@kamaraba
Dass auch dieses Urteil eine gewisse Kontinuität darstellt, lässt sich nachvollziehen in Energiedepesche Sonderheft; Seite 6, re. Spalte.
Nur stellen Kartellsenat und VIII. Zivilsenat die Weichen (seit kurzem)unterschiedlich:
Nach Auffassung des Kartellsenats ergibt die Auslegung bei Preisfestlegung in Form Allgemeiner Tarife, bei denen auf jeweils geltende Preisblätter verwiesen wird, dass bei Vertragsabschluss keine Einigung auf einen Anfangspreis erfolgte, sondern ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vereinbart wurde, so dass der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt ist als der einseitig festgesetzte Folgepreis.
Der Kartellsenat wendet deshalb auf den gesamten Preis § 315 BGB direkt an.
Folgt man der Auslegung des Kartellsenats, so kommt es auch für die Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises nicht auf eine Monopolstellung an.
Der VIII. Zivilsenat sieht das ersichtlich anders, ohne dass dies rechtsdogmatisch überzeugt.
Wenn ein Kunde Gas aus dem Netz entnimmt und sich auf einen Preis einigt, wird der Versorger wohl Schwierigkeiten damit haben, eine Tarifänderung z. B. zwei Tage nach Vertragsabschluss zu rechtfertigen:
(Er müsste darlegen und beweisen, dass nach Vertragsabschluss unvorhersehbar Umstände eingetreten sind, welche die Preisänderung rechtfertigen. Wohl außerordentlich schwierig).
Naheliegender ist deshalb die Auslegung, dass die Gaslieferungen nach einem vom Versorger jeweils einseitig festgelegten Gaspreis abgegolten werden, was die Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts bedeutet.
Zudem geht aus den Protokollen und Motiven zum BGB hervor, dass sich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gar nicht zerteilen lässt, so dass ein Teil einer Bestimmung der Billigkeitskontrolle unterliegt, ein anderer Teil indes nicht.
Schließlich können auch nach der Rechtsprechung des X. Senats (Urt. v. 05.07.2005 - X ZR 60/04 unter II. 1 b) nur Tarife von Versorgungsunternehmen insgesamt der Billigkeit entsprechen oder aber unverbindlich sein.
In früheren Entscheidungen hatte der VIII. Senat noch herausgestellt, dass durch die Entnahme zwar ein Vertrag zustande kommt, damit jedoch keine Preisvereinbarung verbunden sei, vielmehr die Auslegung zum (im Übrigen inhaltsgleichen § 4 AVBWasserV) ergibt, dass ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht des Versorgers vereinbart sei (BGH, Urt. v. 30.04.2003 - VIII ZR 276/02)
Zuletzt hatte der VIII. Zivilsenat so noch im Urteil vom 15.02.2006 - VIII ZR 138/05 ( Rn. 14/ 16, 28 ff.) entscheiden.
In Randnummer 16 dieses Urteils vom 15.02.2006 (!) führte der Senat noch explizit aus, dass ein konkludenter Vertragsabschluss ohne Preisvereinbarung erfolgen kann.
Der VIII. Zivilsenat beurteilt diese Frage wohl erst seit dem Urteil vom 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 anders, ohne bisher auch nur mit einem Wort darauf einzugehen, warum das so sein sollte.
Deshalb ist die Auffassung, dass der Anfangspreis deshalb keiner Billigkeitskontrolle unterliegt, weil keine Monopolstellung vorliegt, nicht zwingend. Im Urteil vom 15.02.2006 betreffend Fernwärmelieferungen spielte dies auch keine Rolle.
Rechtsdogmatisch problematisch ist die Ansicht, die vollständige Zahlung auf einen einseitig festgelegten Preis bei vereinbartem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht stelle eine Einigung dar.
Bei einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht soll die Preisfestlegung gerade vollkommen unabhängig von einem Einverständnis des Kunden dann verbindlich sein, wenn diese der Billigkeit entspricht.
Sonst könnte sie im Falle eines Widerspruches umgekehrt auch dann nicht verbindlich sein, wenn sie der Billigkeit entspricht, weil der Kunde ja gerade erklärt hat, dass er mit dem neuen Preis nicht einverstanden sei.
Die Ausübung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts stellt also nie zugleich ein einigungsfähiges Angebot dar, welches vom anderen Teil (ausdrücklich oder konkludent gem. § 151 BGB) angenommen werden könnte.
Dies stände auch im offenen Widerspruch zum Urteil des Senats vom 05.02.2003 - VIII ZR 111/02, wonach auch im Falle vorbehaltloser Zahlungen innerhalb offener Verjährungsfrist Rückforderungsansprüche wegen unbilliger Leistungsbestimmung geltend gemacht werden können.
Offensichtlich gibt es wohl Divergenzen zwischen verschiedenen Senaten des Bundesgerichtshofes und einen Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats.
@Cremer
Wenn Zahlungsklage erhoben wird, der Streitwert unter der Berufungssumme (600 EUR) liegt und die Berufung nicht besonders zugelassen wird, ist man nach der ersten Instanz bereits fertig.
Eine Revision erscheint allenfalls wegen divergierender Rechtsprechung des Kartellsenats notwendig, so dass auch eine solche nach einer Berufung, wo diese zulässig sein sollte, womöglich regelmäßig nicht zugelassen werden wird.
Dann ist man nach der zweiten Instanz fertig.
Fraglich ist noch, ob ein Gasversorger gegen mehrere Kunden, die ihre Widersprüche inhaltlich abgestimmt haben, zugleich mit einer einzigen Klage vorgehen kann (so geschehen am Landgericht Dortmund).
So könnten die Mitstreiter sehr schnell zu einer einheitlichen Klärung kommen, ähnlich wie bei einer \"Sammelklage\" der Kunden.
Zu bedenken ist indes, dass das Urteil nur für echte Tarifkunden Bedeutung erlangen kann. Im AGB- Recht gelten wieder andere Grundsätze.
@Wulfus
Dem Vertragspartner gegenüber ist die Billigkeit nachzuweisen, was auch vor Gericht im Rahmen einer Zahlungsklage oder im Rahmen einer Feststellungsklage des Kunden erfolgen kann.
Wenn der Kunde den Nachweis als nicht erbracht ansieht und sich deshalb auf die Unverbindlichkeit beruft, bleibt nur eine gerichtliche Klärung. Darum ging es doch von Anfang an gerade.
Eine gerichtliche Klärung muss dann ergeben, ob die Bestimmung angemessen war oder nicht. Eine gerichtliche Klärung ist am Anfang immer ergbenisoffen.
Nachzulesen ebenfalls in Energiedepesche Sonderheft.