Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06  (Gelesen 55955 mal)

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Offline Capo

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BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
« Antwort #30 am: 14. Juni 2007, 22:00:00 »
Ganz anders sieht das der Rechtsanwalt Gerhard Leverkinck aus Koblenz. Im SWR III \"Infomarkt\" um 21:00, gab er soeben eine Stellungnahme über das Gerichtsurteil ab. Nach seiner Aussage können die Gasrebellen auf Dauer gesehen  die Segel streichen. Angeblich brauchen die Versorger vom Vorlieferanten nur noch eine Rechnung über die entstandenen Kosten vorweisen.
Sollte das wirklich so einfach sein, dass über eventuelle Absprachen der Versorger mit dem Lieferanten die passende Summe am Ende raus kommt??
Bis dann...

Offline RR-E-ft

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BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
« Antwort #31 am: 14. Juni 2007, 23:05:51 »
@Capo

Soweit mir bekannt ist, liegt der Urteilstext noch gar nicht vor.
Aber sei es drum.

Bei entsprechenden Rechnungen handelt es sich um Urkunden aus der Buchführung der Unternehmen.

Urkundenfälschung wird wohl niemand jemand anders unterstellen wollen.

Es spricht also rein gar nichts dafür, dass die Belege und Buchwerke des Versorgers und der Vorlieferanten aus der Vergangenheit manipuliert werden.

Zudem sind die zwischenzeitlich abgesenkten Netzkosten gegenzurechnen. Auch dazu bestehen Urkunden.

Abgesenkte Netzkosten spielten in dem Heilbronner Verfahren keine Rolle, weil die Regulierungsbehörde noch nicht soweit war.

Die Maßstäbe des BGH zur Billigkeitskontrolle einer einzelnen Preiserhöhung zu Grunde gelegt (egal wie man zu diesen steht), kann sich dabei ergeben, dass die Preiserhöhungen des einzelnen Versorgers  angemessen waren.

Auch das kann das Ergebnis einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle sein.

Aber auf diese Gewissheit kommt es doch allen an, welche sich auf die Unbilligkeit und Unverbindlichkeit berufen und die einen entsprechenden Nachweis verlangt haben.

Offline alx

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BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
« Antwort #32 am: 14. Juni 2007, 23:07:47 »
bevor hier der genaue Urteilstext nicht bekannt ist, gibt es natürlich viel Spekulation.

So einfach wie RA Leverkinck das sieht wird es hoffentlich für die Versorger nicht. Ist RA Leverkinck mit Schwerpunkt Wirtschaftsrecht ein Anwalt der Verbraucherzentralen?

We will see...
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Offline Schöfthaler

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BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
« Antwort #33 am: 14. Juni 2007, 23:10:18 »
@Capo:
... nicht nur eventuelle Absprachen der Versorger mit dem Lieferanten - die Lieferanten sind selbst meist mit gehörigen Anteilen an den Stadtwerken beteiligt.

Und hier liegt meiner Meinung nach die Krux, wenn das EVU angeblich tatsächlich einfach die erhöhten Bezugskosten weitergeben darf - diese Bezugskosten können unbillig sein (und sind es nach aller unserer Überzeugungen ja tatsächlich) und werden durch die Weitergabe der unbilligen Veränderungen an die EVUs (und damit an die Kunden) doch nicht plötzlich billig ... In anderen Branchen nennt man das Geldwäscherei.

Ist der BGH-Senat darauf nicht selbst gekommen?
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Offline RR-E-ft

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BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
« Antwort #34 am: 14. Juni 2007, 23:24:52 »
@Schöfthaler

Es ist unzutreffend, in diesem Zusammenhang von Geldwäsche zu sprechen.

Die Kritik geht zutreffend dahin, dass dann auch überhöhte Vorlieferantenpreise \"durchgewinkt\" werden könnten, was ja dem rechtlich anerkannten Interesse des Kunden an einer möglichst preisgünstigen, effizienten Versorgung widerspräche.

Nach diesem Interesse hat wohl eben niemand gefragt, vgl. oben.

Es ist indes nicht so, dass Gerichte an die Rechtsprechung des BGH gebunden wären.

Wer mit guten Argumenten überzeugt, kann also dafür Sorge tragen, dass in seinem konkreten Fall weitere Aspekte in das Blickfeld genommen werden. Richter sind unabhängig.

