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Autor Thema: Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?  (Gelesen 62187 mal)

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Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #90 am: 16. Februar 2011, 12:56:44 »
@Black

Überprüfen Sie Ihr Licht. Wenn Sie meinen vorhergehenden Beitrag noch einmal genau lesen, wird Ihnen wohl auffallen, dass Sie von falschen Voraussetzungen ausgehen.

Plötzlich behaupten Sie, die mit der Abrechnung stillschweigend verbundene Erklärung würde nur Rechtsansichten betreffen.
Das ist Ihr Irrtum. Mit der Abrechnung sind stillschweigend objektiv prüffähige Tatsachenbehauptungen verbunden.
Gerade darin liegt ja der Abrechnungsbetrug begründet  (BGH Az. 5 StR 394/08]

Sie werden im Strafrecht wohl bald zu Hause sein.

Welche Erklärung gibt der Grundversorger in Bezug auf seine gesetzliche Tarifabsenkungspflicht zu Gunsten der Kunden  (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18]  -  die dem Schutz der Vermögensinteressen der betroffenen Kunden dient- stillschweigend ab ?!

Wenn eine strikte Kontrolle der Tarifkalkulation auf die Einhaltung dieser bestehenden gesetzlichen Verpflichtung tatsächlich nicht erfolgte, ist die mit der Abrechnung verbundene stillschweigende Erklärung des Grundversorgers jedenfalls objektiv falsch.

Zitat
Original von RR-E-ft
Derjenige Grundverorger, der seine Tarifkalkulation nicht strikt daraufhin kontrolliert, ob diese zutreffend ist und ob er seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Tarifabsenkung zugunsten der Kunden (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18] nachweisbar hinreichend Rechnung getragen hat, dessen Abrechnungen sind stillschweigend mit einer zur Täuschung geeigneten, nicht den Tatsachen entsprechenden und somit falschen Erklärung verbunden. Das muss der betreffende Grundversorger bzw. dessen Verantwortliche auch schon selbst wissen. Es kommt ihnen schließlich darauf an. Und sie wollen es bewusst darauf ankommen lassen.

Wir müssen aufgrund der verfassungsrechtlichen Gesetzesbindung davon ausgehen, dass alle Gerichte einschließlich BGH die gesetzlichen Vorschriften zu beachten haben, also auch § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Bei Lichte betrachtet, kommt es darauf für die objektiv falsche Erklärung des Grundversorgers über objektiv prüffähige Tatsachen, die mit seiner Abrechnung stillschweigend verbunden ist, jedoch auch gar nicht an:

Abzustellen ist strafrechtlich auf diese mit der Abrechnung verbundene stillschweigende Erklärung des Grundversorgers über objektiv überprüfbare Tatsachen.

Der Kunde zahlt doch nur deshalb auf diese Abrechnung, weil er auf die in ihr stillschweigend verkörperte objektiv falsche Erklärung des Versorgers besonders vertraut.

Hätte der Grundversorger der Abrechnung eine objektiv zutreffende Erklärung beigefügt, hätte er schon selbst keine entsprechende Zahlung der betroffenen Kunden erwartet.

Es kam dem Grundversorger gerade auf den Erfolg an, nämlich dass die Kunden seiner Abrechnung vertrauen und deshalb vorbehaltlos vollständig zahlen.

Besser lässt sich ein direkter Vorsatz für die Betrugsstrafbarkeit wohl auch gar nicht erklären.

Dass der Grundversorger sich womöglich darüber irrt, er könne den zu unrecht erlangten Vermögensvorteil auf Dauer behalten (worüber naturgemäß jeder Betrüger irrt), kommt es jedenfalls nicht an, siehe nur § 823 Abs. 2 BGB iVm. §§ 263, 13 StGB.  

Wir hatten § 263 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 StGB zudem so verstanden, dass schon der Versuch strafbar ist.

Das dafür notwendige unmittelbare Ansetzen liegt in der Absendung entsprechender Abrechnungen an die Kunden.
Der Erfolg muss für die Strafbarkeit also gar nicht erst eintreten.

Bemerkenswert, dass die Staatsanwälte, mit denen ich mich zu der Frage  verständigt habe, dies auf Anhieb  verstanden haben.
Die haben nämlich  von allein darauf hingewiesen. Wir vertrauen auf deren Expertise.

