So kurz vor dem Jahresende will ich noch auf das vorgehende „Posting“ von „RR-E-ft“ inhaltlich eingehen, weil ich Anlass sehe, hier einige Punkte noch einmal sehr grundsätzlich geradezurücken.
Ich habe den leisen Verdacht, dass Sie - „RR-E-ft“ - meinen letzten Beitrag in einem Sinne interpretieren, den ich diesem nicht beigemessen habe, zumindest nicht beimessen wollte. Ich habe mich dann doch wohl nicht so eindeutig geäußert, wie ich dachte und wie es eigentlich meinem Selbstverständnis entspricht, wenn ich in dieses Forum poste. Um zu verhindern, dass wir auf mehr oder weniger hohem Niveau aneinander vorbeireden, will ich zu Ihren Überlegungen eine Stellungnahme keinesfalls schuldig bleiben.
Zuvor aber noch ein kurzes Wort zu meinem eben erwähnten Selbstverständnis.
Mein Anspruch besteht darin, nicht allein dem Juristen (quasi) unter Ausschluss der breiten interessierten (Mit-)Leserschaft, die sicherlich nicht unbedingt juristisch vorgebildet ist, meine Gedanken plausibel zu vermitteln. Ich bin davon überzeugt, dass es nicht nur hier im Forum der bessere Weg ist, den „Nichtjuristen“ als Messlatte zu begreifen, wenn es darum geht, juristische Inhalte nachvollziehbar mitzuteilen. Denn was der „Nichtjurist“ versteht, versteht auch der Jurist. Und so ist von vornherein niemand ausgeschlossen. Das soll auch in diesem Beitrag nach Möglichkeit so bleiben. Aber - dieses will ich in diesem Zusammenhang nebenbei betonen: Alles, was „der Jurist“ sagt, erschließt sich auch mir nicht immer. Das kann im Einzelfall fachliche Gründe haben, muss es aber nicht unbedingt.
Aber trotz meines Anspruchs,
Transparenz in meine Beiträge zu bringen, weiß ich natürlich, dass meine bisherigen „Artikel“ keine „leicht verdauliche“ Kost waren, angesichts der Materie vielleicht auch nicht sein konnten. Wer Verständnisschwierigkeiten hatte, sollte schon deshalb auf keinen Fall an sich verzweifeln. Das dürfte dann wohl eher daran gelegen haben, dass das „juristische“ Pferd, das ich versucht hatte, ganz fest im Zaume zu halten, mit mir das eine oder andere Mal doch „durchgegangen“ ist.
Das positive Feedback, das ich hier im Forum, per E-Mail und darüber hinaus erhalten habe, zeigt mir aber, dass Leserinnen und Leser im eben genannten Sinne etwas mit meinen Beiträgen anfangen konnten. Die erhaltenen Rückmeldungen freuen mich deshalb sehr. Ich bedanke mich auch auf diesem Wege ganz herzlich dafür.
Soweit die Frage hier an mich herangetragen wurde, ob ich die im Rahmen meiner Forums-Beiträge geäußerten Gedanken nicht auch einer breiteren Fachöffentlichkeit durch Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift zugänglich machen und damit zugleich zur Diskussion stellen möchte, versteht es sich sicherlich von selbst, dass ich mit den angestellten (und auch noch nicht ausgebreiteten) grundlegenderen Überlegungen nicht das Ziel verfolge, ungehört zu bleiben. Da ein juristischer Fachaufsatz aber nicht den Anspruch erheben kann, die juristischen Fragestellungen „allgemeinverständlich“ auch für den „Nichtjuristen“ herzuleiten, dürfte ein solcher - evtl. von mir verfasster Fachaufsatz - nicht unbedingt auf das Interesse bei den juristisch nicht „vorbelasteten“ Forumsmitgliedern treffen. Was aber natürlich keinesfalls bedeuten soll, dass ein solcher von mir verfasster Aufsatz für den „Nichtjuristen“ uninteressant oder völlig unverständlich wäre.
Ich werde - dazu nur so viel - ausloten, unter welchen thematischen Aspekten und mit welcher Zielrichtung die aus meiner Sicht notwendige Fachdiskussion am effektivsten vorangetrieben werden kann. Gespräche dazu werde ich noch führen. Dazu war aber bislang noch keine Zeit. In diesem Zusammenhang grüße ich übrigens auch das Forums-Mitglied „jroettges“ ganz herzlich.
So! Lange Vorrede, kurzer Sinn. Jetzt komme ich
fast zum eigentlichen Grund meines heutigen „Postings“. Aber - wie sagte ich nicht schon sinngemäß: „Ich wäre nicht Oldenburger, wenn ich nicht auch einen kurzen Blick auf die vor knapp zwei Wochen ergangene Vorlageentscheidung des OLG Oldenburg werfen würde“, mit der das Gericht ein Vorabentscheidungsverfahren zum EuGH eingeleitet hat. Dieses zumal der Vorlagebeschluss des OLG Oldenburg ja in einem markanten thematischen Zusammenhang mit diesem von mir im Mai d.J. gestarteten Thread steht:
Die Vorlageentscheidung des OLG OldenburgIch begrüße es sehr, dass mit dem OLG Oldenburg nun ein „Obergericht“ Nägel mit Köpfen macht und dem EuGH die entsprechenden Rechtsfragen vorlegt. Dieses wäre vom VIII. Zivilsenat zwingend zu erledigen gewesen. Und so muss nun also Oldenburg Karlsruhe vormachen, wie es geht. Diesem Vorabentscheidungsverfahren könnte sicherlich bedeutende „Vorbildfunktion“ in anderen ähnlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen EVU und Sondervertragskunden zukommen, bevor jene Verfahren ggf. wieder in die „treuen“ Hände des VIII. Zivilsenats gelangen und dort - wie beschrieben - „unter die Räder“ kommen.
Ob es die EWE aber auf eine Entscheidung des EuGH letztendlich tatsächlich ankommen lassen wird, halte ich angesichts der bereits dargelegten Gründe und der sicherlich längst auch dem EVU bewussten Unhaltbarkeit seiner Rechtsposition vor dem EuGH noch längst nicht für ausgemacht.
So müsste das OLG Oldenburg nach einem - jederzeit möglichen - „Anerkenntnis“ (einem de facto Nachgeben) der EWE in der Sache das Unternehmen antragsgemäß und ohne Weiteres verurteilen („Anerkenntnisurteil\" gem. § 307 ZPO). Damit wäre dann aber zugleich dem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH die Grundlage entzogen, weil „Luxemburg“ nicht über Vorlagen zu entscheiden hat und entscheidet, denen kein Ausgangsverfahren (mehr) zugrunde liegt.
Dass ein Unternehmen wie die EWE sich wirtschaftlich nicht völlig unvernünftig verhält und für die paar hunderttausend Euro, die dem OLG Rechtsstreit als Streitwert zugrunde liegen mögen, riskiert, nach einer für sie klar zu erwartenden negativen EuGH-Entscheidung Rückforderungsansprüchen ihrer Kunden in Milliardenhöhe ausgesetzt zu sein, darf man - glaube ich - mehr als erwarten. Man rechne sich nur einmal den Betrag aus, der bei einer lediglich 1%-igen Verzinsung des realistischen potenziellen Rückforderungsbetrages (mind. 1 Mrd. Euro) anfallen würde: 10 Mio. Euro! Da wäre bereits der Monatszins wohl schon höher anzusetzen als der Gesamt-Streitwert des OLG-Berufungsverfahrens. Diesen Betrag wird die EWE sicherlich verschmerzen können und abschreiben.
Würde sich ein Vorstand in einer solchen Situation anders verhalten, könnte man sich gut vorstellen, was ihm auf der dem EuGH-Urteil folgenden Hauptversammlung von „seinen“ Aktionären blühen würde. „Teeren und Federn“ wäre im Vergleich dazu sicherlich mehr als human. Das Unternehmen wird sich meiner Einschätzung nach also rational verhalten und sich darauf konzentrieren, den prozessualen Rückzug “marketing-technisch“ geschickt zu verpacken. Die Frage ist nur, wann das geschehen wird. Je später, desto besser für die EWE. Aber auf ein Urteil darf es eben nicht hinauslaufen. Ab dem kommenden Winter sollte man aber schon mal die Ohren spitzen, wenn die „EWE AG“ eine Erklärung in Sachen Berufungsverfahren OLG Oldenburg abgeben will.
Und so sehe ich es kommen, wie von der EWE ein solches „Manöver“ werbewirksam verkauft wird: „EWE gibt als vertrauensbildende Maßnahme den Sammelklägern nach und will nun die Vertragsverhältnisse auf neue - vertrauensvolle - Füße stellen“. Auf diesen Satz erhebe ich übrigens keine urheberrechtlichen Ansprüche!
Also - „vertrauensvolle Füße“. Sei’s drum - wer\'s dann glaubt!? Nur, dass das Unternehmen im „Kleingedruckten“ betonen wird, von ihrem Anerkenntnis seien natürlich alle anderen Vertragsverhältnisse nicht betroffen. Überrascht wäre ich, wenn\'s anders käme. Dummerweise ist aber gerade jetzt meine „Wahrsagerkugel“ in Reparatur ...
