GrundsätzlichesDiese Zusammenfassung soll allen Neu-Einsteigern helfen, die sich mit der Thematik des
Unbilligkeitseinwands nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB auseinander setzen wollen.
Der Beitrag ist als Basisinformation gedacht, um den bestehenden Diskussionsthemen schneller folgen zu können.
Die Regelunghttp://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__315.htmlDiese Regelung findet auf alle Verträge, die ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht enthalten, Anwendung. Dazu gehören insbesondere auch Strom- und Gaslieferverträge (Daseinsvorsorge). Bevor der Unbilligkeitseinwand geführt werden kann, bedarf es also einer
einseitigen Preisfestlegung durch den Versorger.Tarifkunde (lt. GVV jetzt Haushaltskunde) oder Sonderkunde?Diese Abgrenzung ist von grundlegender Bedeutung.
Tarifkunden werden zu allgemeinen Tarifen versorgt. Vom Versorger nicht ins Bockshorn jagen lassen – hier werden oft Begriffe verwendet, die den Verbraucher irritieren. :wink:
Neben dem mit dem Versorger i.d.R. durch schlüssiges Handeln geschlossenen Versorgungsvertrag (Tarifkunde) gelten ergänzend
bei Strom:
Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Strom-GVV)
http://www.gesetze-im-internet.de/stromgvv/index.html:!:
Achtung :!:
Die Strom-GVV sind nur auf Vertragsabschlüsse nach dem 12.07.05, sofern diese nicht vor dem 08.11.06 beendet worden sind, anwendbar.
Heißt im Klartext:
Für Altverträge gelten weiterhin die AVBEltV.
bei Gas:
Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (Gas-GVV)
http://www.gesetze-im-internet.de/gasgvv/index.html:!:
Achtung :!:
Die Gas-GVV sind nur auf Vertragsabschlüsse nach dem 12.07.05, sofern diese nicht vor dem 08.11.06 beendet worden sind, anwendbar.
Heißt im Klartext:
Für Altverträge gelten weiterhin die AVBGasV.
Bei Fehlen einer Verbraucherunterschrift auf dem Vertragspapier ist man
Tarifkunde. Der Unbilligkeitseinwand kann geführt werden.
Sondervertragskunde ist derjenige, der einen unbefristeten Vertrag mit dem Versorger durch
Gegenzeichnung des Vertrags, geschlossen hat. Der Vertrag enthält auch den Verbrauchspreis.
Das Vertragswerk wird durch allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ergänzt. Grundlage ist § 305 BGB. Die AGB\'s unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Die Sonderverträge und deren Ergänzung durch die AGB halten einer Inhaltskontrolle nach §307 BGB i.d.R. nicht stand.
Besonderheiten zum Unbilligkeitseinwand bei Sonderverträgen, siehe hier: -
Danke an eisludeprimoBeispiele zu unwirksamen Klauseln:
http://www.pontepress.de/pdf/200602U13.pdfAuf Sondervertragskunden finden die GasGVV und StromGVV
keine Anwendung.Sonderfall FestpreisangebotWer ein Festpreisangebot seines Versorgers annimmt, ist damit für einen befristeten Zeitraum und zu einem festen Verbrauchspreis, Kunde des Versorgungsunternehmens. Unbilligkeitseinwand ausgeschlossen für die Vertragslaufzeit.
Inhalt des UnbilligkeitseinwandsMit dem Einwand wird die Preisgestaltung des Versorgers in der
Gesamthöhe als nicht angemessen gerügt. Dies gilt sowohl für Grundpreis, Servicepauschale, Arbeitspreis, oder wie es sonst noch heißt.
Wie hoch die angemessenen Preise überhaupt sein können, liegt nach dem Einwand, weder an der Feststellung des Versorgers und schon gar nicht an der, des Verbrauchers, sondern
wird durch Urteil festgestellt.