Nur fällt es schwerer, gegegen eine bestehende BGH- Rechtsprechung zu überzeugen. Aber die Rechtsprechung des BGH ist eben auch nicht statisch, vgl. oben.

Und wer über § 102 EnWG zum Kartellsenat des BGH gelangen sollte, der erfährt ggf. wieder etwas anderes.

Versorgeranwälte hätten es wohl gern, wenn der Widerstand aufgegeben würde - ganz ohne Billigkeitsnachweis -  wohl, weil den Verorgern weiterhin nicht an einer gerichtlichen Klärung gelegen ist:

Pressemitteilung FPS

Ich vermisse in dieser Stellungnahme den Hinweis, dass die Versorger einen entsprechenden Billigkeitsnachweis noch gar nicht gegenüber ihren Kunden außergerichtlich erbracht haben und wohl auch gar nicht daran denken, einen solchen nachvollziehbaren und prüffähigen Nachweis zu erbringen. Die Kunden sollten am besten auf ein freundliches Schreiben ohne jedweden Nachweis des konkreten Versorgers \"die Segel streichen\".

Ich meine, mich erinnern zu können, aus dieser Ecke gehört zu haben, eine Billigkeitskontrolle komme sowieso nur bei einer Monopolstellung in Betracht, weshalb bei Strompreisen nun nichts mehr ginge. Einseitige Preiserhöhungen im laufenden Vertragsverhältnis  aufgrund eines gesetzlichen Preisänderungsrechts unterliegen jedoch der Billigkeitskontrolle vollkommen unabhängig von einer Monopolstellung.

Offline Cremer

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BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
« Antwort #35 am: 15. Juni 2007, 07:32:04 »
Ich denke man sollte erst mal das Urteil in seiner Gesamtheit abwarten.

Es gibt bereits auch Wirtschaftsskanzleien, welche eigene Pressemitteilungen herausgeben.

So habe ich von der Wirtschaftskanzlei FPS (Fritz Paul Seelig) Herrn Rechtsanwalt Dorß gestern eine Mail erhalten mit anhang einer Pressemitteilung.

Diese schlägt sich eindeutig auf die Seite der Versorger.
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

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Offline wulfus

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BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
« Antwort #36 am: 15. Juni 2007, 10:04:32 »
@Fricke, @Cremer, @alle
Na also! Meine Fragen/Befürchtungen (siehe weiter oben) werden bestätigt!

Aus Ihrem Presselink:
Zitat
Auch all jene, die Widerspruch gegen die Preise eingelegt haben und ihre Rechnungen unter Vorbehalt zahlen, sollten sich jetzt fragen,
ob sie diese Praxis aufrecht erhalten wollen, erläutert Gasmarktexperte Dorß. Denn diese Kunden setzen sich dem Risiko einer Feststellungsklage aus.
Zitat
Gasversorgungsunternehmen, die nach der BGH-Entscheidung mit ihren Erhöhungen auf der sicheren Seite sind,
werden auch vor dem Hintergrund der bestehenden Rechtspflicht zur Gleichbehandlung der Kunden nicht länger in Ungewissheit bleiben wollen.
Entweder schreiben sie ihre Widerspruchs-Kunden freundlich mit der Bitte an, die höchstrichterliche Rechtsprechung zu akzeptieren und den Widerspruch zurückzunehmen, warnt Dorß,
oder sie rufen die Gerichte mit dem Ziel an, die endgültige Zahlungsverpflichtung ihrer Kunden feststellen zu lassen.
Der tüchtige Herr RA Dorß warnt also uns Widersprüchler und empfiehlt sich bereits den GVU mit Vorgehensweisen gegen uns.
Ich bin sehr gespannt, welche Empfehlungen bzw. Möglichkeiten uns letztlich bleiben, wenn die juristisch vorbelasteten
Mitglieder im Forum sich bei der Interpretation des BGH-Urteils ausgetobt haben.
Auf die hoffentlich hier zum Besten gegebenen Schreiben unserer GVU bin ich ganz besonders gespannt!


wulfus  :D

Offline RR-E-ft

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BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
« Antwort #37 am: 15. Juni 2007, 12:12:41 »
@wulfus

Solche Meldungen werden ja nicht umsonst gestreut.

In der Regel haben Kunden einen Billigkeitsnachweis gefordert.

Dieser könnte außergerichtlich erbracht werden, wurde er aber bisher nicht. Oder?



