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Autor Thema: Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?  (Gelesen 59799 mal)

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Offline RR-E-ft

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Vielen Verbrauchern bleibt ihre Nichtschuld verborgen, so dass sie fortlaufend in ganz erheblichem Umfange rechtsgrundlos Zahlungen an die Versorger leisten.

Schuld daran sind die Versorger und deren Rechtsberater, die das Licht scheuen.

Möglicherweise machen sich diese deshalb auch strafbar.

Bitte hier lesen.

Offline Black

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #1 am: 11. Februar 2011, 11:22:48 »
Da sollte man zuerst Fragen, an welchen Straftatbestand dabei gedacht wird.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #2 am: 11. Februar 2011, 11:26:30 »
@Black


Entsprechende Entscheidung des BGH  zur Betrugsstrafbarkeit wegen zur Abrechnungstellen tatsächlich nicht geschuldeter Beträge ist doch aufgeführt worden.

Sie selbst als Spezialist für § 315 BGB im Lager der Versorger haben nachweislich zutreffend erkannt, dass bei bestehender besonderer Preisbestimmungspflicht die vom Versorger getroffene Preisbestimmung von Anfang an ohne weiteres unwirksam ist und keine Verbindlichkeit begründet, wenn sie nicht der Billigkeit entspricht, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB (ebenso BGH X ZR 60/04 unter II. 1). Es handelt sich um eine Nichtschuld im Sinne des § 812 BGB (BGH VIII ZR 111/02).

Und die zur Abrechnungstellung einer solchen Nichtschuld, um beim Zahlungsverpflichteten den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, er schulde den abgerechneten Betrag, kann laut Bundesgerichtshof eine Betrugsstrafbarkeit begründen.

Das wird auch bei unwirksamen Preiserhöhungen in Sonderverträgen Geltung beanspruchen können bzw. müssen.

Macht Euch endlich ehrlich!

Offline Black

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #3 am: 11. Februar 2011, 12:08:44 »
In der von Ihnen zitierten Entscheidung lag aber die Sondersituation vor, dass absichtlich ein Kalkulationsfehler fortgeführt wurde und die Kunden zudem einem Anschluss- und Benutzunszwang ausgesetzt waren.

Davon zu unterscheiden ist jedoch die unbillige Preisfestsetzung wegen eines fehlerhaften Ermessens. Da fehlt es bereits am Vorsatz.

Zudem liegt in der Rechnungsstellung über eine Forderung, die nach billigem Ermessen festgesetzt wurde keine Täuschung. Denn die darin innewohnende Erklärung lautet ja:

\"Wir stellen Dir Kunde diesen Betrag in Rechnung, den wir selbst als billig ansehen\"

Demzufolge nimmt der BGH ja auch eine Neuvereinbarung des Preises unter Ausschluss der Billigkeitskontrolle an, wenn der Kunde unbeanstandet die Rechnung zahlt. Wäre aber die \"unbillige Rechnung\" eine Täuschungshandlung i.S.d. § 263 StGB könnte aus ihr keine wirksame Einigung entstehen.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #4 am: 11. Februar 2011, 12:09:26 »
@Black

BGH, Urt. v. 17.07.09 Az. 5 StR 394/08

BGH, B. v. 09.06.09 Az. 5 StR 394/08


Mit §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1 iVm. 1 Abs. 1 EnWG besteht eine besondere gesetzliche Tarifbestimmungspflicht des Grundversorgers, die gerade dem Schutz der Haushaltskunden vor überhöhten Strom- und Gaspreisen dient.  

Der gesetzlich verpflichtete Versorger muss deshalb den Schutz der betroffenen Kunden gewährleisten. Er liegt in der ihm vom Gesetz zugewiesenen Verantwortung.

Die entsprechenden Kunden müssen ein geschütztes Vertrauen darin haben können, dass die Tarifbestimmung des Versorgers tatsächlich dessen gesetzlicher Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten Versorgung entspricht und demzufolge auch die darauf basierenden Verbrauchsabrechnungen \"ordnungsgemäß\" sind.

Das folgt schon daraus, dass die betroffenen Kunden die maßgeblichen Kalkulationsgrundlagen selbst gar nicht kennen (können), so dass sie sich auf den Versorger verlassen müssen.

In der Bezahlung einer Rechnung kann keine Neuvereinbarung liegen. Es gibt schon keinen Antrag gem. § 145 BGB, der vom Kunden überhaupt nur fristgerecht angenommen werden könnte.

