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Autor Thema: Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?  (Gelesen 112794 mal)

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Offline nomos

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #195 am: 16. Juli 2009, 17:31:27 »
@RR-E-ft, wir haben doch jetzt aber noch den § 315 BGB. Sie schreiben selbst, dass der Versorger an den Maßstab der Billigkeit gebunden ist. Das ist doch dann auch beim hier diskutierten Normsondervertrag  der Fall. Wir haben doch die gesetzliche Regelung im 315 BGB?

Das gibt Arbeit für die Gerichte!? Ich Frage mich bei dem ganzen Chaos immer noch, wo bleibt die Politik, der Gesetzgeber mit eindeutigen zweifelsfreien Regelungen? Die Energieversorgung der Menschen ist doch kein unbedeutendes Randthema!

Offline Black

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #196 am: 16. Juli 2009, 17:31:42 »
Zitat
Original von RR-E-ft
@Black

Gewiss gehören Sie zu jenen, die den Inhalt des gesetzlichen Preisänderungsrechts  bereits vor den entsprechenden Entscheidungen des BGH kannten, weil Sie  diesbezüglich nicht am Wortlaut der gesetzlichen Regelung klebten.

Ich gehöre zu denen, die bereits vor den aktuellen BGH Entscheidungen eine Übertragung des gesetzlichen Anpassungsrechtes für zulässig gehalten haben.

Ich gehöre gleichfalls zu denen, die eine Übertragung der BGH Rechtsprechung zur widerspruchslosen Hinnahme von Tarifpreisanpassungen auf Sonderverträge befürwortet haben.

Und ich gehöre derzeit zu denjenigen, die eine Tarifumstrukturierung bei Verlustgeschäften für zulässig halten.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline nomos

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« Antwort #197 am: 16. Juli 2009, 17:37:52 »
Zitat
Original von Black
Und ich gehöre derzeit zu denjenigen, die eine Tarifumstrukturierung bei Verlustgeschäften für zulässig halten.
    @Black, wenn der Obsthändler zuviel und/oder zu teuere Bananen  eingekauft hat, kann er das nicht über den Preis regeln. Die Bananen werden eher billiger und nicht teuerer. So funktioniert Marktwirtschaft?

Offline Black

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #198 am: 16. Juli 2009, 17:40:54 »
Zitat
Original von nomos
@RR-E-ft, wir haben doch jetzt aber noch den § 315 BGB. Sie schreiben selbst, dass der Versorger an den Maßstab der Billigkeit gebunden ist. Das ist doch dann auch beim hier diskutierten Normsondervertrag  der Fall. Wir haben doch die gesetzliche Regelung im 315 BGB?

RR-E-ft scheint nicht mehr so Recht an den erfolg des § 315 BGB zu glauben. Das mag daran liegen, dass bei einem solchen Verfahren ein hohes Kostenrisiko besteht (teure Sachverständigengutachten), während man bisher als Sonderkunde nur behaupten mußte die Preisklausel sei irgendwie nichtig.

Die Zeiten sind dann bald vorbei. Derzeit möchte noch jeder Kunde gerne Sonderkunde gewesen sein. Und wenn er als Nachweis dafür lediglich einen Sonderschulabschluss vorlegen könnte.  :D
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Offline RR-E-ft

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #199 am: 16. Juli 2009, 17:43:01 »
@nomos

Zitat
Original von RR-E-ft
@nomos

Der Inhalt des gesetzlichen Preisänderungsrechts ergibt sich deshalb nicht aus aus dem Gesetzeswortlaut selbst.

Ein vertraglich vereinbarter Preis ist hingegen nicht gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden.

@Black

Ich bin sehr dafür, § 315 BGB dort unmittelbar anzuwenden, wo die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung vorliegen:

a)
gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB (Tarifkunden/ Grundversorgung)

b)
vertraglich vereinbartes Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB, führt zur Gesamtpreiskontrolle (VIII ZR 138/07 Tz. 16)

Da sind wir uns wohl einig.

Ich würde a) und b) bekanntermaßen gleichbehandeln wollen undzwar wie b).

Da sind wir uns nicht einig.

Bei Sonderverträgen  geht es hingegen zunächst um die Fragen der wirksamen Einbeziehung gem. Art. 229 § 5 EGBGB iVm. § 305 II BGB und um der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB von Preisänderungsklauseln.

