Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH  (Gelesen 114778 mal)

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Offline Black

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Warum sollte er da klagen müssen?
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Zitat
Original von Black
Warum sollte er da klagen müssen?

@Black


Vielleicht sollte er klagen müssen, weil er nach der gesetzlichen Regelung nachträglich seine gem. § 315 Abs. 1 BGB geschuldete Preisbestimmung nach der gem. § 315 Abs. 2 BGB unwiderruflichen Ausübung nicht mehr selbst ersetzten kann und darf, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, es ohne Ersatzbestimmung bei § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB verbleibt, die Verantwortlichen sich jedoch strafbar machen können, wenn sie es dabei belassen und weiter (erkanntermaßen) unbillige Tarife zur Abrechnung stellen, BGH StR 5 394/08.

Zitat
§ 315 Bestimmung der Leistung durch eine Partei

(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. [Dann ist sie unwiderruflich getroffen und steht zur Kontrolle gem. Absatz 3]

(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die [unwiderruflich bereits ] getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. [siehe schwanger/ nicht schwanger]

Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.

Den Klagegrund hat er dabei wohl unzweifelhaft selbst  veranlasst.

Was machen wir bloß, wenn so eine Klagewelle kommt und all die armen Verbraucher, die nie widersprochen und immer brav gezahlt haben, einem Tsunami ähnlich total überrascht?!

Auch auf so einen Fall muss man ja ggf. irgendwie vorbereitet sein (Mt 25, 13).


========

Frage der Spielregeln.

Offline jofri46

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@Black

Sie schreiben: \"Damit wäre aber der § 315 BGB als Ermessensnorm verdrängt\".

Wäre das zwingend? Eine Rechtsverordnung im Sinne von § 39 Abs. 1 EnWG muss einen Ermessensspielraum und damit eine Billigkeitsprüfung gem. § 315 BGB nicht völlig ausschliessen.

Die bisherige Preispolitik der Versorger und ihre exorbitanten Gewinnsteigerungen liessen doch nur den Eindruck zu, dass die Preissteigerungen vornehmlich der Gewinnmaximierung dienten. Wenn es eine Rechtsverordnung nun ermöglicht, festzustellen, dass mit dem allgemeinen Preis (nur) die notwendigen Kosten gedeckt und ein angemessener Gewinn erzielt werden, was wäre daran zu bemäkeln, selbst wenn dadurch § 315 BGB mit all seinen Unwägbarkeiten und Risiken verdrängt würde?

Offline RR-E-ft

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@jofri46

Ja, das wäre wohl zwingend, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 315 Abs. 1 BGB.

(Würde hingegen die Billigkeitskontrolle eröffnet bleiben, so würde sich ja auch insoweit gar nichts ändern, worauf Black ebenso zutreffend hinweist. Es würde sich dann die Sinn- Frage stellen.)


Zitat
Original von RR-E-ft

Bei bestehender besonderer Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils gem. § 315 Abs. 1 BGB schuldet dieser die Bestimmung des vertragsgemäßen Äquivalenzverhältnisses, des vertragsgemäßen Preises (BGH VIII ZR 240/90).
Dann und nur dann.

Wem es - im Gegensatz zu mir - um die Absicherung und Erhaltung eines für den Versorger bisher besonders vorteilhaften Preisniveaus geht (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 25), der hat sich freilich vollkommen andere Gedanken zu machen, nämlich um eine Preisänderungsklausel, die genau dieses - für den Versorger bisher besonders vorteilhafte -  Äquivalenzverhältnis wahrt.

Dass jedoch ein solches Äquivalenzverhältnis gegen die gesetzlichen Bestimmungen des EnWG verstößt und deshalb gar nicht gewahrt werden darf, wird als bekannt vorausgesetzt.

Offline RR-E-ft

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Ich habe es schon einmal zu erklären versucht, stimme darin wohl mit Black überein (vgl. nur Zenke/Wollschläger, § 315 BGB Streit um Versorgerpreise, 1. Aufl. 2007, S. 36).