Soweit also mein nur „ein ganz klein wenig“ spekulativer Blick in die Zukunft. Aber Spekulation bleibt Spekulation! Schluss damit!
Die „Kraft“ der Vorlageentscheidung sehe ich - wie eben erwähnt - schon jetzt in ihrem „symbolischen Wert“ begründet. Und dieser ist sicher nicht zu unterschätzen. Wenn dann der EuGH in anderthalb bis zwei Jahren entgegen meiner „Prognose“ doch über die Vorlage des OLG entscheiden sollte, so kann es allen Verbrauchern nur recht sein. Spätestens dann dürfte die „Übernahmerechtsprechung“ des VIII. Zivilsenats „Schnee von gestern“ sein.
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vorlage durch das OLG Oldenburg (im Parallel-Thread geäußert) brauchen einen übrigens nicht zu überkommen. Ich hatte in meinem Beitrag aus Mai d. J. auf die Aufgabenverteilung zwischen dem EuGH und einem nationalem Gericht bereits hingewiesen. Die Vorlage ist zulässig, daran bestehen aus meiner Sicht schon deshalb keine Zweifel, weil das OLG Oldenburg nicht versucht, seine
ausschließlich ihm obliegenden Aufgaben (Auslegung des nationalen Rechts) an den EuGH abzugeben, sondern lediglich wissen will, ob der vertraglichen Übernahme einer (von ihm bereits festgestellten) völlig intransparenten gesetzlichen Regel in einen Sondervertrag das Transparenzgebot der Richtlinie entgegensteht.
Der EuGH muss also nicht erst deutsches Recht auslegen (von dem er überhaupt keine hinreichende Ahnung haben kann), um die Vorlagefrage zu beantworten, sondern kann sich ausschließlich um die Bedeutung und Reichweite von Klausel- sowie Gas-RL kümmern. Und dieses ist
seine originäre Aufgabe! Dabei darf man sich nicht davon irritieren lassen, dass das OLG Oldenburg die Regelungsmaterien, insbesondere die GasGVV näher beschreibt. Der EuGH ist auf derartige Angaben essenziell angewiesen, weil er nur auf deren Grundlage die Intention der Fragestellung richtig beurteilen und eine vollumfassende Beantwortung der Vorlagefrage sicherstellen kann. Damit entgeht das OLG Oldenburg der „Gefahr“, vom EuGH nur eine halbwegs „passende“ Antwort zu bekommen, was es dann ggf. für das OLG erforderlich machen könnte, noch einmal beim EuGH „nachzufragen“. Aber grundsätzlich wäre nach der Entscheidung des EuGH auch eine ergänzende Nachfrage möglich, so dass die beiden Gerichte (EuGH/OLG) tatsächlich im Sinne des Wortes in einen Dialog eintreten würden. Das wäre natürlich zeitaufwendig und müsste das Verfahren weiter verzögern. Zu einer solchen Befürchtung einer Zeitverzögerung besteht aber kaum Anlass, weil die Vorlage des OLG Oldenburg ja - wie gesagt und von jedem auch nachlesbar - klar und verständlich die richtlinienbezogenen Fragen formuliert und den Regelungszusammenhang des fraglichen nationalen (deutschen) Rechts deutlich beschreibt.
Also - kurzum: Es zeigt sich an diesem Vorlagebeschluss einmal mehr, dass der Verbraucherschutz beim 12. Senat des OLG Oldenburg in guten - nein: in allerbesten Händen ist.
Nun endlich zum eigentlichen Anlass meines heutigen „Postings“, der Antwort auf den Beitrag von „RR-E-ft“.Soweit Sie konkreten Anlass zu der Befürchtung sehen, meine Position würde im Ergebnis § 307 BGB gegen § 315 BGB ausspielen und umgekehrt, muss ich mich doch einigermaßen verwundert fragen, wie Sie meinen im Einzelnen begründeten Beitrag eigentlich in diesem Sinne so missinterpretiert haben können! War ich da so uneindeutig? Zu dem Thema will ich unter diesem Vorzeichen dann gleich auf jeden Fall inhaltlich Stellung beziehen.
Ihre in diesem Zusammenhang geäußerte Auffassung, die in der Grundversorgung auf §§ 36, 2, 1 EnWG i.V.m. der Gasverordnung (GasGVV) beruhenden gesetzlichen Bestimmungen berücksichtigten die beiderseitigen Interessen bestmöglich , „irritiert“ mich übrigens keinesfalls. Ich respektiere Ihre Ansicht voll und ganz, teile sie aber nicht! Eine Ergänzung meiner dazu bereits mitgeteilten Überlegungen folgt im Weiteren.
Verwundert bin ich dann aber schon ein wenig, soweit Sie in der von mir unter den unterschiedlichsten (insbesondere grundgesetzlichen) Aspekten kritisierten Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats - zur Ehrenrettung des Senats quasi(?) - „nur“ sich ständig wiederholende Denkfehler erblicken wollen. In diesem Punkt ist es mir besonders wichtig, dass meine Positionen klar zum Ausdruck gekommen ist. Um dieses sicherzustellen, beginne ich auch mit diesem Aspekt und will mit einigen grundsätzlichen Anmerkungen dazu antworten:
Der VIII. Zivilsenat und „nur Denkfehler“?
Sich ständig perpetuierende Denkfehler, die zu materiell fehlerhaften Entscheidungen führen und diese quasi zementieren, mögen immer mal wieder vorkommen. Auch die höchsten Gerichte sind davor sicher nicht gefeit. Mein Anliegen war es dann ja auch erklärtermaßen nicht, derartige „Fehlentwicklungen“ als den „Untergang des Abendlandes“ zu brandmarken: „Menschen begehen nun einmal Denkfehler, und Richter sind bekanntlich Menschen ...“ Diesem Aspekt hatte ich meine Betrachtung ausdrücklich unterstellt.
Das Problem ist hier aber, dass nicht wenige Fachjuristen vergeblich versucht haben, den VIII. Zivilsenat geradezu mit der Nase auf die von Anfang an erkennbaren „Abwege“ zu stoßen, auf denen er seit seiner ersten per Obiter-Dictum gefassten Übernahmeentscheidung aus Juli 2009 wandelte. Ich denke da exemplarisch etwa an die Fachaufsätze von Markert, der sogar die „Obiter-Dictum-Methodik“ des Senats kritisierte, wesentliche Rechtsfragen lediglich ganz beiläufig - aber grundsätzlich - vorab zu entscheiden, ohne dass es auf diese damals auch nur ansatzweise angekommen wäre.
Aber auch die Entscheidung des OLG Oldenburg, die vom VIII. Zivilsenat schließlich im Juli dieses Jahres aufgehoben worden ist, war so angelegt, dass der Ball’sche Senat geradezu gezwungen gewesen wäre, sich mit den zugrundeliegenden Fragestellungen einmal intensiver zu beschäftigen, statt für den Verbraucherschutz wesentliche Rechtsfragen unter Ausblendung aller erkennbaren entgegenstehenden Ansätze beharrlich zu ignorieren. Und man darf sich sicher auch fragen, wieso in Sachen EWE vor dem VIII. Zivilsenat überhaupt (mündlich) verhandelt wurde, wo es doch der VIII. Zivilsenat offenbar nicht einmal für erforderlich hält (bzw. hielt), die ihm dort von RA Wassermann mündlich vorgehaltene Thematik (Auswirkung der Richtlinien auf das Auslegungsergebnis, Zuständigkeit des EuGH für die EU-Richtlinienauslegung, Zuständigkeit des Großen Senats wegen einschlägiger Abweichung der Rechtsansicht des VIII. Zivilsenats von der des Kartellsenats) auch nur ansatzweise zur Kenntnis zu nehmen.
Alleine die Gehörsverstöße (Art. 103 GG) und daneben der Entzug des gesetzlichen Richters (Art. 101 GG) als wesentliche Prozessgrundrechte durch den VIII. Zivilsenat lassen geradezu den zwingenden Schluss zu, dieser Senat sei in der Sache nicht unbefangen.
Ein Phänomen, dass mir im Anschluss an die Entscheidung aufgefallen war und worauf ich an dieser Stelle kurz den Blick richten will, bestand darin, dass der VIII. Zivilsenat, nachdem er seine Entscheidung unter der erkennbaren und von mir dargelegten Missachtung der prozessualen (Grund-)Rechte der verfahrensbeteiligten Kläger getroffen hatte, relativ schnell wieder aus dem Focus der Aufmerksamkeit verschwunden war. Was verständlich und auch richtig ist: Man überlegte, wie man denn nun mit dieser Entscheidung umzugehen habe und - vor allem - wie es in Sachen EWE sowie vor dem OLG Oldenburg weitergehen könne. Markert etwa stellte schon im Vorfeld der Entscheidung (auf Grundlage der Obiter-Dictum-Rechtsprechung des Senats) bekanntlich fest, nun müsse man sich wohl auf längere Sicht auf diese neue, vom VIII. Zivilsenat geprägte Rechtslage einstellen.