Ist der Versorger gesetzlich zur Tarifbestimmung verpflichtet, ist seine getroffene Tarifbestimmung dann jedenfalls aber auch jedenfalls nur dann verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht, § 315 Abs. 3 Abs. 1 BGB (vgl. BGH X ZR 60/04 unter II.1) m.w.N.).

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #5 am: 11. Februar 2011, 12:51:11 »
@Black

Nach Ihrer Logik hätte es bei der BSR gar keinen Betrugsfall gegeben.

Zwar sei die BSR gesetzlich verpflichtet gewesen, die Höhe der Tarife zu bestimmen, die der gerichtlichen  Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegen, hätte bei der Tarifkalkulation einen Fehler gemacht und diesen auch erkannt, aber betrogen worden sei keiner. Schließlich hätten die BSR- Kunden, welche auf die Abrechnungen Zahlungen leisteten, die gesetzwidrig zu hoch kalkulierten Tarife mit der BSR vereinbart. Ein Schaden sei ihnen dadurch nicht entstanden.

Der 5. Strafsenat des BGH  hat die Sache hingegen zutreffend entscheidend anders gesehen.

Wenn sich ein Energieversorger zB. vorgenommen hat, durch die getroffene Preisbestimmung einen höheren Gewinnanteil am Preis zu erzielen, seine Tarifbestimmung darauf ausrichtet, einen für sich besonders vorteilhaften Preis zu erzielen,  so weiß er ohne weiteres, dass die gestroffene Preisbestimmung wegen §§ 1, 2  EnWG gesetzwidrig und gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB von Anfang an ohne weiteres  unwirksam ist.

Seine Abrechnungen können deshalb betrügerisch sein.

Offline Black

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #6 am: 11. Februar 2011, 13:15:05 »
Zitat
Original von RR-E-ft
In der Bezahlung einer Rechnung kann keine Neuvereinbarung liegen. Es gibt schon keinen Antrag gem. § 145 BGB, der vom Kunden überhaupt nur fristgerecht angenommen werden könnte.

Dies hat der BGH jedoch bekanntlich anders gesehen.

Zitat
BGH, 14.07.2010, VIII ZR 327/07
Wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden, wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einsei-tig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis. Er kann deshalb nicht mehr gemäß § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit überprüft werden (BGHZ 172, 315, Tz. 36; vgl. auch BGHZ 178, 362, Tz. 15 f.)

Zitat
BGH, 14.07.2010, VIII ZR 327/07
Der Senat hält es daher auch bei Sonderkundenverträgen für interessengerecht, nach Übersendung einer auf der Grundlage einer einseitigen Preiserhöhung vorgenommenen Jahresabrechnung durch das Versorgungsunternehmen und anschließender Fortsetzung des Gasbezugs durch den Kunden ohne Beanstandung der Preiserhö-hung gemäß § 315 BGB in angemessener Zeit den zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltenden, zuvor einseitig erhöhten Preis nicht mehr gemäß § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit zu überprüfen.
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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #7 am: 11. Februar 2011, 13:18:49 »
@Black

Dann hätte sich der VIII.Zivilsenat (Karlsruhe) mal mit dem 5.Strafsenat des BGH (Leipzig) zu unterhalten gehabt oder einfach nur ins Gesetzbuch zu sehen gehabt, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Sie wissen es jedenfalls besser.

Zitat
Original von Black
Zudem ist eine unbillige Leistungsbestimmung automatisch unwirksam. Sie muss daher nicht erst widerrufen werden, denn sie entfaltet keine Rechtswirkung.

Sie sagen zutreffend selbst, die unbillige Preisbestimmung sei von Anfang an und ohne weiteres unwirksam und entfalte keine Rechtswirkung, stellt also auch keinen Antrag gem. § 145 BGB da.

Sie haben § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gelesen und verstanden.

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #8 am: 11. Februar 2011, 14:03:21 »
Die Betrugsstrafbarkeit im Falle BSR gründete bei Lichte betrachtet darauf, dass die Abrechnungen stillschweigend die Erklärung enthielten

 \"Die Tarife haben wir in gesetzmäßiger Weise [unserer gesetzlichen Verpflichtung entsprechend] der Billigkeit entsprechend festgesetzt, deshalb ist auch diese Abrechnung ordnungsgemäß\".

