Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?  (Gelesen 28160 mal)

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Offline Black

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Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
« am: 16. Dezember 2008, 11:45:28 »
Mehrmals kam hier folgender Gedanke auf. Wenn der Kunde VOR Abschluss eines Grundversorgungsvertrages bereits den Preisen widerspricht, dann könnten diese Preise nicht mehr als „vereinbarter Preissockel“ gelten und wären dadurch insgesamt überprüfbar.

Zitat
Original von ESG-Rebell
Was ist mit den Totalverweigerern, die sich für ganz clever halten und schon vor Lieferbeginn in der Ersatz- und Grundversorgung einen Unbilligkeitseinwand stellen?

Woher soll bei diesen Kunden der angeblich vereinbarte und somit vor einer Billigkeitskontrolle geschützte Sockelbeitrag kommen?

Gruss,
ESG-Rebell.

Das Ganze funktioniert aus folgendem Grund nicht.

Zunächst einmal widerspricht der Kunde dann vertraglichen Bedingungen eines Vertrages den er (noch) gar nicht abgeschlossen hat. Zu diesem Zeitpunkt muss der Unbilligkeitseinwand schlichtweg ins Leere gehen. Genauso wie man kein Zeitschriftenabonnement kündigen kann, dass man nicht abgeschlossen hat oder wie man auch die Gaspreise seines Nachbarn nicht wirksam als unbillig rügen könnte.

Schließt man aber später dann doch einen Grundversorgungsvertrag ab so hat auch ab diesem Zeitpunkt der vorher geäußerte Unbilligkeitseinwand keine Wirkung denn:

Ein Vertrag kommt durch die Annahme eines Angebotes zusammen. Der Versorger bietet den Grundversorgungsvertrag an. Das Angebot umfasst als Kerninhalt vor allem die Leistung (Strom/Gas) und den Preis für die Leistung. Der Kunde kann nun annehmen (= Vertrag kommt zustande) oder ablehnen (= kein Vertrag). Da der Kunde nur das gesamte Angebot annehmen kann muss er damit auch den angebotenen Preis annehmen oder das Vertragsangebot insgesamt ablehnen.

Dieses Prinzip gilt für jeden zivilrechtlichen Vertrag. Ich kann mich entscheiden ob mir zum Bsp. ein Brötchen zu teuer ist und ich es daher nicht kaufe oder ob ich den Preis annehme. Ich kann aber nicht zum Bäcker gehen und sagen „ich akzeptiere Ihren Brötchenpreis nicht“ und dann trotzdem die Übergabe eines Brötchens erwarten.

Sage ich dagegen dem Versorger (oder dem Bäcker) „ich will das Angebot zwar annehmen, aber nur zu anderen Preisen“ dann gilt das nicht als Annahme, sondern als neues (Gegen)angebot, dass nun seinerseits der Versorger (oder Bäcker) annehmen oder ablehnen kann.

Natürlich kann mir der Bäcker das Brötchen auch günstiger verkaufen als ursprünglich angeboten und der Versorger mich auch günstiger beliefern als in den Grundversorgungstarifen angeboten. Wenn mich der Versorger aber günstiger als zu den veröffentlichten Tarifen beliefert liegt kein Grundversorgungsvertrag mehr vor, sondern ein Sonderkundenvertrag.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline superhaase

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Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
« Antwort #1 am: 16. Dezember 2008, 12:17:36 »
Der Witz an der Sache ist doch, dass ein solcher fiktiver Preissockel schon von vorneherein unsinnig ist. Das ist doch schon mehrfach rechtlich und logisch schlüssig dargelegt worden. Er widerspricht eindeutig auch dem Willen des Gesetzgebers.

Im übrigen sind Sie, lieber Black, in diesem Zusammenhang nicht noch die Beantwortung der \"Gretchenfrage\" in einem anderen Thread schuldig geblieben? Oder hab ich was verpasst? ;)

Diese groteske Konstruktion des VIII. Senats des BGH hält hoffentlich nicht mehr lange die Rechtsprechung auf. Wo bleibt die Anrufung des Großen Senats des BGH, um hierzu die Rechtssicherheit wiederherzustellen, die der Herr Ball damit an die Wand gefahren hat?

ciao,
sh
8) solar power rules

Offline Black

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Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
« Antwort #2 am: 16. Dezember 2008, 12:37:08 »
Zitat
Original von superhaase
Der Witz an der Sache ist doch, dass ein solcher fiktiver Preissockel schon von vorneherein unsinnig ist. Das ist doch schon mehrfach rechtlich und logisch schlüssig dargelegt worden.

Meinungen gibt es viele, was derzeit zählt ist die Rechtspraxis vor Gericht, und da gilt bislang der Preissockel.


