Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Befangener Gutachter und/oder befangenes Gericht?  (Gelesen 55161 mal)

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Offline tangocharly

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Befangener Gutachter und/oder befangenes Gericht?
« Antwort #60 am: 13. November 2009, 12:49:40 »
@ stubafü
Zitat
[...] 3. Diese Rechtspraxis ist grundgesetzwidrig, wie der Europäische Gerichtshof über Amts- und Staatshaftung in EuGH, Urteil vom 30.09.2003, AZ.: C-224/01 feststellt und erklärt hat! Damit ist die Wirkungslosigkeit und Nichtigkeit der Rechtswegegarantie als Stillstand der Rechtspflege belegt. Der sogenannte Rechtsstaat garantiert dem Einzelnen keinen effektiven Rechtsschutz, obgleich sichdieser aus Art. 1-3, 25, 101 GG ergibt. Aus diesem Grund haben die unteren Gerichte auch gelernt, nicht Recht zusprechen, weil von „oben“ auch nicht wirksames Recht garantiert wird. Das Rechtssystem arbeitet daher spiegelverkehrt.

Und was ist die Konsequenz aus dieser Feststellung für Sie: Art. 20 Abs. 4 GG ?
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline reblaus

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Befangener Gutachter und/oder befangenes Gericht?
« Antwort #61 am: 13. November 2009, 13:36:57 »
@Stubafü
Na toll! Dann haben Sie wenigstens beim EuGH und EuGMR zwei Instanzen denen Sie vertrauen, und die Ihnen in Ihrem Kampf beistehen werden. Zwar können Sie den EuGH mit Ihrem Problem nur befassen, wenn Sie einen Richter finden, der die Frage vorlegt. Eine Beschwerde in Straßburg steht Ihnen aber immer offen.

Erst wenn sich herausstellen sollte, dass auch diese Richter an der Verschwörung gegen unseren Rechtsstaat teilhaben, müssten Sie sich bewaffnen.

Offline nomos

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Befangener Gutachter und/oder befangenes Gericht?
« Antwort #62 am: 13. November 2009, 14:07:18 »
Zitat
Original von reblaus
 Wer unbedingt Beschwerdebriefe schreiben will, sollte diese an den Bundestagsabgeordneten oder den Wirtschaftsminister richten. Diese können diesem Trauerspiel nämlich wirksam abhelfen, indem sie ihre Arbeit machen.
    @reblaus, da bin ich mit Ihnen einig! Das sollten aber
unbedingt möglichst viele Verbraucher auch tun.

PS:
Immerhin wird der Gaspreisprotest ja  in der Zwischenzeit von der Politik zur Kenntnis genommen und zunehmend anerkannt. Die Bretter sind aber dick und das Bohren muss noch viel tiefer und weiter gehen:

Zitat
Die Gaspreisprotestler leisten mit ihrem Einsatz für die Rechtmäßigkeit ihrer eigenen Gasrechnung auch einen wichtigen Beitrag für die Allgemeinheit. Derzeit befindet sich der Gasmarkt bestenfalls im Übergang zu einem echten Markt.
......
In einer Situation, in der ein Anbieterwechsel so gut wie gar nicht möglich ist und ohnehin keine echte Bedeutung für die Preisbildung hat, leisten die Gaspreisprotestler einen zentralen Beitrag für die verbraucherfreundliche Transformation des Gasmarktes in einen echten Markt und damit für das Funktionieren der Sozialen Marktwirtschaft.
Hier klicken und weiterlesen - Verbraucherportal B-W:

Gaspreisprotest nimmt wichtige Aufgabe wahr[/list]

Offline RR-E-ft

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Befangener Gutachter und/oder befangenes Gericht?
« Antwort #63 am: 13. November 2009, 16:09:57 »
@Stubafü

Ich habe keinen Zweifel daran, dass es sich um einen Sondervertrag handelt, schließlich schreibt der Versorger selbst von Sonderabkommen und von vereinbarten  Kündigigungsfristen, die von denen der Grundversorgung deutlich abweichen.