Aber das alleine ist mir zu wenig. Das suggeriert nämlich, ein BGH-Senat dürfe machen, was er wolle. Ist er einmal nicht so disponiert, Recht
ausschließlich auf Grundlage des Gesetzes zu sprechen, habe man eben Pech gehabt. Und das erscheint mir dann doch etwas kurzsichtig. Denn für einen Rechtsstaat ist es der GAU, wenn sich ein Senat des höchsten deutschen Zivilgerichts, der die grundsätzlichen Leitlinien für die Anwendung des Zivilrechts in Deutschland vorgibt, mal so eben herausnimmt, die Rechtslage unter völliger Ausblendung der materiellen Rechtslage (Transparenzgebot) und unter Missachtung wesentlicher Verfahrensgrundrechte der Beteiligten zu prägen, um nicht zu sagen: zu diktieren. Und das in so krasser Weise, wie ich sie beschrieben, aber bislang selten bis nie erlebt habe.
Die Tatsache, dass Gerichte unabhängig und nur auf Grundlage von
Gesetz und Recht (Gerechtigkeit) Recht zu sprechen haben (Art 20 Abs. 3 HS 2 GG), ist immerhin ein Pfund, mit dem der deutsche Rechtsstaat bisher wirklich wuchern konnte. Lässt man dem VIII. Zivilsenat ein Verhalten, das Zweifel an seiner Unbefangenheit nicht im Keime erstickt, sondern über mehrere Verfahren hinweg in jeder Hinsicht geradezu bestärkt, als lässliche Sünde „durchgehen“, dann werden wir uns vielleicht irgendwann auf Zeiten einzustellen haben, wo das „Recht des Stärken“ über das kodifizierte, also in Gesetzbüchern niedergelegte triumphiert.
So weit sind wir ja aber Gott sei dank noch nicht. Generelle Empörung in den abgeschlossenen Verfahren und Skepsis in den noch vor dem VIII. Zivilsenat zur Entscheidung anstehenden ist dann angesichts der bekannten Umstände durchaus bedeutungsangemessen, - aber - aus meiner Sicht - weniger eine „Verniedlichung“ im Sinne von: „Der Senat hat ja möglicherweise „nur“ Denkfehler perpetuiert“.
Nun mag es ja sein, dass Sie - „RR-E-ft“ - mit Ihrem Hinweis darauf, der Senat perpetuiere möglicherweise „einfach nur“ seine Denkfehler, lediglich darauf hinweisen wollten, dieser finde bloß nicht die Kraft, sich zu seinen Fehlern aus der Vergangenheit zu bekennen und habe so schließlich in der EWE-Revisionsentscheidung nicht mehr aus dem Schlamassel, den er mit seiner Obiter-Dictum-Rechtsprechung bereits angereichtet hatte, herausgefunden. Aber auch in dem Falle wäre wenig Anlass zur Beruhigung. Denn das würde doch bedeuten, der Senat hätte seine Fehler bemerkt und bliebe lediglich deshalb bei seiner als fehlerhaft erkannten Linie, um ggf. dem „Gesichtverlust“ zu entgehen. In einem solchen Fall würde seine Rechtsprechung ebenfalls auf sachfremden Erwägungen beruhen, nicht aber auf Gesetz und Recht im Sinne von Art. 20 GG. Derartiges rechtfertigte in jedem Fall den von mir angesprochenen Ablehnungsantrag. Ein solches Gericht hätte sich ohne Wenn und Aber disqualifiziert. Und es hat sich in diesem Sinne aus meiner Sicht disqualifiziert.
Warum der VIII. Senat tatsächlich so handelt, wie er handelt, wird sich im Endeffekt nicht erforschen lassen. Ich vermute eine vielleicht nur
unterbewusste „Beißhemmung“, die aus der dokumentierten übergroßen Nähe des Senatsvorsitzenden Ball zur Versorgungsindustrie herrührt. Ich zumindest möchte es im Rahmen eines Rechtsstreits nicht mit einem Senat zu tun bekommen, der der Versorgungsindustrie womöglich erklärt, wie man Vertragsbedingungen gerichtsfest gestalten kann, um dann einige Zeit später in einem
„unabhängigen“ Gerichtsverfahren selbst darüber zu befinden, ob die konkreten Vertragsbedingungen von der Versorgungsindustrie tatsächlich gerichtsfest gestaltet worden sind.
Vgl. nur zur Erinnerung meinen Ausgangsbeitrag unter Bezugnahme auf die Vortragstätigkeit des Senatsvorsitzenden Wolfgang Ball im Jahre 2007 auf dem „Euroforum - The Conference Company“.
Mitorganisator lt. der Themenbroschüre: „In Kooperation mit:
CLIFFORD CHANCE“ (Mittlerweile wohl keine Unbekannten mehr; die Kanzlei \"CC\" vertritt heute die rechtlichen Interessen der EWE)!
Tagungsthema: „§ 315 BGB und Gaspreise - Auswirkung des BGH-Urteils auf die Praxis“. Tagungsmotto: „Gute Chancen für Gasversorger bei Gaspreiserhöhungen!“.
Auf dieser Tagung standen die Referenten (zuvörderst der auf Seite 1 der Broschüre mit Foto vorgestellte Senatsvorsitzende des VIII. Zivilsenats:
Wolfgang Ball) lt. dem Programmheft für Tipps zur Verfügung, etwa auch zur Frage „Wie können Preisanpassungsklauseln rechtssicher formuliert werden?“
§ 307 BGB von mir gegen § 315 ausgespielt(?) - wohl kaum!In meinem jüngsten Beitrag ging es mir nicht zuletzt um die aus meiner Sicht sehr zentrale Frage, ob ein „Preisanpassungsrecht“, wenn es denn dann tatsächlich in den Verordnungen zu erblicken sein sollte, wie es der VIII. Zivilsenat ja ausdrücklich sogar per Leitsatz bekräftigt (VIII ZR 56/08) - und so sieht der Kartellsenat in den Verordnungen immerhin ein Leistungsbestimmungsrecht normiert (KZR 2/07) - überhaupt den Ansprüchen, die die Rechtsordnung an die Transparenz von Vertragsbedingungen stellt, genügen kann!
Die eben genannte Rechtsprechung als Ausgangspunkt, habe ich in meinem Beitrag zuvörderst untersucht, ob der Verordnungsgeber - der Bundeswirtschaftsminister -, der ja danach das Preisbestimmungsrecht für den Bereich der Grundversorgung festgelegt hat, überhaupt berechtigt sein kann, intransparente (Preis-)Regeln aufzustellen, die dem Grundversorger ja immerhin nicht nur die Pflicht, sondern zugleich das Recht einräumen sollen, den Gaspreis einseitig festzusetzen.
Meine These lautete, wenn auch im Rahmen der Grundversorgung - in der der Gesetzgeber (sei es nun der Verordnungsgeber oder der parlamentarische Gesetzgeber mit Erlass des EnWG) bezüglich des zu zahlenden Preises die Leistungsbestimmungspflicht durch den Grundversorger regelt - der Grundsatz der (Preis-)Transparenz zu gelten hat, dann könnte sich die Frage, ob eine als intransparent erkannte Regelung in der Grundversorgung als wirksame Preisänderungsvorschrift in einem Gassondervertrag überhaupt taugt, schnell erledigt haben.
Ich bin im Rahmen der von mir angestellten Betrachtungen zu dem Ergebnis gekommen, dass - und vor allem auch warum - der Verordnungsgeber die
Wertentscheidungen, wie sie im AGB-Recht zum Ausdruck kommen, bei seiner
Interessenabwägung, die ihm mit der Ermächtigungsgrundlage vom parlamentarischen Gesetzgeber aufgegeben worden ist,
zu berücksichtigen hat. Dass der Gesetzgeber die Gerechtigkeitsgesichtspunkte, wie sie im AGB-Recht verkörpert sind, auch über die Generalklausel der Ermächtigungsgrundlage („beiderseitigen Interessen
„angemessen“ berücksichtigen) auch zum Maßstab der Verordnung machen wollte, zeigt sich - wie erwähnt - ja u.a. auch daran, dass in Gassonderverträgen die Anwendbarkeit der §§ 308 und 309 BGB gerade mit Blick auf die Gasverordnung und die dort vom Wirtschaftsminister vorgenommen Abwägung ausgeschlossen sein sollen.
Von einem „Ausspielen“ des § 307 BGB gegen § 315 BGB kann schon von daher bezogen auf meinem gesamten Beitrag überhaupt keine Rede sein. Im Gegenteil - wie sich gleich noch einmal deutlich zeigen wird. Da müssten Sie dann schon „Ross und Reiter“ klar benennen, wo Sie derartige Anhaltspunkte erblickt haben wollen. Ich denke aber, auf Grundlage meiner folgenden Stellungnahme wird sich ihre dahingehende Befürchtung wohl erledigen.
Ich habe hier eher den Eindruck, wenn ich auf die in diesem Zusammenhang von Ihnen zitierte Rechtsprechung des Kartellsenats blicke (KZR 29/06 und KZR 36/04), dass Sie davon ausgehen, ich wollte den § 315 BGB vollständig und grundsätzlich aus der Anwendung herausnehmen, wenn es um die Gas-Grundversorgungsverhältnisse geht. Denn die beiden besagten BGH-Entscheidungen bekräftigen ja insbesondere die
Anwendbarkeit von § 315 BGB im Rahmen eines einseitigen Preisänderungsrechts. Einer solchen Anwendbarkeit des § 315 BGB habe ich mich aber an keiner Stelle prinzipiell entgegengestellt.