Da sind wir uns wohl einig.

Ich entnehme der Entscheidung vom 19.11.2008 (VIII ZR 138/07 Tz. 16), dass bei Sonderverträgen die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung des § 315 BGB wohl nur in Ausnahmefällen vorliegen können.

Da sind wir uns wohl einig.

Möglicherweise stellen Sie sich insoweit eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB vor, wofür wohl zunächst zu prüfen wäre, ob die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Norm überhaupt vorliegen. Zu letzterer Frage gibt es ja Literatur en masse. (Schade um den Regenwald.)

Im Ernst:

Wenn die Klausel einer Inhaltskontrolle standhält, dann muss man das Recht zur  vorgenommenen Preisänderung oder die Verpflichtung, eine unterlassene Preisänderung vorzunehmen, anhand der Klausel selbst (gerichtlich) kontrollieren.

Eine Klausel, die der gesetzlichen Regelung inhaltlich entspricht (vgl. BGH VIII ZR 36/06, KZR 2/07, VIII ZR 138/07), könnte etwa lauten:

Zitat
Der Lieferant ist zu folgenden Terminen berechtigt den Preis im Umfange eines seit dem vorhergehenden Termin zwischenzeitlich eingetretenen Bezugskostenanstiegs zu erhöhen, soweit dieser zur Anpassung an die Marktverhältnisse im Vorlieferantenverhältnis notwendig war und nicht durch rückläufige Kosten bei anderen preisbildenden Kostenfaktoren des Preissockels ausgeglichen werden konnte. Dabei gelten die Formalien des § 5 Abs. 2 und 3 GVV entsprechend. Der Lieferant ist zu den gleichen Terminen verpflichtet, zwischenzeitlich eingetretenen Kostensenkungen bei preisbildenden Kostenfaktoren des gesamten Preissockels  nach gleichen Maßstäben durch eine Preissenkung Rechnung zu tragen.
 

Wenn die Klausel darüber hinaus auch noch die preisbildenden Kostenfaktoren des bei Vertragsabschluss vereinbarten Preises und deren Gewichtung (Anteil) an diesem Preis  benennt, werden wohl nur wenige noch etwas auszusetzen haben.

Die Voraussetzungen für eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB \"im Zweifel\" liegen dann nicht vor, weil die Klausel selbst das Preisänderungsrecht und die Preisänderungspflicht inhaltlich konkreter  regelt.

Hält also eine Klausel der Inhaltskontrolle stand, so erfolgt die Kontrolle anhand der tatbestands- und rechtsfolgenseitigen Bestimmungen der vertraglichen Klausel selbst und nicht mehr am Maßstab der Billigkeit gem. § 315 BGB.

Dogmatisch sauber. Oder wollen Sie jetzt wieder der entsprechenden Anwendung des § 315 BGB das Wort reden?!

Nach alldem gelangen wir bei Sondervertragskunden nicht zur Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB, weil die Voraussetzungen dafür schon nicht vorliegen, es sei denn, es handelt sich um den Fall, der in VIII ZR 138/07 Tz. 16 im ersten Satz beschrieben ist.

Zitat
BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 16

Eine unmittelbare Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrages die Leistung bestimmen.
Daran fehlt es, wenn zwischen den Parteien eine vertragliche Einigung über den Preis zustande gekommen ist.

Offline Black

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Leitbildfunktion der AVB/GVV - Doppelte Verneinung = Bejahung?
« Antwort #200 am: 16. Juli 2009, 17:57:31 »
Zitat
Original von nomos
@Black, wenn der Obsthändler zuviel und/oder zu teuere Bananen  eingekauft hat, kann er das nicht über den Preis regeln. Die Bananen werden eher billiger und nicht teuerer. So funktioniert Marktwirtschaft?

Ach wirklich?

