Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?  (Gelesen 142490 mal)

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Offline RA Lanters

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #45 am: 21. August 2009, 21:57:45 »
@ reblaus: sie machen es sich zu einfach. der sockelpreis ist eine erfindung des bgh, kein gesetz und wurde für einen anderen fall entwickelt.

das gesetz sagt: Die Einrede des § 315 BGB kann der Verbraucher geltend machen (17 GasGVV)

im gesetz steht nicht, der verbraucher muss den sockelpreis akzeptieren und kann nur bei preiserhöhungen die einrede geltend machen.

auch aus der rechtsprechung des bgh, die besagt, dass man einen preissockel akzeptieren kann/muss wenn man ihn nicht von anfang an gerügt hat, ergibt sich der umkehrschluss, dass dieser preissockel auch angegriffen werden kann, wenn man ihn von anfang an nicht akzeptiert. preissockel = anfangspreis.
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Offline Münsteraner

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #46 am: 21. August 2009, 21:58:44 »
@ bolli

Nach Auffassung des 8. Senats BGH soll es angesichts der unterstellten konkludenten Annahme des Sockelpreises offensichtlich unerheblich sein, ob dieser billig oder unbillig ist.

Denn der Verbraucher, der Gas entnimmt, habe mit seiner konkludenten Annahme diesen jedenfalls akzeptiert und damit auf eine Billigkeitseinrede nach 315 BGB verzichtet.

Wie schon oben angedeutet: wenn diese Rechtskonstruktion nicht gekippt wird, dürften viele unterinstanzliche Gerichte sich daran anhängen und zum Nachteil des beklagten Verbrauchers entscheiden. Es sei denn, dieser würde dem Gericht schon klageerwidernd so stichhaltige Argumente liefern, dass das Gericht sich veranlasst sähe, die bisherige BGH-Rechtssprechung in Zweifel zu ziehen.

Ich fände es deshalb höchst sinnvoll, wenn man hier im Forum mal intensiv  versuchen würde, die Rechtsauffassung des 8. Senats zu widerlegen und auch aufzuzeigen, dass diese zu Ergebnissen führt, die der Gesetzgeber so keinesfalls gewollt haben kann.

Offline RR-E-ft

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #47 am: 21. August 2009, 22:11:53 »
Zitat
Original von RA Lanters
@ reblaus: sie machen es sich zu einfach. der sockelpreis ist eine erfindung des bgh, kein gesetz und wurde für einen anderen fall entwickelt.

das gesetz sagt: Die Einrede des § 315 BGB kann der Verbraucher geltend machen (17 GasGVV)

im gesetz steht nicht, der verbraucher muss den sockelpreis akzeptieren und kann nur bei preiserhöhungen die einrede geltend machen.

auch aus der rechtsprechung des bgh, die besagt, dass man einen preissockel akzeptieren kann/muss wenn man ihn nicht von anfang an gerügt hat, ergibt sich der umkehrschluss, dass dieser preissockel auch angegriffen werden kann, wenn man ihn von anfang an nicht akzeptiert. preissockel = anfangspreis.

So kann man es sehen.

Der VIII.Zivilsenat hatte noch keinen Fall zu entscheiden, wo ein Kunde mit Anspruch auf Grundversorgung eine solche begehrt und die Allgemeinen Preise der Grundversorgung von Anfang an als unbillig rügt.

Dafür spricht auch, dass der VIII. Zivilsenat selbst sagt, dass aus der gesetzlichen Bindung der Allgemeinen Tarife an den Maßstab der Billigkeit eine gesetzliche Verpflichtung besteht, bei rückläufigen Kosten seit der letzten Tariffestsetzung  die Tarife zugunsten der Kunden anzupassen (VIII ZR 274/06, VIII ZR 225/07 und VIII ZR 56/08].