Zu beachten ist aber: Wenn das Preisbestimmungsrecht bzw. die dem Versorger obliegende Preisbestimmungspflicht, wie sie aus der Gasverordnung (bzw. dem EnWG) hervorgeht, wegen Fehlens jeglicher Anhaltspunkte hinsichtlich der preisbestimmenden Faktoren die Grundrechte der Grundversorgten verletzt (insbesondere den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, den ich in meinem Beitrag, auf den Sie ja hier antworten, in erster Linie betrachtet hatte), dann stellte sich auch in der Grundversorgung die Frage nach § 315 BGB nicht. Denn ohne ein
wirksames Preisbestimmungsrecht kommt es auf die Billigkeit der Preisbestimmung im Sinne von § 315 BGB nicht mehr an.
Meine Intention war deshalb eine ganz andere. Nämlich die
Einforderung eines gleichberechtigt (hohen) Transparenzniveaus in der Grundversorgung wie im Sonderkundenverhältnis, um so den § 315 BGB im Interesse des Verbraucherschutzes im gesamten Gasbezugsbereich für Endverbraucher überhaupt erst effektiv zur Anwendung kommen zu lassen. Falls Sie also im Sinn hatten, ich träte quasi für die Eliminierung des § 315 BGB im Grundversorgungsverhältnis ein, so sage ich Ihnen: Das Gegenteil ist der Fall. Ich versuche zu verdeutlichen, dass der § 315 BGB zur Zeit aufgrund der vorherrschenden Intransparenz im Sonder- wie im Grundversorgungsverhältnis de facto
eliminiert ist und er endlich bedeutungsangemessen zur Geltung gebracht werden muss. Dazu werde ich noch einige verfassungsrechtlich geprägte Gedanken nachschieben, die meinen Standpunkt noch einmal endgültig veranschaulichen mögen.
Dem Grundversorgungsverhältnis hatte ich mich aus drei Gründen gewidmet, die eigentlich auch für alle Sondervertragsabnehmer von Interesse sein sollten:
1. Der VIII. Zivilsenat erhebt bekanntlich in seiner Rechtsprechung regelmäßig die Intransparenz der Preisbestimmungen in der Grundversorgung zum Leitbild ebenso intransparenter Preisänderungsregeln in Sonderkundenverhältnissen und lässt sie bekanntlich deshalb gelten. Dabei drängt sich die Frage geradezu zwingend auf, ob das als Vorbild dienende Preisänderungsrecht aus der Grundversorgung überhaupt - gemessen am allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) - mit dem Grundgesetz vereinbar ist (nach meiner Untersuchung in meinem letzten Beitrag zu verneinen) und - wie von mir belegt - nicht eher unwirksam, weil verfassungswidrig ist!
2. Da Gerechtigkeitserwägungen nicht an meinem Heizkörper, der mit Gas, das ich auf Grundlage eines Sondervertragsverhältnisses(!) mit der EWE beziehe, halt machen, waren die Überlegungen, die der Gesetzgeber bei der Regelung der Grundversorgung hätte anstellen müssen, nämlich inwieweit der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz es erlaube, dass Kunden aus der Grundversorgung gegenüber Sondervertragskunden bzw. die Gasverbraucher (Sondervertragskunden wie Kunden der Grundversorgung) insgesamt gegenüber sämtlichen anderen nicht wesensverschiedenen Kundengruppen (Pay-TV etc.) hinsichtlich der Preistransparenz der ihnen (per AGB oder aufgrund gesetzlicher Vorschrift) vorgegebenen Vertragsbedingungen benachteiligt werden, einen genaueren Blick wert, der aus meiner Sicht Überraschendes zu Tage gefördert hat.
3. Der Gesetzgeber hat mit § 41 Abs. 2 des im Jahre 2005 neu geschaffenen EnWG eine Ermächtigungsgrundlage ins Gesetz aufgenommen, die dem Bundeswirtschaftsminister zukünftig das Recht einräumt,
auch die Sonderkundenverhältnisse im Rahmen einer Gas-Verordnung zu regeln. Insofern haben wir es mit einer
„Tretmine“ zu tun. Denn was läge eigentlich aus „Verordnungsgebersicht“ näher, als die Verordnung im Sonderkundenbereich an der aus der Grundversorgung auszurichten, wenn er (der Wirtschaftsminister) dann tatsächlich von der ihm eingeräumten Ermächtigung Gebrauch machen wollte. Und da kann es aus meiner Sicht kaum schaden, wenn sich bereits im Vorfeld eines solchen potenziellen und damit vorerst nur zu befürchtenden gesetzgeberischen Fehlgriffs die Erkenntnis durchsetzen würde, dass nicht zuletzt der Gleichbehandlungsgrundsatz „transparente Vertragsverhältnisse“ vorschreibt - im Sondervertragsverhältnis wie in der Grundversorgung.
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Die Notwendigkeit transparenter Preisanpassungsregeln erfasst auch das Grundversorgungsverhältnis Mir ging es in meinem letzten Beitrag darum aufzuzeigen, dass sich sofort Wertungswidersprüche auftun, wenn man Sondervertragskunden, die ja anders als die Kunden der Grundversorgung den Schutz des AGB-Rechts für sich in Anspruch nehmen und sich zudem auf die Wertentscheidungen der Klausel-RL (siehe den OLG-Vorlagebeschluss) stützen können (sollten), preistransparente Klauseln zugesteht - andernfalls die Unwirksamkeit der Klausel annimmt, den Kunden der Grundversorgung aber trotz völliger Intransparenz der Preisanpassungsregel sagt: „Lasst doch die Preisbestimmung eures Versorgers gem. § 315 BGB vom Gericht auf ihre Billigkeit überprüfen“. Die Frage, die hier mitschwingt, lautet doch so einfach wie klar: Warum sollen eigentlich Verbraucher mit einem Gassondervertrag den
Schutz transparenter Vertragsbestimmungen für sich reklamieren können (dafür kämpfen wir hier ja wohl - und um diese Frage dreht sich doch auch die Vorlage des OLG Oldenburg an den EuGH)!? Grundversorgten mutet man aber unter sonst vergleichbaren Bedingungen ein völlig intransparentes Preisbestimmungsrecht durch den Grundversorger zu, so dass diesem Kunden ein vergleichbares Schutzniveau wie dem Sondervertragskunden nicht zur Verfügung steht! Ihr Hinweis, „RR-E-ft“, dass das Preisfestsetzungsrecht - anders als der VIII. Zivilsenat meint - nicht aus der Verordnung hervorgeht, sondern vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst in § 36 EnWG normiert worden sei (wofür ja sogar tatsächlich einiges sprechen könnte), führt aber nicht weiter, taugt insbesondere nicht, um die materielle Ungleichbehandlung zwischen Grundversorgten und Sondervertragskunden im Gasbereich (keine Preistransparenz hier/Preistransparenz dort) zu rechtfertigen.
Natürlich sind wir uns darüber einig, dass der Gesetzgeber die Preisgestaltung im Grundversorgungsverhältnis als Leistungsbestimmungspflicht ausgestaltet hat. Dieses ist sicher auch zu unterscheiden von einer Preis(haupt)abrede, auf die sich dann ein Preisänderungsrecht als Preisnebenabrede in einem Sonderkundenverhältnis bezieht.
Hat die im Sonderkundenverhältnis regelmäßig per AGB einbezogene Preisnebenabrede - das Preisänderungsrecht - aber erst einmal die Einbeziehungshürde des § 305 Abs. 2 BGB übersprungen und die Klauselkontrolle heile überstanden, so ergibt sich daraus doch der weitere - identische - Fahrplan: Das Leistungsbestimmungs
recht (Sondervertrag) hier und die Leistungsbestimmungs
pflicht (Grundversorgung) dort sind - sofern Zweifel an der Angemessenheit der Ausübung der jeweiligen Preisanpassung aufgetreten sind - an ein und derselben Norm zu messen, nämlich an § 315 BGB.
Für den Kunden aus der Grundversorgung wie für den aus dem Sonderkundenbereich dürfte es im Allgemeinen nun aber nicht so entscheidend darauf ankommen, ob er von seinem Versorger eine „Preiserhöhung“ serviert bekommt, weil dieser als Grundversorger seiner gesetzlichen Preisbestimmungspflicht ordentlich nachkommen oder im Rahmen eines Sondervertragsverhältnisses das (per AGB) vereinbarte Preisänderungsrecht ausüben wollte. Der Verbraucher fragt sich wohl eher: „Wieso soll ich mehr bezahlen, obwohl die Energiepreise an den Spotmärkten doch gefallen sind, die Grenzübergangspreise in der Abrechnungsperiode und davor eher eine Tendenz nach unten aufwiesen oder mein Versorger doch auf dem relativen Preistiefpunkt seine Erdgaslager vollgepumpt hatte etc.?“
Beide Verbrauchergruppen müsste man unter der eben genannten Vorbedingung natürlich auf § 315 BGB verweisen: „Lass das Gericht prüfen, ob die Bestimmung angemessen ist“. Das ist die Rechtslage und die will wohl keiner - zumindest nicht ich - ändern!
