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Autor Thema: Nachweis von Einsparungen: Sprengkraft unterschätzt?  (Gelesen 9504 mal)

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Offline RR-E-ft

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Nachweis von Einsparungen: Sprengkraft unterschätzt?
« Antwort #15 am: 30. Dezember 2008, 22:00:17 »
@Black

Das sehe ich (etwas) anders. Man kann auch vorsorglich etwas bestreiten, was für den Rechtsstreit Relevanz hat und zu dem sich die Gegenseite noch nicht erklärt hat, um dieser zu einer Erklärungsmöglichkeit zu verhelfen/ eine entsprechende Erklärung zu veranlassen.

Es mag gewiss klug sein, dass der Versorger von sich aus ohne Not nichts dazu vorträgt und sich lieber ausschweigt:

Viele beziehen ihr Gas leider immer noch zu teuer, weil sie die bestehenden Möglichkeiten des Wettbewerbs nicht genutzt und schon keine Ausschreibungen durchgeführt haben. Mancherorts ließ man sich wohl als Gegenleistung vom Vorlieferanten zu Lustreisen u.a. verleiten. Teuer bezahlen sollen dann andere dafür.

Es geht auch anders.

Offline ESG-Rebell

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Nachweis von Einsparungen: Sprengkraft unterschätzt?
« Antwort #16 am: 30. Dezember 2008, 23:43:27 »
Zitat
Original von Black
@ tangocharly

meinen Sie im Ernst, dass irgendein Versorger nachweisbar absichtlich ungünstige Verträge abgeschlossen hat und \"zu beliebigen Preisen eingekauft\" hat? Das zu belegen dürfte schwer fallen.
Ja und zwar mit folgender Überlegung (wie übrigens schon mehrfach erwähnt):

Die zum jeweiligen Konzern zugehörigen Endverteiler (namentlich EnBW Vertriebs GmbH, EnBW Gas GmbH und Erdgas Südwest GmbH, was den EnBW AG Konzern betrifft) unterliegen einer direkten Weisungsgebundenheit des EnBW AG Vorstands.
Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Kunden besteht die Gefahr, dass überhöhte Gewinne dieser Unternehmen als unbillig erkannt und folglich abgeschöpft werden. Um dies zu vermeiden, sollten diese Unternehmen tunlichst \"Harakiri\"-Verträge akzeptieren um den Großteil der Profite auf die ebenfalls konzerneigenen Schwesterunternehmen GVS und EnBW Netz GmbH zu verlagern. Diese sind zumindest vor einem direkten \"juristischen Durchgriff\" der geplünderten Kunden geschützt, da sie nicht deren unmittelbare Vertragspartner sind.

Bei den zahlreichen Stadtwerken, an denen die EnBW mindestens Sperrminoritäten hält (also 25,1%), kann der EnBW AG Vorstand zumindest massiv in die Geschäftsentscheidungen eingreifen; insbesondere also Bemühungen unterminieren, hohen Kostenfordergungen seitens der GVS und der EnBW Netz GmbH zu entgehen.

Zitat
Original von Black
Was Sie wollen ist also ein zusätzliches Sachverständigengutachten ...
Das erhöht die Prozesskosten noch einmal ... [um] 3.000 - 5.000 Euro.
Bangemachen gilt nicht - Der Umweltschutz wurde auch Jahrzehntelang mit dem Totschlagargument \"steigende Arbeitslosigkeit\" abgewehrt.

Natürlich erfordert eine Beweisaufnahme zunächst einmal ein plausibles Vorbringen beider Seiten.
Auf Verbraucherseite kann man nur die Abhängigkeiten der Firmen untereinander sowie die Höhe und Veränderung öffentlich zugänglicher Zahlen interpretieren.

Auf Versorgerseite besteht nun aber eindeutig die Pflicht, sich im Vertragsverhältnis seinen Vorlieferanten gegenüber so zu verhalten, als könnten keinerlei Kosten abgewälzt werden. Dies ist natürlich ebenfalls plausibel vorzutragen und ggf. zu beweisen.

Ein schnödes \"Nö - wir konnten nix einsparen.\" wird nicht reichen.

Gruss,
ESG-Rebell

Offline nomos

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Nachweis von Einsparungen: Sprengkraft unterschätzt?
« Antwort #17 am: 31. Dezember 2008, 11:02:28 »
Zitat
Original von Black
Na dann haben Sie ja Ihre neue Wunderwaffe im Billigkeitsstreit gefunden.
    @Black, wir befinden uns nicht im Krieg! Wenn Sie richtig gelesen haben, geht es hier nicht mehr \"nur\" um die Billigkeit von einseitig festgelegten Preisen. Das hat andere  Dimensionen.  Überhöhte Energiepreise schaden jedem Verbraucher und der Volkswirtschaft. Jeder Schaden hat die Frage nach der Verantwortung zur Folge. Die ist noch nicht beantwortet.