Zitat
Original von superhaaseIm übrigen sind Sie, lieber Black, in diesem Zusammenhang nicht noch die Beantwortung der \"Gretchenfrage\" in einem anderen Thread schuldig geblieben? Oder hab ich was verpasst? ;)

Die Gretchenfrage beruhte auf der letzten Rechtsprechung des Kartellsenats und wurde durch die neuere Entscheidung des VIII. Senats mit der erneuten Bestätigung des Sockels überholt. Ausserdem dachte ich, ich hätte geantwortet...

Zitat
Original von superhaaseDiese groteske Konstruktion des VIII. Senats des BGH hält hoffentlich nicht mehr lange die Rechtsprechung auf. Wo bleibt die Anrufung des Großen Senats des BGH,

So ist das halt für die Verbraucher. Entscheidet der BGH im Sinne der Verbraucher sind seine Entscheidungen Gottes Wort (Kartellsenat), entscheidet er für den Versorger ist es nur \"grotesk\".
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline superhaase

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Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
« Antwort #3 am: 16. Dezember 2008, 12:59:19 »
Zitat
Original von Black
Meinungen gibt es viele, was derzeit zählt ist die Rechtspraxis vor Gericht, und da gilt bislang der Preissockel.
Aber ausschließlich vor dem VIII. Senat.

Zitat
Die Gretchenfrage beruhte auf der letzten Rechtsprechung des Kartellsenats und wurde durch die neuere Entscheidung des VIII. Senats mit der erneuten Bestätigung des Sockels überholt.
Die uneinheitliche Rechtsprechung wurde wiederholt, mehr nicht.
Eine Klarstellung und Korrektur steht noch aus.
Ich bin überzeugt, dass so eine Korrektur nur in eine Richtung erfolgen kann. Ansonsten ist unser ganzes Rechtssystem ad absurdum geführt.
Ja, so dramatisch sehe ich das.  

Zitat
Ausserdem dachte ich, ich hätte geantwortet...
Das muss ich dann wohl übersehen haben .... haben sie einen Link auf das entsprechende Posting?

Zitat
So ist das halt für die Verbraucher. Entscheidet der BGH im Sinne der Verbraucher sind seine Entscheidungen Gottes Wort (Kartellsenat), entscheidet er für den Versorger ist es nur \"grotesk\".
Tun\'se das mal nich so locker flockig ab.
Es ist schon gut begründet, warum man die Ball\'schen Konstrukte als grotesk bezeichnen kann. Ich verweise hier z.B. mal auf die sehr ausführlichen Kommentare von Herrn Fricke hierzu. Bisher hat das niemand nachvollziehbar und stichhaltig widerlegt.

ciao,
sh
8) solar power rules

Offline Black

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Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
« Antwort #4 am: 16. Dezember 2008, 13:28:44 »
Zitat
Original von superhaase
Zitat
Original von Black
Meinungen gibt es viele, was derzeit zählt ist die Rechtspraxis vor Gericht, und da gilt bislang der Preissockel.
Aber ausschließlich vor dem VIII. Senat.

Nur das danach nichts mehr kommt, solange der Große Senat nicht angerufen wird (was bislang nicht der Fall ist). Solange werden sich die übrigen Gerichte am 8. Senat orientieren.


Zitat
Original von superhaaseDie uneinheitliche Rechtsprechung wurde wiederholt, mehr nicht.

Tja und Wiederholung verfestigt. Der 8. Senat ist stets auf seiner Linie geblieben. Es ist der Kartellsenat, der abweicht.

Zitat
Original von superhaaseAnsonsten ist unser ganzes Rechtssystem ad absurdum geführt.
Ja, so dramatisch sehe ich das.

Wenn Gerichtsentscheidungen, die nicht IHREM Wunschergebnis entsprechen immer gleich ihr ganzes Weltbild bzw. die Akzeptanz unseres Rechtssystems zum Einsturz bringen, kann ich nur hoffen, dass sie in ihrem Leben nicht oft mit Gerichten zu tun haben werden. In einem Rechtsstreit sind immer (mindestens) 2 Parteien beteiligt, von der JEDE denkt sie habe Recht. Wenn nun der Verlierer immer das ganze System in Frage stellen würde...


Zitat
Original von superhaaseTun\'se das mal nich so locker flockig ab.
Es ist schon gut begründet, warum man die Ball\'schen Konstrukte als grotesk bezeichnen kann. Ich verweise hier z.B. mal auf die sehr ausführlichen Kommentare von Herrn Fricke hierzu. Bisher hat das niemand nachvollziehbar und stichhaltig widerlegt.

Es ist ja nicht Herr Ball alleine, der im VIII. Senat entscheidet.

Vielleicht führen die ausführlichen Kommentare des Herrn Fricke ja eines Tages zu einer Berufung an den BGH, aber bis dahin sind auch dies nur Rechtsmeinungen.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline ESG-Rebell

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Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
« Antwort #5 am: 16. Dezember 2008, 14:41:22 »
@Black
Vielen Dank für Ihre Stellungnahme.

Lassen wir uns nochmal auf die Sachebene zurückkommen.

Zitat
Original von Black
Zunächst einmal widerspricht der Kunde dann vertraglichen Bedingungen eines Vertrages den er (noch) gar nicht abgeschlossen hat.