Zitat
Original von Stubafü
Wenn nun, wie in meinem Falle geschehen, auf der Auftragsbestätigung des Versorgers als \"Preisanpassungsklausel\" unter \"Bedingungen für das Gas-Sonderabkommen\"
steht:

\"Preisänderungen werden öffentlich bekanntgegeben und mit dem in der
Veröffentlichung genannten Termin wirksam\",


dessen weitere Verwendung das OLG Brandenburg, 7 U 223/07, im übrigen
per Unterlassungsverfügung bei Androhung von Geldstrafe und ersatzweise
Haft in einem gleichgelagertem Falle untersagt hat,

sowie der weitere liefervertragliche Passus:

\"Im übrigen gelten die allgemeinen Bedingungen der AVBGasV\"

dann dürften hinsichtlich des Sondervertragstatus des Verbrauchers keine
ernsthaften Zweifel bestehen zumal vom Versorger weiterhin bestätigt wird:

\"Der Vertrag läuft so lange ununterbrochen weiter, bis er von einer der beiden Seiten mit einer Frist von 3 Monaten schriftlich gekündigt wird. Die Kündigung ist erstmalig nach Ablauf eines Jahres zulässig.\"

Allein weil es sich um einen Sondervertrag handelt, ist die gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB jedoch noch nicht zwingend ausgeschlossen, wenn man der jüngeren Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH folgt.

Ich wollte auch nicht gesagt haben, dass es für die Streitentscheidung im konkreten Fall auf die umstrittene Frage der Billigkeit ankommt.

Möglicherweise ist die Kammer rechtsirrig der Auffassung, die genannte Preisanpassungsklausel (deren wirksame Einbeziehung gem. § 305 II BGB nicht zulässig bestritten werden kann) entspräche inhaltlich dem gesetzlichen Preisänderungsrecht des § 4 AVBGasV und halte deshalb einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB stand und deshalb fände § 315 BGB vorliegend Anwendung (BGH VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08], mit der Folge, dass es für die Streitentscheidung auf die Frage der bestrittenen Billigkeit ankäme, welche das Gericht durch die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zu klären sucht.

Möglicherweise wurde dieser - nicht von vornherein auszuschließende - Gesichtspunkt nicht in die bisherige Betrachtung einbezogen. Dies mag seine Ursache ggf. darin haben, dass das Gericht nur einen \"Zweizeiler\" ausgeworfen haben soll, ohne den Parteien seine Entscheidungsfindung hinreichend transparent nachvollziehbar gemacht zu haben.  

Nach § 4 AVBGasV wurden Tarifänderungen frühestens mit öffentlicher Bekanntgabe wirksam. Das ist etwas anderes als das Wirksamwerden zu einem in der öffentlichen Bekanntgabe angegebenen Zeitpunkt, der auch in der Vergangenheit liegen könnte. Es handelt sich m. E. nicht um die unveränderte Übernahme des gesetzlichen Preisänderungsrechts.

§ 4 AVBGasV selbst findet keine unmittelbare Anwendung, weil es sich um einen Sondervertrag handelt. Auch eine mittelbare Anwendung durch Einbeziehung in den Vertrag scheidet m.E. aus, weil die Bedingungen der AVBGasV sowieso nur \"im Übrigen gelten\" sollten. Zudem gehe ich davon aus, dass für die Einbeziehung gem. § 305 II BGB  die Bedingungen der AVBGasV vor Vertragsabschluss ausgehändigt worden sein müssen (vgl. LG Gera, Urt. v. 07.11.08].

Rechtsirrige Auffassungen vor denen bis hinauf zum BGH niemand gefeit ist, haben jedoch nichts mit Rechtsbeugung zu tun.

Genau so erging es doch dem Kunden vor dem LG Bonn, welches eine Billigkeitskontrolle vorgenommen hatte, obschon ein Sondervertrag und innerhalb dessen keine wirksame Preisänderungsklausel vereinbart war, was schließlich erst durch den BGH korrigiert wurde (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06). Nicht anders verhielt es sich bei einem Kunden vor dem LG Berlin, welches ebenso eine Billigkeitskontrolle vorgenommen hatte, obschon ein Sondervertrag bestand und innerhalb dessen keine wirksame Preisänderungsklausel vereinbart war , was ebenso erst durch den BGH korrigiert wurde (Vgl. BGH, Urt. v. 15.07.2009 - VIII ZR 225/07).