Zitat
Original von RR-E-ft
Es kommt für die Frage ganz entscheidend auf das Verständnis von § 315 BGB an.

Deshalb den Gesetzestext vorangestellt, den man schnell im Blick haben sollte:

Zitat
Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.

Was sich daraus ganz zügig folgern lässt:

Wird bei Abschluss eines Sondervertrages (anstelle eines feststehenden Preises) vertraglich vereinbart, dass den Versorger nach Vertragsabschluss eine Preisbestimmungspflicht treffen soll, kann § 315 BGB unmittelbar anwendbar sein undzwar dann aber bereits auf den Anfangspreis (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Kein Blindzitat:


Zitat
BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32

Die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrags die Leistung bestimmen (BGHZ 128, 54, 57). An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn sich der bei Abschluss des Gaslieferungsvertrags ... eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart [wurde]


Bei der so vertraglich vereinbarten Preisbestimmungspflicht des Versorgers handelt es sich nicht um eine Preisnebenabrede in Form einer Preisänderungsklausel, die der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegt, sondern um die vertragliche Preishauptabrede.

Eine vertragliche Preishauptabrede unterliegt nicht der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB.

Nun Aber:

Wird jedoch nicht nur eine den Versorger nach Vertragsabschluss treffende Preisbestimmungspflicht bei Vertragsabschluss vereinbart, sondern darüber hinaus auch besondere Kriterien dazu vereinbart, wie der Versorger  den Preis erst nach Vertragsabschluss bestimmen soll, so ist § 315 BGB unanwendbar.

§ 315 Abs. 1 BGB ist seinem Wortlaut nach nur dann anwendbar, wenn hinsichtlich der nach Vertragsabschluss auszuübenden Preisbestimmungspflicht nicht etwas Besonderes vertraglich vereinbart wurde.

Wurde hingegen dazu, wie die Preisbestimmungspflicht nach Vertragsabschluss vom Versorger ausgeübt werden soll, etwas Besonderes vertraglich vereinbart, ist § 315 Abs. 1 BGB unanwendbar,  weil dann nicht der \"Zweifel\" darüber besteht, wie die Preisbestimmung zu erfolgen hat bzw. erfolgen soll, der im Tatbestand des § 315 Abs. 1 BGB gefordert ist.

Wurde demnach lediglich vollkommen unspezifiziert eine nach Vertragsabschluss auszuübende Preisbestimmungspflicht des Versorgers bei Vertragsabschluss vereinbart, so kommt § 315 Abs. 1 BGB unmittelbar zur Anwendung.

Bei der Billigkeitskontrolle des vom Versorger einseitig bestimmten Energiepreises muss dann wieder die gesetzliche Verpflichtung des Versorgers aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 BGB Berücksichtigung finden (BGH VIII ZR 240/90 unter III.).

Für gesetzliche Preisbestimmungspflichten gilt das gleiche wie für eine vertraglich vereinbarte Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils.

Der Zweifel ist das alles Entscheidende für § 315 BGB und alle seine Verfechter!

Offline taxman

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.. und viel, ja sehr viel Arbeit für Rechtsanwälte !!   :tongue:
pin.energiepreise@yahoo.de

Dort treffen sich Kunden der Stadtwerke Walldorf, Heidelberg, Hockenheim, Weinheim, Neckargemünd, MVV und Erdgas Südwest!

Offline RR-E-ft

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Auch mancher taxman verdankt seine berufliche Betätigung wohl dem Gesetzgeber bzw. besonderen gesetzlichen Pflichten, die Dritte treffen. Auch sehr viel Arbeit. ;)

Offline Black

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Zitat
Original von RR-E-ft
@Black


Vielleicht sollte er klagen müssen, weil er nach der gesetzlichen Regelung nachträglich seine gem. § 315 Abs. 1 BGB geschuldete Preisbestimmung nach der gem. § 315 Abs. 2 BGB unwiderruflichen Ausübung nicht mehr selbst ersetzten kann und darf, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, es ohne Ersatzbestimmung bei § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB verbleibt, die Verantwortlichen sich jedoch strafbar machen können, wenn sie es dabei belassen und weiter (erkanntermaßen) unbillige Tarife zur Abrechnung stellen, BGH StR 5 394/08.