Gerade diese Anpassungspflicht spricht gegen den \"Preissockel\". Die Anpassungspflicht gilt gleichermaßen zugunsten aller grundversorgten Kunden und somit unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Denn die Allgemeinen Preise der Grundversorgung müssen gegenüber allen grundversorgten Kunden mit gleichem Abnahmefall jederzeit identisch sein.

Dafür kommt es wiederum darauf an, wie sich die Kosten seit der letzten Preisanpassung geändert haben. Die letzte Preisanpassung der Allgemeinen Preise der Grundversorgung kann genügend lange zurückliegen, so dass zwischen dieser und dem Abschluss des Grundversorgungsvertrages (bei dem dem bereits den Preisen widersprochen wird), jedenfalls eine gesetzliche Verpflichtung besteht, die Allgemeinen Preise der Grundversorgung zugunsten der grundversorgten Kunden abzusenken. Ob eine solche Verpflichtung tatsächlich  besteht, lässt sich indes nur beurteilen, wenn man die Kostenentwicklung seit der letzten Tariffestsetzung kennt....

reblaus blendet bei seinen Überlegungen wohl die v. g. gesetzliche Anpassungspflicht und die Tatsache aus, dass die Allgemeinen Preise der Grundversorgung für alle grundversorgten Kunden mit gleichen Abnahmeverhältnisses unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses immer identisch sein müssen.

Offline reblaus

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #48 am: 21. August 2009, 22:30:54 »
@RA Lanters
Die Rechtsprechung des BGH ist nunmal Realität und wird für jedes Grundversorgungsverhältnis Anwendung finden. Das mache ich mir nicht einfach, das ist einfach so.

@Bolli
Es hat bisher noch kein Verbraucher die Frage gestellt, wie lange eigentlich die Wartefrist bemessen sein muss, die der BGH beim Preissockel verlangt, und was eigentlich passiert, wenn innerhalb dieser Wartefrist der Versorger seine Preise erneut erhöht. Zieht er dann sein altes Angebot zurück?

Es hat noch niemand vorgetragen, dass andere, die bereits erfolgreich die Unbilligkeit eingewendet haben, deutlich günstigere Grundversorgungstarife zu bezahlen haben.

Es wurden auch noch keine Fälle entschieden, bei denen der Versorger 15% Umsatzrendite erzielt. Es hat auch noch kein Versorger vorgetragen, angesichts der fehlerhaften Preisfestsetzungen der Vergangenheit nun Grundversorgungstarife zu haben, mit denen das Unternehmen nicht überleben könne.

Wenn diese Fragen zur Entscheidung anstehen, wird der BGH seine Rechtsprechung vielleicht nochmals überdenken. Bis dahin müssen wir damit leben.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #49 am: 21. August 2009, 22:36:02 »
Zitat
Original von reblaus
@RA Lanters
Die Rechtsprechung des BGH ist nunmal Realität und wird für jedes Grundversorgungsverhältnis Anwendung finden. Das mache ich mir nicht einfach, das ist einfach so.

Wenn diese Fragen zur Entscheidung anstehen, wird der BGH seine Rechtsprechung vielleicht nochmals überdenken. Bis dahin müssen wir damit leben.


@reblaus

Gemeint ist wohl eine virtuelle Realität abhängig vom Gedankeninhalt einiger weniger Personen, der sich ändern kann und mit ihm sogleich die Realität, mit welcher alle anderen bis dahin jeweils leben müssen?
Da der BGH bis zum Juni 2007 nicht über die Anwendung der Billigkeitskontrolle auf Gastarifpreise entschieden hatte, musste man bis dahin mit der Realität leben, dass eine solche nicht stattfindet?  

Welche Folgen zeitigt nach Ihrer Auffassung eigentlich die gesetzliche Verpflichtung zur Preisanpassung bei rückläufigen Kosten seit der letzten Tariffestsetzung (VIII ZR 225/07, VIII ZR 56/08] und die Verpflichtung, alle grundversorgten Kunden mit gleichen Abnahmefällen unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses jederzeit zu identischen Preisen zu beliefern?