Zitat
Original von Black
Das Angebot umfasst als Kerninhalt vor allem die Leistung (Strom/Gas) und den Preis für die Leistung
Dies stimmt nicht. Anstelle eines anfänglich vereinbarten Preises darf auch eine Regelung vereinbart werden, die einen Preis bildet.

In der Grundversorgung wird der zu zahlende Preis aufgrund folgender Grundlage gebildet.
Dieser Grundlage widerspreche ich nicht; vielmehr weise ich ausdrücklich darauf hin:
[list=1]
  • Der Versorger setzt die zu zahlenden Preise einseitig gemäß §36 EnWG fest.
  • Im Gegenzug steht mir als Schutz vor beliebigen Preisforderungen der Unbilligkeitseinwand nach §315 BGB offen.
  • [/list=1]
    Sollte der Versorger nachweisen, dass seine Preise angemessen sind oder ein Gericht einen billigen Preis festsetzen, so wird dieser für mich verbindlich und folglich zu zahlen. Dann kommt es nicht mehr darauf an, ob ich mit dieser Höhe des Preises einverstanden bin. Insbesondere könnte der Preis auch höher sein als die Preise von Sonderverträgen, wenn der Grundversorger dies stichhaltig begründen konnte.

    Der vorsorgliche Unbilligkeitseinwand vermeidet eine konkludent unterstellte Einigung auf einen bestimmten Anfangspreis. Mit der oben genannten Regelung für die Preisbildung und mit der Geltung der StromGVV/GasGVV bin ich einverstanden; den zum Beginn des Lieferzeitpunkts einseitig festgesetzten Preis halte ich jedoch für unbillig.

    Davon abgesehen: Den Bedingungen eines Vertrags nach Abschluß zu widersprechen, ist reichlich nutzlos, da diese dann ja bereits bindend sind. Der Sinn und Inhalt eines Vertrags ist ja gerade die Einigung auf dessen Inhalt
bevor der Austausch von Leistung und Gegenleistung beginnt.

Gruss,
ESG-Rebell.

@superhaase
Ich persönlich bin sehr froh, dass Black sich so eifrig und sachlich an der juristischen Diskussion in diesem Forum beteiligt.
Daher wünsche ich mir von den anderen Forenteilnehmern, dass sie - bei allem Verständnis - auf der Sachebene bleiben. Dies ist im Ergebnis für alle Beteiligten am nützlichsten.

Offline Black

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Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
« Antwort #6 am: 16. Dezember 2008, 15:26:07 »
Zitat
Original von ESG-Rebell
Zitat
Original von Black
Das Angebot umfasst als Kerninhalt vor allem die Leistung (Strom/Gas) und den Preis für die Leistung
Dies stimmt nicht. Anstelle eines anfänglich vereinbarten Preises darf auch eine Regelung vereinbart werden, die einen Preis bildet.

In der Grundversorgung wird der zu zahlende Preis aufgrund folgender Grundlage gebildet.
Dieser Grundlage widerspreche ich nicht; vielmehr weise ich ausdrücklich darauf hin:
[list=1]
  • Der Versorger setzt die zu zahlenden Preise einseitig gemäß §36 EnWG fest.
  • Im Gegenzug steht mir als Schutz vor beliebigen Preisforderungen der Unbilligkeitseinwand nach §315 BGB offen.
  • [/list=1]
    Sollte der Versorger nachweisen, dass seine Preise angemessen sind oder ein Gericht einen billigen Preis festsetzen, so wird dieser für mich verbindlich und folglich zu zahlen. Dann kommt es nicht mehr darauf an, ob ich mit dieser Höhe des Preises einverstanden bin. Insbesondere könnte der Preis auch höher sein als die Preise von Sonderverträgen, wenn der Grundversorger dies stichhaltig begründen konnte.

    Der vorsorgliche Unbilligkeitseinwand vermeidet eine konkludent unterstellte Einigung auf einen bestimmten Anfangspreis.
Ihre Argumentation ist zwar in sich schlüssig, weist aber nach meinem Dafürhalten folgende Fehler auf:

1. Der Ausgangspreis ist vertraglich vereinbart und nicht einseitig festgesetzt. Hierzu werden zwar abweichende Ansichten vertreten (denen man auch gerne folgen kann) aber der BGH geht derzeit eben vom VEREINBARTEN Ausgangspreis aus. Wäre der Ausgangspreis tatsächlich auch einseitig festgesetzt könnten sie ihn tatsächlich als unbillig rügen, aber dann könnten sie das auch später tun und müßten es nicht \"vorsorglich\" machen, wie es hier die Idee war. Da beißt sich die Katze in den Schwanz.