Wenn ein Gericht einen Beweis erhebt, auf den es für die Streitentscheidung gar nicht ankommt, so können die dadurch entstandenen Kosten ausnahmsweise auch der Staatskasse zur Last fallen.

Für mich ist Sondervertragskunde, wer zu vereinbarten Preisen beliefert wird, die von den als solchen veröffentlichten Allgemeinen Tarifen bzw. Allgemeinen Preisen der Grundversorgung abweichen.

Die Belieferung zu veröffentlichten Tarifen allein ist hingegen kein hinreichendes Kriterium für den Tarifkundenstatus, da es sich auch um veröffentlichte  Erdgas- Sonderpreise handeln kann, zu denen der Gasversorger in AGB vorsehen wollte, dass diese durch öffentliche Bekanntgabe geändert werden können (Normsondervertragskunden).  

Wurde die Belieferung zu anderen Preisen als den als solchen veröffentlichten Allgemeinen Tarifen/ Allgemeinen Preisen der Grundversorgung (in der Regel zu günstigeren Preisen) vertraglich vereinbart, dann handelt es sich um einen Sondervertrag.

Hat der Versorger zugleich Allgemeine Tarife und Erdgas- Sonderpreise veröffentlicht, so handelt es sich m. E.  bei einer vertraglich vereinbarten Belieferung zu einem derart neben den Allgemeinen Tarifen (Kleinverbrauchstarif K, Grundpreistarif G oder Basistarif BT) veröffentlichten Erdgas- Sonderpreis deshalb um einen Sondervertrag.

Die Bedingungen der AVBGasV/ GasGVV können auf solche Sonderverträge nur dann zur Anwendung kommen, wenn sie gem. § 305 II BGB wirksam in den Vertrag einbezogen wurden (vgl. AG Starnberg, Urt. v. 22.10.09).

Es ist deshalb m. E. nicht so, dass der Kunde darlegen und beweisen müsste, dass von den Bedingungen der AVBGasV/ GasGVV abweichende Vertragsbedingungen vereinbart wurden, sondern der Versorger muss darlegen und beweisen, dass der Kunde entweder innerhalb der Grundversorgung (als Tarifkunde) beliefert wird oder aber in einen Sondervertrag die Bedingungen der AVBGasV/ GasGVV gem. § 305 Abs. 2 BGB (unverändert) wirksam einbezogen wurden (vgl. AG Hohenstein-Ernstthal, Urt. v. 22.06.09).

Es gibt m. E. keine Veranlassung für die Annahme, der Rechtsstaat würde grundsätzlich nicht funktionieren.  Wer mit einer so vorgefassten Meinung den Gerichtssaal betritt und dem Gericht gegenübertritt, der könnte selbst befangen sein, überall eine gegen ihn gerichtete Verschwörung wittern.  Abgelehnt werden kann er deshalb nicht.  ;)

Offline reblaus

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Befangener Gutachter und/oder befangenes Gericht?
« Antwort #64 am: 13. November 2009, 16:42:27 »
Grundsätzlich ist es zwar richtig, dass der Versorger zu beweisen hat, auf welcher Vertragsgrundlage er die Belieferung des Verbrauchers vornimmt. Um diesen Beweis zu führen reicht es jedoch aus zu beweisen, dass der Kunde Gas entnommen hat. Dies dürfte dem Versorger unproblematisch möglich bzw. von vorn herein unstreitig sein. Soweit diese Tatsache feststeht greift § 2 Abs. 2 GasGVV und es liegt ein Grundversorgungsverhältnis vor.

Danach obliegt es dem Verbraucher diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen, in dem er nachweist, dass die Vertragsbeziehung nicht durch die Gasentnahme sondern durch eine konkrete anderweitige Vereinbarung zustande kam.