Die Antwort der Versorger verweist oftmals auf vorliegende Gutachten unabhängiger Wirtschaftsprüfer. Wer diese Aussage mit Bedacht liest, wird feststellen, dass sich die Gutachten i.d.R. auf die
Preiserhöhung, aber
nie auf die Höhe des Verbrauchspreises insgesamt bezieht. Unabhängig davon, bleibt es bei der Festlegung durch Urteil.
Woher soll der Verbraucher diese Preise auch kennen
In diesem Zusammenhang sollte es der Verbraucher tunlichst vermeiden den Begriff
angemessen zu verwenden. In jedem Fall sollte eine bestehende Einzugsermächtigung gegenüber dem Versorger widerrufen werden.
Ab dem Zeitpunkt, wo dem Versorger der Unbilligkeitseinwand vorliegt, gibt es keine
berechtigte Forderung seinerseits. Der geschuldete Preis für seine erbrachte Leistung ist
strittig. Zahlungskürzungen erst nach Übersendung an den Versorger. Am Besten per
Einschreiben mit Rückschein.Mahngebühren/MahnbescheidEine wirksame Mahnung setzt die Berechtigung einer Forderung voraus. Damit ist eine rechtswirksame Mahnung nach Unbilligkeitseinwand überhaupt nicht möglich. Versucht es der Versorger trotzdem, ist einem gerichtlichen Mahnbescheid in jedem Fall zu widersprechen. Das erlassende Gericht prüft die Berechtigung der Forderung gerade nicht.
SperrandrohungEine ausgesprochene Sperrandrohung auf jeden Fall Ernst nehmen. Die Vorankündigungsfrist beträgt 14 Tage. Es bleibt also genügend Zeit, mit Hilfe eines Rechtsbeistandes, die
unzulässige Sperrandrohung abzuwenden. Die Versorger sehen dies teilweise anders und drohen trotzdem. Fakt ist –
sie dürfen nach Unbilligkeitseinwand nicht sperren.
Verrechnung mit zuviel bezahltem in der VergangenheitFinger weg – es gilt das Aufrechnungsverbot.
Ggf. können bereits erbrachte Abschlagszahlungen oder Jahresendrechnungsbeträge durch Rücklastschrift zurückgeholt werden. Dann ist der Unbilligkeitseinwand in jedem Fall mit einer eigenen Verbrauchsberechnung zu verbinden, die die Überzahlung belegt.
Was zahle ich in Zukunft?Hier gibt es zwei Varianten:
1. Die weiche Verbraucherwehr bezieht sich auf die Preisgestaltung von August 2004.
2. Die harte Verbraucherwehr zahlt gar nichts mehr.
In beiden Fällen wartet der Verbraucher ab. Bei Variante 1,
jede Überweisung mit Angabe des Verbrauchs und des zugehörigen MonatsDa jeder eigenverantwortlich handelt, bleibt es ihm auch selbst überlassen, wie sie/er es handhaben möchte, denn sie/er trägt das Prozess-Risiko. Trittbrettfahren ausgeschlossen.
Verjährung/VerwirkungGrundsätzlich beträgt die Verjährungsfrist 3 Jahre.
Nach geführtem Unbilligkeitseinwand hat der Versorger, wie oben schon erwähnt,
keine berechtigte Forderung (Anspruch) gegen den Verbraucher. Verjährung setzt aber voraus, dass ein Anspruch besteht.
Die Verjährung kann nicht eintreten, weil es an den Voraussetzungen überhaupt fehlt.Unter diesem Gesichtspunkt kommt der rechtliche Begriff der Verwirkung zur Anwendung. Die Verwirkung ist zeitlich nicht bestimmt, sie ist Ausfluss aus § 242 BGB (Leistung nach Treu und Glauben). Die Verwirkung wird ggf. von Amts wegen vom Gericht festgestellt.
Dieser Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Viele der angesprochenen Themen sind im Forum in den Bereichen
"Stadt/Versorger" oder
"Grundsatzfragen" oder
"Ich brauche dringend Hilfe" ausgiebig und mit ergänzendem juristischen Sachverstand diskutiert.
In diesem Sinne :wink: