Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?  (Gelesen 112817 mal)

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Offline RR-E-ft

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #210 am: 17. Juli 2009, 11:36:13 »
@Opa Ete

Zitat
@RR-E-ft
es gibt genug Verbraucher, die waren alle Tarifkunden und sind dann ohne eigenes zutun Sonderkunden geworden oder wurden zu Sonderkonditionen abgerechnet

Das weiß ich nicht. Das sind so Fragen, die die Gerichte erst noch zu klären haben werden. Sind sich die Parteien durch lang geübte Praxis darüber einig, dass die Belieferung nicht zu den Allgemeinen Preisen der Grundversorgung erfolgt und erfolgen soll undzwar zu Bedingungen, die der Versorger durch ordnungsgemäße Kündigung auch wieder beenden kann, dann wird man von einem Sondervertrag auszugehen haben. Ein Grundversorgungsvertrag lässt sich hingegen durch den Grundversorger gem. § 20 Abs. 1 Satz 3 GVV nicht durch ordnungsgemäße Kündigung beenden.

Offline Black

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #211 am: 17. Juli 2009, 12:36:41 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Das weiß ich nicht. Das sind so Fragen, die die Gerichte erst noch zu klären haben werden. Sind sich die Parteien durch lang geübte Praxis darüber einig, dass die Belieferung nicht zu den Allgemeinen Preisen der Grundversorgung erfolgt und erfolgen soll undzwar zu Bedingungen, die der Versorger durch ordnungsgemäße Kündigung auch wieder beenden kann, dann wird man von einem Sondervertrag auszugehen haben.

Ich habe da so meine Zweifel.

Sondervertrag und Grundversorgungsvertrag unterscheiden sich eben im Vertragsinhalt und nicht nur im Preis. Wenn ein Grundversorgungskunde - warum auch immer - zu einem Sondervertragspreis abgerechnet wurde muss dies keine Auswirkungen auf den restlichen Vertragsinhalt haben.

Wenn ich in einem Wohnhaus im Erdgeschoss ein Ladengeschäft miete und der Vermieter mir nach einer Weile statt der teuren Geschäftsraummiete nur die günstigere Wohnraummiete in Rechnung stell, bedeutet das nicht, das nun der gesamte Geschäftsraummietvertrag in einen Wohnraummietvertrag umgewandelt wurde.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #212 am: 17. Juli 2009, 12:52:07 »
@Black

Der gehörige rechtliche Unterschied liegt doch darin, dass sich der Versorger durch ordnungsgemäße Kündigung aus einem solchen Verragsverhältnis lösen kann, weil es gerade nicht Bestandteil der gesetzlichen Versorgungspflicht ist. Ein weiterer gehöriger rechtlicher Unterschied leigt darin begründet, dass es zur einseitigen Preisanpassung der wirksamen Einbeziehung einer wirksamen Preisanpassungsklsuel bedarf. Das sind doch eigentlich sehr gravierende Unterschiede, wie wir erst jüngst wieder aus Karlsruhe erfahren haben.

Zitat
Wenn ich in einem Wohnhaus im Erdgeschoss ein Ladengeschäft miete und der Vermieter mir nach einer Weile statt der teuren Geschäftsraummiete nur die günstigere Wohnraummiete in Rechnung stell, bedeutet das nicht, das nun der gesamte Geschäftsraummietvertrag in einen Wohnraummietvertrag umgewandelt wurde.

Gewiss nicht, sonst kündigt der Vermieter plötzlich noch wegen unzulässiger gewerblicher Nutzung vermieteten Wohnraums.  ;)

Offline courage

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #213 am: 18. Juli 2009, 15:13:06 »
Zitat
Original von RR-E-ft

Eine Klausel, die der gesetzlichen Regelung inhaltlich entspricht (vgl. BGH VIII ZR 36/06, KZR 2/07, VIII ZR 138/07), könnte etwa lauten:

Zitat
Der Lieferant ist zu folgenden Terminen berechtigt den Preis im Umfange eines seit dem vorhergehenden Termin zwischenzeitlich eingetretenen Bezugskostenanstiegs zu erhöhen, soweit dieser zur Anpassung an die Marktverhältnisse im Vorlieferantenverhältnis notwendig war und nicht durch rückläufige Kosten bei anderen preisbildenden Kostenfaktoren des Preissockels ausgeglichen werden konnte. Dabei gelten die Formalien des § 5 Abs. 2 und 3 GVV entsprechend. Der Lieferant ist zu den gleichen Terminen verpflichtet, zwischenzeitlich eingetretenen Kostensenkungen bei preisbildenden Kostenfaktoren des gesamten Preissockels  nach gleichen Maßstäben durch eine Preissenkung Rechnung zu tragen.
 