Offline RR-E-ft

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Befangener Gutachter und/oder befangenes Gericht?
« Antwort #65 am: 13. November 2009, 16:56:46 »
Für die Grundversorgung hätte der Versorger wohl vorzutragen, dass er selbst Grundversorger ist und es sich bei seinem Vertragspartner um einen Haushaltskunden handelt, die Abnahmestelle zunächst vertragsfrei war und das Vertragsverhältnis allein durch Gasentnahme ohne anderweitige vertragliche Abrede zwischen den Parteien zustande kam, wodurch die Belieferung im Rahmen der Grundversorgung zu den jeweiligen vom Grundversorger veröffentlichten Allgemeinen Preisen der Grundversorgung als vereinbart gilt, zu denen auch die Belieferung durchgängig erfolgt. Ist der Versorger kein Grundversorger (Lichtblick), der Kunde kein Haushaltskunde (BASF Ludwigshafen), kann durch Gasentnahme kein Grundversorgungsvertrag zustande kommen. Die Gasentnahme aus dem Netz könnte zudem auch lediglich zur zeitlich befristeten Ersatzversorgung durch den Grundversorger gem. § 38 EnWG führen. Schließlich ist nicht jeder, der Gas aus dem Netz entnimmt auch zwingend Kunde. Wenn ein Tarifkundenvertrag durch Gasentnahme konkludent geschlossen werden kann, dann kann möglicherweise auch ein Gaslieferungsvertrag zu ebenso veröffentlichten Erdgas- Sonderpreisen konkludent geschlossen werden, jedenfalls wenn die Abrechnung danach immer zu solchen (veröffentlichten) Erdgas- Sonderpreisen erfolgte und eben nicht zu den als solchen veröffentlichten Allgemeinen Tarifen/ Preisen der Grundversorgung. Wurden aber andere als die Allgemeinen Tarife/ Preise der Grundversorgung (konkludent) vereinbart, so handelt es sich m. E. um einen Sondervertrag.

Darauf kommt es indes in dem genannten Verfahren vor der Kammer für Handelssachen des LG Frankenthal ersichtlich wohl nicht an.

Bedauerlich ist doch, dass es zu jenem Verfahren zu der vorliegenden  Diskussion mit erheblichem Terz kam, wohl weil weder das Gericht noch der Prozessbevollmächtigte des Kunden den gegenwärtigen Verfahrensstand hinreichend erklärt haben. Der Kunde hätte in dem Verfahren wohl nochmals deutlich zu machen, weshalb nach seiner Überzeugung gerade kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht und dass ggf. die Voraussetzungen für die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nicht vorliegen, sei es, weil es an jenem Beweisangebot fehlt, sei es weil jenes auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis gerichtet ist, wenn die maßgeblichen Anknüpfungstatsachen nicht hinreichend substantiiert vorgetragen sein sollten. Man sollte deshalb in der Diskussion dazu versuchen, sich auf die konkrete Verfahrenssituation im dortigen Gerichtsverfahren zu konzentrieren.

Offline reblaus

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Befangener Gutachter und/oder befangenes Gericht?
« Antwort #66 am: 13. November 2009, 17:53:21 »
Schön dass in diesem Verbraucherforum darauf hingewiesen wurde, dass Industriekunden keinen Anspruch auf Belieferung in der Grundversorgung haben. Das war zum besseren Verständnis der hier veröffentlichten Beiträge dringend notwendig.

Wie die hier diskutierte Problematik bei einem Gasanbieter der keine Grundversorgung anbietet überhaupt auftreten kann, müsste noch detaillierter verdeutlicht werden. Möglicherweise dass der Verfasser glaubt, bei Gasentnahme könnten alle im örtlichen Markt vertretenen Anbieter laut \"hier\" rufen, und schon käme mit ihnen ein konkludenter Sondervertrag zustande.

In § 2 Abs. 2 GasGVV ist als Rechtsfolge der Gasentnahme vorgesehen, dass ein Grundversorgungsvertrag zustande kommt. Wenn man es mit Angebot und Annahme nicht so genau nimmt, und das Gesetz als unverbindliche Empfehlung ansieht, ist natürlich auch die Interpretation dahingehend möglich, dass in jedem 5. Fall statt eines Grundversorgungsvertrages ein Sondervertrag zustande komme :D

Ein Sondervertrag kommt nach meiner Ansicht zustande, wenn z. B.  die Belieferung mit einem Anteil Biogas zu besonderen Tarifen vereinbart wird. Hier erkennt der durchschnittliche Verbraucher durch die besondere Ware, dass er nicht nach allgemeinen Bedingungen beliefert wird. Bei einem Tarif der lediglich einen Mengenrabatt beinhaltet, sind solche besonderen Verhältnissse nicht erkennbar. Die konkludente Vereinbarung eines Liefervertrages mit einem Anteil Biogas kann ich mir aber nur schwer vorstellen.