Die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechtes unterliegt den normalen Regelungen für Willenserklärungen (Palandt, BGB, zu § 315, 11). Sie ist zwar unwiderruflich, aber das schließt zum Beispiel die Anfechtung (Palandt, aaO) wegen eines Irrtums nicht aus, da die Anfechtung kein Widerruf ist. Allerdings unterliegt die Anfechtung Fristen und erfasst nicht jeden Fehler.

Zudem ist eine unbillige Leistungsbestimmung automatisch unwirksam. Sie muss daher nicht erst widerrufen werden, denn sie entfaltet keine Rechtswirkung.

Es würde also genügen, wenn der Versorger dem Kunden mitteilt, dass die letzte Preisanpassung nach Rechtsauffassung des Versorgers für den Kunden keine Wirkung entfaltet (und ggf bereits gezahlte Beträge erstattet werden).

Denkbar wäre zwar eine Feststellungsklage mit dem Ziel die Unwirksamkeit festzustellen, hierfür besteht jedoch gar kein Feststellungsinteresse wenn Versorger und Kunde sich einig sind, dass die Festsetzung unwirksam war.

Ist der Kunde dagegen trotz der Mitteilung des Versorgers der Auffassung, die Preisanpassung sei gleichwohl doch billig und wirksam bestände zwar theoretisch ein Feststellungsinteresse, aber dem muss der Verorger nicht nachgehen. Da er den Kunden über die Unbilligkeit informiert hat scheidet eine Strafbarkeit aus.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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@Black

Na klar doch ist eine unbillige Preisbestimmung bei bestehender Preisbestimmungspflicht nach der gesetzlichen Regelung ohne weiteres von Anfang an unwirksam ohne dass es dafür einer Anfechtung bedarf, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.
Das habe ich schon länger erkannt.  ;)

Das Problem:

Eine für das Versorgungsunternehmen fällige und durchsetzbare Forderung gegenüber dem Kunden entsteht dann überhaupt erst mit der Rechtskraft eines Gestaltungsurteils gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB (vgl. nur BGH X ZR 60/04 unter II.1).

Der Versorger wird deshalb eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB beantragen müssen, um überhaupt zu einem durchsetzbaren Zahlungsanspruch gegenüber den betroffenen Kunden zu gelangen (BGH VIII ZR 240/90, am Ende).

Es geht dabei nicht darum, die Unbilligkeit und unwirksamkeit feststellen zu lassen, sondern um die gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB, ohne die eine fällige durchsetzbare Forderung des Versorgers gar nicht besteht.

Das wurde wohl bisher noch zu wenig erkannt.

Offline RR-E-ft

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Original von Black
Zudem ist eine unbillige Leistungsbestimmung automatisch unwirksam. Sie muss daher nicht erst widerrufen werden, denn sie entfaltet keine Rechtswirkung.

@Black

Danke für die Bestätigung aus berufenem Munde.
 
Endlich mal einer, der klar sagt, was sich aus der gesetzlichen Regelung des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unmittelbar ergibt.

Offline Black

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Original von RR-E-ft
Zitat
Original von Black
Zudem ist eine unbillige Leistungsbestimmung automatisch unwirksam. Sie muss daher nicht erst widerrufen werden, denn sie entfaltet keine Rechtswirkung.

@Black

Danke für die Bestätigung aus berufenem Munde.
 
Endlich mal einer, der klar sagt, was sich aus der gesetzlichen Regelung des § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unmittelbar ergibt.