    Neben dem Privatrecht gibt es auch noch das öffentliche Recht. Das ist bei Verbraucherorganisationen und auch hier im Forum, aus welchen Gründen auch immer, nicht gerade populär oder opportun.  

    Aber auch die zivilrechtliche Frage der Billigkeit von Preisen kann kein Gericht wirklich beurteilen, wenn nicht Konzernverflechtungen, Holdingstrukturen und Abhängigkeiten mit in die Betrachtung einbezogen werden.

    Der Verschiebebahnhof von Gewinnen bei Beteiligungen ist aufzulösen. Ansonsten lässt sich der Wille des Gesetzgebers nicht erfüllen. ;)
    Gegebenfalls ist das gesamte Konstrukt in die Prüfung mit einzubeziehen.

    @Black, richtig ist, dass da für einen einzelnen Verbraucher oder für eine kleine Gruppe gerade die erheblichen Kosten für Gutachten eine Hemmschwelle bilden. Warum Verbraucherorganisationen sich mit dem Verwaltungsrecht wenig beschäftigen  und sich hier zurückhalten, darüber kann man sich seine Gedanken machen. Es wird Gründe dafür geben.

    Die Rechtsfindung kann und darf in einem Rechtsstaat nicht am Geld scheitern. Das Grundgesetz Artikel 3(1) spricht zwar von Menschen, ich bin mir aber sicher, dass Energiegroßkonzerne keine Ausnahme bilden.

Offline Lothar Gutsche

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Nachweis von Einsparungen: Sprengkraft unterschätzt?
« Antwort #18 am: 31. Dezember 2008, 11:06:01 »
@ESG-Rebell

Begleitet wird der konzerninterne Einkauf von diversen Maßnahmen der Bilanzverschleierung. Der EnBW-Konzern ist zum einen gesellschaftsrechtlich an den Stadtwerken beteiligt und entsendet meist auch ein oder gar mehrere Mitglieder in den Aufsichtsrat der Stadtwerke. Sowohl über seine Beteiligung als Aktionär als auch über das Aufsichtsratmandat kann EnBW zumindest mittelbar auf die Stadtwerke einwirken. Deshalb gilt EnBW als sogenannte „nahe stehende Person“ im Sinne des Deutschen Rechnungslegungs Standards Nr. 11, siehe wegen Details http://www.ias-rechnungslegung.com/.

Bei Geschäften mit nahe stehenden Personen besteht ganz allgemein der Verdacht, dass den Geschäften nicht übliche kaufmännischer Erwägungen, sondern persönliche Motive zu Grunde liegen. Es besteht die Gefahr, dass die Stadtwerke keine angemessene Gegenleistung erhielten, überhöhte Einkaufspreise an ihren Vorlieferanten zahlten und mit nicht marktüblichen Bedingungen benachteiligt wurde. Noch deutlicher drückt das Professor Dr. Kai-Uwe-Marten in dem Artikel „Related Parties: Prüfung nach dem neuen ISA 550 und Grundlagen der Behandlung in der Rechnungslegung“ in der Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung IRZ, Heft 1, Seite 49 – 56, Mai 2006 aus (siehe Seite 53 in Abschnitt 3.1 http://www.mathematik.uni-ulm.de/irw/downloads/irz_rp.pdf):
Auch wenn ein Unternehmen im Rahmen seiner gewöhnlichen Geschäftstätigkeit Transaktionen mit einer nahe stehenden Person unternimmt, kann es sein, dass die Abwicklung nicht zu marktüblichen Bedingungen erfolgt. Möglicherweise liegt der Grund für Geschäftsvorfälle mit nahe stehenden Personen nicht in den üblichen kaufmännischen Erwägungen, sondern in anderen Motiven (z.B. in einer Gewinnverlagerung oder der Ermöglichung von Vermögensschädigungen oder sonstigen Gesetzesverstößen). … Gleichzeitig wird hieran deutlich, dass Informationen über nahe stehende Personen und die mit ihnen abgewickelten Transaktionen für den Abschlussprüfer und die Anwendung des risikoorientierten Prüfungsansatzes selbst dann von besonderer Bedeutung sind, wenn die einschlägigen Rechnungslegungsvorschriften keine spezifischen Berichterstattungspflichten vorsehen. … Infolgedessen bieten Beziehungen mit nahe stehenden Personen vermehrt Gelegenheit für kollusives Verhalten, Verschleierung oder Manipulation, was zu einem höheren Risiko für Verstöße i.S.v. dolosen Handlungen führt. Dies gilt insbesondere, wenn nahe stehende Personen dem Abschlussprüfer gegenüber nicht offen gelegt werden.