Diese von mir eben aufgestellte Randbedingung ging aber ja ausdrücklich davon aus, dass das per AGB einbezogene Preisänderungsrecht im Sonderkundenverhältnis die AGB-Hürden tatsächlich übersprungen hatte, weil es nichts an Transparenz hat fehlen lassen, also transparent war. Die Realität sieht aber sowohl in Sondervertragsverhältnissen als auch im Grundversorgungsverhältnis bekanntermaßen anders aus:
Was passiert denn nun in diesem uns hier in erster Linie interessierenden und die Realität sehr viel exakter abbildenden Fall, dass die Preisänderungsregel, wie sie in den Sondervertrag aufgenommen werden sollte,
unklar und unverständlich ist. Wenn sie keinerlei tatbestandliche Angaben nach Anlass, Voraussetzung und Umfang einer Preisänderung enthält, wie sie die höchstrichterliche Rechtsprechung an die Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln unbedingt stellt. Die Antwort steckt ja schon in der Frage und wird von Ihnen, „RR-E-ft“, sicherlich - ohne zu zögern - in diesem Sinne beantwortet: Eine solche intransparente Klausel scheiterte immer am Transparenzgebot (wenn man mal die „sonderbare“ Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats ausklammert). Das OLG Oldenburg weist mit Recht sogar darauf hin, dass eine solche intransparente Klausel noch nicht einmal die Einbeziehungskontrolle gem. § 305 Abs. 2 BGB überstehen würde.
Wie geht es in einem solchen Fall im Sondervertragsverhältnis dann aber weiter, wenn die Preisänderungsregel im e.g. Sinne im AGB-Netz hängen geblieben ist? Ganz einfach: Das EVU hat zwar ggf. Anspruch auf den per Preishauptabrede - evtl. per AGB - vereinbarten Preis, kann diesen aber mangels eines vertraglichen Preisänderungsrechts nicht anpassen (erhöhen). Für den Sondervertragskunden stellte sich in einem solchen („Intransparenz“-)Fall - und das ist äußerst bedeutend - die Frage nach einer angemessenen Preisbestimmung im Rahmen einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB von Anfang an nicht:
Eine Preisänderung wäre nicht billig oder unbillig gem. § 315 BGB, sie wäre mangels eines wirksamen Preisänderungsrechts unzulässig und damit rechtswidrig.
Der gesetzlich verordnete „Blindflug“ in der GrundversorgungUnd hier zeigt sich nun auch der bedeutsame Unterschied zum Grundversorgten:
Der Grundversorgte, der aus der gesetzlichen Regelung, aus der sich die Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers herleitet,
keinerlei Anhaltspunkte entnehmen kann dafür, ob die gesetzlichen Voraussetzungen, die für eine Veränderung des Preises (nach oben oder unten) in einem bestimmten Umfange im Einzelnen vorliegen, muss sich trotz der (vom VIII. Zivilsenat sogar zugegebenen) Intransparenz des Leistungsbestimmungsrechts sagen lassen, „Lass doch die vorgenommene Leistungsbestimmung deines EVU anhand von § 315 BGB vom Richter auf ihre Angemessenheit (Billigkeit) überprüfen“.
Dem Grundversorgten wird damit also im wahrsten Sinne des Wortes eine Variante des „Russisch Roulette“ aufgezwungen, aus dem er möglicherweise nicht heile herauskommt. Er muss - selbst ohne einen einzigen konkreten Anhaltspunkt dafür in der Hand zu haben, dass die Preisbestimmung nicht der Billigkeit entspricht, die Zahlung verweigern - sich also vom EVU verklagen lassen - oder Feststellungsklage erheben, sobald er eine Preiserhöhung erhält, um seine (zunächst nur vermuteten) Ansprüche durchzusetzen. Streng genommen müsste er aber auch bei einer Preissenkung klagen mit dem Antrag, doch bitte festzustellen, dass die vom Grundversorger vorgenommene Preissenkung das dem Versorger vom Gesetz zwingend abverlangte Niveau (möglichst günstig - § 1 EnWG i.V.m. § 315 BGB) nicht vollständig umgesetzt hat. Und zwischendurch müsste er eigentlich auch noch die Gerichte bemühen, weil das EVU es möglicherweise unerkannt - nein:
unerkennbar - ganz unterlassen hat, Preissenkungspotenziale - wie ihm vom Gesetz sehr umfassend aufgegeben - zeitnah an die Kunden weiterzugeben.
Dieser „Blindflug“ ist schon deshalb höchst unwürdig, weil er dem grundversorgten Gaskunden Rechtsstreitigkeiten geradezu aufzwingt, den diese vielfach ohne jegliche Anhaltspunkte, in der Sache wirklich Recht zu haben, führen müssten. Dem Grundversorgten fehlt es also schon an jeglichem Anhaltspunkt dafür, ob er gegen die Preisänderung (oder unterlassene Preisänderung) vorgehen soll, kann nicht erkennen, ob der Versorger seinen aus den gesetzlichen Vorschriften hervorgehenden Pflichten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachgekommen ist. Und ohne eine hinreichende Tatsachengrundlage, auf der eine umfassende rechtliche Bewertung möglich wäre, fällt zugleich die für den Grundversorgten so wichtige
Prozessrisikoanalyse unter den Tisch inkl. der Frage, in welchem Umfange mit einem Obsiegen in einem Rechtsstreit konkret zu rechnen sei. Die Risikoanalyse stellt aber ein wesentliches Element des Rechtsschutzgedankens im Rahmen der Prozessvorbereitung dar. Und damit unterschiede sich ein solches Gerichtsverfahren schon von vornherein in einem wesentlichen Punkt von allen Rechtsstreitigkeiten, denen ja trotz hinreichender Tatsachengrundlage, die die Einschätzung des Prozessrisikos ermöglicht, immer auch ein gewisses Risiko des Prozessverlustes innewohnt.
So wären die subjektiven Rechte der Grundversorgungskunden auf möglichst preisgünstiges Gas gem. § 1 EnWG, dessen Preis unter Beachtung billigen Ermessens gem. § 315 BGB vom Versorger festzusetzen war, seiner Kontrolle de facto völlig entzogen.
Und so wäre auch ein zusätzlicher wesentlicher Punkt angesprochen, der die Grundrechte des Grundversorgten unmittelbar betrifft:
Die Preiserhöhungen oder ausgebliebenen Preissenkungen, die der Grundversorger im Rahmen der ihn treffenden Preisbestimmungspflicht im Einzelfall vorgenommen oder eben nicht vorgenommen hat, mag regelmäßig nur wenige hundert Euro ausmachen, das Prozessrisiko damit vielleicht noch beherrschbar erscheinen. Wenngleich es für viele Verbraucherinnen und Verbraucher, die jeden Euro umdrehen müssen, durchaus auf jeden Cent ankommen kann.
Aber - um es mit den Worten des allseits beliebten und hochverehrten Herrn „HSH-Nordbank-Aufsichtrats-Chef“ Hilmar Kopper zu sagen: „Wir reden hier eigentlich von Peanuts“ im Vergleich zu den Kosten, die anfallen könnten, wenn ein vom Gericht zu bestellender unabhängiger Sachverständiger auf gerichtliches Geheiß in ein Unternehmen von der Größe der EWE hineinspaziert, um die wirtschaftlichen Eckdaten genauer unter die Lupe zu nehmen. Eckdaten, ohne deren Ermittlung und Bewertung nun einmal eine gerichtliche Billigkeitsentscheidung nicht möglich ist. Das Verfahren, in dem eine Entscheidung nach § 315 BGB ergehen soll, kann dann bei einem Streitwert von gerade mal 300,00 Euro Gutachterkosten in fünfstelliger Höhe - 10.000,00 Euro aufwärts - auslösen.
Diese regelmäßig drohenden Gerichtskosten stellen aber im Ergebnis nichts anderes dar als eine
faktische Zugangshürde zu den Gerichten, wenn nicht hinreichend abschätzbar ist, wie hoch das Prozessrisiko eigentlich ist. Und zwar nicht in erster Linie für die Ärmsten der Armen (denn diese wären sogar „privilegiert“, weil die Kosten des gerichtlichen Sachverständigen als Teil der Gerichtskosten von der Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung abgedeckt würden).
Betroffen davon wären - um nicht zu sagen: sind - weite Bevölkerungskreise mit mittleren Einkommen, die ihr wirtschaftliches Wohlergehen riskieren müssten, um etwa der ja nur vermuteten ungerechtfertigten Preiserhöhung von vielleicht gerade mal 300 Euro im Einzelfall zu entgehen. Unter solchen Umständen - ohne das Prozessrisiko hinreichend genau abschätzen zu können - kann kein Anwalt seinem Mandanten raten, den „Schuss ins Blaue“ hinein zu riskieren, wenn er sich nicht mit seinem Berufshaftpflichtversicherer anlegen will oder kein Rechtsschutzversicherer das unkalkulierbare Prozessrisiko trägt (Eher wäre einem solchen Mandanten wohl zu raten, mit den 10.000,00 Euro in die Spielbank zu marschieren. Die Chancen wären dort besser zu kalkulieren. Aber das ist wahrscheinlich ein Thema, das besser von den Mitstreiterinnen und Mitstreitern aus Bad Zwischenahn beurteilt werden kann ...)
Und so dürfte nach dem eben Gesagten kaum ein Verbraucher, der sich
wirtschaftlich vernünftig verhält, in derartigen Fällen die Karte des § 315 BGB ernsthaft ausspielen (können).