Die genannten Entscheidungen vom 15.07.2009 zur gesetzlichen Anpassungspflicht liegen wohl alle nach den \"Preissockel\"- Entscheidungen vom 08.07.2009, 19.11.2008, 13.06.2007.

Hat sich die virtuelle Realität dadurch nun  schon verändert oder muss man noch weiter warten?
Bestehen etwaig Möglichkeiten, die virtuelle Realität zu beeinflussen?

Wenn man als grundversorgter Kunde einem geänderten  Preis nicht zustimmen und sich nicht auf diesen einigen muss, dann muss man sich wohl auch nicht auf einen Anfangspreis einigen. Denn auch wenn man sich nicht auf einen geänderten Preis (gleich, ob herauf- oder herabgesetzt) einigt, bleibt der Grundversorgungsvertrag bestehen.

Offline Black

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #50 am: 22. August 2009, 00:02:20 »
Zitat
Original von RA Lanters
@ reblaus: sie machen es sich zu einfach. der sockelpreis ist eine erfindung des bgh, kein gesetz und wurde für einen anderen fall entwickelt.

das gesetz sagt: Die Einrede des § 315 BGB kann der Verbraucher geltend machen (17 GasGVV)

im gesetz steht nicht, der verbraucher muss den sockelpreis akzeptieren und kann nur bei preiserhöhungen die einrede geltend machen.

auch aus der rechtsprechung des bgh, die besagt, dass man einen preissockel akzeptieren kann/muss wenn man ihn nicht von anfang an gerügt hat, ergibt sich der umkehrschluss, dass dieser preissockel auch angegriffen werden kann, wenn man ihn von anfang an nicht akzeptiert. preissockel = anfangspreis.



1. Der BGH \"erfindet\" nichts, sondern legt das geltende Recht aus.

2. Der BGH hat eben nicht gesagt, dass man einen Preissockel akzeptiert, wenn man ihn nicht rechtzeitig rügt. Der BGH hat gesagt, dass man die Anpassung des Sockels akzeptiert, wenn man sie nicht rechtzeitig rügt. Den Sockel selber hat man nach Ansicht des BGH vertraglich vereinbart. Eine Vereinbarung ist aber etwas anderes als eine unterlassene Rüge. Wenn Sie die Vereinbarung von Anfang an als unbillig rügen fehlt es nicht nur an der einvernehmlichen Vereinbarung des Sockels sondern an einer kompletten vertraglichen Einigung über die Belieferung zu Grundversorgungspreisen.

(3. Die GVV ist kein Gesetz sondern eine Rechtsverordnung, aber das nur als Formalismus am Rande.)
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Offline RR-E-ft

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #51 am: 22. August 2009, 00:15:42 »
@Black

Dann handelt es sich wohl formalistisch um kein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht aus § 4 AVBV/ 5 GVV, sondern um ein verordnetes oder ergibt sich das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht doch eher unmittelbar aus § 10 EnWG 1998/ 36 Abs. 1 EnWG und somit aus einem Gesetz (so BGH KZR 29/06 Tz. 20)?

Welcher Sockel kann denn bei gesetzlicher Anpassungspflicht überhaupt gemeint sein?

Zitat
Wenn Sie die Vereinbarung von Anfang an als unbillig rügen fehlt es nicht nur an der einvernehmlichen Vereinbarung des Sockels sondern an einer kompletten vertraglichen Einigung über die Belieferung zu Grundversorgungspreisen.

Dieser Schluss ist nicht zwingend (BGH VIII ZR 240/90, VIII ZR 279/02).

Offline jroettges

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #52 am: 22. August 2009, 00:21:21 »
Nun scheint die Diskussion an den springenden Punkten angekommen zu sein.

Meine weiter oben gestellten Fragen sind nicht theoretischer Natur sondern die Sache ist, wohl nicht sehr überraschend, wie nachfolgend geschildert abgelaufen.