Offline Black

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Befangener Gutachter und/oder befangenes Gericht?
« Antwort #67 am: 13. November 2009, 18:02:31 »
Wenn das Gericht ein Gutachten zur Billigkeit einholt, dann muss die Billigkeit ja zuvor vom Kunden selbst gerügt worden sein.

Wenn der Kunde aber so felsenfest überzeugt war, Sonderkunde ohne Preisanpassungsrecht zu sein, hätte er die Unbilligkeitseinrede nicht erheben müssen und das Gericht hätte auch kein teures Gutachten einholen können. Möglicherweise hätte sich das Gericht dann sorgfältiger mit der Vertragsart befasst.

Wenn der Kunde aber die Unbilligkeitseinrede gezielt trotzdem erhoben hat, um \"auf Nummer sicher\" zu gehen und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, dann sollte er nicht vom Untergang des Abendlandes ud des Rechtsstaates fabulieren, wenn nun genau dieser Fall (für den er ja mit seiner Unbilligkeitseinrede gezielt vorgesorgt hat) tatsächlich eingetreten ist.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Befangener Gutachter und/oder befangenes Gericht?
« Antwort #68 am: 13. November 2009, 18:25:56 »
@reblaus

Wir sollten beim Kern bleiben. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass das LG Frankenthal das betroffene Vertragsverhältnis als Belieferung innerhalb der Grundversorgung ansieht.

Dass mancher es mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 II GVV nicht so genau nimmt, und diese bedenklich auf \"Gasentnahme\" reduziert, ist wohl schon hinreichend deutlich geworden. Der \"Biogasanteil\" -Kunde wird bei einem Vergleich der Ware mit der seinem Nachbarn über die gleiche Röhre gelieferten Ware Erdgas wohl keinerlei Unterschied feststellen können. Die gelieferte Ware wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit identisch sein, sich auch bei aufwendigen Laboruntersuchungen als nicht unterscheidbar erweisen. Auch ansonsten unterscheiden sich die Lieferbedingungen möglicherweise nicht.

Wenn durch einen Monopolanbieter ein Erdgas- Sonderpreis angeboten wurde, die Parteien sich auf die Belieferung zu diesem Sonderpreis geeinigt hatten, was darin zum Ausdruck kommen kann, dass die Abrechnung durchgängig zum Erdgas- Sonderpreis erfolgte und bezahlt wurde, dann liegt ein Sondervertrag vor. Es ist dann nämlich gerade nicht davon auszugehen, dass sich die Parteien auf die Belieferung zu den als solchen veröffentlichten Allgemeinen Tarifen geeinigt hatten, sondern vielmehr auf einen davon abweichenden, als solchen bezeichneten und ggf. veröffentlichten Erdgas- Sonderpreis. Dafür ist es vollkommen unerheblich, in welche Richtung, in welchem Umfang, aus welchem Grund der vereinbarte Erdgas- Sonderpreis vom Allgemeinen Tarif abweicht (worüber sowieso nur selten gesprochen wird). Der veröffentlichte Erdgas- Sonderpreis wurde  - im Gegensatz zu den als solchen veröffentlichten Allgemeinen Tarifen/ Preisen der Grundversorgung - im Rahmen der Vertragsfreiheit angeboten.

@Black

Wenn ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht, es deshalb auf die streitige Frage der Billigkeit ankommt, dann muss man mit der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens rechnen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Ich sehe auch keinen Grund, weshalb der betroffene Kunde deshalb wehklagen sollte. Er könnte ja die Unbilligkeitseinrede auch fallenlassen und sich immer noch im Prozess durchsetzen, wenn aus Rechtsgründen im konkreten Vertragsverhältnis kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht. Immerhin trifft das Kostenrisiko beide Streitparteien gleichermaßen.

Der Versorger, der eine vorgeblich offen stehende Forderung aus Gaslieferungen in Höhe von  2,50 EUR einklagt, muss ggf. Beweis durch gerichtliches Sachverständigengutachten antreten, die Kosten in Höhe von 10.000 EUR vorschießen und dann noch dem gerichtlich bestellten Gutachter die von diesem geforderten Unterlagen vollständig zur Verfügung stellen... Der Kunde entscheidet, ob er es darauf ankommen lässt, oder seine Verteidigung im Prozess vor der Einholung eines Sachverständigengutachtens ggf. umstellt.