Es kommt hinzu, dass im Rahmen der besagten Feststellungsklagen gegen die EVU wegen der Beweislastregeln (die hier aber nicht weiter betrachtet werden müssen) regelmäßig die klagenden Verbraucher vorschusspflichtig sind, wenn sie sich auf den Sachverständigen(gegen)beweis berufen wollen. Das heißt, das Gericht wird erst dann einen Gutachter einsetzen, wenn der Verbraucher den Sachverständigen-Vorschuss eingezahlt hat (vgl. zum angeforderten Vorschuss in Höhe von 10.000,00 Euro im damaligen Verfahren vor dem
Landgericht Frankfurt (Oder)
in Sachen EWE).
Im Klartext: Will ein Endverbraucher aus der Grundversorgung das völlig unkalkulierbare Risiko, mal so eben 10.000,00 Euro „Sachverständigenkosten“ in den Sand zu setzen, nicht eingehen, ist ihm als Feststellungskläger das Instrument der Feststellungsklage oft schon aus der Hand geschlagen, bevor der Prozess überhaupt richtig losgegangen ist.
Dieses insbesondere in den Fällen, wo - aus welchen Gründen auch immer - für ihn keine Möglichkeit besteht, sich mit anderen Personen zusammenzutun („Sammelklage“), um die in einem krassen Missverhältnis zum Streitwert (Beispiel: 300,00 Euro) stehenden und im „Verlustfalle“ von ihm zu tragenden horrenden Gutachterkosten (> 10.000,00 Euro) auf viele Schultern zu verteilen.
Der § 315 BGB lauft also im Grundversorgungsverhältnis mit Endverbrauchern (und gegenwärtig ja aufgrund derselben Problematik wegen der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats auch im Sondervertragsverhältnis zumindest noch vorübergehend) tatsächlich überwiegend leer, solange für eine vom Grundversorger vorgenommene Preisbestimmung kein gesetzlich hinreichender klar umschriebener inhaltlicher Begründungszwang unter dem Aspekt der Preistransparenz besteht.
Soweit lediglich die Beschreibung der Ausgangsproblematik.
Der Ansatz von „RR-E-ft“: Bestmögliche Interessenberücksichtigung durch das Gesetz!?Vor diesem tatsächlichen, aber auch bekannten Hintergrund sagen Sie nun - „RR-E-ft“:
„Ich meine sogar, dass für den Bereich der Grund- und Ersatzversorgung die vorzufindenden gesetzlichen Bestimmungen in §§ 36, 2, 1 EnWG iVm. GVV die beiderseitigen Interessen bestmöglich berücksichtigen“.
Damit stellen Sie zwei Thesen auf:
1. Die Regelung sei das Beste, was erreicht werden könne; 2. die Regelung sei rechtlich nicht zu beanstanden.[/list] Ihre Auffassung begründen Sie damit: Zitat: „Konkreter lässt sich die Preishauptabrede m. E. dabei schon deshalb nicht fassen, weil die maßgeblichen Kostenstrukturen und deren zwischenzeitliche Entwicklung von Versorger zu Versorger zu verschieden sind“. Beiden Thesen widerspreche ich. Zunächst will ich kurz auf die rechtlichen Aspekte der eben ja nur tatsächlich beschriebenen Ausgangsproblematik unter einem weiteren wesentlichen rechtlichen Aspekt eingehen: Die Ausgangsproblematik
Wir haben hier also - noch einmal - eine Konstellation vorliegen, wonach ein Sondervertragskunde im Anwendungsbereich des AGB-Rechts gem. der §§ 305 ff. BGB, auf Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung aller Zivilsenate des BGH (mit Ausnahme des VIII. Zivilsenats) sowie der europäischen Regelungsmaterien (Klausel-/Gas-RL) einen Anspruch auf klare, transparente Preisregeln hat, die es dem Verbraucher ermöglichen müssen, die Preisbestimmung seines Versorgers - ohne das Risiko eines Prozesses auf sich nehmen zu müssen - hinreichend auf ihre Plausibilität zu überprüfen.
Der Kunde aus der Grundversorgung kann diese Schutzfunktion, wie sie sich aus einer klaren, verständlichen Preisbestimmungsregelung, die den Kunden in die Lage versetzt, die Preisbestimmung im Einzelnen nachzuvollziehen und auf solcher Grundlage darüber zu befinden, ob er den Rechtsweg beschreiten soll, um die Preisfestlegung des Versorgers vom Gericht an § 315 BGB messen zu lassen, aber nicht in Anspruch nehmen.
Die Frage, die ich in meinem letzten Beitrag ja bereits angesprochen hatte, wie sich eine solche Ungleichbehandlung mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art 3 Abs. 1 GG vertrage, der ja eine solche Differenzierung nur erlaubt, wenn die Vergleichsgruppen - Grundversorgte gegenüber Sondervertragskunden - wesentlich unterschiedliche berücksichtigungsfähige Merkmale aufweisen, beantworten Sie - „RR-E-ft“ - nicht. Diesen Aspekt (Allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz), der einer intransparenten Preisbestimmungsvorschrift im Rahmen der Grundversorgung aus meiner Sicht aber zwingend entgegensteht, bekräftige ich hier noch einmal, will ihn an dieser Stelle aber nicht im Einzelnen wiederholen. Man kann im Bedarfsfalle meine Überlegungen dazu an entsprechender Stelle meines letzten Beitrags noch einmal nachlesen.
Intransparente Preisanpassungsregeln als gesetzgeberischer Verstoß gegen prozessuale Grundrechte Ich will hier vielmehr die Rechtswidrigkeit (Verfassungswidrigkeit) intransparenter gesetzlicher Preisanpassungsvorschriften im Grundversorgungsverhältnis unter Heranziehung anderer (zusätzlicher) und zugleich sehr wesentlicher Verfassungsgrundsätze herleiten, die an die eben dargelegte Ausgangsproblematik („Der gesetzlich verordnete Blindflug in der Grundversorgung“ - siehe oben) unmittelbar anknüpfen.
Das Grundgesetz hat
nicht nur die klassischen „Prozessgrundrechte“ etabliert, die sich unmittelbar auf das gerichtliche Verfahren beziehen und schließlich vom VIII. Zivilsenat in Sachen EWE in der beschriebenen Weise sogar verletzt wurden - den
Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art 101 GG) sowie auf
das rechtliche Gehör (Art. 103 GG). Aus dem Grundgesetz lassen sich weitere „Grundrechtspositionen“ unmittelbar und mittelbar ableiten, die die Gerichte innerhalb der Verfahren, aber auch der Gesetzgeber zu beachten hat, wenn er Regeln schafft, die sich auf das gerichtliche Verfahren auswirken können.
Der Justizgewährungsanspruch aus Art. 80 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GGDas im Rahmen der gerichtlichen Durchsetzung
zivilrechtlicher Ansprüche wesentliche Grundrecht ist die
„Justizgewähr“. Den Justizgewährungsanspruch hat das BVerfG aus Art. 80 Abs. 3 GG i.V.m.. Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitet und erhebt ihn so zum Grundrecht.
Diesem Grundrecht lassen sich eine ganze Reihe von Grundrechtspositionen entnehmen, die wohl sämtlich eines gemeinsam haben: Sie stehen intransparenten Preisänderungsvorschriften im Grundversorgungsverhältnis (und darüber hinaus auch im Sondervertragsverhältnis) als unüberwindliche Barriere entgegen.
Der ungehinderte Zugang zu den Gerichten und die Gerichtskosten als ZugangshürdeDer „Justizgewährungsanspruch“ garantiert zunächst einmal den einen Rechtsstaat geradezu erst mitbegründenden
ungehinderten Zugang zum Verfahren. Der Gesetzgeber hat danach alles ihm Mögliche und Erforderliche zu tun, um sicherzustellen, dass der Einzelne in die Lage versetzt wird, gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen bzw. nicht durch unüberwindliche Hürden daran gehindert zu werden, seine Rechte vor Gericht zu verfolgen.
Dabei kommt den
Prozesskosten als Zugangshürde wesentliche Bedeutung zu, wie schon ein Blick auf die Grundlagen der Prozesskostenhilfe zeigt: Im Rahmen der PKH ist anerkannt, wenn die Rechtsordnung die eigenmächtige Durchsetzung von Rechten grundsätzlich verbietet und die Rechtsinhaber dazu ggf. an die Gerichte verweist, so muss sie auch jedermann in gleicher Weise den
Zugang zu den Gerichten eröffnen. Während wirtschaftlich schwache wegen ihres wirtschaftlichen Unvermögens von vornherein ohne staatliche Hilfe - PKH - gar nicht in der Lage sind, einen Prozess zu führen und ihnen so der Zugang zum Gericht - aus wirtschaftlichen Gründen - verwehrt wäre, trifft dieses auf Personen, die etwa bei einem mittleren Einkommensniveau nicht mittellos sind, zwar nicht unmittelbar zu. Kann der Einzelne aber nicht einmal ansatzweise erkennen, ob und ggf. in welchem Maße er in einem Rechtsstreit mit seinem Versorger obsiegen kann, so wirken sich gerade die zu erwartenden außerordentlich hohen Gerichtskosten, die durch den Vergütungsanspruch des gerichtlich bestellten Sachverständigen in die Höhe getrieben werden (können), gerade auch für sie als unkalkulierbare
wirtschaftliche Zugangshürde aus.