2. Es herrscht hier noch immer ein falsches Verständnis der Billigkeitskontrolle vor. Es ist nicht so, dass der Versorger einen Preis (quasi) unverbindlich vorschlägt und dieser erst nach Billigkeitsprüfung verbindlich wird. Wenn sie den Unbilligkeitseinwand erheben behaupten Sie als Kunde bereits dass der Preis unbillig sei, nur das die Beweislast dem EVU zufällt. Sie greifen den Preis aktiv als unbillig an.

Etwas polemisch ausgedrückt: Das ist rechtlich gesehen der gleiche Vorgang, als wenn sie per Musterschreiben behaupten würde der EVU würde als juristische Person gar nicht existieren und daher die Zahlung verweigern. Dann müßte auch der EVU seine \"Existenz\" gerichtlich beweisen. Daraus könnte man aber auch nicht die Regel herleiten \"alle Preise sind bis zum Existenznachweis des EVU durch Offenlegung seiner Gesellschaftspapiere oder Handelsregisterauszüge per Gesetz unverbindlich\".

Wenn Sie also einen Preis in einem Vertrag als unbillig rügen (ihn also nicht akzeptieren) kann das im Einzelfall nur zwei mögliche Folgen haben.

Entweder rücken sie durch den späteren Vertragsschluss konkludent vom vorherigen Einwand wieder ab.,

Oder es kommt kein Vertrag zustande, da Sie sich mit dem EVU nicht über alle Vertragsbestandteile (Preis) einigen konnten.


Ein gutes Beispiel zum Verständnis ist vielleicht auch die Bahn. Ein Beförderungsvertrag kommt hier auch konkludent durch Einsteigen und Mitfahren zustande. Daher muss auch der Schwarzfahrer zahlen, auch wenn er keinen Vertrag eingehen wollte. Verglichen mit der Energieversorgung ist der Widerspruchskunde nun kein heimlicher Schwarzfahrer, sondern jemand der vor dem Einstieg in die Bahn lauthals ausruft:

\"Ich will keinen konkludenten Beförderungsvertrag eingehen. Ich habe nicht vor für diese Fahrt den vollen Preis zu zahlen. Mein Einsteigen ist kein Zeichen eines Vertragsschlusses\"

und dann einsteigt und mit der Bahn fährt. Wird er ohne Fahrschein angetroffen muss er trotzdem die vertraglichen Beförderungskosten zahlen.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline superhaase

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Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
« Antwort #7 am: 16. Dezember 2008, 15:34:09 »
Zitat
Original von ESG-Rebell
Davon abgesehen: Den Bedingungen eines Vertrags nach Abschluß zu widersprechen, ist reichlich nutzlos, da diese dann ja bereits bindend sind. Der Sinn und Inhalt eines Vertrags ist ja gerade die Einigung auf dessen Inhalt bevor der Austausch von Leistung und Gegenleistung beginnt.
Genau das trifft eben nicht zu.
Bei einem Vertrag mit vereinbartem einseitigem Preisbestimmungsrecht und daraus resultierendem Recht des Unbilligkeitseinwands, wird eben eine Leistung (hier der Preis) nicht für beide Seiten bindend und unveränderlich vereinbart. Der Versorger hat von Anfang an das Recht zur einseitigen Preisbestimmung. Ferner kenne ich keinen Grundversorgungsvertrag, in dem ein Preissockel getrennt von einer variablen Komponente vereinbart wäre. Ein solcher würde wohl auch hinsichtlich der somit enthaltenen Preisänderungsklausel bzw. -formel nicht vor dem §307 bestehen.
Ich kann jederzeit nach Vertragsabschluss die Billigkeit des aktuellen \"Anfangspreises\" bezweifeln, wenn ich unterstelle, dass die Kosten (Bezugskosten, Netzkosten, Lohnkosten, Kapitalkosten) gesunken sind. Der Versorger hat die Pflicht, den Preis nach unten anzupassen, wenn die Kosten sinken.
Dies folgt zwingend aus der Einräumung des Unbilligkeitseinwands im Gegenzug zum einseitigen Preisbestimmungsrecht, und ferner aus dem EnWG.
Das ist ja gerade der offensichtliche und unumstößliche Widerspruch zu dem fiktiven Preissockel.
Eine juristisch ausführliche und umfassende Begründung, wie dieses Konstrukt des Preissockels ins Rechtssystem und in die Logik des Denkens passen soll, ist der BGH bisher schuldig geblieben.
Ich sehe in diesem Fall bei einer potentiellen Bestätigung des \"Preissockels\" durch den großen Senat deshalb durchaus unser Rechtssystem gefährdet, weil das m.E. einer höchstrichterlichen Rechtsbeugung gleichkommen würde und eindeutig der Intention des Gesetzgebers widersprechen würde.

Auch an der Fragestellung dieses Threads erkennt man, wie unsinnig der fiktive Preissockel ist: \"Kann ich schon vor Vertragsabschluss den Vertragsbedingungen widersprechen?\"
Hinsichtlich dieser Frage muss ich Black Recht geben. Sie können ein Vertragsangebot nur annehmen oder ablehnen. Beides gleichzeitig ist nicht möglich. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass dies irgendwie rechtlich (durch ein Gesetz) gestützt werden kann.