Der Billigkeitsnachweis:

In dem Heilbronner Verfahren war eine WP- Bescheinigung vorgelegt worden und der Kläger hatte deren Inhalt nicht substantiiert bestritten.


Ob und wie die Bezugskosten tatsächlich gestiegen waren, hatten die Gerichte deshalb nicht mehr zu prüfen. Eine Frage des Prozessverhaltens.

Zumindest würde ich selbst Kopien der Rechnungen des Vorlieferanten für die entsprechenden Zeiträume sehen wollen, aus denen die erhöhten Beschaffungskosten in Ct/ kWh eindeutig hervorgehen und die darauf geprüft werden können.

Bis dahin hat der Kunde gar keine Veranlassung zu einer Klage gegeben, so dass ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO möglich sein sollte, wenn erst mit der Klageschrift entsprechende Unterlagen vorgelegt werden. Das ist doch alles von Anfang an beschrieben.

Wenn in Heilbronn eine einzelne Preiserhöhung angemessen gewesen sein sollte, sagt dies nichts darüber aus, wie es sich mit den einzlenen Preiserhöhungen des eigenen Versorgers vor Ort verhielt.

Dies lässt sich wohl jeweils nur in entsprechenden Gerichtsverfahren klären, wenn der Streit darüber fortbesteht und geklärt werden soll.

Ich hielte indes gerade solche Feststellungsklagen der Versorger aus verschiedenen Gründen für völlig untunlich.

Früher hieß es im Falle eines Widerspruches : Dann wird gesperrt.
Einschüchterung gehört zum Geschäft.

Eine Klagewelle hatte E.ON Ruhrgas Chef Bergmann bereits im September 2004 im SPIEGEL in Aussicht gestellt. Hat sie einer gesehen?

Zumeist haben Kunden geklagt. Nun wird vielerorts gehofft, dass diese Kunden ihre Klagen zurücknehmen.

Wollte derjenige, der unter Vorbehalt zahlte, nicht selbst auf Rückzahlung klagen, um eine gerichtliche Klärung zu erreichen, oder kommt es ihm etwa gar nicht (mehr) darauf an ?

Wenn es ihm nicht (mehr) darauf ankommen sollte, könnte er es tatsächlich auch lassen, oder ?

Es war von Anfang an klar, dass kein Kunde, der unter Vorbehalt gezahlt hat, freiwillig etwas zurückbezahlt bekommen wird.

Zwar hatten einzelne Versorger, wie wohl die Bremer SWB und die Berliner Gasag solche Rückzahlungen in Aussicht gestellt und den Kunden erklärt, diese müssten deshalb selbst gar keinen Widerspruch einlegen, weil ein Urteil dann für alle Kunden gelte.

Als die Klagen für die Versorger in der I. Instanz verloren gingen, wollte man es plötzlich nicht mehr so verstanden wissen.

Die Enso war auch in der II. Instanz vor dem OLG Dresden unterlegen.

Die Stadtwerke Dinslaken unterlagen in der II. Instanz vor dem LG Duisburg. Kunden unterlagen in der II. Instanz vor dem LG Bonn und LG Magdeburg. Teilweise wurden  Revisionen zum BGH eingelegt.

Klar war auch, dass Kunden, die Rechnungsbeträge kürzen, damit rechnen müssen, verklagt zu werden, und dass dabei eine gerichtliche Klärung der Zulässigkeit und Angemessenheit der Preiserhöhungen und ggf. der Angemessenheit der erhöhten Preise erfolgen muss.

Es ist doch vollkommen egal, wer klagt, weil die Kosten die gleichen sind und sich auch am Procedere nichts ändert.

Wer die Rechnungen gekürzt hat, steht natürlich besser, weil er das Geld noch selbst in der Hand hält und für ein Verfahren auch keinen Prozesskostenvorschuss auf den Tisch legen muss.

Es mag regional unterschiedlich sein.

Nach meiner Einschätzuing sind die meisten Kunden, die mit Gas heizen, Sondervertragskunden, wo der Versorger schon kein gesetzliches Preisänderungsrecht hat. Als Tarifkunden werden oft nur diejenigen beliefert, die Gas nur in kleinen Mengen etwa zum Kochen beziehen.

Über die Wirksamkeit einseitiger Preisänderungsvorbehalte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Sonderverträgen gem. § 307 BGB hatte der BGH schon oftmals entschieden.