RR-F-ft
Wenn die Klausel darüber hinaus auch noch die preisbildenden Kostenfaktoren des bei Vertragsabschluss vereinbarten Preises und deren Gewichtung (Anteil) an diesem Preis  benennt, werden wohl nur wenige noch etwas auszusetzen haben.


Es bleiben viele Konfliktpunkte:
Wie soll der Verbraucher über folgende Fragen Klarheit erhalten, damit er prüfen kann, dass er nicht unangemessen benachteiligt wird?
Wie oft muss der Preis notwendigerweise angepasst werden? Täglich, wöchentlich, monatlich, quartalsweise, etc.?
Wie sind/waren die Marktverhältnisse im Vorlieferantenverhältnis? Was ist denn überhaupt mit Marktverhältnissen gemeint?
Wie erfährt der Verbraucher, dass beim Versorger zwischenzeitlich Kostensenkungen eingetreten sind?
Wie erkennt der Verbraucher, dass Kostensenkungen, z.B. beim Energiebezug von den verschiedenen Vorlieferanten oder z.B. im Hinblick auf Finanzierungskosten, eingetreten sind? Möglicherweise wurden solche Kostensenkungspotentiale aber (bewusst) nicht ausgeschöpft. Wer prüft das nach?

Offline tangocharly

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #214 am: 18. Juli 2009, 15:40:59 »
Zitat
Original von Black
Sondervertrag und Grundversorgungsvertrag unterscheiden sich eben im Vertragsinhalt und nicht nur im Preis. Wenn ein Grundversorgungskunde - warum auch immer - zu einem Sondervertragspreis abgerechnet wurde muss dies keine Auswirkungen auf den restlichen Vertragsinhalt haben.

Die Logik, warum man etwas dagegen haben muß, dass sich durch den Bestpreis  Vertragsinhalte verändern, ist ja schon klar:

Während man beim Grundversorgungskunden (GVK) die Preiserhöhung über die GasGVV durchquetscht, hätte man beim Sondervertragskunden (SVK) so seine Probleme, weil dort keine (wirksame, mangels Vereinbarung) Preisanpassungsklausel existierte.

Also müßte das EVU in der Tat dann seine Bestpreistarife gesondert anbieten. Dem GVK müßte man mitteilen: \"Hallo, wir haben da was Feines für dich. Du willst doch sicher für dein Gas weniger zahlen. Also unterschreib mal schön. Und auf die (besondere) Preisanpassungsklausel machen wir auch aufmerksam\".

D.h., bei den Bestpreisen haben die EVU\'s drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: (1) man will den Kunden möglichst lange halten (2) man will den Kunden möglichst lange in der Grundversorgung halten  (3) man will so wenig wie möglich administrativen Aufwand.

Ein Mischmasch, der auf Versorgerseite gewachsen ist. Dies mag zwar ein Rationalisierungsmodell sein, aber nicht Daseinsvorsorgemodell auf der Basis des Kontrahierungszwangs.

Vergessen wird dabei, dass die EVU\'s den Grundversorgungspreis anders (höher) kalkulieren dürfen, als ihre anderen Tarife, weil sie Jedermann bis zur Unzumutbarkeit ertragen müssen.
Vergessen wird, dass das gesetzliche Preisänderungsrecht (aus GasGVV) das Pendent zur Versorgungspflicht ist.
Vergessen wird, dass es seit jeher mehr SVK als GVK gibt und es Zeiten gab, wo EVU\'s intensiv deren Kundschaft mit Sonderverträgen beworben haben (bis 1998 ).