Andererseits gilt natürlich Ihr Argument, dass in einem Grundversorgungsvertrag ein Preisbestimmungsrecht und folglich das Recht zum Unbilligkeitseinwand vereinbart werden - und eben gerade kein Preis und auch keine \"Preisuntergrenze\". Daher ist der Unbilligkeitseinwand nach Vertragsabschluss jederzeit möglich. Es ist auch nirgendwo etwas darüber zu finden, dass für einen Unbilligkeitseinwand erst irgendeine Schonfrist oder sowas ablaufen muss.

Zuletzt:
Wir müssen nicht \"nochmal auf die Sachebene zurückkommen\", da wir diese bisher nicht verlassen hatten. Ich kann nicht erkennen, wo Sie hier Unsachlichkeit gesehen haben - bei allem Verständnis ...  :)

ciao,
sh
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Offline Black

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Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
« Antwort #8 am: 16. Dezember 2008, 15:41:25 »
Zusammenfassend:

Wer glaubt der Ausgangspreis sei auch vom Versorger einseitig bestimmt muss nicht vorher widersprechen sondern kann dies - nach dieser Rechtsansicht - auch später während des Vertrages tun. Die 8. Zivilkammer des BGH lehnt diese Ansicht jedoch bislang gerade ab.

Wer dagegen glaubt der Ausgangspreis sei vertraglich vereinbart, kann dieser Vereinbarung nicht widersprechen BEVOR sie überhaupt getroffen wurde.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

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Offline elmex

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Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
« Antwort #9 am: 16. Dezember 2008, 16:09:50 »
Die Diskrepanz zwischen den Entscheidungen der beiden Senate ist offensichtlich.

So geht der achte Senat im Falle von Haushaltskunden (Verbraucher) von einem vereinbarten, und damit nicht mehr angreifbaren Preissockel aus, obgleich dem gegenüberstehenden Versorger (Unternehmer) bei Tarifkunden/Kunden der Grundversorgung ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht kraft Gesetz eingeräumt wird. Dieses einseitige Leistungsbestimmungsrecht umfasst jedoch denknotwendigerweise auch den zugrunde liegenden Preissockel und erlaubt schon aus Gründen der kartellrechtlichen Gleichbehandlung keine Unterscheidung zwischen Preissockel und Erhöhung.

Dementgegen führt der Kartellsenat (Urteil vom 4.3.2008 - KZR 69/08 ) aus, dass im Rahmen eines Netznutzungsvertrages zwischen zwei Unternehmen (Netzbetreiber/Endverteiler) dem Netzbetreiber ein gesetzlich vorgegebenes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zusteht,vermöge dessen im Zweifel die gesamten Netzentgelte einer Billigkeitskontrolle zu unterziehen sind, ohne dass es darauf ankommt, ob bereits ein einseitig vorgegebener Preis widerspruchslos gezahlt, oder der einseitig festgelegte Preis konkret beziffert wurde. Von einem vereinbarten Preissockel ist hier nicht die Rede.

Danach werden offensichtlich Unternehmen besser gestellt als Verbraucher. Nach dieser divergierenden Rechtsprechung kommt Unternehmern bei faktisch gleicher Sachlage (fehlender Wettbewerb auf dem jeweiligen Marktsegment) ein effektiverer Schutz zu, als dies bei Verbrauchern der Fall ist.

Offline ESG-Rebell

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Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
« Antwort #10 am: 16. Dezember 2008, 16:25:35 »
Zitat
Original von Black
1. Der Ausgangspreis ist vertraglich vereinbart und nicht einseitig festgesetzt. Hierzu werden zwar abweichende Ansichten vertreten (denen man auch gerne folgen kann) aber der BGH geht derzeit eben vom VEREINBARTEN Ausgangspreis aus.
Denken wir noch einmal daran zurück, wie es zu der umstrittenen Auffassung des BGH im Verfahren 36/06 kam. Der Zivilsenat hatte ausgeführt, der Kunde habe sich dem Wortlaut nach in seinem ursprünglichen Unbilligkeitseinwand gegen die \"Preiserhöhung\" gewandt. Desweiteren habe er in den Jahren zuvor die Rechnungen ohne Vorbehalt bezahlt. Dies dürfte wohl den Tatsachen entsprechen.

Daraus folgerte der Senat im weiteren, der ohne Vorbehalt gezahlte Preis habe einen vereinbarten Sockel gebildet.

Aus meiner Sicht als Mathematiker ist es spitzfindig, aus der Zurückweisung einer Preisanhebung auf das Einverständnis zum alten Preis für die zukünftige Belieferung zu schließen. Addition und Subtraktion sind für mich äquivalente Operationen:
\"Neupreis = Altpreis + Preisänderung\" genau dann wenn \"Preisänderung = Neupreis - Altpreis\".