Grundversorger mögen sich auf anderen Zirkus verlassen. Dann sind sie bald verlassen.

Offline Black

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #91 am: 16. Februar 2011, 14:44:27 »
Die Praxis wird es zeigen.  :rolleyes:
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #92 am: 16. Februar 2011, 14:46:01 »
Die Praxis wird es ganz bestimmt zeigen.

Offline Stubafü

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #93 am: 16. Februar 2011, 14:46:15 »
Nüchtern -nicht (voll-) juristisch- betrachtet (Asche über mein Haupt) ist der
Argumentation des (Voll-) Juristen Black :

Zitat
Black: Da der Gesetzgeber keine konkreten Vorgaben zur Preiskalkulation gemacht hat
gibt der Versorger mit einer Rechnung nur die Erklärung ab, sein billiges Ermessen
i.S.d. § 315 BGB ausgeübt zu haben. Daher liegt auch bei unbilligem Preis keine
Täuschung über Tatsachen vor, denn die Frage der tatsächlichen Billigkeit ist eine
dem Ermessenspielraum unterworfene Rechtsfrage. Eine Strafbarkeit wegen Betruges
scheidet daher schon deshalb aus.

wohl nicht mit allein mit dem Argument

Zitat
RR-E-ft: Mit der Abrechnung sind stillschweigend objektiv prüffähige
Tatsachenbehauptungen verbunden (BGH Az. 5 StR 394/08]

zu begegnen.

Was geschieht bspw. wenn der Versorger Unkenntnis des Vorliegens von Merkmalen
des objektiven Tatbestandes geltend macht, zumal die Versorger bislang ja Ihre
Preisfindung auf 1/4-jährlicher Basis im voraus prognostiziert haben, diese einmal zu
ihren Gunsten so nicht eintritt, sie daraufhin die Preisabsenkung für das nächste
kommende 1/4 Jahr \"vergessen\" und so auch abrechnen?

Zitat
RR-E-ft:
Wir stehen mittlerweile in Kontakt mit speziellen Kollegen, denen alle Mittel zur
Aufklärung in die Hand gelegt sind.

Uns alle im Verbraucherkampf stehende nicht (volle-) Juristen :D hier im Forum
würde die namentliche Benennung des Aufklärungs-Terminators und ein kurzer Umriss
seiner beabsichtigten Vorgehensweise bei der Aufklärung der strafrechtlich relevanten
Tricksereien der Energieversorger schon \"behelflich\" sein; also nennen Sie mal endlich
Roß und Reiter, was da so im \"Stillen\" abgeht, ehe sich Dr. Gutsche womöglich seine
aus Ihrer Sicht tendenziösen Aufsätze bei Gelegenheit doch wohl an die Kniescheibe
nageln muss , was zumindest wir Nicht (Voll-) Juristen nicht wollen :].

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #94 am: 16. Februar 2011, 14:54:15 »
@Stubafü

Diskutieren Sie bitte mit denjenigen, mit denen Sie sich verstehen.

Dass Sie sich im Strafrecht nicht auskennen, muss niemanden bekümmern.
Herr Dr. Gutsche wird sich wohl auch freuen, wenn seine Thesen widerlegt werden.


Dass wir die Kollegen kennen, genügt. Andere werden sie erst noch kennen lernen (müssen).

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #95 am: 16. Februar 2011, 18:22:32 »
Die stillschweigende Erklärung, die mit jeder Abrechnung des Grundversorgers verbunden ist, lautet:


\"Wir haben unserer gesetzlichen Tarifanpassungspflicht entsprochen. Wir haben immer wieder eigenverantwortlich neu umfassend geprüft, ob eine Tarifanpassung zu Ihren Gunsten möglich ist. Wir sind dabei jeweils eigenverantwortlich zu dem Ergebnis gelangt, dass sich auch nach Ausschöpfung aller unserer Möglichkeiten für Sie nichts Günstigeres ergeben konnte.\"


Das ist die in jeder Verbrauchsabrechnung des Grundversorgers stillschweigend verkörperte Tatsachenbehauptung. Diese steht auch in Zusammenhang mit der gesetzlichen Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 EnWG.