Offline Black

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #9 am: 11. Februar 2011, 14:05:00 »
Es wird aber schwierig, wenn Sie eine Strafbarkeit mit BGH Rechtsprechung belegen wollen und gleichzeitig andere Rechtsprechung des BGH hierfür als falsch ansehen wollen.

Entweder taugt ein Verweis auf den BGH als Beleg für die Rechtslage oder nicht.

Das eine unbillige einseitige Festlegung unwirksam ist, hindert nicht daran, dass sie als vertragliches Angebot gelten kann. Denn die Unwirksamkeit beseitigt ja nur die zustimmungsfreie Bindungswirkung. Ein vertragliches Angebot wird anders als eine einseitige Festlegung erst durch Zustimmung wirksam.

Das ist auch nur konsequent, denn Billigkeit ist ja eine Wertungsfrage und dient dem Schutz des Vertragspartners. Wenn dieser Vertragspartner die Festlegung als \"für gut befunden\" anerkennt, dann besteht keine Notwendigkeit eine Festlegung mit der beide Parteien einverstanden waren für unwirksam zu erklären.
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Offline Black

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« Antwort #10 am: 11. Februar 2011, 15:07:55 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Die Betrugsstrafbarkeit im Falle BSR gründete bei Lichte betrachtet darauf, dass die Abrechnunegn stillschweigend die Erklärung enthielten

 \"Die Tarife haben wir in gesetzmäßiger Weise [unserer gesetzlichen Verpflichtung entsprechend] der Billigkeit entsprechend festgesetzt, deshalb ist auch diese Abrechnung ordnungsgemäß\".

Fast. Was genau billig ist, dass ergibt sich eben nicht direkt aus dem Gesetz, sondern ist eine Ermessensentscheidung im Einzelfall. Es existieren derzeit nur Richtlinien zur Billigkeit die die Rechtsprechung entwickelt hat.

Daher lautet die Erklärung vielmehr:

\"Die Tarife haben wir aufgrund unseres gesetzlichen Rechtes/unserer gesetzlichen Pflicht neu festgesetzt. DBei dieser Festsetzung haben wir billiges Ermessen i.S.d. § 315 BGB ausgeübt, deshalb ist auch diese Abrechnung nach unserer Überzeugung ordnungsgemäß\"
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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #11 am: 11. Februar 2011, 15:43:12 »
Zitat
Original von Black
Das eine unbillige einseitige Festlegung unwirksam ist, hindert nicht daran, dass sie als vertragliches Angebot gelten kann. Denn die Unwirksamkeit beseitigt ja nur die zustimmungsfreie Bindungswirkung. Ein vertragliches Angebot wird anders als eine einseitige Festlegung erst durch Zustimmung wirksam.

Das ist auch nur konsequent, denn Billigkeit ist ja eine Wertungsfrage und dient dem Schutz des Vertragspartners. Wenn dieser Vertragspartner die Festlegung als \"für gut befunden\" anerkennt, dann besteht keine Notwendigkeit eine Festlegung mit der beide Parteien einverstanden waren für unwirksam zu erklären.

@Black

Ich sehe schwarz. (Nicht in Bezug auf die GEZ)

Bei der BSR gab es keinen Betrug.
Schließlich hatten die Kunden die Rechnungen der BSR bezahlt, weil sie mit den Tarifen einverstanden waren.
Deren Zahlungen zeigten ja gerade, dass sie diese für \"gut\" befanden, anerkannten.
Die Kunden hatten deshalb jedenfalls keinen Schaden erlitten.
Die Verantwortlichen waren deshalb vollkommen unschuldig.
Unschuldige wurden deshalb rechtskräftig abgeurteilt.

Gewiss ist Ihre Beschwerde an Amnesty International deshalb schon raus.

Im Strafrecht scheinen Sie nicht zu Hause zu sein.


==================================================

Wir wollen es uns bei Lichte betrachten und sehen, was sich wohl aus dem Gesetz ergibt.

1.

In Deutschland gibt der Gesetzgeber die materielle Rechtslage vor.

2.

Auch Gerichte sind daran gebunden.

3.

Grundversorger trifft gesetzlich eine Tarifbestimmungspflicht, § 36 Abs. 1 EnWG.

4.

Die getroffene Tarifbestimmung in Ausübung der gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht unterliegt der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des  § 315 BGB, denn dieser gilt auch für gesetzliche Leistungsbestimmungspflichten.