Aus der Formulierung des Senats ziehe ich zudem den Umkehrschluss, dass das Verfahren evtl. ganz anders ausgegangen wäre, wenn der Kunde - quasi in weiser Vorausahnung der fernen Zukunft - bereits 1984 begonnen hätte, alle Zahlungen nur unter Vorbehalt zu leisten.

Zitat
Original von Black
Wäre der Ausgangspreis tatsächlich auch einseitig festgesetzt könnten sie ihn tatsächlich als unbillig rügen, aber dann könnten sie das auch später tun und müßten es nicht \"vorsorglich\" machen, wie es hier die Idee war.
Dem könnte man evtl. folgen. In vergangenen Prozessen haben Versorgeranwälte ja auch das Argument angebracht, der Kunde habe ohne schuldhafte Verzögerung einen Unbilligkeitseinwand einwenden müssen. Für diese Anforderung gibt es jedoch keine rechtliche Grundlage. Zudem könnte folglich ein Unbilligkeitseinwand innerhalb von bspw. zwei Wochen wohl zumindest nicht mit diesem Argument angegriffen werden.

Ich kenne ja die derzeit gültigen allgemeinen Tarife und weiss schon jetzt, dass ich sie für unbillig halte. Sie müssten schon drastisch sinken, damit ich zu einer anderen Überzeugung gelange. Der vorsorgliche Einwand hat aus meiner Sicht den Vorteil, dass ich keine Fristen - ob gültig oder nicht - versäumen kann.

Zitat
Original von Black
2. Es ist nicht so, dass der Versorger einen Preis (quasi) unverbindlich vorschlägt und dieser erst nach Billigkeitsprüfung verbindlich wird. Wenn sie den Unbilligkeitseinwand erheben behaupten Sie als Kunde bereits dass der Preis unbillig sei, nur das die Beweislast dem EVU zufällt. Sie greifen den Preis aktiv als unbillig an.
Dies trifft zu. Der Preis ist nur dann unverbindlich, wenn der Kunde einen Unbilligkeitseinwand erhebt. Wenn er auf unverbindliche Preise basierende Rechnungen begleicht, dann ist er auf eine Rückzahlungsklage verwiesen, in der ihn eine unerfüllbare Beweislast trifft.

Umso wichtiger ist es im Lichte des BGH-Urteils 36/06, umgehend Unbilligkeitseinwand zu erheben und jegliche Zahlungen zu verweigern. Ansonsten kann man es auch gleich ganz lassen.

Zitat
Original von Black
Etwas polemisch ausgedrückt: .....
Den Vergleich kann ich so nicht ganz nachvollziehen.

Mit der Zustimmung zur Geltung der Regelungen des EnWG und der StromGVV kommt meines Erachtens ein Vertrag zustande, in dem keine Regelungslücken mehr bestehen (als Nicht-Jurist lehne ich mich jetzt aber weit aus dem Fenster, ich weiss ;-)


Welche Folgen hätte die von Ihnen geschilderte und von den Versorgern herbeigesehnte Rechtsauffassung in der mittelfristigen Praxis eigentlich?
Alle Kunden, die keinen Sondervertrag unterschreiben, befinden sich in der Grundversorgung.
Der Allgemeine Tarif, der zum Wechselzeitpunkt veröffentlicht war, ist für den Kunden jeweils verbindlich und einer Billigkeitskontrolle unzugänglich.
Dies gilt insbesondere auch dann, wenn in einer Region (etwa im Gasbereich) keine Sonderverträge mehr angeboten werden. Der Versorger braucht dann nur noch alle Sonderverträge zu kündigen um alle Kunden - die ja nirgendwo hin können - zu den Allgemeinen Tarifen beliefern zu können.

Möchten die Vorstände von E.ON, RWE & Co. höhere Gewinne erzielen, so weisen sie ihre Ferngasgesellschaften bzw. Stromzwischenhändler an, höhere Preise zu verlangen. Die Änderungen dieser Preise werden dann auf die Allgemeinen Tarife aufgeschlagen.


Was passiert eigentlich, wenn der Grundversorger seine Preise bspw. auf 99 Euro/kWh anhebt?
Dann wäre wohl sittenwidriger Wucher offensichtlich. Ich übertreibe absichtlich, um das Problem deutlicher darzustellen.
Viele Kunden würden fluchtartig in Sonderverträge wechseln - sofern überhaupt möglich. Viele Kunden - insgesamt aber nur eine Minderheit - würden die Zahlung mit Unbilligkeitseinwand verweigern. Das Gericht würde dem in jedem Einzelprozess statt geben und einen wesentlich niedrigeren Preis festsetzen oder die verklagten Kunden - und nur diese - im Ergebnis von einer Zahlungspflicht befreien.

Was würde in der Zwischenzeit aber mit den Kunden passieren, die bspw. für zwei Monate in die Ersatzversorgung oder neu in die Grundversorgung fallen?
Müssten diese dann tatsächlich 99 Euro/kWh zahlen? Eine rechtliche Handhabe (außer Wucher, wie erwähnt) hätten sie ja nicht, da Anfangspreis.