Der gem. Art. 80 Abs. 3 GG i.V.m. Art 2 Abs. 1 GG grundrechtlich verbürgte Anspruch eines jeden Einzelnen auf ungehinderten Zugang zu den Gerichten wird also verletzt, wenn eine intransparente Preisfestsetzungsregel in der Grundversorgung zur Anwendung kommt, die dem Verbraucher keinerlei Chance gibt, die vom Versorger vorgenommene Leistungsbestimmung auch nur in ihren Grenzen auf die Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben und damit auf ihre Angemessenheit selbst zu überprüfen.
Das Recht als WaffeBei einem weiteren Aspekt will ich einmal auf einen Punkt hinweisen, der sicherlich vielen hier Mitlesenden bekannt sein dürfte, der aber einmal einer näheren Einordnung hinsichtlich des Grundrechts auf „Justizgewähr“ zu unterziehen wäre:
Die EVU sind sich durchaus ihrer Macht bewusst, die sich für sie praktisch zwangsläufig daraus ergibt, dass der einzelne Verbraucher aus der Grundversorgung mangels näherer Angaben zu den preisbildenden Eckdaten keine hinreichende „Prozessrisikoanalyse“ durchführen kann und infolgedessen vor Gericht nicht besser aufgehoben ist, als im Ruderboot auf hoher See oder in der Spielbank Bad Zwischenahn - wo er ausschließlich vom Glück abhängig ist.
Ich hatte vor ca. einem Jahr einen Link im Internet aufgespürt (der mir aber leider wieder abhanden gekommen ist! Vielleicht hat da ja jemand einen Tipp für mich?), der sehr schön veranschaulichte, wie Versorgeranwälte diesen Sachverhalt für sich und damit für die Versorgungsindustrie gewinnbringend nutzen (können). Der Link führte mich auf die Internetseite eines (ich bin mir ziemlich sicher) Berliner Anwaltsbüros, das für seine Klientel - die Versorgungswirtschaft - einen Katalog von Tipps verfasst hatte, wie zu verfahren sei, wenn sich die mit Energie versorgten Verbraucher einer Preisänderung unter Berufung auf § 315 BGB entgegenstellen und die gerichtliche Billigkeitskontrolle verlangen sollten. Möglichst frühzeitig, so der Ratschlag sinngemäß, sollten die widerspenstigen Kunden auf das extreme Kostenrisiko - Stichwort: „gerichtlich bestellter Sachverständiger“ - „hingewiesen“ werden, das ihnen drohte, sollten sie ihre Rechte aus § 315 BGB vor Gericht wahrnehmen wollen. Und so - das schwang deutlich mit, wurde aber meiner Erinnerung nach sogar ausdrücklich betont - würden die meisten Verbraucher sich einen solchen Schritt ins unkalkulierbare Risiko lieber zweimal überlegen und wohl davon Abstand nehmen.
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Kein Vorwurf gegen das Berliner (?) Anwaltsbüro. Dieses geht so vor, wie man es von ordentlichen Anwälten verlangen kann, nämlich als Interessenvertreter die Interessen ihrer Mandanten unter Ausnutzung aller zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Methoden zum Tragen zu bringen.
Aber - den EVU ist (darauf kommt es mir hier an) klar bewusst, dass sie das Kostenrisiko angesichts des völligen Transparenzmangels der Preisänderungsregeln fast in nötigender Weise nutzen, wenn nicht sogar ausnutzen können, um den Verbraucher zu motivieren (oder ist „zu zwingen“ der richtigere Begriff?), sein Recht, das ihm § 315 zugesteht, nicht in Anspruch zu nehmen.
So wird Recht zur „Waffe“. Das ist zunächst einmal aber noch nicht weiter verwerflich. Denn eigentlich soll in einem Rechtsstaat ja das „Duell an der Dorfeiche“ auch nur in zivilisierter Form in den Gerichtssaal verlagert werden, bei dem der alte „Vorderlader“ durch das Recht ersetzt ist, und der Unterlegene den Ort des Geschehens maximal mit gesenktem Haupte - nicht aber mit einem Loch in demselben - verlässt.
Bedenklich ist es aber, wenn die Regeln des materiellen - also Ansprüche vermittelnden - Rechts derart ausgestaltet sind, dass nur einem der Vertragsparteien eine solche Waffe in die Hand gegeben wird, während die andere Seite mit bloßen Händen kämpfen soll. Während der Verbraucher die Karte § 315 BGB nur um den Preis des persönlichen wirtschaftlichen Untergangs ausspielen kann und ihm dieses Mittel damit „de facto“ aus der Hand geschlagen ist, kann sich der Versorger zurücklehnen und abwarten. Er kennt alle wirtschaftlichen Eckdaten aus eigener Anschauung aus dem FF und kann so - anders als der „widerspenstige“ Verbraucher - seine vorprozessualen und prozessualen Schritte sachbezogen und auf Grundlage einer profunden Prozessrisikoanalyse ausrichten.
Die Waffengleichheit vor GerichtDamit ist, um einmal im Jargon des Duell-Zeitalters zu bleiben, der auch zum „Terminus technicus“ (zum Fachbegriff) des heutigen Verfassungsrechts geworden ist, ein tragendes Prinzip des Rechtsstaates, nämlich die „Waffengleichheit vor Gericht“ angesprochen.
Eine Regelung, die (unmittelbar oder mittelbar) auf einen Zivilprozess einwirkt, (nur) einer Seite quasi ein prozessuales Handicap auferlegt und damit die Waffen- bzw. Chancengleichheit vor Gericht von Anfang an ungleich verteilt, ist mit dem grundrechtlich verankerten
„Grundsatz prozessualer Waffengleichheit“ nicht vereinbar.
Dieses Prinzip der Waffengleichheit hat seinen vom BVerfG anerkannten und in einer Vielzahl von Entscheidungen bestätigten Ursprung im rechtsstaatlichen Anspruch auf Justizgewährung (Art 80 Abs.3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG), entspringt zudem dem grundrechtlich verankerten und auf sachgerechte Gleichbehandlung ausgerichteten Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dem rechtsstaatlichen Fairnessgebot sowie dem vom BVerfG ausdrücklich hervorgehobenen Gebot effektiven Rechtsschutzes.
Mit dem allgemeinen Rechtsgrundsatz einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung ist es keinesfalls vereinbar, wenn dem Einzelnen - wie vorliegend - zugemutet wird, einen Rechtsstreit nur deshalb aufzunehmen, um sich so unter Hinnahme eines
extremen Kostenrisikos die Grundlagen zu beschaffen, die schon benötigt werden, um die kardinale Frage beantworten zu können, ob der Rechtsstreit und ggf. in welchem Umfange denn überhaupt aufgenommen werden soll.
Es geht im engeren Sinne also um die
Vorhersehbarkeit des gerichtlichen Verfahrens, die von derartiger Bedeutung für eine rechtsstaatliche Verfahrensgestaltung ist, dass das BVerfG diesem Aspekt neben den „klassischen“ Prozessgrundrechten (Art. 101, 103 GG) sowie dem effektiven Rechtsschutz, dem fairen Prozess sowie dem Justizgewährungsanspruch sogar eigenständige Bedeutung zugemessen hat.
An dieser Stelle - das will ich noch betonen - habe ich - entgegen der wissenschaftlichen Redlichkeit - darauf verzichtet, die einschlägigen Entscheidungen des BVerfG im Einzelnen zu benennen. Dieses würde den Nichtjuristen unter den Lesern vollends erschlagen. Aber diejenigen, die die angesprochenen Fragestellungen - vielleicht sogar aus wissenschaftlichem Interesse - vertiefen oder der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG in dieser Hinsicht einmal näher nachgehen möchten, sei das „Handbuch des Staatsrechts“ (C.F. Müller, Band V, Herausgeber: Isensee/Kirchhof, 3. Auflage, 2007) ans Herz gelegt, das insbesondere auf den Seiten 774 ff. eine umfassende Judikatur zur Thematik, also eine Kennzeichnung der richtungsweisenden Rechtsprechung des BVerfG, wie ich sie hier vorgetragen habe, nebst vielfältigen Fundstellennachweisen, enthält.
Ich will dieses kleine verfassungsrechtliche „Kompendium“ nun abschließen mit der auf dem Vorgesagten beruhenden Feststellung:
Das nationale Recht ist vom Gesetzgeber so auszugestalten, dass jeder Verfahrensbeteiligte in die Lage versetzt wird, seine Rechte wirksam wahrzunehmen. Da dieser beachtliche verfassungsrechtliche Grundsatz des sog.
„effektiven Rechtsschutzes“ durch eine Regelung nicht gewahrt wird, die Verbraucher
völlig im Unklaren darüber lässt, ob sie sich gegen die Preisfestsetzungen ihrer Versorger evtl. erfolgreich zu Wehr setzen können und ihnen im Streitfalle sogar eine „Kostenfalle“ erheblichen Ausmaßes androht, denen die Verbraucher auch bei gewissenhaftester Vorbereitung des Rechtsstreites nicht entgehen könnten, sind die intransparenten Preisfestsetzungsvorschriften, wie sie im Rahmen der Grund- und Ersatzversorgung auf Grundlage des EnWG i.V.m. der GasGVV Anwendung finden, nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und scheiden so als Preisänderungsregel aus.