Zitat
Original von Focus zur Euroeinführung 2002
Obst und Gemüse sind für viele Deutsche zurzeit ohnehin ein Reizthema. Ein Kilo Braeburn-Äpfel für 3,50 Euro, eine Clementine für einen Euro, das Kilo Strauchtomaten für 15 Euro? 100 Gramm Rucola zu 5,80 Euro? Selbst Händler geraten da ins Grübeln: „Die Preise sind ganz schön happig“, gibt die Kölner Marktfrau Iris Krohnen zu. Zucchini, Brokkoli oder Eissalat kosteten nach Angaben der Zentrale Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) im Januar zum Teil mehr als doppelt so viel wie ein Jahr zuvor. Ursache, so versichern Produzenten, Lieferanten und Händler seit Wochen unisono, sei das schlechte Wetter in Südeuropa. Von dort komme im Winter schließlich das meiste Obst und Gemüse.

http://www.focus.de/finanzen/news/euro-teuer-bezahlt_aid_206517.html
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Offline nomos

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« Antwort #201 am: 16. Juli 2009, 18:00:24 »
Zitat
Original von RR-E-ft
@nomos

Zitat
Original von RR-E-ft
@nomos

Der Inhalt des gesetzlichen Preisänderungsrechts ergibt sich deshalb nicht aus aus dem Gesetzeswortlaut selbst.

Ein vertraglich vereinbarter Preis ist hingegen nicht gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden.
    Sorry, wenn ich da immer noch nicht folgen kann. Ich gehe bei der Einbeziehung der GVV-Klausel davon aus, dass gerade kein Preis vereinbart wird, sondern analog der Grundversorgung die Preisbestimmung im Sinne des § 315 BGB durch den Versorger erfolgen soll.  Ist das denn falsch?

Zitat
Original von Black
Ach wirklich?
    Ja wirklich! 25 cent sind aktuell kostendeckend beim reichlich vorhandenen Salat. Für 9 cent wird er verkauft. Da steht der Kaufmann oder Bauer vor der Frage, vernichten oder wenigstens mit einem Deckungsbeitrag verkaufen: Mal was für die
BILDung   ;)[/list]

Offline RR-E-ft

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« Antwort #202 am: 16. Juli 2009, 18:16:52 »
@nomos

Da haben Sie etwas falsch verstanden. Der Sondervertrag zeichnet sich gerade dadurch aus, dass bei Vertragsabschluss ein Sonderpreis vertraglich vereinbart wurde und sich dann die Frage stellt, ob in dem Vertrag darüber hinaus ein wirksames Recht vereinbart wurde, diesen vereinbarten Sonderpreis  nachträglich einseitig abzuändern (wirksame Preisänderungsklausel?).

Sonderverträge unterliegen dem Allgemeinen Vertragsrecht. Eine gesetzliche Versorgungspflicht besteht dabei ebenso wenig wie eine gesetzliche Bindung des Tarifs an den Maßstab der Billigkeit.

Zitat
Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, war die Beklagte nicht unmittelbar nach der - im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Preiserhöhungen noch geltenden - Vorschrift des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV zur Preisänderung berechtigt, weil es sich bei dem Kläger nicht um einen Tarifkunden im Sinne von § 1 Abs. 2 AVBGasV handelt. Der Senat hat entschieden, dass es für die Unterscheidung zwischen Tarifkundenverträgen im Sinne von § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 1 Abs. 1 AVBGasV (jetzt Grundversorgungsverträgen im Sinne von § 36 Abs. 1 EnWG 2005) und Normsonderkundenverträgen mit Haushaltskunden darauf ankommt, ob das Versorgungsunternehmen – aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers – die Versorgung zu öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften anbietet oder ob das Angebot unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit erfolgt. Aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergibt sich eindeutig, dass der Vertrag mit dem Kläger danach als Sonderkundenvertrag einzustufen ist. Eine einseitige Preisänderung durch die Beklagte hätte deshalb nur auf der Grundlage einer wirksamen Preisanpassungsklausel erfolgen können.

Die Voraussetzung für eine unmittelbare Anwendung des § 315 BGB liegen bei einem Sondervertrag nicht vor.

Zitat
BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 16

Eine unmittelbare Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrages die Leistung bestimmen.
Daran fehlt es, wenn zwischen den Parteien eine vertragliche Einigung über den Preis zustande gekommen ist.

Das hat auch nichts mit der Politik zu tun.

Lesen Sie ggf. noch einmal in Ruhe.

