Pressemitteilung des BGH: Anwendung des § 315 BGB auf Gastarifpreise gem. § 4 AVBGasV (Unbedingt lesen!)
Wer die Gastarifpreiserhöhungen seit 2004 immerwährend angegriffen hat und erhöhte Preise nicht oder nur unter Vorbehalt gezahlt hat, der hat Anspruch auf einen Billigkeitsnachweis für die erfolgten einseitigen Gaspreis
erhöhungen.
Der Kläger scheiterte mit seiner Revision, weil er nur die einzlene Gaspreiserhöhung als unbillig gerügt und den Streitgegenstand deshalb gem. § 308 ZPO beschränkt hatte und weil er die von der Beklagten vorgelegten Kalkulationsgrundlagen nicht substantiiert angegriffen, sondern nur die Zulässigkeit der Ölpreisbindung angegriffen hatte.
Gaspreis
erhöhungen in Ausübung eines
gesetzlichen Preisänderungsrechts gem. § 4 Abs. 2 AVBGasV (beachte: gilt gem. § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AVBGasV nur für
echte Tarifkunden) unterliegen der Billigkeitskontrolle in
direkter Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB, ohne dass es dafür auf eine Monopolstellung des Versorgers ankommt.
Der Versorger muss die Billigkeit der Erhöhung des Gastarifpreises nachweisen, bevor er Zahlung verlangen kann.
Wenn Gaspreis
erhöhungen in Ausübung eines gesetzlichen Leistungsänderungsrechts gem. § 4 AVBGasV der Billigkeitskontrolle unterliegen, so gilt dies ebenso für Strompreiserhöhungen gem. § 4 AVBEltV bzw. gem. § 5 GasGVV/ StromGVV.
Diese Frage wurde im Urteil vom 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 Rdn. 16 - noch offen gelassen.
Nicht enstchieden wurde darüber, welche Anforderungen an Preisänderungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Energielieferungsverträgen gem. § 307 BGB zu stellen sind und ob etwa eine ergänzende Vertragsauslegung im Falle der Unwirksamkeit entsprechender Klauseln zur Anwendbarkeit des § 315 BGB führt.
Dagegen spricht, dass Stromversorger und Erdgaslieferanten nach der Rechtsprechung keine Monopolstellung einnehmen, die eine enstprechende Anwendung des § 315 BGB gebieten könnte.
Demnach gelten bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Grundsätze der Rechtsprechung zum Transparenzgebot gem. § 307 BGB (so schon LG Bremen, LG Berlin, LG Dresden, LG Kassel und LG Essen, für Gaslieferungsverträge BGH NJW-RR 2005, 1717 und Urt. v. 13.12.2006 - VIII ZR 25/06).
Auch diese Entscheidung steht hinsichtlich der Frage, ob der vor Vertragsabschluss bekannte Tarifpreis Gegenstand einer Einigung (Vereinbarung) wurde und allein deshalb keiner Billigkeitskontrolle unterliegt, in einem gewissen Widerspruch zur Rechtsprechung des Kartellsenates (Urt. v. 18.10.2005- KZR 36/04 Rn. 9, 10; Urt. v. 07.02.2006- KZR 8/05 und KZR 9/05), wonach bei Preisbestimmungen in Form Allgemeneiner Tarife der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt ist als der Folgepreis.
Der Kartellsenat stellt dogmatisch saueber heraus, dass sich die Parteien bei Vertragsabschluss auch dann nicht auf einen Preis einigen, wenn dieser betragmäßig bekannt ist, sondern auf ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht, wenn der eine Vertragsteil im laufenden Vertragsverhältnis nach Vertragsabschluss die Tarife (jederzeit) einseitig neu festlegen kann.
Die Billigkeitskontrolle
des Gesamtpreises lehnte der BGH deshalb ab, weil er meinte, es gäbe einen
einheitlichen Wärmemarkt und auf diesem hätten die Gasversorgungsunternehmen
keine Monopolstellung. Deshalb scheide die
analoge Anwendung des § 315 BGB auf den Anfangspreis bei Vertragsabschluss aus.