Eine Übernahme einer solchen intransparenten Preisänderungsvorschrift aus der Verordnung - wie sie der VIII. Zivilsenat mit seiner EWE-Revisionsentscheidung vorgenommen hat - muss also schon an ihrer erkennbaren Grundrechtswidrigkeit scheitern.
Es geht mir hier also insbesondere darum, den § 315 BGB als Kontrollinstanz im Rahmen des Gasbezugs überhaupt erst einmal effektiv zur Geltung zu bringen. Eine Verbraucherschutzvorschrift, die aus den genannten Gründen (zumindest gegenwärtig noch) selbst im Gassondervertragsbereich - vom Grundversorgungsverhältnis ganz zu schweigen - eher einer „normierten Glückspielregel“ gleichkommt als einem wirksamen Kontrollinstrument im Sinne des Verbraucherschutzes. Effektivität im Interesse des Verbraucherschutzes kann § 315 BGB auf dem Gasenergiesektor aus meiner Sicht nur auf Grundlage von verlässlichen Informationen erlangen, die die Preisgestaltung schon im Vorfeld einer etwaigen Preisänderung (oder eben einer unterlassenen Änderung des Versorgungspreises) nachvollziehbar macht. Und damit ist nichts anderes umschrieben als
„Transparenz“ auch auf dem Sektor der Grund- und Ersatzversorgung.
Aus meinen Erwägungen sollte jetzt eigentlich deutlich hervorgegangen sein, dass es keine gesetzliche Grundlage dafür gibt, einem völlig intransparenten Preisregelungsniveau, wie es in der Grundversorgung vorliegt, seinen Segen zu erteilen - im Gassonderverhältnis aber alle Hebel in Gang zu setzen und unter Berufung auf die Transparenzrechtsprechung der BGH-Senate bei gleichzeitiger Ablehnung der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats sowie unter Heranziehung der europäischen Regelungsmaterien transparente Preisänderungsregeln zu fordern.
Ihre „These 2“, die ich Ihren Worten - „RR-E-ft“ - entnommen habe, die von Ihnen aus dem EnWG abgeleitete Preisänderungsregel in der Gasgrundversorgung sei rechtlich nicht zu beanstanden, ist deshalb aus den dargelegten (übrigens nicht nur verfassungsrechtlich bedeutsamen - doch dazu gleich noch einige Worte) Gründen aus meiner entschiedenen Sicht nicht zutreffend.
Die Beweisführung, mit der Sie Ihre oben bezeichnete „These 1“ zu belegen versuchen, dass nämlich die Regelung das Beste sei, was erreicht werden könne, überzeugt mich nicht!
Eine Regelung, die wegen ihrer Preisundurchsichtigkeit aus Verfassungsgründen nicht haltbar ist, ist rechtswidrig und kann schon von daher nicht als „das Beste, was erreicht werden kann“ angesehen werden.
Wenn der Gesetzgeber im Rahmen des EnWG (§§ 36, 2, 1 EnWG) in Verbindung mit der Rechtsverordnung (GasGVV) tatsächlich nicht mehr tun kann, um dem Transparenzgebot, das - wie gezeigt - auch in der Grundversorgung unbedingt zu herrschen hat, zu entsprechen, dann (aber auch nur dann) müsste er sich überlegen, ob er einen anderen, effektiveren Weg zu beschreiten hätte, um die dringend erforderliche Preistransparenz auch in der Grundversorgung sicherzustellen.
Und ich bin gar nicht mal so skeptisch, dass das Preistransparenzniveau in der Grundversorgung auf ein hinreichendes Maß gesteigert werden könnte, während wir heute sowohl im Sondervertragsverhältnis wie in der Grundversorgung - immer noch den Zustand
„Null-Transparenz“ zu beklagen haben.
Hat der Gesetzgeber also im aktuell hier vorliegenden Regelungszusammenhang wirklich alles ihm Mögliche getan, um eine möglichst weitgehende Preistransparenz im Grundversorgungsverhältnis zu erreichen und damit die Interessen der Beteiligten angemessen zu „berücksichtigen“? Mit Sicherheit nicht. Er hat diesbezüglich nämlich gar nichts getan.
Wäre im Hinblick auf die Nachvollziehbarkeit der Preisgestaltung aber nicht schon viel gewonnen, wenn der Gesetzgeber dem Grundversorger (gesetzlich normierte) Informationspflichten auferlegte, denen dieser - konkretisiert nach Art und Inhalt der mitzuteilenden Kostenstrukturen - regelmäßig nachkommen müsste? Informationspflichten, die Kostenelemente betreffen, die den Preis zumindest mitbestimmen?
Sie - RR-E-ft“ -„zeigen doch
an anderer Stelle selbst auf, welche Informationen für die Nachvollziehbarkeit einer Preisgestaltung von Bedeutung sein könnten bzw. sind. Ohne dass derartige Informationspflichten den Grundversorgern aber bis heute gesetzlich zwingend auferlegt worden wären. Und der von Ihnen beschriebene Weg könnte sogar in die richtige Richtung weisen, weil das Risiko, das der Verbraucher mit einer Überprüfung der Preisbestimmung nach § 315 BGB einginge, umso geringer ist, je mehr Informationen ihm zu den preisbestimmenden Faktoren konkret vorliegen (und nicht nur irgendwie in den Untiefen des Internets aufzuspüren sein mögen).
Sie sagen also Folgendes - und daraus ergibt sich ein gehöriger Widerspruch zu Ihrer mir entgegengehaltenen These 1. Denn Sie sehen ja ggf. einen
gesetzgeberischen Nachbesserungsbedarf(!), um zu einer hinreichenden Preistransparenz gerade auch auf dem Grundversorgungssektor zu gelangen:
Die Preistransparenz kann freilich erhöht werden, etwa indem die Netzentgelte, wie sie auf Grund- und Arbeitspreis entfallen, ferner die Kosten des Messstellenbetriebs, der Messung und Abrechnung sowie alle staatlich vorgegebenen preisbildenden Kostenbestandteile (EEG, KWKG, Energiesteuer, Konzessionsabgabe, ... Mehrwertsteuer) bereits in den öffentlichen Bekanntgaben gem. § 36 Abs. 1 EnWG und auch auf allen Verbrauchsabrechnungen gegenüber Letztverbrauchern detailliert unter der Angabe aufgeführt werden, wie diese in Grund- und Arbeitspreise einfließen, bisher nur ansatzweise § 40 EnWG, 4 KAV...
Zu den brieflichen Mitteilungen gem. § 5 GVV könnte zudem verlangt werden, dass alle Änderungen preisbildender Kostenfaktoren durch entsprechende detaillierte Auf- und Gegenüberstellung aufgezeigt werden müssen, welche sämtliche Veränderungen einzelner preisbildender Kostenbestandteile gegenüber der vorhergehenden Preisbestimmung enthalten müssen (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39).
Die Versorger (allen voran BDEW) sagen zu Recht, dass wesentliche preisbildende Kostenfaktoren staatlich reguliert und deshalb ihrem Einfluss entzogen seien. Dann müssen zumindest diese detailliert sowohl in den öffentlichen Bekanntgaben gem. § 36 Abs. 1 EnWG als auch deren zwischenzeitliche Veränderung gegenüber der vorhergehenden Preisbestimmung detailliert in den brieflichen Mitteilungen gem. § 5 GVV ausgewiesen werden.
Schließlich kann die Preisbestimmungspflicht im engeren Sinne nur die vom Grundversorger beeinflussbaren preisbildenden Kostenfaktoren betreffen.
Die seinem Einfluss entzogenen preisbildenden Kostenfaktoren sind schließlich auch für alle Wettbewerber gleich. Alle Versorger kennen sie, nur die betroffenen Verbraucher nicht.
Und das ist doch genau der Punkt: Die Verbraucher kennen diese Eckdaten eben nicht, müssten sie aber detailliert kennen, um die einseitige Preisfestsetzung (auch die Nichtabsenkung des Preises ist übrigens eine Ausübung der dem Grundversorger obliegenden Preisfestsetzungspflicht, wenn auch nur eine negative) auf ihre Gesetzmäßigkeit, ihre Billigkeit überprüfen zu können.
Die Billigkeitskontrolle kann zugleich erheblich erleichtert werden.
Sie
muss erheblich erleichtert werden, um sie überhaupt erst zu ermöglichen und so nicht weiterhin völlig ins Leere laufen zu lassen.
Es ist das selbe Prüfungsraster, dass Verbraucheranwälte heute schon bei der Billigkeitskontrolle abzuarbeiten haben ...
Nur dass Verbraucheranwälte ihrerseits für eine inhaltstiefe und von ihnen zu verantwortende Prüfung im Vorfeld eines Prozesses (Prozessrisikoanalyse - s.o.), alle wesentlichen preisbildenden Faktoren kennen müssen, die aber für Verbraucheranwälte regelmäßig ebenso im Dunkeln liegen, wie für deren Mandanten selbst. Zu der von Ihnen so bezeichneten „Abarbeitung“ kann es oft erst auf Grundlage der vom gerichtlichen Sachverständigen zu Tage geförderten Kostenstrukturen kommen. Für eine Prüfung der Angem