eine Belieferung zu den Bedingungen der §§ 2 bis 34 AVBFernwärmeV als auch eine Belieferung zu hiervon abweichenden Bedingungen angeboten hatte (zwei gleichwertige Angebote erforderlich!), so dass der Kunde beide miteinander vergleichen konnte, und sich der Kunde  dann bei Vertragsabschluss  ausdrücklich mit der Belieferung zu den abweichenden Bedingungen einverstanden erklärt hatte, § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV (st. Rspr. OLG Brandenburg).

Nur unter den vorgenannten Voraussetzungen ist der Abschluss einer Sondervereinbarung möglich.

Bei einem konkludenten Vertragsabschluss - bei dem nichts ausdrücklich erklärt wird- ist der Abschluss einer Sondervereinbarung demnach nicht möglich.

Offline sternenmeer

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« Antwort #112 am: 09. August 2011, 08:17:08 »
RR-E-ft
Wenn bei einem FW-Vertrag gem. § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV das FVU AVB`s aufführt,die den normativen Rahmen der AVB ( §§ 2-34) überschreiten,wie sind diese rechtlich zu bewerten?
§§ 307 BGB kommt ja nur bei § 1 Abs. 3 AVBFernwärme zur Anwendung.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #113 am: 09. August 2011, 09:03:22 »
Werden zusätzliche AGB aufgestellt, ohne dass die Bestimmungen des Vertrages von §§ 2 bis 34 AVBFernwärmeV abweichen, unterliegen die weiteren AGB wohl der Inhaltskontrolle gem. § 305 ff. BGB.

Offline sternenmeer

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« Antwort #114 am: 09. August 2011, 10:37:21 »
RR-E-ft
Die hier von Ihnen vertretene Meinung, § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV berechtige ein FVU grundsätzlich die AGB`s einseitig zu ändern,ist sowohl
in der Literatur wie auch in der Rechtsprechung umstritten.
Da wir hier über das Verhalten der FVU in einer Monopolstellung diskutie-
ren,möchte ich hier die Meinung des Bundeskartellamtes wiedergeben.
Zitat:\"Nach Auffassung der Beschlussabteilung stellt die einseitige Änderung bestehender langfristiger Vertragsverhältnisse durch ein markt-
beherrschendes Unternehmen
         STETS EINEN KARTELLRECHTLICHEN MISSBRAUCH
dar,sofern das Unternehmen nicht nachweisen kann,dass durch die vorge-
nommene Vertragsänderung das Verhältnis von Leistung und Gegenleis-
tung nicht zu Lasten der Abnehmer geändert wurde.\"

Offline RR-E-ft

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« Antwort #115 am: 09. August 2011, 10:53:21 »
Das gesetzliche Änderungsrecht in § 4 AVBFernwärmeV für Verträge, die keine Sondervereinbarungen sind,  ist doch nicht umstritten.

Selbstverständlich unterliegen darauf gestützte einseitige Leistungs(neu)bestimmungen der Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB
 (vgl. BGH VIII ZR 138/05 [Fernwärme], BGH VIII ZR 36/06 [Gas], VIII ZR 71/10 [Gas], VIII ZR 211/10 [Strom und Gas]).

Auch mag eine einseitige Leistungsneubestimmung kartellrechtlich einer sachlichen Rechtfertigung bedürfen.

Eine solche sachliche Rechtfertigung liegt jedoch insbesondere dann vor, wenn die Leistungs(neu)bestimmung auch der Billigkeit gem. § 315 Abs. 3 BGB entspricht.

Ebenso erscheint es sachlich gerechtfertigt, wenn der Versorger für die Zukunft von einer bisher verwendeten Preisänderungsklausel Abstand nimmt und wieder zur einseitigen Leistungsbestimmung gem. § 315 BGB übergeht, nachdem sich die bisherige Preisänderungsklausel jedenfalls als unwirksam erwiesen hat.

Allenfalls bei Sondervereinbarungen mag ein Recht zur einseitigen Änderung der Vertragsbedingungen als solches umstritten sein:

Der umfassende Vorbehalt der einseitigen  Leistungs- und Bedingungsneubestimmung verstößt regelmäßig gegen § 307 BGB, weil für den Vertragspartner des Verwenders bei Vertragsabschluss nicht absehbar ist, wann, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfange nachträglich Änderungen eintreten können (BGH KZR 10/03 unter II. 6, XI ZR 55/08 Rn. 38, VIII ZR 162/09).

Das gesetzliche Änderungsrecht des § 4 AVBFernwärmeV unterliegt jedoch schon selbst gar nicht der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB (BGHZ 100, 1; ebenso §§ 4 AVBGasV/ AVBEltV/ AVBWasserV).