Und diese Tatsachenbehauptung lässt sich jedenfalls objektiv daraufhin überprüfen, ob sie zutreffend ist oder aber falsch ist.

Schließlich muss es über die entsprechenden fortlaufenden Prüfungen bei jedem Grundversorger im Hause entsprechende Dokumentationen geben,  welche die durchgeführten Prüfungen und deren jeweiliges Ergebnis auch für Dritte nachvollziehbar und überprüfbar  belegen.

Wenn sie falsch ist, kann deshalb eine Betrugsstrafbarkeit der Verantwortlichen begründet sein.

Eine andere stillschweigende Erklärung ist mit der Verbrauchsabrechnung jedenfalls nicht verbunden, insbesondere kein auf Annahme gerichteter Antrag auf Entgeltneuvereinbarung gem. §§ 145 ff. BGB. Denn dann könnte der Kunde in Abweichung von § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB jedenfalls darüber entscheiden, ob er die Preise ablehnt und jedenfalls allein deshalb nicht vertraglich zur Zahlung verpflichtet ist. Dies aber liefe der gesetzlichen Regelung des § 36 Abs. 1 EnWG ganz offensichtlich zuwider.

Denn bereits aus § 36 Abs. 1 EnWG ergibt sich zwingend, dass in diesem Bereich ausnahmslos alle Haushaltskunden zu dem vom Grundversorger infolge dessen gesetzlicher Tarifbestimmungspflicht eigenverantwortlich  festgelegten Tarif versorgt werden müssen, anderweitige Preisvereinbarungen deshalb  jedenfalls gesetzlich unzulässig sind.

Die betroffenen Kunden zahlen die Verbrauchsabrechnungen nur dann vorbehaltlos und vollständig, wenn sie der o. g. stillschweigenden Erklärung des Grundversorgers vertrauen. Ihre vorbehaltlosen und vollständigen Zahlungen dokumentieren deshalb nur dieses Vertrauen, welches der Grundversorger weder enttäuschen, noch missbrauchen darf.

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #96 am: 16. Februar 2011, 19:55:13 »
Zitat
Original von Black
Daher lautet die Erklärung vielmehr:

\"Die Tarife haben wir aufgrund unseres gesetzlichen Rechtes/unserer gesetzlichen Pflicht neu festgesetzt. DBei dieser Festsetzung haben wir billiges Ermessen i.S.d. § 315 BGB ausgeübt, deshalb ist auch diese Abrechnung nach unserer Überzeugung ordnungsgemäß\"

Genau diese von Black genannte stillschweigende Erklärung wurde im vorhergehenden  Beitrag nur objektiviert und konkretisiert.
Da kann sich kein Grundversorger herausreden.
 
Die allein dem  Schutz der Vermögensinteressen der betroffenen Kunden dienende gesetzliche Verpflichtung der Grundversorger ist jedenfalls bekannt.

P.S.:

Psst. Unter uns. Im \"Stillen\" bewahrte praktische Tipps für Hobbyfreunde finden sich hier.

Offline Black

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #97 am: 16. Februar 2011, 20:44:16 »
Zitat
Original von RR-E-ft
P.S.:

Psst. Unter uns. Im \"Stillen\" bewahrte praktische Tipps für Hobbyfreunde finden sich hier.

Obacht

Zitat
Grundsätzlich gehen die Aalfänge in Europa seit Jahren stark zurück. Es wird bereits über ein partielles Fangverbot nachgedacht.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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« Antwort #98 am: 16. Februar 2011, 20:53:17 »
@Black

Sehe schon, Sie sind gründlich, tauchen tief ein.  ;)

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #99 am: 16. Februar 2011, 21:40:34 »
Ob der Grundversorger die gesetzliche Pflicht zur Tarifabsenkung erfüllt oder nicht, kann der betroffene Kunde gar nicht erkennen. Er ist deshalb zwingend darauf angewiesen, dass er der in der Abrechnung stillschweigend verkörperten Erklärung des Grundversorgers über Tatsachenfragen vertrauen kann.