Der Versorger XYX hat fast nur Sonderverträge, allesamt ohne Preisanpassungsklauseln, sondern nur mit dem Versuch verseucht, sich durch Einbezug der ABVGasV ein einseitiges Preisbestimmungsrecht einzuräumen. Kommt er damit durch? WC!

Im ersten Quartal 2007 schickt der Versorger all seinen Kunden neue AGB, die die Position der Kunden gravierend schwächt (selbst eingeräumtes Recht, jederzeit die AGB zu ändern, Kündigung nur noch zu 2 Terminen im Jahr usw.), aber immer noch keine Preisanpassungsregeln enthält, die der damaligen und heutigen Rechtsprechung stand hielten.

Die Kunden, die diesen AGB widersprechen werden in die Grundversorgung II eingestuft und erhalten eine entsprechende Vertragsbestätigung, der postwendend widersprochen wird. Die Antwort auf diese Widersprüche lautet, man könne den alten Tarif nicht fortsetzen und daher werde die weitere Versorgung in der Grundversorgung erfolgen.

Die Kunden die nicht widersprochen haben, erhalten neue Verträge mit den neuen AGB. Haben sie diese mit ihrem Schweigen akzeptiert?

Das zuständige OLG zerreisst die AGB des Versorgers XYX im September 2008. Der Versorger geht in Revision beim BGH, die noch zur Verhandlung ansteht.

Wenn ich mir jetzt die Diskussion in diesem Faden anschaue, komme ich zu diesen Schlüssen und Fragen:

    - bevor die Diskussion über Preisanpassungsregeln (ausgelöst durch die EnWG-Novelle 2005) aufkam, waren alle Proteste und Kürzungen auf den Unbilligkeitsparagraphen §315  gestützt.

    - Die Einrede nach §315 hat also beim Preissockel  2003/2004 stattgefunden und wurde seither stets hilfsweise parallel zum Verlangen nach Preisanpassungsregeln gem §41 EnWG aufrecht erhalten.

    - der Versorger XYX hat Sonderverträge gekündigt (möglicherweise mit Recht), ohne dass es in dem betreffenden Versorgungsgebiet andere Anbieter gegeben hätte. Es blieb damals nur die Grundversorgung.

    - der Versorger hätte die widersprechenden Kunden nicht in die Grundversorgung schicken dürfen, sondern allenfalls in die Ersatzversorgung (@Black: richtig?) und nur noch längstens 3 Monate versorgen dürfen. Davon ist aber nie die Rede gewesen.

    - da der Widerspruch nach §315 die gesamte Zeit über bestand, kann es nicht im Frühjahr 2007 zu einem Grundversorgungsvertrag gekommen sein, denn es hat keine Einigung auf einen solchen Vertrag stattgefunden (@Black: richtig?).

    - da keine Einigung auf einen Grundversorgungsvertrag stattgefunden hat, ist auch kein neuer Preissockel akzeptiert worden (@Black: richtig?)

    - hätte der Versorger XYX in 2007 die widersprechenden Kunden in die Ersatzversorgung gekündigt, wäre damit auch kein neuer Preissockel vereinbart  gewesen (richtig?)

Man scheint also mit so locker aus der Hand geschüttelten Dogmen dem Kernproblem nicht entsprechen zu können.

Außerdem war und ist nun erneut, auch bei den Sondervertägen der §315 wieder in den Fokus gerückt.

Kommt also der Versorger XYX bei Gericht mit seiner Kündigung in die Grundversorgung (nun schon über 2 Jahre andauernd!) durch, sieht er sich automatisch wieder mit der Frage der Billigkeit konfrontiert. Auf welchem Preissockel denn?

Bei der Frage der Billigkeit sind aber die Bandagen sehr viel strammer geworden. Sie einfach mit Hinweis auf WP-Bescheinigungen oder Vergleichspreisen zu beweisen, das wird nicht durchgehen.