Für die gesetzlichen Änderungsrechte im Strom- und Gasbereich kann sich noch die Frage der Wirksamkeit der deutschen gesetzlichen Regelung  mit Rücksicht auf die EU- Richtlinien Strom und Gas stellen (BGH  VIII ZR 71/10, VIII ZR 211/10).
Bei der gesetzlichen Regelung des § 4 AVBFernwärmeV kann sich diese Frage schon deshalb nicht stellen, da es eine entsprechende EU- Fernwärme- Richtlinie schon nicht gibt.

Auf den Nachweis behaupteter entgegenstehender Literatur und Rechtsprechung darf man wohl sehr gespannt sein.

Wer konkludent einen Vertrag abgeschlossen hat, der kann mangels ausdrücklichen Einverständnisses nicht zu abweichenden Bedingungen beliefert werden, § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV.

Für diesen gilt deshalb kraft Gesetzes die gesetzliche Regelung auch des § 4 AVBFernwärmeV.

Kunden, die eine Sondervereinbarung abgeschlossen haben, sind im Verhältnis zu diesem Kunden keine vergleichbaren Kunden, weil bei diesen die Vertragsgrundlagen schon andere sind.

Offline sternenmeer

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« Antwort #116 am: 09. August 2011, 12:25:43 »
RR-E-ft
Witzel/Topp: Allg.Versorgungsbedingungen,2. Aufl.,1997,Seite 77
Auszug:\"Die Rechtsprechung zu § 4 Abs. 2 ist noch uneinheitlich.Letztlich wird jedoch unter bestimmten Voraussetzungen den Unternehmen das
Recht zur einseitigen Änderung der allgemeinen Bedingungen zugebilligt.
...Das OLG Karlsuhe lässt eine einseitige Änderung zu,wenn das Änderungsrecht ausdrücklich in den AVB des Unternehmens enthalten ist.
Das LG Mannheim bejaht die einseitige Änderungsmöglichkeit,stützt sich jedoch auf analoge Anwendung des § 315 BGB (U.v.03.04.85,Az.: 9 O 262/84).Das LG Hamburg verneint ein generelles einseitiges Änderungsrecht......Im Hinblick auf die angeführte Rechtsprechung empfiehlt
es sich,in jedem Fall die Möglichkeit der Änderung der allg. Bedingungen
einschliesslich der Preissänderungsklauseln in den Versorgungverträgen ausdrücklich zu vereinbaren.Es genügt die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in die AVB des Unternehmens.\"
Das ist sozusagen die Meinung des Lobbyverbandes der Fernwärmewirt-
schaft(Topp).
BKartA hierzu:\"...vermag sie Ihre Auffassung nicht zu teilen,dass durch §§ 1 Abs. 4,4 Abs. 2 AVBFernwärmeV der Verordnungsgeber die FVU ermächtigt habe,Änderungen ihrer allg. Vertragsbedingungen einseitig,d.h.
ohne Zustimmung der Kunden festzusetzen und sie durch rechtzeitige
öffentliche Bekanntmachung verbindlich werden zu lassen.\"

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« Antwort #117 am: 09. August 2011, 12:37:07 »
Zitat
Original von sternenmeer

Witzel/Topp: Allg.Versorgungsbedingungen,2. Aufl.,1997,Seite 77
Auszug:\"Die Rechtsprechung zu § 4 Abs. 2 ist noch uneinheitlich.Letztlich wird jedoch unter bestimmten Voraussetzungen den Unternehmen das
Recht zur einseitigen Änderung der allgemeinen Bedingungen zugebilligt.
...Das OLG Karlsuhe lässt eine einseitige Änderung zu,wenn das Änderungsrecht ausdrücklich in den AVB des Unternehmens enthalten ist.
Das LG Mannheim bejaht die einseitige Änderungsmöglichkeit,stützt sich jedoch auf analoge Anwendung des § 315 BGB (U.v.03.04.85,Az.: 9 O 262/84).Das LG Hamburg verneint ein generelles einseitiges Änderungsrecht......Im Hinblick auf die angeführte Rechtsprechung empfiehlt
es sich,in jedem Fall die Möglichkeit der Änderung der allg. Bedingungen
einschliesslich der Preissänderungsklauseln in den Versorgungverträgen ausdrücklich zu vereinbaren.Es genügt die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in die AVB des Unternehmens.\"
Das ist sozusagen die Meinung des Lobbyverbandes der Fernwärmewirt-
schaft(Topp).
BKartA hierzu:\"...vermag sie Ihre Auffassung nicht zu teilen,dass durch §§ 1 Abs. 4,4 Abs. 2 AVBFernwärmeV der Verordnungsgeber die FVU ermächtigt habe,Änderungen ihrer allg. Vertragsbedingungen einseitig,d.h.
ohne Zustimmung der Kunden festzusetzen und sie durch rechtzeitige
öffentliche Bekanntmachung verbindlich werden zu lassen.\"

Sie referieren ernsthaft den Stand des Topp- Sellers 1997?
Wir schreiben mittlerweile das Jahr 2011.
Man könnte meinen, dass es in der Zwischenzeit  jedenfalls eine Vielzahl höchstrichterlicher Entscheidungen gab, die auch noch oben zitiert wurden.