Bei der Frage, ob es einen einheitlichen Wärmemarkt gibt, handelt es sich um eine
Tatsachenfrage und nicht um eine Rechtsfrage.
Da es für die Entscheidung ganz offensichtlich darauf ankam, hätte der BGH die Sache wohl zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zunächst an das Berufungsgericht zurück verweisen müssen, so dass das LG Heilbronn zu klären gehabt hätte, ob es in Heilbronn einen solchen einheitlichen Wärmemarkt gibt und ob der Kläger an einem solchen überhaupt frei teilnehmen konnte.
Dabei wäre wohl aufgefallen, dass die Beklagte sowohl Erdgas als auch Fernwärme vertreibt und nicht abzusehen ist, dass beide Sparten gegegneinander Wettbewerb führen.
Diese Frage kann dann besondere Bedeutung erlangen, wenn etwa ein Stadtwerk, dass zugleich Fernwärme, Heizstrom und Erdgas anbietet, auf dem regionalen Wärmemarkt eine marktbeherrschende Stellung (die ab 1/3 Marktanteil vermutet wird) hat.
Dies kann insbesondere in vielen ostdeutschen Großstädten, in denen ein Großteil des Wohnungsbestandes an die Fernwärme angeschlossen ist, besondere Bedeutung erlangen.
Auch auf einem regionalen Wärmemarkt kann der Versorger eine marktbeherrschende Stellung haben. Der Restwettbewerb um Neukunden ist dann nicht geeignet, die Preise zu beeinflussen.
Dass man dem betroffenen Kunden gar entgegenhalten könnte, er hätte in einer solchen Stadt nicht siedeln müssen, ist fernliegend.
Zudem hätte geklärt werden müssen, welcher Marktpreis sich auf diesem Wärmemarkt wie in einem Wettbewerb herausgebildet hatte und wo die Beklagte mit ihren Gaspreisen nach der Erhöhung in Bezug auf diesen Marktpreis für Wärme auf dem ganz konkret sachlich, räumlich und zeitlich abzugrenzenden Markt stand.
Dabei hatte der Kartellsenat des BGH bereits in der Entscheidung \"Fernwärme für Börnsen\" im Jahre 2002 festgestellt, dass ein einheitlicher Wärmemarkt nicht besteht.
Erdgaskunden, die in die Grundversorgung abgeschoben werden sollen, ist tunlichst zu raten, die Grund- und Ersatzbelieferungstarife des Versorgers gem. § 315 BGB iVm. § 17 GasGVV sofort insgesamt als unbillig zu rügen, wenn sie vom enstprechenden Ansinnen des Versorgers erfahren.
Nichts anderes gilt für Stromkunden in der Grundversorgung oder Ersatzbelieferung.
Auch bei Erhöhungen sollten weiterhin
die erhöhten Gesamtpreise als unbillig gerügt und darauf verwiesen werden, dass etwaig gestiegene Bezusgskosten durch Kosteneinsparungen an anderer Stelle, etwa durch abgesenkte Nezkosten infolge der Regulierung, ganz oder teilweise ausgeglichen sein können, so dass die Entwicklung der
Gesamtkosten gar keine Erhöhung zu rechtfertigen vermag.
Über die Frage, ob solche vom Grundversorger einseitig festgelegten Tarife der gesetzlichen Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen gem. § 2 EnWG und also der Billigkeit entsprechen, sind erstinstanzlich gem. § 102 EnWG die Kammern für Handelssachen an den Landgerichten ausschließlich zuständig, für die Revision ausschließlich der
Kartellsenat des Bundesgerichtshofes gem. §§ 107, 109 EnWG.
Aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG könnte sich ergeben, dass die Preiskontrolle des (erhöhten) Gesamtpreises am Maßstab der §§ 1, 2 EnWG zu erfolgen hat.