Gruss,
ESG-Rebell.

Offline Black

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Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
« Antwort #11 am: 16. Dezember 2008, 21:20:02 »
Zitat
Original von ESG-Rebell
Aus der Formulierung des Senats ziehe ich zudem den Umkehrschluss, dass das Verfahren evtl. ganz anders ausgegangen wäre, wenn der Kunde - quasi in weiser Vorausahnung der fernen Zukunft - bereits 1984 begonnen hätte, alle Zahlungen nur unter Vorbehalt zu leisten.

Darüber zu Spekulieren ist müßig. Die Rechtsprechung ist wie sie ist. Nun bereits in der 2. Entscheidung bestätigt.

Zitat
Original von ESG-RebellFür diese Anforderung gibt es jedoch keine rechtliche Grundlage. Zudem könnte folglich ein Unbilligkeitseinwand innerhalb von bspw. zwei Wochen wohl zumindest nicht mit diesem Argument angegriffen werden.
(...) Der vorsorgliche Einwand hat aus meiner Sicht den Vorteil, dass ich keine Fristen - ob gültig oder nicht - versäumen kann.

Hat aber den Nachteil, dass Sie vor Gericht ja beweisen müssen den Einwand überhaupt erhoben zu haben. Ob aber ein Versorger bei dem Sie gar nicht grundversorgter Kunde sind einen solchen Einwand aber zuordnen und archivieren (und dann wiederfinden) kann ist fraglich.

Sie bekommen auch ein Problem wenn sich zwischen dem \"vorsorglichen\" Einwand und dem tatsächlichen Vertrag noch einmal die Preise geändert haben. Dann haben sie nämlich den dann aktuellen Preisen nicht wiedersprochen.


Zitat
Original von ESG-RebellDies trifft zu. Der Preis ist nur dann unverbindlich, wenn der Kunde einen Unbilligkeitseinwand erhebt.
Nein! Nicht die Erhebung sondern nur die tatsächliche Unbilligkeit führt zur Unverbindlichkeit. Das ist ein gern übersehener Unterschied.



Zitat
Original von ESG-RebellMit der Zustimmung zur Geltung der Regelungen des EnWG und der StromGVV kommt meines Erachtens ein Vertrag zustande, in dem keine Regelungslücken mehr bestehen (als Nicht-Jurist lehne ich mich jetzt aber weit aus dem Fenster, ich weiss ;-).
EnWG ist ein Gesetz und GVV eine Rechtsverordnung, die gelten auch ohne Ihre Zustimmung. Ein anderer notwendiger Vertragsbestandteil, der nicht im Gesetz geregelt ist, ist aber z.B. der konkrete Lieferort und der konkrete Preis.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline superhaase

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Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
« Antwort #12 am: 16. Dezember 2008, 22:55:00 »
Zitat
Original von Black
Ein gutes Beispiel zum Verständnis ist vielleicht auch die Bahn. Ein Beförderungsvertrag kommt hier auch konkludent durch Einsteigen und Mitfahren zustande. Daher muss auch der Schwarzfahrer zahlen, auch wenn er keinen Vertrag eingehen wollte. Verglichen mit der Energieversorgung ist der Widerspruchskunde nun kein heimlicher Schwarzfahrer, sondern jemand der vor dem Einstieg in die Bahn lauthals ausruft:
\"Ich will keinen konkludenten Beförderungsvertrag eingehen. Ich habe nicht vor für diese Fahrt den vollen Preis zu zahlen. Mein Einsteigen ist kein Zeichen eines Vertragsschlusses\"
und dann einsteigt und mit der Bahn fährt. Wird er ohne Fahrschein angetroffen muss er trotzdem die vertraglichen Beförderungskosten zahlen.
Nein, das ist kein gutes Beispiel. Das ist eine ganz andere Situation.
Vergleichbar wäre nur eine Bahnfahrt, während der der Schaffner jederzeit bei vollem Tempo auf offener Strecke ins Abteil kommen könnte und den Fahrpreis \"willkürlich\" neu festsetzen könnte. Nur dann wäre dies ein Beförderungsvertrag mit einseitigem Preisbestimmungsrecht. Dann stünde dem Fahrgast auch ein Unbilligkeitseinwand zu. Und folglich könnte der Fahrgast diesen auch nach dem Einsteigen jederzeit erheben, wenn er im Radio hört, dass die Bahn kurz vor Fahrtbeginn einen Strompreisnachlass erhalten und noch nicht eingepreist hat, denn dann muss die Bahn diese Kostensenkung an die Fahrgäste weitergeben.