Eine Preisanpassungsklausel in einem Energielieferungsvertrag, die dem gesetzlichen Preisänderungsrecht nach den Vorgaben der Rechtsprechung des BGH inhaltlich entspricht und deshalb einer Inhaltskontrolle stand halten könnte, habe ich bisher noch nicht gesehen.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #203 am: 16. Juli 2009, 21:45:50 »
@Black

Der Senat meint, dass eine Preisanpassungsklausel, die inhaltlich dem gesetzlichen Preisänderungsrecht gegenüber Haushaltskunden entspricht der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB stand hält. Eine Klausel, die zu Lasten des Kunden vom gesetzlichen Preisänderungsrecht inhaltlich abweicht, soll hingegen unwirksam sein.

Dann stellt sich natürlich zugleich die Frage, ob eine automatische Preisgleitklausel HEL in Sonderverträgen mit Haushaltskunden nicht auch gegen das Leitbild verstößt. Schließlich ergibt sich dabei der vom Kunden zu zahlende Gaspreis völlig unabhängig von der tatsächlichen Kostenentwicklung des Gasversorgungsunternehmens, was vom gesetzlichen Preisänderungsrecht mithin abweicht.

Das OLG Frankfurt hat bereits zwei mal solche HEL- Klauseln gegenüber Haushaltskunden (Verbrauchern) für unwirksam erklärt.

Welche Auffassung vertreten Sie denn derzeit dazu und warum?

Natürlich interessiert mich auch, wie Ronny ggf. darüber denkt.

Offline Ronny

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« Antwort #204 am: 17. Juli 2009, 07:43:55 »
@ Herrn Fricke

Ich bin über Ihre gedankenlesererischen Fähigkeiten sehr beeindruckt, wenn Sie meinen zu wissen, was der 8. Senat eigentlich sagen wollte. (Zumal Sie mir noch so einen gelehrten Vortrag über Glaubensfragen gehalten haben.)

Nochmal zu Wiederholung und Klarstellung: Die Aussage des BGH lautet wie folgt:

Zitat
Er hat weiter entschieden, dass eine Preisanpassungsklausel, die das im Bereich der Grundversorgung bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 5 Abs. 2 GasGVV unverändert in einen Normsonderkundenvertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, einer Inhaltskontrolle standhält.
Sie meinen:
Zitat
Der Senat meint, dass eine Preisanpassungsklausel, die inhaltlich dem gesetzlichen Preisänderungsrecht gegenüber Haushaltskunden entspricht der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB stand hält.
Unverändert übernehmen ist nun einmal nicht inhaltlich entsprechen.

Da hilft der ausgefeilteste Sophismus nichts.

Und kommen Sie bitte nicht wieder mit dem Transparenzgebot des § 307 BGB. Der BGh hat nuneinmal entschieden, dass eine Klausel, die § 5 Abs. 2 GasGVV unverändert übernimmt, der Inhaltskontrolle standhält.


Der Ausflug in die automatischen Preisgleitklauseln ist am Thema vorbei, denn bei einer automatischen Preisgleitklausel handelt es sich ja gerade nicht um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, weil der Versorger den Preis ja nicht einseitig bestimmt, sondern der Preis nach mathematischen Regeln gebildet wird.

Abwegig finde ich auch Ihre Ausführungen, wonach § 315 BGB bei \"Normsonderkungenverträgen\" nicht Anwendung finden soll.

Wenn ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht in den AGB wirksam verankert wurde, in dem man den Wortlaut des § 5 Abs. 2 GasVV übernommen hat, dann gilt selbstverständlich § 315 BGB, und dem Kunden steht für die Änderungen des Preises (so die höchstrichterliche Rechtsprechung, gegen die Sie sich stemmen können, soviel sie wollen) die Billigkeitseinrede zu.

Aus der Aussage des BGH
Zitat
BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 16

Eine unmittelbare Anwendung von § 315 Abs. 1 und 3 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrages die Leistung bestimmen. Daran fehlt es, wenn zwischen den Parteien eine vertragliche Einigung über den Preis zustande gekommen ist.

ableiten zu wollen, dass § 315 generell in Normsonderkundenverträgen ausgeschlossen sein soll, ist an der Grenze der Unseriösität. Das Zitat ist doch vollkommen aus dem Zusammanhang gerissen. Die Rechtsprechung des BGH zielt klar darauf ab, dass Anfangspreise und Preise, denen der Kunde durch vorbehaltlose Bezahlung zugestimmt hat, nicht einseitig bestimmt sind. Sofern beides nicht der Fall ist, handelt es sich um eine einseitige Leistungsbestimmung. Die Änderung des Preises ist auf seine Billigkeit überprüfbar.