Auch die neuen Aspekte der Preisminderungspflicht aus den BGH-Urteilen und der gleichermaßen nach oben und unten anzulegenden sachlichen und zeitlichen Kriterien, werden den Versorger nicht schmecken.

Es wird nun erst richtig lustig!

Offline Black

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #53 am: 22. August 2009, 00:37:59 »
@jroettges

Ich denke die verschiedenen Möglichkeiten, der Rechtsfolgen einer Unbilligkeitseinrede von Anfang an wurden hier bereits mehrfach benannt.

Konkrete Einzelfälle eines bestimmten Versorgers XYX werde ich dagegen nicht diskutieren.
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Offline RR-E-ft

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« Antwort #54 am: 22. August 2009, 00:45:10 »
@jroettges

Zu einem konkreten Versorger XYX äußert sich Black freilich nicht, jedenfalls nicht hier.

Zitat
Original von jroettges

- hätte der Versorger XYX in 2007 die widersprechenden Kunden in die Ersatzversorgung gekündigt, wäre damit auch kein neuer Preissockel vereinbart  gewesen (richtig?)

Man kann Kunden nicht \"in etwas hinein\" kündigen, sondern allenfalls bestehende Sonderverträge form- und fristgerecht kündigen, wie Black zutreffend ausführte.  

Wie es nach Wirksamwerden der Kündigung weitergeht, insbesondere bei vorsorglichem Widerspruch gegen die Allgemeinen Preise der Grundversorgung, ist fraglich und wird hier heftig diskutiert.

Alle sind sich darüber einig, dass § 315 BGB allenfalls dann auf Sonderverträge anwendbar ist, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss vereinbart haben, dass ein Vertragsteil die Leistung nach Vertragsabschluss bestimmen soll oder zumindest Preisänderungsklauseln eines ganz bestimmten Inhalts gem. Art. 226 § 5 EGBGB iVm. § 305 II BGB wirksam in solche Sonderverträge einbezogen wurden, bei denen sich die Parteien bei Vertragsabschluss auf einen besonderen Preis geeinigt hatten.

Bei dem zur Revision anstehenden Urteil des OLGOL ist schon fraglich, ob überhaupt eine wirksame Einbeziehung gem. § 305 Abs. 2 BGB gegeben war. Fehlte es an dieser, kommt es auf die weiteren Fragen wohl auch nicht mehr an. Wurden AGB schon nicht wirksam in Sonderverträge  einbezogen, gibt es auch schon nichts zu zerreißen. Was nicht wirksam in einen Vertrag einbezogen wurde, muss nicht erst noch auf seinen Inhalt hin kontrolliert werden (Inhaltskontrolle).

Davon gedanklich fein zu trennen ist die Frage der Auswirkungen eines gesetzlichen Preisbestimmungsrechts, welches sich direkt aus dem EnWG ergibt (so BGH KZR 29/06 Tz. 20) bzw. aus dazu erlassenen Rechtsverordnungen (so BGH VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07, VIII ZR 314/07) bei einer Belieferung innerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht und dabei wiederum insbesondere die Frage, ob ein Kunde, der einen gesetzlichen Anspruch auf Belieferung gem. §§ 36, 2, 1 EnWG hat, den Ausgangspreis erfolgreich als unbillig rügen kann.

Die unterschiedlichsten Auffassungen dazu liegen \"auf dem Tisch\", jeweils mit mehr oder minder nachvollziehbaren und überzeugenden Begründungen.

U. a. Black meint, ein Vertrag könne ohne Einigung auf einen Preis nicht wirksam zustande kommen.

Es gibt jedoch die Möglichkeit eines wirksamen Vertragsabschlusses ohne Preisvereinbarung, wenn die Parteien nur vertraglich vereinbaren, eine von ihnen solle nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen, was zur unmittelbaren Anwendung des § 315 Abs. 1 und 3 BGB führt (BGH VIII ZR 138/07 Tz. 16).