Dieses Modell fragt nicht: \"Kunde willst du GVK sein ?\". Dieses Modell fragt nur: \"EVU willst du so wenig wie möglich Aufwand ?\" Die Antwort liegt auf der Hand. Nur, dass der BGH am 29.04.2008 für die SVK ein Fanal gesetzt hat, das war nicht (unbedingt) zu erwarten gewesen (und weckte die EVU\'s aus ihrem \"Dornröschen-Schlaf\"). In der Folge sieht man sich dann halt nun veranlasst alle, auch den fiktiven Haushaltskunden mit 100.000 kWh/a, zum GVK zu küren.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline nomos

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #215 am: 18. Juli 2009, 16:13:43 »
Zitat
Original von tangocharly
...... Vergessen wird dabei, dass die EVU\'s den Grundversorgungspreis anders (höher) kalkulieren dürfen, als ihre anderen Tarife, weil sie Jedermann bis zur Unzumutbarkeit ertragen müssen.
Vergessen wird, dass das gesetzliche Preisänderungsrecht (aus GasGVV) das Pendent zur Versorgungspflicht ist.
Vergessen wird, dass es seit jeher mehr SVK als GVK gibt und es Zeiten gab, wo EVU\'s intensiv deren Kundschaft mit Sonderverträgen beworben haben (bis 1998 ).
    Warum dürfen EVU\'s den Grundversorgungspreis höher kalkulieren? Abgesehen von der durch nichts gerechtfertigten höheren Konzessionsabgabe sehe ich beim vergleichbaren Verbraucher keine Kalkulationsunterschiede. Ich sehe gerade in der Grundversorgung, weil sie ein Pendent zur Versorgungspflicht ist, die ja einen Grundbedarf für die Menschen sichern soll, auch und gerade die Verpflichtung zur möglichst preisgünstigen Versorgung. Außerdem wird die Frage was es mehr gibt, SVK oder GVK, extrem unterschiedliche beantwortet. Klarheit scheint nicht gegeben.

    Das jüngste BGH-Urteil bringt sie auch nicht:

Zitat
Ein missverstandenes BGH-Urteil: Tatsächlich betrifft das Urteil jedoch den eher seltenen Fall, dass Kunde und Versorgungsunternehmen einen Sondervertrag geschlossen haben.
hier klicken und weiterlesen

Warum kommunale Stadtwerke unter den gegebenen Bedingungen die Grundversorgung nicht günstiger anbieten als vergleichbare Sonderverträge erschliesst sich mir ohnehin nicht. Die Kommunen haben von der Grundversorgung dank der körperschaftsteuerfreien Konzessionsabgabe nur Vorteile.  Abgaben und sogenannte Abgaben, Steuern und Kosten und die Kalkulation. Entscheidend bleibt immer, was unterm Strich rauskommt. [/list]

Offline tangocharly

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« Antwort #216 am: 18. Juli 2009, 19:00:16 »
Zitat
@nomos
Warum dürfen EVU\'s den Grundversorgungspreis höher kalkulieren? Abgesehen von der durch nichts gerechtfertigten höheren Konzessionsabgabe sehe ich beim vergleichbaren Verbraucher keine Kalkulationsunterschiede. Ich sehe gerade in der Grundversorgung, weil sie ein Pendent zur Versorgungspflicht ist, die ja einen Grundbedarf für die Menschen sichern soll, auch und gerade die Verpflichtung zur möglichst preisgünstigen Versorgung. Außerdem wird die Frage was es mehr gibt, SVK oder GVK, extrem unterschiedliche beantwortet. Klarheit scheint nicht gegeben.

dort nachlesen
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline nomos

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« Antwort #217 am: 18. Juli 2009, 19:57:24 »
Zitat
Im Ansatz besteht zwar Einigkeit darin, dass es sich um einen Tarifkunden handelt, wenn der Vertrag im Rahmen der Grundversorgung abgeschlossen worden ist, während Sondervertragskunden zu anderen, im Allgemeinen günstigeren Bedingungen versorgt werden. Die genaue Abgrenzung zwischen ihnen ist jedoch streitig, insbesondere dann, wenn der Kunde zu allgemeinen veröffentlichten Tarifen, die gegenüber dem „Grundtarif` Vergünstigungen, insbesondere Mengenrabatte, enthalten, beliefert wird (vgl. KG, Urteil vom 28.10.2008 — 21 U 160/06 — juris m.w.N.).

(2) Die Abgrenzung hat nach generellen, objektiven Kriterien stattzufinden........