Es besteht leider systematisch die Gefahr, dass er getäuscht wird und nur infolge der Täuschung zu der Auffassung gelangt, die Abrechnung sei ordnungsgemäß erfolgt, und nur deshalb vorbehaltlos vollständige Zahlungen leistet, obschon diese oftmals wegen § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB jedenfalls auch vertraglich nicht geschuldet vielmehr eine Nichtschuld darstellen können.

Da müssen auch strikte interne Kontrollen erfolgen, um die entsprechende Gefahr für die Vermögensinteressen der Kunden sicher zu beherrschen.

Offline Black

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #100 am: 17. Februar 2011, 10:37:45 »
Zitat
Original von RR-E-ft
 die gesetzliche Pflicht zur Tarifabsenkung

Wie schon mehrfach gesagt, gibt es keine gesetzliche Pflicht zur Tarifabsenkung. Es gibt eine vertragliche Pflicht zur billigen Preisanpassung im Sinne einer gerichtlich überprüfbaren Ermessensentscheidung.

Wenn es eine gesetzliche Pflicht zur Tarifabsenkung gäbe, dann könnte der Kunde ja auch direkt unter Berufung auf diese gesetzliche Anspruchsgrundlage auf Tarifabsenkung klagen. Es bräuchte dann keines \"Umweges\" über § 315 BGB und die Überprüfung des vertraglich geschuldeten Ermessens.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #101 am: 17. Februar 2011, 10:53:19 »
@Black


Zitat
Original von Black
Niemand bestreitet die Pflicht zur Tarifsenkung bei sinkenden Kosten.

Sind Sie jetzt schon Niemand?!

Ab März ist Aalfangzeit. Da hilft kein tiefes Abtauchen.  Man erwischt die Räuber auch gut auf dem Grund, wenn man weiß, wo sie sind. ;)

Wie schon mehrfach vom Bundesgerichtshof entschieden, besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Tarifanpassung zugunsten der Kunden (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18].
Das können Sie auch Tarifabsenkung nennen, wenn Sie möchten. Haben Sie ja auch nachweislich schon selbst erkannt und so genannt.

Zitat
BGH KZR 2/07 Rn. 26

Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist,

Zitat
BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18

Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (BGHZ 176, 244, Tz. 26; Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 28, und vom 28. Oktober 2009, aaO, Tz. 29).

Ebenso ist vom BGH entschieden worden, dass der Versorger bei seiner Tarifbestimmung seine gesetzliche Verpflichtung aus §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 EnWG berücksichtigen muss (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Diese gesetzliche Verpflichtung besteht ausschließlich zum Schutz der Vermögensinteressen der betroffenen Kunden.

Zitat
Original von Black

Wenn es eine gesetzliche Pflicht zur Tarifabsenkung gäbe, dann könnte der Kunde ja auch direkt unter Berufung auf diese gesetzliche Anspruchsgrundlage auf Tarifabsenkung klagen.


Der Grundversorger stützt im Übrigen sein Recht auf rechtsgestaltende Leistungsneubestimmung gegenüber den betroffenen Kunden auf die gleiche gesetzliche Regelung.

Möglicherweise könnte er auch gleich auf Preisneubestimmung klagen, und ist unter Umständen sogar darauf angewiesen, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, auch wenn ihm dieser Umweg nicht passt.
Aber Gesetze sind nun einmal dafür da, um eingehalten zu werden.

Die gesetzlich geforderte Billigkeit ist jedenfalls nichts Beliebiges.
Weder für den betroffenen Kunden noch für den betroffenen Grundversorger, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Die maßgeblichen Tatsachen lassen sich objektiv überprüfen, jedenfalls von Volljuristen in verschiedensten Funktionen.