5.

Auch Grundversorger sind als Energieversorger gesetzlich verpflichtet, eine möglichst preisgünstige, effiziente leitunsgsgebundene Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen zu gewährleisten, § 2 Abs. 1 EnWG.

6.

Bei der gesetzlich geschuldeten Tarifbestimmung in Ausübung der gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht muss die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG  berücksichtigt werden.

7.
 
Die getroffene Tarifbestimmung darf wegen § 2 Abs. 1 EnWG für den Grundversorger nicht vorteilhaft sein.
Sie muss vielmehr für die Kunden möglichst vorteilhaft sein, § 1 Abs. 1 EnWG, weil sie diesen entsprechend des Schutzzweckes der gesetzlichen Bestimmung eine möglichst preisgünstige Versorgung gewährleisten muss.

8.

a)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung aufgrund seiner gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht keine Tarife bestimmen, die deshalb gesetzwidrig sind, weil sie dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 1, 2 EnWG widersprechen.

b)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung keine Tarife zur Abrechnung stellen, die deshalb gesetzwidrig sind, weil sie dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 1, 2 EnWG widersprechen.

c)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung mit einzelnen Kunden keine individuellen Preisvereinbarungen treffen, § 36 Abs. 1 EnWG.

d)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung mit einzelnen Kunden insbesondere keine Preise individuell vereinbaren, die gesetzwidrig sind, weil sie der gesetzlichen Verpflichtung des Grundversorgers aus §§ 1, 2 EnWG widersprechen.

9.

Die Billigkeitskontrolle der infolge gesetzlicher Tarifbestimmungspflicht getroffenen Tarifbestimmung des Grundversorgers richtet sich nach § 315 Abs. 3 BGB.

Diese kann gem. § 315 Abs. 3 BGB nur ergeben, dass die getroffene Tarifbestimmung entweder der Billigkeit entspricht und deshalb für die betroffenen Kunden ohne weiteres verbindlich ist oder nicht der Billigkeit entspricht und deshalb für die betroffenen Kunden ohne weiteres unverbindlich ist.

Ist sie unverbindlich, kann nach der gesetzlichen Regelung des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB eine gerichtliche Ersatzbestimmung getroffen werden.
Dies setzt einen entsprechenden Antrag an das ordentliche Gericht voraus (Klageantrag gem. § 308 ZPO).  

Bis zur Rechtskraft des entsprechenden Gestaltungsurteils verbleibt es dabei, dass das Versorgungsunternehmen keinen durchsetzbaren Zahlungsanspruch gegen den Kunden hat (BGH X ZR 60/04 unter II.1).  

10.

Der betroffene Kunde kann selbst nicht erkennen, ob die gesetzlich geschuldete Tarifbestimmung des Versorgers unter Beachtung von §§ 1, 2 EnWG in gesetzmäßiger Weise getroffen wurde, der Billigkeit entspricht oder jedoch eine gesetzwidrige Tarifbestimmung vorliegt, die gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB  zur Unverbindlichkeit und Nichtschuld im Sinne des § 812 BGB führt.

11.

Erkennt der Versorger, dass seine gesetzlich geschuldete Tarifbestimmung bisher in gesetzwidriger Weise getroffen wurde, weil sie ihm und nicht den Kunden vorteilhaft ist, so ist er gesetzlich verpflichtet, für die Zukunft schnellstmöglich eine neue Tarifbestimmung zu treffen, die tatsächlich seiner gesetzlichen Verpflichtung entspricht.

12.

Für die Zeit davor ist er wegen § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht mehr berechtigt, die unbilligen Tarife von den Kunden weiter zu fordern.
Er kann nur eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB beantragen.

Schlag 13.

a)

Stellt der gesetzlich zur Tarifbestimmung verpflichtete Versorger seinen betroffenen Kunden weiter unbillige Tarife zur Abrechnung, deren Unbilligkeit und Unverbindlichkeit er bzw. dafür besonders verantwortliche Mitarbeiter erkannt haben, lässt man alles wie bisher weiter laufen, so kann darin eine Betrugsstrafbarkeit begründet liegen.

b)

Eine Beteiligung an der Haupttat der Verantwortlichen durch Compliance Officers des Unternehmens und andere juristische Berater ist möglich. Wurden externe sachverständige Berater vom Versorger mit der Beurteilung der Billigkeit der getroffenen Tarifbestimmung besonders beauftragt, können diese in diejenige Garantenstellung einrücken, welche die Strafbarkeit begründet (Ingerenz).  