Ein solches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, das zur unmittelbaren Anwendung des § 315 Abs. 1 und 3 BGB führt,  kann sich aber  auch aus einem Gesetz ergeben (BGH VIII ZR 36/06 Tz. 14/17).

Ich meine, das gesetzliche Preisbestimmungsrecht (und die damit verbundene gesetzliche Preisbestimmunsgpflicht) folge unmittelbar aus § 10 EnWG 1998/ § 36 EnWG (so auch BGH KZR 29/06 Tz. 20), auch wenn mir in BGH VIII ZR 36/06 noch anderes zugeschrieben wird.

Insoweit verfängt auch der Einwand von Black, dass es sich bei AVBV/ GVV um keine Gesetze, sondern nur um Verordnungen handelt. Selbst wenn die Verordnungen vollständig entfielen, bliebe immer noch das gesetzliche Preisbestimmungsrecht erhalten.

Aus diesem gesetzlichen Preisbestimmungsrecht ergibt sich m. E. auch die gesetzliche Verpflichtung, die Allgemeinen Preise gegenüber allen innerhalb einer gesetzlichen Versorgungspflicht belieferten Kunden einheitlich der Billigkeit entsprechend festzusetzen, was schon keinen Raum für individuelle Preisvereinbarungen mit einzelnen Kunden lässt, solche sogar zwingend ausschließt, a. A. [bedeutet anderer Ansicht] BGH VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07, VIII ZR 314/07. Individuelle Preisvereinbarungen liefen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 36 Abs. 1 EnWG zuwider, Allgemeine Preise festzusetzen, die gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind, und zu diesen aufgestellten Allgmeinen  Preisen jeden grundversorgungswilligen Haushaltskunden zu beliefern.  

Was der VIII.Zivilsenat des BGH teilweise auf den Kopf gestellt hat, gilt es nur wieder auf die Füße zu stellen:

Es gibt wirksame Verträge ohne Preisvereinbarung.

Ein gesetzliches Preisbestimmungsrecht, das zur unmittelbaren Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB  führt,  kann individuelle Preisvereinbarungen mit einzelnen Kunden sogar zwingend ausschließen.

So verhält es sich m.E. bei der Energieversorgung, jedoch nur im Bereich der Belieferung innerhalb einer gesetzlichen Versorgungspflicht, von welchem der Bereich der - der Vertragsfreihit unterliegenden -  Sonderverträge ganz klar zu unterscheiden ist.

Soweit der Kartellsenat des BGH (in KZR 36/04 Tz. 9 ff.) zutreffend  festgestellt hat, dass bei Preisen nach Art  Allgemeiner Tarife eine künstliche Aufspaltung der einheitlichen Preisvereinbarung in einen vertraglich vereinbarten Anfangspreis einerseits und einen einseitig bestimmten Folgepreis andererseits  zu willkürlichen Zufallsergebnissen führt und führen muss, lässt sich wohl schon sagen, dass der \"vereinbarte Preissockel\" eine Erfindung des VIII. Zivilsenats des BGH ist, auch wenn u. a. der Bankensenat des BGH früher ähnlichen Ideen anhing, von denen er aber wohl zwischenzeitlich abgerückt ist (vgl. XI ZR 78/08].

Der Gesetzgeber hat es zwingend ausgeschlossen, dass mit grundversorgten Kunden individuelle Preisvereinbarungen getroffen werden. Dem läuft die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH über getroffene Preisvereinbarungen ersichtlich zuwider, die auf individuelles Kundenverhalten (Widerspruch ja/ nein) abstellen möchte.

Der gesetzlichen Regelung der §§ 36, 2, 1 EnWG läuft es insbesondere zuwider, wenn einem gesetzlich versorgungspflichtigen EVU ein diesem besonders vorteilhafter (profitabler)  Allgemeiner Preis erhalten bleiben soll.