Leider denken viele Kunden, die Forderung wird schon allein durch die Erhebung der Unbilligkeitseinrede (vorläufig) unwirksam - unabhängig davon, ob sie nun tatsächlich billig ist oder nicht.

Das Problem mit der Klage sehe ich so nicht. Wenn eine Preiserhöhung oder Preissenkung unbillig und damit unwirksam ist, dann gilt zunächst einmal weiterhin der bisherige Preis. In der besonderen Situation wo auch der bisherige Preis unbillig sein sollte (weil zwischenzeitlich z.B. abzusenken) sollte der Versorger schnellstmöglich eine neue und dann hoffentlich billige Preisfestsetzung vornehmen.
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@Black

Anders gewendet:

Leider denken viele Versorger, ihre unbillige Preisbestimmung sei schon gegenüber irgendjemandem irgendwie verbindlich.

§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB bestimmt anderes.

Bei bestehender besonderer Preisbestimmungspflicht ist die unbillige Preisbestimmung von Anfang an ohne Weiteres insgesamt unwirksam, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.
 
Ebenso wie die billige Preisbestimmung von Anfang an ohne Weiteres  insgesamt wirksam ist.

Alles sei wohl geschieden, Himmel und Erde, Tag und Nacht, die sichtbare und die unsichtbare Welt.

Wenn die geschuldete besondere  Preisbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB insgesamt unwirksam ist, ergibt sich alles Weitere unmittelbar aus § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB (vgl. BGH X ZR 60/04 unter II.1)

Wundert nicht nur mich, dass auch Zenke/ Wollschläger in ihrem Bestseller bis zu § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB wohl gedanklich  nicht durchgederungen waren.

Der HERR spricht: \"Wachet; denn ihr wisst weder den Tag, noch die Stunde!\" (Mt 25, 13).

Offline RR-E-ft

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Original von Black
Das Problem mit der Klage sehe ich so nicht. ....In der besonderen Situation wo auch der bisherige Preis unbillig sein sollte (weil zwischenzeitlich z.B. abzusenken) sollte der Versorger schnellstmöglich eine neue und dann hoffentlich billige Preisfestsetzung vornehmen.

@Black

Natürlich kann derjenige, den die besondere Preisbestimmungspflicht trifft und dessen bisherige Preisbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich ist, für die Zukunft schnellstmöglich eine neue Preisbestimmung treffen, die dann selbst der Billigkeit entsprechen muss. In einem Dauerschuldverhältnis mit besonderer Preisbestimmungspflicht besteht sogar eine gesetzliche Verpflichtung hierzu (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Das hilft aber nicht darüber hinweg, dass die bisherige Preisbestimmung für die Vergangenheit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB vollkommen unverbindlich bleibt, mit anderen Worten eine Nichtschuld im Sinne des § 812 BGB (vgl. BGH VIII ZR 111/02).

Selbstverständlich können vom Versorger alle erfolgten Zahlungen, die wegen §§ 812, 315 Abs. 3 Satz 1 BGB rechtsgrundlos erfolgten, freiwillig vollständig an die davon betroffenen Kunden ausgekehrt werden.

Aber erklären Sie das mal denjenigen Unternehmen, die eine solche besondere Preisbestimmungspflicht trifft und die bisher unbillige Preisbestimmungen getroffen haben.  

Meine bisherige Erfahrung ist die , dass sich die betroffenen Unternehmen bisher beratungsresistent zeigen.

Aber das muss ja nicht so bleiben, wenn Sie es ihnen erklären.
Schließlich sind Sie der Spezialist für § 315 BGB im Lager der Versorger (zur Erbauung: Joh 15).

Offline Black

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Das Problem taucht deswegen auf, weil Sie ja noch immer - in Ablehnung der Preissockelrechtsprechung des BGH - davon ausgehen, dass der gesamte Preis neu bestimmt wird. Unter diesem Blickwinkel sind Phasen der Nichtbestimmung vielleicht problematisch.