4) Darauf, dass nur die Versorgung zu dem „allgemeinsten\" Tarif als Tarifkundenvertrag anzusehen ist, deutet schließlich die Vorschrift des § 10 EnWG 1998, § 36 EnWG 2005 hin. Danach trifft den Grundversorger die Pflicht, alle Interessierten bis zur Grenze der Unzumutbarkeit anzuschließen. Der für die Grundversorgung maßgebliche Tarif muss daher auch diesen Fallkonstellationen Rechnung tragen und daher im Verhältnis zu anderen Tarifen — besonders hoch kalkuliert sein (vgl. KG, a.a.O., Rdnr. 66, zitiert nach juris).
    @tangocharly, schwierig und immer noch nicht absolut geklärt scheint mir diese Abgrenzung, trotz vieler Urteilen (u.a. BGH) und ausgefeilter juristischer Interpretationen u. a. auch hier im Forum!

    @tangocharly, ja , der Verweis (
„allgemeinster\" Tarif) zielt doch auf die Definition der \"Grundversorgung\", die nur vom reinen Kochgaskunden mit Kleinstverbrauch ausgehen kann. Da gibt es sicher irgendwo eine Grenze der Unzumutbarkeit für den Versorger, wo er dann trotz grundsätzlicher Versorgungspflicht auf die Gasflasche oder die Stromkochplatte verweisen darf. Solche Kleinsttarife haben ja alle einen sehr hohen Preis für die Energieeinheit. Solche Tarifgestaltungen wirken aber eigentlich gegen die Ziele der Bundesregierung Energie einzusparen, da sie das Gegenteil von einem Anreiz zum Sparen bewirken. Je geringer der Verbrauch, je höher der Preis für die Energieeinheit.

Die Lieferung an einen Haushaltskunden, der mit Gas kocht und heizt und im Jahr z.B. 12000 oder 20000 kWh verbraucht kann damit nicht gemeint sein. Ich sehe keinen Unterschied, weder bei den Kosten noch bei der Zumutbarkeit der Belieferung. Wo soll da ein nennenswerter Kostenunterschied zwischen einer Grundversorgung und einem preisvariablem Sondervertrag liegen? Beide zahlen mit Lastschrifteinzug, die Leitungen und die Zähler unterscheiden sich auch nicht, ein unterschiedliches Gas wird nicht geliefert.
Wo sind sie, die generellen, objektiven Kriterien?

Das Thema wird uns erhalten bleiben und die Versorger haben es mit der Unterscheidung ja auch nicht leicht:

Die Kunden in der Ersatz- und Grundversorgung und die ohne Sondervertrag!
Hier ein aktuelles Beispiel einer Anzeige:

[/list]

Offline RR-E-ft

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #218 am: 18. Juli 2009, 23:56:44 »
@nomos

Derzeit gibt es oftmals Stilblüten zu lesen.

Sondervertragskunde ist, wer nicht Tarifkunde ist.
Nach dem EnWG 2005 erfolgt die Belieferung auf vertraglicher Grundlage entweder in der Grundversorgung oder außerhalb dieser aufgrund eines Sondervertrages. Dann gibt es noch die zeitlich befristete Belieferung ohne vertragliche Grundlage, die sich Ersatzversorgung nennt.

Die Grundversorgung gem. § 36 I EnWG betrifft die gesetzliche Versorgungspflicht gegenüber Haushaltskunden im Sinne von § 3 Nr. 22 EnWG.

Möglicherweise lebt noch eine andere Spezies von Kunden außerhalb der Grundversorgung ohne Sondervertrag, nämlich urige Tarifkunden im Sinne von § 116 EnWG.

Das sind Nicht- Haushaltskunden, die bis zum Inkrafttreten des EnWG 2005 als Tarifkunden beliefert wurden.

Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn in einem Büro einer Welt GmbH & Co KG a. A. im Büro das Kaffewasser mit Gas erhitzt wird, Gas dort nur zum Kaffekochen o. ä. benutzt wird.  Fraglich ob es solche Kunden mit Rücksicht auf § 116 Satz 2 EnWG noch gibt.

Es gibt also fünf Kategorien von Kunden

auf vertraglicher Grundlage:

1. Grundversorgung für Haushaltskunden § 36 EnWG
2. Sonderverträge
2.1. Sondervertrag mit Haushaltskunden gem. § 41 EnWG
2.2. Sondervertrag mit Nicht- Haushaltskunden (gesetzlich nicht gereglt)
3. urige Tarifkunden gem. § 116 EnWG, sofern es sie noch gibt,

ohne vertragliche Grundlage:

zeitlich befristete Ersatzversorgung gem. § 38 EnWG.