Offline bolli

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Sondervertrag gekündigt: Wie geht\'s weiter?
« Antwort #55 am: 22. August 2009, 09:02:56 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Der gesetzlichen Regelung der §§ 36, 2, 1 EnWG läuft es insbesondere zuwider, wenn einem gesetzlich versorgungspflichtigen EVU ein diesem besonders vorteilhafter (profitabler)  Allgemeiner Preis erhalten bleiben soll.
Na, da bin ich aber froh, dass ich Sie in der Vergangenheit doch richtig verstanden hatte bzw. doch keine Meinungsänderung vorliegt. Ich hatte zwischendurch das Gefühl, ich hätte was nicht mitbekommen.  =)

Zitat
Original von reblaus
Es hat bisher noch kein Verbraucher die Frage gestellt, wie lange eigentlich die Wartefrist bemessen sein muss, die der BGH beim Preissockel verlangt, und was eigentlich passiert, wenn innerhalb dieser Wartefrist der Versorger seine Preise erneut erhöht. Zieht er dann sein altes Angebot zurück?
Es hat noch niemand vorgetragen, dass andere, die bereits erfolgreich die Unbilligkeit eingewendet haben, deutlich günstigere Grundversorgungstarife zu bezahlen haben.
Es wurden auch noch keine Fälle entschieden, bei denen der Versorger 15% Umsatzrendite erzielt. Es hat auch noch kein Versorger vorgetragen, angesichts der fehlerhaften Preisfestsetzungen der Vergangenheit nun Grundversorgungstarife zu haben, mit denen das Unternehmen nicht überleben könne.
Wenn diese Fragen zur Entscheidung anstehen, wird der BGH seine Rechtsprechung vielleicht nochmals überdenken. Bis dahin müssen wir damit leben.

genau das meinte ich mit

Zitat
Original von bolli
...(ob tatsächlich unter Einbeziehung und mit Bedacht aller möglichen Konsequenzen, sei mal dahin gestellt)...

Um das zu ändern bzw. ihn zum Nachdenken zu bringen, muss man sich aber erstmal darauf berufen. Wenn alle nur noch gegen die Preiserhöhungen vorgehen und ncht mehr auch den Sockel differenziert mit angreifen (indem sie den gesamten Preis als unbillig rügen) wird sich auch an der BGH-Rechtsprechung zumindest des VIII. Senats diesbezüglich nichts tun.

Offline reblaus

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« Antwort #56 am: 22. August 2009, 09:33:27 »
@Bolli
Sie brauchen einen Fall mit dem passenden Sachverhalt dafür. Da hat der Einzelne nur beschränkt Einfluss darauf.

Offline Münsteraner

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« Antwort #57 am: 22. August 2009, 10:55:31 »
Angenommen, auch der Preissockel/Anfangspreis wäre einer Billigkeitsprüfung zu unterziehen. Was wäre dann im Hinblick auf den Gesamtpreis genau zu überprüfen?

- Die im Anfangspreis enthaltenen Preisanpassungen der Vergangenheit?
- Die für die Zukunft verlangten Preisanpassungen?
- Die Tatsache, dass der Preis der Grundversorgung erheblich höher liegt als der des bisherigen Sondervertrages, obwohl die Abnahmemenge gleich bleibt? (Ungleichbehandlung?)

Wobei ich mich zum Thema \"Billigkeit von Preiserhöhungen\" an eine BGH-Entscheidung (Az. ?) zu erinnern meine , dass eine Unbilligkeit nicht vorliege, wenn der Versorger lediglich eigene Kostensteigerungen weitergegeben hat. Damit wäre es für die EVU doch eigentlich ein Leichtes, sich aufmüpfige Verbraucher vom Hals zu halten: man bräuchte immer nur fein die (überhöhten) Preise der Vorlieferanten akzeptieren (vielleicht mit ein bißchen Pseudo-Verhandlung, damit der Schein gewahrt bleibt) und ansonsten über Unternehmensbeteiligungen oder sonstige Abreden dafür sorgen, dass man von den so gesicherten Mehrgewinnen der Vorlieferanten ebenfalls seinen Teil abbekommt.