Offline Opa Ete

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« Antwort #205 am: 17. Juli 2009, 09:29:16 »
Moin zusammen,

bei der ganzen Diskussion hier wird immer eines ausser acht gelassen:
Was wollte der Gestzgeber damals eigentlich? Wollte er, dass die Verbraucher ausgeplündert werden und die Versorger immer reicher werden oder wollte er nur die Versorgung mit Energie in private Hand geben, mit der Vorgabe, dass die Versorger den Verbraucher so günstig wie möglich versorgen? Man sollte mal wieder die ganze Diskussion versachlichen und zum Ursprungsgedanken zurück kommen und hier nicht immer nur auf §§ rum reiten!

Noch ein anderer Punkt, der hier kaum beachtet wird: Was sind eigentlich Verbraucher, die nie einen Vertrag unterschrieben haben (davon gibt es eine ganze Menge), die dann in ihrer Jahresendabrechnung sehen, dass sie zu Sonderkonditionen Tarif XY abgerechnet werden. Muss ich, um Sondervertragskunde zu sein, einen Vertag unterschrieben haben?
Da lässt sich trefflich streiten.

Gruß Opa Ete

Offline RR-E-ft

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« Antwort #206 am: 17. Juli 2009, 09:58:02 »
@Opa Ete

Der Gesetzgeber wollte nur die Versorgung innerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht zu Allgemeinen Tarifen (nach BTOGas: Kleinverbrauchstarif K und Grundpreistarif G) regeln, überließ hingegen die Sonderverträge bewusst der allgemeinen Vertragsfreiheit und dem Allgemeinen Vertragsrecht.

Erfolgt eine Belieferung zu einem gegenüber dem als solchen veröffentlichten  Allgemeinen Tarif  bzw. Allgemeinen Preis der Grundversorgung günstigeren Sondertarif auf vertraglicher Grundlage, so handelt es sich um eine Belieferung außerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht, mithin um einen Sondervertrag.

Entsprechendes gilt, wenn eine längere, feste Vertragslaufzeit vereinbart wurde, was zum Nachteil des Kunden von den gesetzlichen Bestimmungen für Tarifkunden/ Grundversorgung abweicht, da in der Grundversorgung  der Vertrag jeweils mit einer Frist von einem Monat auf das Ende eines Monats gekündigt werden kann.

Ein solcher Sondervertrag musste nicht schriftlich abgeschlossen worden sein. Nur für Tarifkundenverträge war geregelt, dass diese schriftlich abgeschlossen werden sollen, wobei sie auch auf andere Weise zustande kommen konnten (§ 2 Abs. 2 AVBV/ GVV).

Erstmals mit § 41 EnWG 2005 besteht für Sonderverträge mit Haushaltskunden im Sinne von § 3 Nr. 22 EnWG eine gesetzliche Regelung, die jedoch den Vertragsinhalt nicht vorgibt.  Insbesondere gelten dafür die Bestimmungen der Grundversorgungsverordnung nicht, § 1 GVV.

Für Sonderverträge mit Nicht- Haushaltskunden besteht gar keine gesetzliche Regelung.

Bei Sonderverträgen besteht weder eine gesetzliche Versorgungspflicht, noch ist der Tarif gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden.

@Ronny

Ich meine, meine Argumente vorgetragen zu haben.

Möglicherweise kann Black einen Beitrag dazu leisten, den Unterschied zwischen der Inhaltskontrolle einer Preisanpassungsklausel gem. § 307 BGB und deren Folgen sowie der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB noch besser zu verdeutlichen.
 
Wenn eine Preisanpassungsklausel den Inhalt des Preisanpassungsrechts nicht eindeutig und für den durchschnittlichen Verbraucher verständlich ausgestaltet, hält sie einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB nicht stand. der Umfang und Inhalt des Preisanspassungsrechts darf also nicht zweifelhaft, sondern muss eindeutig geregelt sein.

Wenn die Preisanpassungsklausel aber das vertragliche Preisanpassungsrecht inhaltlich ausgestaltet, besteht kein \"Zweifel\" über den Umfang/ Inhalt  des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts, der eine einseitige Leistungsbetimmung \"nach billigem Ermessen\" zulässt (§ 315 Abs. 1 BGB).
 