So wird ein Schuh draus.

ciao,
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8) solar power rules

Offline Black

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Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
« Antwort #13 am: 17. Dezember 2008, 00:03:56 »
Zitat
Original von superhaase
Nein, das ist kein gutes Beispiel. Das ist eine ganz andere Situation.
Vergleichbar wäre nur eine Bahnfahrt, während der der Schaffner jederzeit bei vollem Tempo auf offener Strecke ins Abteil kommen könnte und den Fahrpreis \"willkürlich\" neu festsetzen könnte. Nur dann wäre dies ein Beförderungsvertrag mit einseitigem Preisbestimmungsrecht. Dann stünde dem Fahrgast auch ein Unbilligkeitseinwand zu. Und folglich könnte der Fahrgast diesen auch nach dem Einsteigen jederzeit erheben, wenn er im Radio hört, dass die Bahn kurz vor Fahrtbeginn einen Strompreisnachlass erhalten und noch nicht eingepreist hat, denn dann muss die Bahn diese Kostensenkung an die Fahrgäste weitergeben.

So wird ein Schuh draus.

ciao,
sh

Auf so einen Einwand habe ich ja gewartet.

Der verständige Leser wird hoffentlich bemerkt haben, dass das Beispiel der Bahnfahrt den Aspekt des konkludenten Vertragsschlusses bei gleichzeitig geäußertem Widerspruch behandelt und keine Abhandlung über die Vergleichbarkeit von Bahnreisen und Gasbezug darstellt.

Im übrigen könnte man bei \"voller Fahrt\" auf offener Strecke schwerlich aussteigen. Bei der Grundversorgung können sie jedoch bei einer \"willkürlichen\" Preiserhöhung den Vertrag kündigen, ohne das die Anpassung für Sie wirksam wird.

Auch die Bahn erhöht ihre Preise und dass Sie von der Erhöhung nicht mitten in der Fahrt überrascht werden liegt zum Teil auch daran, dass Sie nicht jahrelang 24 Stunden am Tag Bahn fahren aber sehr wohl Energie beziehen können.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline superhaase

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Unbilligkeitseinwand VOR Vertragsschluss?
« Antwort #14 am: 17. Dezember 2008, 00:42:19 »
Das zeigt ja gerade, dass die Situation des Vertragsschlusses bei einer Bahnfahrt mit der Situation des Vertragsschlusses beim Gasbezug nicht vergleichbar ist, da eine Bahnfahrt mit vereinbartem einseitigen Preisbestimmungsrecht gar keinen Sinn ergibt. Die Bahnfahrt hat einen von vorneherein feststehenden und unveränderlichen Preis, wenn ich einsteige.

Es macht ganz offensichtlich einen Unterschied, ob ich einen Vertrag mit feststehendem Preis vereinbare (den es auch beim Gasbezug gibt), oder ob ich einen Vertrag mit einseitigem Preisbestimmungsrecht (und somit eben gerade nicht mit einem festgelegten unveränderlichen Preis) vereinbare.
Mit dem Beispiel der Bahnfahrt lässt sich also nicht verdeutlichen, wie es sich mit dem Grundversorgungsvertrag in der Gasversorgung verhält.
Mehr wollte ich gar nicht sagen.

Im Übrigen teile ich Ihre Auffasung, dass man nicht vor Vertragsabschluss \"vorsorglich\" irgendwelchen Vertragsbedingungen widersprechen kann und den Vertrag dann trotzdem annehmen kann, ohne dass die vorher zurückgewiesenen Bedingungen gültig werden.
Allerdings handelt es sich beim Gaspreis in seiner absoluten Höhe eben gerade nicht um eine solche Vertragsbedingung.

Nochmal nachgefragt: Gibt es Grundversorgungsverträge, die einen \"Anfangspreis\" ausdrücklich nennen, und dann noch ein Preisänderungsrecht enthalten?
Ich kenne nur Varianten, die auf eine Preisveröffentlichung (Tarifblatt etc.) verweisen. Es kann auch noch eine Formulierung wie \"in Höhe von derzeit x ct/kWh\" oder dergleichen enthalten sein.
Eine weitergehende Formulierung wie \"mindestens aber x ct/kWh\" oder ähnliches gibt es wohl nicht - würde auch vor Gericht keinen Bestand haben.
Nun frage ich mich, wie der 8. Senat des BGH in solche Grundversorgungsverträge einen nicht unterschreitbaren Preissockel hineininterpretieren kann, der auch noch mit jeder unwidersprochenen Erhöhung ansteigt, wenn selbst den Versorgern klar ist, dass sie ihre Preise auch mal senken müssen? Das wird auch von keinem Versorger bisher bestritten, ganz im Gegenteil habe ja alle Versorger immer wieder mal die Preise auch gesenkt - völlig grundlos und somit ihren Aktionären gegenüber untreu?

Ansonsten könnte man den Spieß doch auch umdrehen und nach jeder Preissenkung dann, wenn der Versorger einige Zeit Gas geliefert hat (ohne sich selbst zu widersprechen ;)), von einem nicht mehr überschreitbaren Preisdeckel reden. Das wäre doch genauso unsinnig, oder?
Bitte jetzt nicht den Preisdeckel juristisch zerpflücken, das war ein Scherz.  :D

ciao,
sh
8) solar power rules

 

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