Offline reblaus

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« Antwort #58 am: 22. August 2009, 11:24:03 »
@Münsteraner
Zitat
Original von Münsteraner Angenommen, auch der Preissockel/Anfangspreis wäre einer Billigkeitsprüfung zu unterziehen. Was wäre dann genau zu überprüfen?
Das ist eine Diskussion über ungelegte Eier.

Die von Ihnen zitierte Rechtsprechung beruht auf dem Sockelpreisprinzip. Auf diesen dürfen die Kostensteigerungen aufgeschlagen werden, Kostensenkungen müssen aber mit gleichem Maßstab abgezogen werden.

Die von Ihnen befürchteten Manipulationsversuche werden doch schon vorgenommen. So vereinbaren Versorger und Vorlieferant Rabatte, Marketingzuschüsse oder günstigere Bezugspreise für Industriegas, die die Gesamtbezugskosten deutlich verringern. Dem Privatkunden wird aber die nominale Preissteigerung für das sog. Kommunalgas genannt. Daraus errechnen die Versorger ihre Preissteigerungen.

Weiterhin wurden bis 2007 90% des gesamten an Regionalgasversorger gelieferten Gases über langlaufende Bezugsverträge geliefert, die im Bündel kartellrechtswidrig waren. Hierdurch wurde auf dem Bezugsmarkt der Wettbewerb ausgeschaltet.

Gegen diese Machenschaften wurden den Verbrauchern vom BGH nun wirksame Mittel an die Hand gegeben. Sie müssen nämlich nicht haarklein vortragen, welche Manipulationen im Einzelnen vorgenommen wurden, sondern es reicht, die Behauptungen des Versorgers mit Nichtwissen zu bestreiten. Dann muss der Versorger nachweisen, dass seine Kostenstruktur unter Berücksichtigung eventueller Rückflüsse oder geringerer Kosten für Sonderlieferungen die Preiserhöhung tatsächlich rechtfertigte. Er muss auch nachweisen, dass sein Bezugsvertrag überhaupt wirksam vereinbart wurde, und die Bezugskostensteigerungen auch tatsächlich geschuldet waren.

Bei all denjenigen Versorgern, die an solchen Praktiken teilgenommen haben, wendet sich das Sockelpreisprinzip gegen sie. Sie können dann möglicherweise Kostensteigerungen die in Teilen tatsächlich angefallen sind, nicht an die Verbraucher weitergeben, was ihre Gewinnmarge mindert. Sie müssen Rückzahlungen leisten, ohne die Kosten der Vorjahre nachträglich vermindern zu können. Sie haben die zusätzlich bei den Privatkunden erzielten Gewinne genutzt, um ihren Industriekunden wettbewerbsfähige Preise zu bieten. Diese Preise können sie nachträglich nicht mehr anpassen.

Nicht umsonst ist Black als Versorgeranwalt so interessiert daran, dass das Sockelpreisprinzip für den Fall durchbrochen werden soll, dass der Versorger mit dem Tarif Verluste macht. Diese Verluste drohen tatsächlich.

Offline userD0013

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« Antwort #59 am: 22. August 2009, 11:49:25 »
@ reblaus

Ist Ihnen tatsächlich auch schon aufgegangen, dass Black bei der Gegenseite ist? Hat aber lange gedauert! Aber mich zu dem Thema mit Oberlehrermanieren  (advocatus diaboli etc.) auf unterster Schublade anpöbeln, siehe hier:

Zitat
@hby
...
Wäre Black von der Gegenseite (sowas gibt es bei vernünftigen Anwälten gar nicht), dann wäre seine Strategie geradezu dämlich. Immerhin sorgt er beständig dafür, dass RR-E-ft sich auch mal mit einem gegensätzlichen Argument auseinandersetzen muss. Als Agent der Gegenseite müsste er aber darauf hinarbeiten, dass ein gegnerischer Anwalt möglichst falschen Rechtsauffassungen nachhängt.

 

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