Offline Lothar Gutsche

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #102 am: 20. Februar 2011, 11:54:17 »
Zitat
Original von RR-E-ft am 14.02.2011 21:44
Zitat:
Zitat
Original von Lothar Gutsche
Als Mathematiker erlaube ich mir, einen Vorschlag zur Messung der Billigkeit zu unterbreiten. Was halten die Volljuristen von einem konkreten Betrag in Cent/kWh oder eine konkrete Prozentzahl, um die ein Preis für Strom oder Gas nicht überhöht sein darf?
Auch Mathematiker bräuchten für einen solchen Vergleich wohl zunächst den richtigen Preis. Woher nimmt man den? Wo ruft man an?
Der Volljurist würde meinen, wenn man schon den richtigen Preis kennt, dann sollte man doch gleich den nehmen.
Es ist doch nicht wie bei der Fleischersfrau mit dem Daumen auf der Wagge und der Frage \"Darf´s ein bisschen mehr sein?\".
Wüsste der Metzger, dass 10 % Aufschlag in Ordnung gehen, eicht er die Waage gleich entsprechend um.
Möglicherweise hat er schon umgeeicht und seine Frau drückt immer noch mit dem Daumen.
Wir denken da ein bisschen anders. Augenzwinkern


So einfach ist es wirklich nicht. Es gibt keine einfache Messlatte.

Es geht um teilweise sehr unternehmensindividuelle Kosten, Spielräume und Ermessensentscheidungen, auch Prognosen (in Bezug auf den grundversorgungsspezifischen angemessenen Risikoaufschlag).

Was kann unternehmensindividueller sein als die interne Rechnungslegung oder der Jahresabschluss eines Energieversorgungsunternehmens? Im Handelsgesetzbuch sind Berichtspflichten für Kapitalgesellschaften und im EnWG besondere Berichtspflichten für Energieversorgungsunternehmen definiert. Nach den §§ 331 - 335 HGB sind unrichtige Darstellungen im Jahresabschluß und im Lagebericht mit Strafen und Bußgeld belegt. Natürlich gibt es gewisse Spielräume bei der Bilanzierung. Doch sobald diese überschritten werden, müsste der Wirtschaftsprüfer sein Testat verweigern.  

Zitat
Original von Lothar Gutsche am 14.02.2011 21:25
In der internen Rechnungslegung je Geschäftssparte sollte nach § 10 EnWG für jedes Geschäftsjahr ein Gewinn in Cent/kWh ablesbar sein. Wenn dieser Gewinn die ebenfalls nach § 10 EnWG bekannten Kosten um einen bestimmten, prozentualen Wert überschreitet, dann ist der Preis nicht mehr mit der Forderung nach Preisgünstigkeit aus § 1, § 2 EnWG zu vereinbaren. Die übrigen Ziele aus § 1 EnWG wie Umweltverträglichkeit und Sicherheit wären überhaupt nicht beeinträchtigt, wenn dieser Gewinn begrenzt würde. Als Grenzwert würde ich in Anlehnung an § 7 Abs. 6 S. 2 StromNEV und § 7 Abs. 6 S. 2 GasNEV eine Rendite von maximal 10 % für akzeptabel halten.

Einem Verbraucher sind diese Daten als interne Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Versorgungsunternehmens nicht bekannt. Doch ersatzweise kann der Verbraucher bei publizitätspflichtigen Unternehmen die Eigenkapitalrendite des Energieversorgers über alle Produkte heranziehen. Wenn die Eigenkapitalrendite 10% übersteigt, dann sollte der Preis unbillig sein. Falls es sich bei dem Energieversorger sogar um ein Kommunalunternehmen handelt, können auch niedrigere Eigenkapitalrenditen als 10 % aus Kommunalvorschriften wie Gemeindeordnungen oder aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen zur Kommunalfinanzierung abgeleitet werden.

Mit einem solchen Messverfahren für die Billigkeit spielt die Diskussion um ein Ermessen des Versorgers keine Rolle mehr. Die äußerste Grenze des Ermessens wäre bei Überschreiten des Referenzwertes von z. B. 10 % Eigenkapitalrendite überschritten.

Ohne einen objektiven, von außen überprüfbaren Maßstab zur Billigkeit von Preisen sehe ich beim \"Aalfang\" hier wenig Erfolgsaussichten. Mein Vorschlag, sich auf eine betriebswirtschaftliche Kennzahl zu beziehen, die jedermann auf Grundlage öffentlich zugänglicher Daten leicht ermitteln kann, erfordert gerade nicht die Kenntnis eines \"richtigen Preises\". Allerdings muss man auf ungefälschte, korrekte Jahresabschlüsse der Energieversorgungsunternehmen vertrauen.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

Offline Goetz-lebt

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« Antwort #103 am: 20. Februar 2011, 14:10:55 »
Meiner bescheidenen Meinung nach geht es bei der Frage nach der \"Angemessenheit\" nicht nur um die eigentlichen Entgelte für Energielieferungen (also der eigentliche Gas- o. Strompreis etc.), sondern auch um die in den AGBs der Versorger versteckten \"Entgeltklauseln\" für angeblich zusätzlich angefallene Kosten !!!