Resümee:

Die Verantwortlichen aller betroffenen Energieversorgungsunternehmen und auch deren Compliance Officers sollten darüber unverzüglich informiert werden, auch durch externe Berater.

Abmahnungen durch Verbraucherverbände nach UWG deshalb erscheinen möglich.

@Black

Sie sollten ggf. Ihre eigene Verantwortlichkeit kritisch hinterfragen und sich auch vor juristischer Bedenkenträgerei nicht scheuen.
Sonst kneift Sie ggf. auch die Zange.

Es wird Frühling und Ihr tanzt einfach immerfort  weiter auf dünnem Eis.

Offline Black

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #12 am: 11. Februar 2011, 16:52:16 »
Diese beeindruckende und raumfüllende Auflistung ändert nichts daran, dass die Ausübung des § 315 BGB eine Ermessensentscheidung ist.

Billigkeit ist nämlich eine Rechtsfrage. Eine betrugsrelevante Täuschung ist jedoch nur über Tatsachen möglich (Tröndle/Fischer, StGB, § 263, 4).

Die Ausübung von fehlerhaftem Ermessen stellt daher im Regelfall keine betrugsrelevante Täuschung dar. (Für diesen Umstand dürften im übrigen sämtliche Angestellte der Verwaltung dankbar sein).

Im übrigen überschätzen Sie die Stärke der Verpflichtungswirkung aus § 2, 1 EnWG.

Zitat
Säcker, Kommentar zum EnWG, § 2, 1)
 Die (...) Vorschrift des § 2 verpflichtet die Energieversorgungsunternehmen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zu einer Energieversorgung beizutragen, die den Zielen des § 1 Rechnung trägt. Die Verpflichtung besteht nach dem Wortlaut des § 2 aber nur \"im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes\". Die Regierungsbegründung erläutert dahingehend, dass damit die nachfolgenden Vorschriften gemeint sind, die den Programmsatz des § 1 ausführen. § 1 gehört daher nicht zu den Vorschriften, die unmittelbar verpflichtende Wirkung für Unternehmen haben (..)
 
§ 2 hat nur klarstellende Bedeutung, denn die ihm nachfolgenden Gesetzesbestimmungen sind ihrerseits sanktionsbewährt und sämtlich als Verpflichtungsnorm ausgestaltet (...) Die vorstehende Interpretation gewährleistet, dass sich § 2 nicht zu einer das Gesetz überwuchernden Generalbevollmächtigung entwickelt.


Zitat
Salje, Kommentar zum EnWG, § 2, 8 ff)
Der Systemschwäche versucht der Gesetzgeber mit Hilfe von § 2 zu begegnen, wobei die Gesetzesbegründung bereits die \"Ohnmacht des Gesetzgebers\" deutlich hervortreten läßt. Denn immer wenn insofern eine bloße \"Erwartung\" zum Ausdruck gebracht wird, hat der Gesetzgeber seine beschränkten Mittel zutreffend eingeschätzt und quasi kapituliert. Aus dieser Einschätzung folgt für § 2 Abs. 1

Weil die Vorschrift lediglich auf andere Normen des EnWG verweist, sind es nur diese zuletzt genannten Regelungsbereiche, die rechtlich bindend in der Lage sind, die zukünftige energieversorgung sicherzustellen.
(...)
Weil der Gesetzgeber seine \"Versorgungserwartungen\" kraft europäischer Vorgaben nicht in allseits verbindliche EVU Betriebsverpflichtungen umsetzen durfte, wird die zukünftige Energieversorgug nur dann funktionsfähig bleiben, wenn die Marktkräfte ausreichen. Weil insofern Zweifel nicht bestehen, ist § 2 Abs. 1 schlichtweg überflüssig.