Offline reblaus

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Befangener Gutachter und/oder befangenes Gericht?
« Antwort #69 am: 13. November 2009, 18:59:33 »
@RR-E-ft
Ich habe bereits weiter oben deutlich darauf hingewiesen, dass es sich hier um einen Sondervertrag handeln wird, und das Gericht wohl von einer wirksamen Preisanpassungsklausel ausgeht, so dass es die Einholung des  Gutachtens aus diesem Grunde angeordnet hat.

Die Diskussion um die Tarife hat sich entwickelt, da Stubafü mit dem tatsächlichen Sachverhalt nur scheibchenweise herausgerückt ist.

@Black
Das hatte jetzt eine geradezu erschreckende Logik. ;)

Offline Black

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Befangener Gutachter und/oder befangenes Gericht?
« Antwort #70 am: 13. November 2009, 19:07:14 »
Zitat
Original von RR-E-ft

Der Versorger, der eine vorgeblich offen stehende Forderung aus Gaslieferungen in Höhe von  2,50 EUR einklagt, muss ggf. Beweis durch gerichtliches Sachverständigengutachten antreten, die Kosten in Höhe von 10.000 EUR vorschießen....

Der Vollständigkeit halber verweise ich noch auf die Möglichkeit des gerichtes wegen Unverhältnismäßigkeit von der Einholung eines Gutachtens abzusehen § 287 Abs. 1, 2 ZPO
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline Stubafü

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« Antwort #71 am: 13. November 2009, 19:08:45 »
@Black
@RR-E-ft

Zitat
Wenn das Gericht ein Gutachten zur Billigkeit einholt, dann muss die Billigkeit ja zuvor vom Kunden selbst gerügt worden sein.

Wenn der Kunde aber so felsenfest überzeugt war, Sonderkunde ohne Preisanpassungsrecht zu sein, hätte er die Unbilligkeitseinrede nicht erheben müssen und das Gericht hätte auch kein teures Gutachten einholen können. Möglicherweise hätte sich das Gericht dann sorgfältiger mit der Vertragsart befasst.

Sie sollten die Beiträge intensiver verfolgen, ehe Sie mit Ihren Rechtsauffassungen die Menscheit beglücken (@Black).

\"Für den Fall, dass die Kammer Aktivlegitimation und Preisbestimmungsrecht der Klägerin bejaht, ist hilfsweise festzustellen, dass die von der Klägerin bekannt gemachten und im Streite stehenden Gaspreiserhöhungen als auch die diesen zugrundeliegenden Gasarbeitspreis der Verbrauchsjahre 2005-2006 unbillig sind,
mithin die von der Klägerin geforderten, streitgegenständlichen Gaspreise der Verbrauchsjahre 2005-2006 nicht dem Erfordernis des § 315 Abs. 3 BGB entsprechen\"
(erste Seite Klageerwiderungsschriftsatz)


Der Billigkeitseinwand erfolgte somit hilfsweise und aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin keinen Vertrag mit mir abgeschlossen hatte, wurde die Aktivlegitimationsrüge erhoben (erst später bequemte sich die Klägerin einzugestehen, in den Vertrag ihrer Teilhaberin, der Pfalzwerke AG eingetreten zu sein), .


Das Gericht hat sich gleich im ersten Termin und in dem schon einmal zitierten drauffolgendem \"Zwei-Zeiler-Beschluss\" auf den Tarifkundenstatus ohne überhaupt der ihm obliegenden Sachaufklärungspflicht nachzukommen und ohne wenn und aber festgelegt:


\"I. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Kammer an ihrer Auffassung festhält, dass das Preisbestimmungsrecht der Klägerin sich aus den AVBGasV ergibt und diese auch dann Vertragsbestandteil geworden sind, wenn sie bei Vertragsschluss nicht vorgelegen haben, da der Beklagten jedenfalls die Möglichkeit verschafft wurde, in zumutbarer Weise davon Kenntnis zu nehmen (§ 305 Abs 2 Nr.2 BGB\"


und dies trotz mehrfach vorgelegter Bestätigung der Rechtsvorgängerin der Klägerin im Vertragsbestätigungsschreiben v. 20.11.2000:

\"Die Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit Gas (AVBGasV) senden wir Ihnen auf Wunsch gerne kostenlos zu\".

und weiter unter \"Bedingungen für das Gas-Sonderabkommen\":

\"Preisänderungen werden öffentlich bekanntgegeben und mit dem in der Veröffentlichung genannten Termin wirksam.