Nicht nur die pauschalen Mahnkosten (im Falle meines ehem. Gaslieferanten, die gute alte Entega) v. 11,-- €, sondern die vielfältigen Klauseln in den AGBs, die formal auf Gas- o. StromGVV gestützt werden, aber faktisch den Umsatz steigern sollen.

Ein Beispiel: für die Überwachung von Fristen o. Zahlungseingängen werden Fallpauschalen verlangt, die jeder Billigkeit spotten (bis zu 297,50 €).
Allerdings dürfen Unternehmen für \"Tätigkeiten\", die auch in ihrem Eigeninteresse erfolgen, keine Kosten in ihren AGBs verstecken.

Wenn also eine Fremdfirma mit diesen Aufgaben betraut wird, was bei der o.g. Firma E. der Fall ist, dann dürfen solche Kosten nicht einfach neben den Energiepreisen zusätzlich über AGB-Klauseln den betroffenen Kunden aufs Auge gedrückt werden. Wenn die nämlich beim eigenen Personal sparen u. bestimmte Aufgaben (wie die Buchhaltung) outsourcen, stellt dies eine normale Kostenposition dar, die vom Preis gedeckt werden muss, aber nicht über AGB-Pauschalen.

Im Bereich der Sparkassen-AGB ist dies definitiv seit April 09 vom BGH ausgeurteilt. Und bei ausschließlich vertragsrechtlichen Klauseln, die unabhängig v. der Branche sind, kann es daher auch keinen Unterschied machen, ob es Zinswucherer o. Energiepreiswucherer sind.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #104 am: 21. Februar 2011, 10:55:34 »
Bei den zur gesetzlich zur Tarifbestimmung und -anpassung verpflichteten Unternehmen ist bekannt, dass Tariferhöhungen nur im Umfange tatsächlich gestiegener Kosten erhöht werden dürfen und rückläufige Kosten durch Tarifanpassungen zugunsten der Kunden in mindestens gleichem Umfange weitergegeben werden müssen. Ob dieser gesetzlichen Verpflichtung Rechnung getragen wurde ist sowohl in den Unternehmen selbst objektiv überprüfbar, als auch auf entsprechende Veranlassung von außen. Somit sind die bestehenden getroffenen Tarifbestimmungen jedenfalls objektiv daraufhin kontrollierbar, ob sie in gesetzmäßiger Weise getroffen wurden oder nicht.
Eine Prozentzahl braucht man dafür gerade nicht.

Auch kommt es für eine Betrugsstrafbarkeit gerade nicht darauf an, ob die betroffenen Kunden die maßgeblichen Grundlagen der Tarifbestimmung kennen bzw. kennen können (BGH 5 StR 394/08]. Entscheidend ist allein, ob die betroffenen Kunden  durch die mit den Abrechnungen stillschweigend verbundenen Tatsachenbehauptungen über die Ordnungsgemäßheit der Abrechnung auf der Grundlage einer ordnungsgemäß getroffenen Tarifbestimmung getäuscht werden oder nicht. Für eine Betrugsstrafbarkeit spricht dabei gerade, wenn die betroffenen Kunden die entsprechende Täuschung nicht erkennen können.

Wenn also eine Staatsanwaltschaft schreibt, dass sie eine Betrugsstrafbarkeit wegen einer monierten bestehenden Quersubventionierung nicht erkennen könne, wenn die entsprechende Quersubventionierung aus öffentlichen Stellungnahmnen des Unternehmens klar hervorgeht und somit für die betroffenen Kunden ersichtlich sei, dann liegen die Kollegen bei der Staatsanwaltschaft damit nicht daneben. Es ist dann eben nicht ersichtlich, dass die betroffenen Kunden über die Tatsache einer bestehenden Quersubventionierung überhaupt getäuscht wurden.

 

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