Ich kenne keine Entscheidung, wo ein solcher Vorbehalt wirksam war. Der weite Maßstab der Billigkeit soll nach Auffassung des BGH  den Anforderungen an eine Formularbestimmung gerade nicht genügen.

Eine Billigkeitskontrolle käme darüber hinaus nur in Betracht, wenn zwischen den Parteien ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht bei Vertragsabschluss vereinbart wurde. Wo ein solches tatsächlich vereinbart worden sein sollte (Auslegungsfrage), ist auch der Gesamtpreis kontrollierbar.

Ob ein Versorger auch  in einem solchen Falle klagt, steht doch sehr zu bezweifeln. Völlig auszuschließen ist es indes nicht.

Offline Lernender

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BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
« Antwort #38 am: 15. Juni 2007, 14:54:17 »
@Capo

Du schriebst, Zitat:
\"Ganz anders sieht das der Rechtsanwalt Gerhard Leverkinck aus Koblenz. Im SWR III \"Infomarkt\" um 21:00, gab er soeben eine Stellungnahme über das Gerichtsurteil ab. Nach seiner Aussage können die Gasrebellen auf Dauer gesehen die Segel streichen. Angeblich brauchen die Versorger vom Vorlieferanten nur noch eine Rechnung über die entstandenen Kosten vorweisen.
Sollte das wirklich so einfach sein, dass über eventuelle Absprachen der Versorger mit dem Lieferanten die passende Summe am Ende raus kommt??
Bis dann...\"

Auch ich habe diesen Beitrag gesehen. Ich bin allerdings etwas gelassener. Meine Erfahrungen in den Medien, u. a. auf dem Gebiet Wohnungseigentums-Recht, sind dahingehend, dass sachliche Differenzierungen oft aufgrund der Beitragslänge (gerne 2:30, um ein Thema darzustellen), oft nicht gemacht werden. Von daher sehr oft ein falscher Tenor deutlich wird.

Meine ganz persönliche Einstellung zu der Frage \"Wie geht\'s weiter, wie aussichtsreich ist unser Widerspruch u. s. w.?\" ist folgende:
Erst mal Ruhe bewahren. Und den gesamten Urteilstext abwarten.

Wie ich den Bereich Recht verstehe gibt es nie eine wie auch immer %ige Sicherheit, dass man gewinnt. Aber das sollten wir doch alle vorher gewusst haben. Panik ist jetzt erstmal nicht hilfreich.

Lernender

Offline lelas

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BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
« Antwort #39 am: 15. Juni 2007, 15:54:47 »
An alle:

Ich lese hier immer \"Der Versorger muss klagen ... ob er sich das angesichts Kosten/Nutzen leisten wird ... usw.\" - warum sollte er? Demnächst werden mehr oder weniger freundliche Schreiben bei den \"Rebellen\" eingehen und wenn dann nicht gezahlt wird, folgen unfreundliche Mahnungen und dann wird noch unfreundlicher das Gas abgestellt. Und dann entscheidet der Kunde, ob er eine meines Erachtens nicht mehr zu gewinnende Klage anstreben wird. Vielleicht gibt\'s noch nen pensionierten Richter mit Zweitkamin, der sich das dann noch leistet. Aber 99,9% aller \"Rebellen\" werden ruck-zuck die Rechnung begleichen, wenn die Bude und das Wasser erst mal kalt sind. Oder was?

Offline RR-E-ft

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BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
« Antwort #40 am: 15. Juni 2007, 16:09:27 »
@lelas

An der Rechtslage hat sich nichts geändert. Schließlich hat der BGH die Billigkeitskontrolle bestätigt und die Verbraucherposition gestärkt. Bisher hieß es von den Versorgern oft, eine Billigkeitskontrolle finde gar nicht statt.

So lange Streit über die Zulässigkeit und Angemessenheit der Preiserhöhungen besteht, der nicht gerichtlich geklärt ist, besteht nach wie vor kein Recht zur Versorgungseinstellung, wenn der Kunde die am Anfang vereinbarten bzw. in der Vergangenheit unbeanstandet hingenommenen Preise weiter zahlt.

Ob eine weitergehende Zahlungspflicht besteht, muss dann erst gerichtlich geklärt werden (vgl. auch § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV).

Auch daran hat sich nichts geändert.

BGH, Urt. v. 05.07.2005 - X ZR 60/04 unter II 1 b)

Die Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.