Im übrigen gelten die Allgemeinen Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden aus dem Versorgungsnetz der Pfalzwerke (AVBGasV) ...... . \"


Wenn da nicht bei einem durchschnittlich qualifizierten Anwalt alle Alarmlichter angehen, dann erübrigt sich ein Eingehen auf ihre weiteren Kommentare, zumal auch § 305 BGB hier klar aussagt, dass AVBGasV niemals Vertragsbestandteil, weil bei Vertragsschluss nicht vorgelegen, geworden ist.


Hätte ich nun dem oben zitierten Lamento von @black Folge geleistet, und nicht hilfsweise § 315 BG gerügt, hätte mich diese denkwürdige Kammer schon im ersten Termin mit der Begründung abgebügelt, dass ich nach deren Auffassung ja \"Tarifkunde\" sei, § 315 BGB nicht wirksam gerügt habe und demzufolge der Klage der Pfalzgas stattzugeben sei.

Das hätte @Black zwar gerne gehabt, dem ist aber nicht so.

So jetzt denkt mal beide etwas intensiver nach, ehe wieder Rechtsfiguren aus dem Hut gezaubert werden, die mit der Wirklichkeit im vorl. Fall gar nichts zu tun haben.

Gruss aus der juristischen Diaspora der Pfalz
Stubafü

Offline RR-E-ft

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« Antwort #72 am: 13. November 2009, 19:19:09 »
@Stubafü

Warum suchen Sie sich nicht die oben von mir zitierten Entscheidungen aus der Urteilssammlung, werten diese für Ihre Rechtsauffassung aus und übersenden diese über ihren Prozessbevollmächtigten an das Landgericht Frankenthal? Insbesondere die Entscheidung des LG Gera vom 07.11.08 gibt da einiges her. Das Thüringer OLG Jena sah es genauso.

Hier im Forum zu Lamentieren bringt für das zu bestreitende Verfahren wenig. Sich dazu Gedanken zu machen ist vornehmlich Aufgabe von Ihnen und des von Ihnen bezahlten Anwalts.
Uns persönlich darf der Ausgang Ihres Verfahrens doch wohl herzlich egal sein.  ;)

Offline Black

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« Antwort #73 am: 13. November 2009, 19:19:51 »
Zitat
Original von Stubafü

Hätte ich nun dem oben zitierten Lamento von @black Folge geleistet, und nicht hilfsweise § 315 BG gerügt, hätte mich diese denkwürdige Kammer schon im ersten Termin mit der Begründung abgebügelt, dass ich nach deren Auffassung ja \"Tarifkunde\" sei, § 315 BGB nicht wirksam gerügt habe und demzufolge der Klage der Pfalzgas stattzugeben sei.

Tja, nun bügelt Sie die Kammer nach Einholung des Gutachtens ab und irgendjemand ist um 10.000,- Euro reicher. Wo ist der Vorteil?



Zitat
Original von Stubafü
Das hätte @Black zwar gerne gehabt, dem ist aber nicht so.

Mir kommen längerfristig eher die Verfahren zugute, in denen ein teures Sachverständigengutachten eingeholt wird. Aber schön, dass Sie an mich denken...
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline reblaus

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« Antwort #74 am: 13. November 2009, 19:20:14 »
@Stubafü
Wenn Sie sich quasi selbst vertreten, sollte es dann nicht in erster Linie Ihnen selbst obliegen, \"etwas intensiver nachzudenken\"?

Fakt ist, Sie haben die Unbilligkeit wenn auch nur hilfsweise gerügt. Dann mussten Sie damit gerechnet haben, dass es dem Gericht möglicherweise auf die Billigkeit der Preiserhöhung ankommt. Wenn aber nun eintritt, womit Sie gerechnet haben, wo ist dann das Problem?

 

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