Wegen der Gefahren oder schon wegen des erhöhten Risikopotentials müssen die Geschäfte mit nahe stehenden Personen im Risikomanagement besonders beobachtet werden und in die Risikobeurteilung des Abschlussprüfers einfließen.

Der Deutsche Rechnungslegungs Standard Nr. 11 (DRS 11) verpflichtet lediglich kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen, über Beziehungen zu nahe stehenden Personen zu berichten. Nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen wie den Stadtwerken wird die Anwendung des Standards empfohlen. Wegen der besonderen Sorgfaltspflichten bei Kommunalunternehmen im mehrheitlich öffentlichen Eigentum liegt die Empfehlung für die Stadtwerke jedoch nicht mehr im Ermessen der Geschäftsleitung, sondern wird zur Pflicht. Im Sinne einer ordnungsgemäßen Buchführung müssten die Geschäftsbeziehungen mit dem EnBW-Konzern im Geschäftsbericht transparent dargestellt werden. Nach Randnummer 12 des DRS 11 sind zu den Geschäftsvorfällen mit nahe stehenden Personen folgende Angaben für das aktuelle Geschäftsjahr und das Vorjahr zu machen:
a) Beschreibung des Geschäftsvorfalls
b) sein Umfang, entweder als Betrag oder als prozentualer Wert des Umsatzes
c) Forderungen und Verbindlichkeiten sowie Eventualforderungen und –verbindlichkeiten gegenüber nahe stehenden Personen als Betrag oder prozentualer Wert und
d) die Preisgestaltung.

Ich stelle in Frage, dass die Geschäftsberichte der Stadtwerke ein vollständiges und korrektes Bild der wirtschaftlichen Verhältnisse im Sinne von § 238 Abs. 1 HGB vermitteln. Ob Geschäftsführer und Aufsichtsrat der Stadtwerke wegen unrichtiger Darstellung nach § 400 Abs. 1 AktG bzw. § 331 HGB strafrechtlich zu belangen ist, lasse ich derzeit prüfen. Zumindest im Zivilprozess der Stadtwerke Würzburg gegen mich werde ich diese Bedenken vortragen, nachdem ich die Stadtwerke in mehreren Schreiben in der Vergangenheit zu ihren Einkaufsbeziehungen vergeblich um eine Stellungnahme gebeten hatte. Bei Interesse versende ich gern meine Strafanzeige, den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Würzburg und meinen zugehörigen Widerspruch gegen den skandalösen Einstellungsbescheid.

Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gutsche
Kontakt: Lothar.Gutsche@arcor.de

Offline tangocharly

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Nachweis von Einsparungen: Sprengkraft unterschätzt?
« Antwort #19 am: 31. Dezember 2008, 14:49:01 »
Zitat
Original von Black
@ tangocharly

meinen Sie im Ernst, dass irgendein Versorger nachweisbar absichtlich ungünstige Verträge abgeschlossen hat und \"zu beliebigen Preisen eingekauft\" hat? Das zu belegen dürfte schwer fallen.
Würden Sie einem Verbraucher raten dies in einem Prozess zu behaupten? Denn um einen Beweisbeschluss hierüber zu erlangen muss zumindest eine Partei entsprechende Tatsachen behaupten.

Na also, jetzt haben wir ihn doch noch erwischt, den BGH (meine ich). Denn weil @Black den Nagel auf den Kopf getroffen hat (oder meint getroffen zu haben), liegt auf der Hand dass der BGH in seinem Urteil vom 19.11.2008 Dinge problematisiert, welche ernsthaft nicht in Erwägung zu ziehen sind (nicht gerade beruhigend !).

Nun meine ich, dass dem BGH wohl schon bekannt war, dass es (einer branchenüblichen Manier entsprechend) Verträge geben soll, in denen gebunden, gekoppelt, Gewinne kumuliert, etc. wird. Ohne Rücksicht auf Europarecht, ohne Rücksicht auf Vergaberecht und natürlich ohne Rücksicht auf die bundesdeutschen \"Zielvorgaben\" des EnWG.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

 

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