Der Versorger muss im Falle von Rechnungskürzungen nach entsprechender Einrede also weiter auf Zahlung klagen.

Einem Kunden, der unter Vorbehalt vollständig gezahlt hat, kann sowieso keine Einstellung angedroht werden. Weshalb auch.

Der Vorbehaltszahler könnte allenfalls mit einer Feststellungsklage angegangen werden, vgl. oben.

Eine Zahlungsklage hat er nicht zu besorgen, sondern könnte im Falle einer Feststellungsklage des Versorgers seinerseits (ohne Prozesskostenvorschuss zahlen zu müssen) auf Rückzahlung der unter Vorbehalt geleisteten Beträge widerklagen. Dies auch und gerade dann, wenn etwa die Preisänderungsklausel in den AGB unwirksam war.

Das sollte sich der Versorger also vorher gut überlegen.

Offline ESG-Rebell

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BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
« Antwort #41 am: 15. Juni 2007, 16:27:35 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Zudem lassen sich Erhöhungen aufgrund eines gesetzlichen Preisänderungsrechts immer auf ihre Billigkeit überprüfen. Eine Monopolstellung ist dafür gerade nicht erforderlich.

Für echte Tarifkunden hat der BGH nun entschieden, dass einseitige  Preisänderungen zulässig sind, diese jedoch selbst angemessen sein müssen, was gerichtlich überprüfbar ist.

Und was ist mit Preissenkungen oder gar ausbleibenden Preisänderungen?

Was von mehreren Verbrauchern wohl implizit angenommen wird und sicherlich auch von den Versorgern so aufgegriffen werden wird ist der Eindruck, jeder Verbraucher sei sozusagen an seinem (ggf. hohen) Anfangspreis \"angetackert\" und könne zukünftig niemals mehr weniger zahlen, wenn nicht durch freiwillige Senkungen des Versorgers.

In diese Kerbe schlägt auch die Empfehlung des BdE, den zuletzt unbeanstandet gezahlten Preis weiterzuzahlen.

Meines Erachtens kommt man den GVU damit aber zu weit entgegen.

Im schlechtesten Fall lässt sich das Urteil so auslegen, dass Rückforderungen und Einwände für den jeweiligen Zeitraum per se ausgeschlossen sind.

Dennoch können Tarifkunden meines Erachtens aber für jeden neuen Abrechnungszeitraum die verlangten Preise wieder insgesamt als unbillig anzweifeln.
Auch wenn der Versorger keine Preiserhöhung vornimmt oder gar eine kleine Preissenkung zugesteht, kann es dennoch sein, dass er eine kräftige Preissenkung hätte vornehmen müssen.

Aus den Geschäftsberichten der Versorger lassen sich zahlreiche Indizien dafür ableiten.

Also - nicht verunsichern lassen!

Gruss,
ESG-Rebell

Offline RR-E-ft

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BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
« Antwort #42 am: 15. Juni 2007, 16:40:11 »
@ESG-Rebell

Ein Sonderkunde kann nur Preiserhöhungen abwehren, wenn die AGB- Klausel unwirksam ist. An den vereinbarten Anfangspreis ist er gebunden, ebenso wie ein Yello- Stromkunde.


Bei Kunden in der Grundversorgung kann sich m. E. ein Anspruch auf (weitergehende) Preissenkung aus §§ 2 Abs. 1, 36 EnWG ergeben, denn auch wenn der Grundversorger sein Ermessen bei Kostensenkungen dahingehend ausübt, die Preise nicht (oder nicht vollständig) zu senken, ist dies Ermessensentscheidung gerichtlich überprüfbar. Das muss sich wohl als Kehrseite des Rechts des Grundversorgers auf einseitige Preiserhöhungen ergeben.

Das wäre dann ein Fall für die speziellen Gerichte, § 102 EnWG.

Das hatten Gerichte indes bisher nicht zu klären.

Bei dem vom BGH entschiedenen Fall wollte der Kläger nur die Angemessenheit einer einzelnen Preiserhöhung gerichtlich geklärt wissen. Mehr nicht.    

Der BGH ist kein Auskunftsbüro und entscheidet nur über die Fälle, die zu ihm gelangen....

Aber natürlich ist es weit einfacher, zu einem anderen, günstigeren Lieferanten zu wechseln, wenn ein solcher schon vorhanden ist.
Machen das alle Kunden, so wird nach drei Jahren ein anderer Lieferant zum Grundversorger gekürt, nämlich der, der die meisten Haushaltskunden in einem Netzgebiet beliefert.