Offline bolli

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #219 am: 19. Juli 2009, 12:04:12 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Dann gibt es noch die zeitlich befristete Belieferung ohne vertragliche Grundlage, die sich Ersatzversorgung nennt.
Mich würde mal interessieren, woran sich die Ersatzversorgung formal festmacht ?
Wenn ein Grundversorgungsvertrag schon durch die Entnahme von Gas aus dem Leitungsnetz festmacht, ohne das ein schriftlicher Vertrag existiert, wie kann man dann die Ersatzversorgung von der Grundversorgung abgrenzen (außer den Fall, dass der Versorger einem ausdrücklich mitteilt, dass man für x Monate in der Ersatzversorgung geführt wird) ?

Gruß
bolli

Offline nomos

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #220 am: 19. Juli 2009, 12:55:03 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Möglicherweise lebt noch eine andere Spezies von Kunden außerhalb der Grundversorgung ohne Sondervertrag, nämlich urige Tarifkunden im Sinne von § 116 EnWG.

Das sind Nicht- Haushaltskunden, die bis zum Inkrafttreten des EnWG 2005 als Tarifkunden beliefert wurden.

Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn in einem Büro einer Welt GmbH & Co KG a. A. im Büro das Kaffewasser mit Gas erhitzt wird, Gas dort nur zum Kaffekochen o. ä. benutzt wird.  Fraglich ob es solche Kunden mit Rücksicht auf § 116 Satz 2 EnWG noch gibt.
    @RR-E-ft, wirklich faszinierend, wie Sie immer wieder die Sache auf den Punkt bringen. Besser kann man die Exotik dieser 116er-Kunden nicht aufzeigen. Eine mit Gas kaffeekochende Welt GmbH & Co KGaA muss man sich erst einmal bildlich vorstellen.

    Sollte ein
UmWeltladen gemeint sein, dann hätte ich eher Tee statt Kaffee und eine irische Ltd erwartet, die solls ja schon für um die 50 EURO geben.   In Crailsheim vermute ich weder die mit Gas kochende GmbH & Co KGaA noch ein Weltunternehmen mit anderer exotischer Rechtsform.  =) Die Konfusion ist die Wurzel der Formulierung![/list]

Offline Ronny

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #221 am: 20. Juli 2009, 08:47:11 »
@ Fricke

Zitat
@Ronny

Ich meine, meine Argumente vorgetragen zu haben.
Sie sind aber nicht auf meine Argumente eingegangen, sondern wiederholen nur ihre Thesen, die inhaltlich leicht zu widerlegen sind.

These 1:
Zitat
Wenn eine Preisanpassungsklausel den Inhalt des Preisanpassungsrechts nicht eindeutig und für den durchschnittlichen Verbraucher verständlich ausgestaltet, hält sie einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB nicht stand. der Umfang und Inhalt des Preisanspassungsrechts darf also nicht zweifelhaft, sondern muss eindeutig geregelt sein.
Anders der BGH - das höchste deutsche Zivilgericht -, welches sagt, dass eine unveränderte Wiedergabe des § 5 Abs. 2 GasGVV einer Inhaltskontrolle standhält.

Zitat
BGH:
Er hat weiter entschieden, dass eine Preisanpassungsklausel, die das im Bereich der Grundversorgung bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 5 Abs. 2 GasGVV unverändert in einen Normsonderkundenvertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, einer Inhaltskontrolle standhält.
Eindeutiger in der Formulierung geht es nicht mehr. Da ist es doch vollkommen sinnlos, ältere BGH-Urteile zu zitieren, die sich nicht auf den hier vorliegenden Sonderfall des Leitbildgedankens der GasGVV bezieht. Diese Rechtsprechung mag Ihnen nicht gefallen, aber den Forumsmitgliedern vorzugaukeln, dass diese Rechtsprechung bedeutungslos sei, ist unseriös.

These 2:
Zitat
§ 315 BGB findet unzweifelhaft auch keine direkte Anwendung, wenn sich die Parteien bei Abschluss des Vertrages auf einen Preis geeinigt haben.