Der Preissockel sichert dagegen den bisherigen Preis ab und führt nicht automatisch zu Phasen ohne jedweden Preis.
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Original von Black
Das Problem taucht deswegen auf, weil Sie ja noch immer - in Ablehnung der Preissockelrechtsprechung des BGH - davon ausgehen, dass der gesamte Preis neu bestimmt wird. Unter diesem Blickwinkel sind Phasen der Nichtbestimmung vielleicht problematisch.

Der Preissockel sichert dagegen den bisherigen Preis ab und führt nicht automatisch zu Phasen ohne jedweden Preis.

@Black

Damit haben Sie jetzt ganz gewiss nicht Recht.
Es liegt nicht nur an mir.

Es gibt keine Phasen der Nichtbestimmung.

Von Anbeginn an [Inkrafttreten des EnWiG 1935] und zu jeder Zeit haben die gesetzlich dazu verpflichteten Unternehmen (§ 315 Abs. 1 BGB)  besondere Preisbestimmungen getroffen (§ 315 Abs. 2 BGB).

Die zu klärende Frage ist doch jeweils nur, ob die Preisbestimmungen, zu denen die Unternehmen gesetzlich verpflichtet sind, von diesen entsprechend gesetzlicher Verpflichtung bisher tatsächlich so getroffen wurden, dass sie der Billigkeit entsprechen, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Aufgrund bestehender gesetzlicher Verpflichtung gibt es keinen abgesicherten Sockel (denn siehe: BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].


Zitat
BGH KZR 2/07 Rn. 26:

Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist,

Ein solcher geschützter Preissockel wäre sogar gesetzwidrig, habe ich auch Herrn Ball und den Senatsmitgliedern des VIII.Zivilsenats des BGH erst jüngst schreiben müssen.

Sie als Spezialist für § 315 BGB im Lager der Versorger sollten es als erster wissen:

Der Rechtsanwender findet in § 315 BGB recht schnell die Notwendigkeit einer gerichtlichen Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.
Was der Rechtsanwender in der Norm nicht findet, ist ein Preissockel.
Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass ein solcher nach der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen ist.
 
Die Norm trifft in § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB vielmehr eine glasklare Unterscheidung, so dass sich die Spreu vom Weizen trennen muss bzw. getrennt werden muss.

Der HERR spricht: \" Schon hält er die Schaufel in der Hand; er wird die Spreu vom Weizen trennen und den Weizen in seine Scheune bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen.\" (Mt 3, 12)


Ich bemühe mal die klaren Worte des Bundesgerichtshofes zur eindeutigen Scheidung:

Zitat
BGH X ZR 60/04 unter II 1)

Die ... Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.

Das ist die reine Lehre, die ihre Stütze vollkommen in der gesetzlichen Regelung selbst findet, § 315 BGB.

Mehr als Euch das Licht zu halten, vermag ich nicht.

Ihr wollt diese klare gesetzliche Regelung auch für Sonderverträge?
Bitte! Liebe Kollegen, wohlan!  

Auch dies stellt der Gesetzgeber für den Bereich der Vertragsfreiheit den Energieversorgungsunternehmen frei.
Es darf bei Abschluss eines Sondervertrages vertraglich vereinbart werden, dass der Versorger den Preis (jeweils) bestimmen soll, hierzu verpflichtet ist.
Dann kommt § 315 BGB auf das betreffende Vertragsverhältnis und die Preisbestimmung des Versorgers (jeweils) unmittelbar zur Anwendung, insbesondere auch und gerade § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB.

Seid Euch nur im Klaren darüber, dass die Preisbestimmungspflicht des Versorgers auch dabei die vertragliche Preishauptabrede ausmacht, es sich nicht etwa um eine Preisänderungsklausel handeln kann.

Aber das wussten Sie als Spezialist für § 315 BGB im Lager der Versorger wohl schon längst.
Warum trage ich noch Eulen nach Athen?

 

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