Teure Grundversorger lassen sich also - wenn der Wettbewrb einmal funktioniert - von den Kunden abwählen.

Grundversorger nach § 36 Abs. 1 EnWG ist jeweils das Energieversorgungsunternehmen, das die meisten Haushaltskunden nach § 3 Nr. 22 EnWG in einem Netzgebiet der allgemeinen Versorgung beliefert.

Es ist jedoch nicht möglich, dass ein Kohlenhändler zum Gas- Grundverorger wird, wenn alle Gaskunden in einem Netzgebiet auf Kohleheizung umsteigen. Der Wettbewerb hat also seine Grenzen.

Man sollt jedenfalls auch einen gesenkten Erdgaspreis insgesamt als unbillig rügen, wenn man die vorhergehenden, jeweils erhöhten Gaspreise als unbillig gerügt hatte.

Offline goofy3

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BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
« Antwort #43 am: 15. Juni 2007, 21:15:41 »
habe nun recht viele, auch lange berichte zu dem thema gelesen, obwohl die bergruendung noch nicht veroeffentlich wurde.
verstehe die schwarzseherei noch nicht, bisher ist nicht einmal klar, wie es auszulegen ist.
einzig offensichtlich, es wurde nur gegen die erhoehung geklagt IMHO ein gravierender unterschied zu vielen anderen.
auch recht deutlich, die situation kann regional sehr unterschiedlich betrachtet werden, je nach versorgungsmoeglichkeit.

leider gehoerte ich auch zu den euphorischen, welche sich erhofften, das urteil wuerde eine klare aussage zum dem umfang der vorzulegenden nachweise der billigkeit bringen, dies ist leider nicht erfolgt, eigentlich klar, war schliesslich nicht gegenstand der klage.

festgestellt wurde offensichtlich bisher, immerhin entgegen der bisherigen meinungen der EVUs, es gibt ein anrecht fuer den nachweis der billigkeit.

den jetzigen medienmitteilungen ist kaum bedeutung beizumessen, wie oft reisserisch und verkuerzt, selten aus der materie heraus.
dem wer wird millionaer wurde angeblich auch gekuendigt und an die versteckten werbeartikeln in \"neutralen\" berichten, auch von EVUs erinnere ich mich noch zu gut.

glaube kaum, dass die lobby der \"rebellen\", den der versorger entspricht.

das wesentliche problem besteht genauso weiter, wie bisher, erreicht werden muesste eine wirkliche offenlegung der entstandenen  preise, solange dies nicht erreicht wird, ist IMHO eine billigkeit nicht nachgewiesen.
als bsp. waren die netzentgelte hier 10% zu hoch, nur werden diese vorher auch schon faellig und wurden auf den bezugspreis aufgeschlagen usw.

durch die angeblich oeffnung auf dem gasmarkt, sehe ich neue felder, hier liefern z.B. SW nur in EON bereiche und nicht in SW bereiche.

sicherlich zu einfach gedacht, vielleicht jedoch logischer, als manch juristerei.

dazu kommt auch die entscheidung, dass ein gerne genutztes argument (oelpreisbindung)  der EVU z.zt. rechtlich beanstandet wird, somit keinen grund darstellt.
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Offline Wasnetgeht

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BGH, Urteil vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
« Antwort #44 am: 15. Juni 2007, 22:22:24 »
Hallo Hr. Fricke,
BGH Urteil vom 13.6. zeigt m.E. einen In-Sich-Widerspruch bei Öl/Gaspreissenkungen.
 
Wenn der zuletzt gezahlte Preis quasi durch den Verbraucher wie per Unterschrift anerkannt worden sein soll, wie verhält es sich dann in Zeiten von Gaspreissenkungen?
Der Versorger könnte sich dann auf einen Besitzstand des alten Preises auf ewig berufen, Preissenkungen (z.B. beim Importpreis des Gases, sinkenden Netzentgelten) völlig dem Verbraucher vorenthalten. In der Logik des BGH kann es dann nur Preiserhöhungen geben.  

Hier ist das BGH Urteil nicht schlüssig - ebenso wie bei der irreführenden und nicht per Gutachten gestützten Tatsachenbehauptung eines Wettbewerbs im Wärmemarkt. Was meinen Sie?
Mfg
Tilmann Haar, Gelnhausen

 

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