§ 315 BGB findet unzweifelhaft auch keine direkte Anwendung, wenn sich die Parteien bei Abschluss des Vertrages auf einen Preis geeinigt haben.

Es gibt für Sonderverträge unzweifelhaft auch kein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht, dass zur direkten Anwendung des § 315 BGB führen könnte.

§ 315 BGB ist deshalb auf Sonderverträge nicht direkt anwendbar.

In Betracht käme allenfalls eine entsprechende (analoge) Anwendung, wofür jedoch die Voraussetzungen schon nicht vorliegen. Der BGH hat die entsprechende (analoge) Anwendung des § 315 BGB bekanntlich mehrfach ausdrücklich abgelehnt, selbst bei einer Monopolstellung.

Offline Opa Ete

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« Antwort #207 am: 17. Juli 2009, 10:40:36 »
@RR-E-ft

was ist denn für sie \"ein Sondertarif auf vertraglicher Grundlage\" und was sind \"Sonderverträge für Nichtkunden\". Wie definieren sie \"vertragliche Grundlage\" und \"Nichtkunde\"? Wenn ich sie richtig verstanden habe, behaupten sie, dass man schon Sondervertragskunde ist, wenn man weder mündlich noch schriftlich etwas vereinbart hat und man wird zu anderen Konditionen als die der Grundversorgeung beliefert.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #208 am: 17. Juli 2009, 11:09:03 »
@Opa Ete

Jeder Vertragsabschluss setzt - abgesehen von einem konkludenten Vertragsabschluss mit Tarifkunden/ grundversorgten Kunden gem. § 2 Abs. 2 AVBV/ GVV - grundsätzlicheine Einigung durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen (Angebot und Annahme) voraus, so auch ein Sondervertrag.

Die notwendigen übereinstimmenden Willenserklärungen können grundsätzlich auch über Gebärdensprache, Lichtsignale, Blinzeln , Klopfen nach dem Morsealphabet, Flaggen-Signale der Seeleute usw. usf. abgegeben werden, wenn nur beide Vertragswilligen dabei \"die gleiche Sprache sprechen und verstehen\".

Dass ein Vertrag nicht schriftlich abgeschlossen werden muss, bedeutet nicht, dass man sich nicht geeinigt haben muss.

Im Übrigen sprach ich von Haushaltskunden gem. § 3 Ziff. 22 EnWG und Nicht- Haushaltskunden (also alle Kunden, die wo keine Haushaltskunden gem. § 3 Ziff. 22 EnWG sind).

Wenn man außerhalb der gesetzlichen Grundversorgung auf vertraglicher Grundlage beliefert wird, setzt dies wohl voraus, dass man zuvor irgendwie einen Sondervertrag abgeschlossen hat. Hätte man gar keinen Vertrag abgeschlossen,weil es an einer Einigung (vgl. oben)  fehlte, könnte die Belieferung ja sonst nur im vertragslosen Zustand erfolgen, was regelmäßig ausgeschlossen ist.

Wichtig ist, dass die Belieferung nicht zu den als solchen veröffentlichten Allgemeinen Preisen der Grundversorgung aufgrund der gesetzlichen Versorgungspflicht erfolgt, sondern zu vom Versorger daneben freiwillig angebotenen ( meist günstigeren) Sonderpreisen und auch die Abrechnung seit längerem zu solchen (meist günstigeren)  Sonderpreisen erfolgt. Dass eine zwischen Versorger und Kunde entsprechend lange geübte Praxis keine vertragliche Grundlage habe, wird wohl niemand behaupten.

Offline Opa Ete

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« Antwort #209 am: 17. Juli 2009, 11:34:49 »
@RR-E-ft
es gibt genug Verbraucher, die waren alle Tarifkunden und sind dann ohne eigenes zutun Sonderkunden geworden oder wurden zu Sonderkonditionen abgerechnet, allein dadurch, dass ihr Verbrauch gestiegen ist. Diese Frage haben sie nicht beantwortet, ich gebe zu, dass ist auch der Knackpunkt. Wenn das EVU einfach günstiger als in der Grundversorgung für mich abrechnet, nur weil der Verbrauch höher ist, ohne mich zu fragen und das über Jahre, bin ich dann immer noch Tarifkunde oder Sonderkunde?

 

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