Dies leiten Sie aus einem aus dem Zusammenhang gerissenen Zitat des BGH ab. Hier das vollständige Zitat:

Zitat
a) [...] Eine Preiserhöhung kann zwar auch deshalb der Billigkeit widersprechen, weil die bereits zuvor geltenden Tarife des Gasversorgers unbillig überhöht waren und das Gasversorgungsunternehmen dies im Rahmen einer von ihm nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung über eine Weitergabe gestiegener Bezugskosten hätte berücksichtigen müssen. Das gilt jedoch nicht, wenn die Preise bis zu der streitgegenständlichen Preiserhöhung von dem Versorger nicht einseitig festgesetzt, sondern zwischen den Parteien vereinbart worden sind (aaO, Tz. 28 f.). Vertraglich vereinbarte Preise für die Lieferung von Gas unterliegen einer Billigkeitskontrolle weder in unmit-telbarer noch in analoger Anwendung von § 315 BGB. [...]

aa) Eine unmittelbare Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrages die Leistung bestimmen. Daran fehlt es, wenn zwischen den Parteien eine vertragliche Einigung über den Preis zustande gekommen ist. [...].

Der Ausschluss des § 315 BGB bezieht sich also nur auf die Preise, die zu Anfang galten bzw. auf die Preisänderungen, denen den der Kunde zugestimmt hatte. Preisänderungen, denen der Kunde widersprochen hatte, sind selbstverständlich auf Billigkeit zu überprüfen.

Was sagen Sie denn zu dem fett-kursiv gedrukten Satz? Dort steht, dass bei Preisänderungen § 315 BGB Anwendung findet. Warum haben Sie den denn bei Ihren Ausführungen \"vergessen\"?

Es ist aber beruhigend, dass nicht nur Black und ich Ihre Ausführungen kritisch hinterfragen, sondern auch Reblaus.

Ronny

Offline RR-E-ft

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« Antwort #222 am: 20. Juli 2009, 13:27:33 »
@Ronny

Der Senat hat mehrfach entschieden, dass die unmittelbare  Anwendung des § 315 BGB zur Voraussetzung hat, dass die Parteien ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB vertraglich vereinbart haben. Weiter hat der Senat entschieden, dass sich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von  § 315 Abs. 1 BGB, welches zur unmittelbaren Anwendung der Norm führt, auch aus einem Gesetz ergeben kann. § 4 AVBGasV sei eine solche gesetzliche Regelung, die jedoch nur auf Tarifkunden Anwendung findet, § 1 AVBGasV.

Für eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB sieht der Senat daneben keinen Raum.

Der Senat hat mehrfach entschieden, dass jedoch dann, wenn sich die Parteien bereits auf einen Preis geeinigt haben, zwischen ihnen gerade kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB vertraglich vereinbart wurde (vgl. nur BGH, Urt. v. 13.06.2007 VIII ZR 36/06 Tz. 32 und Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 16). Völlig unbestritten ist, dass der Gesamtpreis von Anfang an insgesamt einer Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB unterliegt, wenn die Parteien ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB vertraglich vereinbart haben (vgl. nur BGH, aaO.).

Offline Black

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« Antwort #223 am: 20. Juli 2009, 13:34:50 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Der Senat hat mehrfach entscheiden, dass dann, wenn sich die Parteien bereits auf einen Preis geeinigt haben, zwischen ihnen gerade kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB vertraglich vereinbart wurde (vgl. nur BGH, Urt. v. 13.06.2007 VIII ZR 36/06 Tz. 32 und Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 16).

Sie schummeln.

Der BGH hat mehrfach entschieden, dass eine Kombination aus vertraglich vereinbartem Anfangspreis und einseitigem (gesetzlichen) Preisänderungsrecht in der Grundversorgung besteht.

Der BGH hat damit NICHT gesagt, dass eine Kombination aus vertraglich vereinbartem Anfangspreis und einseitigem vertraglichen Preisänderungsrecht nicht möglich ist. Da in der Grundversorgung das einseitige Preisänderungsrecht unstreitig aus dem Gesetz und nicht aus Vertrag folgt lag dieser Fall schlichtweg (noch) nicht zur Entscheidung vor.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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« Antwort #224 am: 20. Juli 2009, 13:43:09 »
@Black

Warum sollte ich schummeln?

Zitat
BGH VIII ZR 138/07 Tz. 16

Eine unmittelbare Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrages die Leistung bestimmen. Daran fehlt es, wenn zwischen den Parteien eine vertragliche Einigung über den Preis zustande gekommen ist.

Das besagt zum einen, dass der Preis von Anfang an einer Billigkeitskontrolle unterliegt, wenn die Parteien ein einseitiges Leistungbsetimmungsrecht vereinbart haben, ebenso wie es besagt, dass es an der vertraglichen Vereinbarung eines solchen  einseitigen Leistungsbestimmungsrechts gerade dann fehlt, wenn sich die Parteien bereits auf einen Preis geeingt haben.

 

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