Zudem wurde aufgezeigt, dass es hinsichtlich der Sondervereinbarungen einer sehr differenzierten Betrachtung bedarf.

Wenn bei einem Gasmonopolisten in Sondervereinbarungen die Preisänderungen unwirksam waren (BGH KZR 2/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08, VIII ZR 246/08, VIII ZR 295/09) folgte daraus schließlich auch nicht, dass der selbe Versorger in selber Zeit gegenüber seinen grundversorgten Kunden, denen gegenüber ein gesetzliches Änderungsrecht besteht, seine Preise aus kartellrechtlichen Gründen ebenso nicht ändern konnte. Auch dabei handelt es sich nicht um vergleichbare Kunden im Sinne des Kartellrechts, weil die vertraglichen Grundlagen, zu denen die Belieferung jeweils erfolgt, andere sind.

Offline sternenmeer

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« Antwort #118 am: 10. August 2011, 09:22:00 »
RR-E-ft

1.Ein Ferwärme-Vertrag ( § 1 Abs. 1 AVBFernwärmeV-w.w.o.beschrieben-)
   ist vertragsgemäss um 5 Jahre verlängert worden.
   Darf der Fernwärme-Versorger in dieser Zeit-ohne Zustimmung der Kun-
   den-wesentliche Vertragsbestandteile (z.B. Preisänderungsklausel,An-
   schluss-direkt oder indirekt-) in bisher nicht vorhandene \"Allgemeine
   Vertragsbedingungen für die Fernwärmeversorgung\" als solche deklarie-
   ren?
   Sie stehen somit zur jederzeitigen Disposition des Versorgers,weil er
   sich auf § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV berufen kann-siehe w.o.- und eine
   neue AGB geschaffen hat,die sinngemäss lautet:Der Versorger ist berech-
   tigt,die AVB durch öffentliche Bekanntgabe zu ändern.
   Innerhalb des Vertrages unterlagen diese Vertragsbestandteile nicht der
   jederzeitigen Disposition gem § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV.
   

2.Wie verhält sich diese Vorgehensweise mit dem Grundsatz \"pacta sunt
   servanda\"?

Offline RR-E-ft

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« Antwort #119 am: 10. August 2011, 12:15:02 »
Es kommt wohl entscheidend darauf an, ob es sich bei dem betroffenen Vertrag um eine Sondervereinbarung oder um keine Sondervereinbarung handelt.

Bei einer Sondervereinbarung kann eine entsprechende Klausel, wonach die Vertragsbedingungen zu nicht genannten Zeitpunkten, unter nicht genannten Vorasussetzungen in nicht geregelten Umfange, nachträglich einseitig abgeändert werden können, selbst gegen § 307 BGB verstoßen und unwirksam sein, so dass auch darauf gestützte einseitige Vertragsänderungen unwirksam sind.

Handelt es sich hingegen um keine Sondervereinbarung, so findet die gesetzliche Regelung des § 4 AVBFernwärmeV von Anfang an und kraft Gesetzes auf das Vertragsverhältnis Anwendung, selbstverständlich  auch dann noch, wenn sich dieses gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 AVBFernwärmeV verlängert hat.

Es wurde bereits oben ausgeführt, dass ein solches Recht des Versorgers, wie es die gesetzliche Regelung des § 4 AVBFernwärmeV vorsieht, wohl bestehen muss, um alle Vertragsverhältnisse, die keine Sondervereinbarungen sind, einheitlich ausgestalten zu können, um sicherzustellen,  dass alle Kunden, die keine Sondervereinbarung abgeschlossen haben, jederzeit zu den gleichen Bedingungen beliefert werden (Gleichbehandlung). Auf Gleichbehandlung wurde doch so großer Wert gelegt.

Die einseitige Bestimmung aufgrund eines gesetzlich eingeräumten einseitigen Bestimmungsrechts unterliegt der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB, ist für den anderen Vertragsteil mithin nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht.
Dies ist gerichtlich überprüfbar, soweit der betroffene Kunde die einseitige Bestimmung in angemessener Frist als unbillig rügt.  Das Rügerecht kann durch Zeitablauf verloren gehen.

Nicht gelichbehandelt werden können mit Rücksicht auf § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV Kunden, die keine Sondervereinbarung abgeschlossen haben, mit Kunden, die eine Sondervereinbarung abgeschlossen haben, weil die Belieferung auf anderer vertraglicher Grundlage erfolgt.

Derjenige Kunde, dessen Vertrag konkludent abgeschlossen wurde, kann nicht aufgrund einer Sondervereinbarung beliefert werden, da es dafür an der ausdrücklichen Erklärung des § 1 Abs. 3 AVBFernwärmeV fehlt.

 

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