Zitat
Britz, Kommentar zum EnWG, § 2, 2
Der Bestimmung kommt im wesentlichen deklaratorische und allenfalls klarstellende Funktion zu. Nach der Begründug des Gesetzentwurfes soll namentlich in § 2 I die wirtschaftliche Eigenverantwortung der EVU besonders betont werden. Das ist der Bestimmung freilich kaum, allenfalls in dem Vorbehalt zugunsten der weiteren Vorschriften des Gesetzes zu entnehmen. Vielmehr geht es dem Regelungsgehalt des § 2 I eher darum, vor dem Hintergrund der EnWG durch Liberalisierungs- und Entflechtungsregelungen begründeten Eigenverantwortung der EVU die grundsätzliche Versorgungsverpflichtung der EVU appelativ hervorzuheben.



Interessant auch die Kommentierung zu § 1 EnWG

Zitat
Britz, Kommentar zum EnWG, § 1, 28

Das frühere Ziel einer möglichst billigen Energieversorgung findet sich seit dem EnWG 1998 sprachlich etwas verändert im Gesetzeszweck der Preisgünstigkeit wieder. (...) zielt Preisgünstigkeit jedenfalls nicht einfach nur auf möglichst billigen Energiebezug für die Endkunden. Vielmehr verlangt mit Blick auf den Gesetzeszweck ebenso auch die individuelle Leistungsfähigkeit des jeweiligen EVU, wie auch die Notwendigkeit der Erhaltung von Investitionskraft und -bereitschaft und der Erzielung von angemessenen Gewinnen Beachtung.


Zitat
Salje, Kommentar zum EnWG, § 1, 67 ff. 74

Der Gesetzgeber beabsichtigt mit § 1 offenbar auch eine Bindung der Marktteilnehmer. (...) Es fehlt wiederum ein Konfliktregelungsmechanismus, der die Inbezugnahme von § 1 optional handhabbar macht. Die Konfliktlage könnte aufgelöst werden, wenn man den EVU einen Beurteilungsspielrau in Bezug auf die Balance der Ziele einräumt.

(...)

Ist eine operationelle Entscheidung wegen der § 1 Abs. 1 immanenten Zilkonflikte nicht möglich, bleibt also § 1 ein bloßer Programmansatz ohne Verbindlichkeit, kann versucht werden die Ziele des § 1 über Marktentscheidungen zu verwirklichen. Wie preisgünstig, wie umweltverträglich und wie sicher ud effizient die Versorgung mit Elektrizität oder Gas im konkreten Fall erfolgt, entscheidet dnn der Kunde indem er entsprechende Angebote der EVU wahrnimmt.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

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« Antwort #13 am: 11. Februar 2011, 16:57:09 »
Kann es nicht sein, dass ein Versorger, der auf Zahlung klagt und dabei stolz behauptet, seine Tarife wären entsprechend gesetzlicher Verpflichtung gebildet worden - ohne dies zuvor genau geprüft zu haben- sich wegen zumindest  versuchten Prozessbetruges strafbar machen kann?

Offline RR-E-ft

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« Antwort #14 am: 11. Februar 2011, 17:00:56 »
@Black

§ 2 Abs. 1 EnWG verpflichtet die Versorger im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften, also auch in Bezug auf die gesetzliche Tarifbestimmungspflicht des § 36 Abs. 1 EnWG, welche wiederum der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegt.

Haltet Ihr denn den Gesetzgeber für vollkommen blöde?

Wirtschaftliche Eigenverantwortung heißt, dass die Unternehmen zur Erfüllung selbst Sorge zu tragen haben und dafür wirtschaftlich einzustehen haben.
 
Eigenverantwortung bedeutet eigene Haftung.

Wenn der Gesetzgber klare gesetzliche Verpflichtungen regelt, sind diese einzuhalten.

Selbstverständlich  ist die Ausübung der gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht eine Ermessensentscheidung, die deshalb ihererseits gem. § 315 BGB auch  zur gerichtlichen Kontrolle gestellt werden kann, mit zwei möglichen Prüfungsergebnissen § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, entweder verbindlich oder unverbindlich.

Der dafür gesetzlich verantworliche Versorger muss selbst die Gesetzeskonfirmität seiner getroffenen Tarifbestimmung kontrollieren.

Sportsfreunde sagt doch mal, wonach Ihr die Ermessensausübung überhaupt intern trefft und intern wie extern auf deren Richtigkeit kontrollieren lasst!

Oder findet gar keine entsprechende, notwendige Kontrolle statt?

Wenn eine interne Kontrolle diesbezüglich gar nicht stattfinden sollte, nimmt man jedenfalls billigend in Kauf, dass gesetzwidrig gebildete Tarife zur Abrechnung gebracht werden.

 

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