Um diese interessante Diskussion nachvollziehen zu können, sollte man die vom 8. Senat des BGH zur Freude der Versorger entworfene \"Theorie des Preissockels\" kennen; sie wurde zwar bereits unter verschiedenen Themen erörtert, trotzdem hier nochmal deren Kern zum besseren Verständnis für Nicht-Juristen anhand eines einfachen Beispiels:
Kunde 1 schloss zum 01.01. einen Grundversorgungsvertrag zum Preis von 5 Cent je kWh Gas ab. Zum 01.04., also 3 Monate später, erhöhte der Versorger den Preis von 5 auf 6 Cent. Gleichzeitig rügte Kunde 1 zurecht die Unbilligkeit der Preiserhöhung.
Die Theorie des Preissockels besagt nun, dass der Anfangspreis von 5 Cent wie in Stein gemeißelt feststehe und nicht mehr angreifbar sei, denn Kunde 1 und der Versorger hätten sich auf 5 Cent Preissockel geeinigt. Nur die gerügte Preiserhöhung von 1 Cent unterliege der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB.
Jetzt kommt Kunde 2 ins Spiel: dieser schloss beim gleichen Versorger ebenfalls zum 01.01. einen Grundversorgungsvertrag zum gleichen Preis ab. Im Gegensatz zu Kunde 1 hat Kunde 2 die Preiserhöhung zum 01.04. jedoch nicht zeitnah als unbillig gerügt.
Die Theorie des Preissockels besagt nun, dass aus dem anfänglichen Sockelpreis von 5 Cent zuzüglich der akzeptierten Preiserhöhung von 1 Cent ein neuer Preissockel von 6 Cent erwachsen sei, der ebenso wie in Stein gemeißelt feststehe.
Fazit:
Nach der Preissockel-Theorie gab es zum Zeitpunkt 01.04. bei diesem Versorger zwei Preissockel, nämlich einen von 5 Cent (Kunde 1) und einen von 6 Cent (Kunde 2).
Wer die Preissockel-Theorie verstanden hat, kann folgende kleine Denksportaufgabe lösen:
Wie viele verschiedene Preissockel kann es danach bei ein- und demselben Grundversorger geben?
Und weiter die Preissockel-Theorie auf dem Prüfstand der Lebenswirklichkeit:
Zum 01.07., also wiederum 3 Monate später, senkte der Versorger den Preis von 6 auf 4 Cent. Kunde 1 rügte die Preissenkung als unzureichend und deshalb als unbillig. Kunde 2 äußerte sich nicht.
Die Theorie des Preissockels besagt, dass es nun auch einen dritten Preissockel von 4 Cent gibt.
Fragen:
1. Wie hoch war der Preissockel zum 01.07. für Kunde 1, wie hoch war er für Kunde 2?
2. Wie viele verschiedene Preissockel sind aus rechtlicher Sicht bei ein- und demselben Grundversorger erlaubt?
Die Frage, welcher Preissockel denn korrekterweise anzusetzen wäre, wird u.a. dann relevant, wenn der Versorger einen Sondervertrag kündigt und den widerspenstigen Kunden gegen seinen erklärten Willen in die Grundversorgung einsortiert.
Siehe auch:
Original von bolli
... Da die EVUs derzeit ja gerade reichlich Verbraucher aus den Sonderverträgen schmeißen, da diese den neuen Verträgen nicht zustimmen, haben wir sicher eine gute Möglichkeit, einige passende Fälle zu bekommen, wenn wir die notwendigen Maßstäbe (er)kennen.