Nach mehr als 1 ½ Jahren und nahezu 16.000 Zugriffen auf dieses Thema, war es an der Zeit, den Inhalt auf einen aktuellen Stand zu bringen. Hoffe es hilft weiterhin (19.07.08).
GrundsätzlichesDiese überarbeitete Zusammenfassung soll allen Neu-Einsteigern helfen, die sich mit der Thematik des Unbilligkeitseinwands nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB auseinander setzen wollen.
Der Beitrag ist als Basisinformation gedacht, um den bestehenden Diskussionsthemen schneller folgen zu können. Auf die AVBGasV und AVBEltV wird nicht mehr eingegangen.
Die Regelunghttp://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__315.htmlDie Regelung findet auf alle Verträge von
Haushaltskunden in der Grundversorgung bzw. Letztverbrauchern in der Ersatzversorgung Anwendung. Innerhalb dieser Verträge werden die jeweiligen GVV automatisch Vertragsbestandteil; ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB wurde begründet.
Damit beginnt auch schon die Beantwortung der schwierigsten Frage, wie sich im Laufe der Zeit herausgestellt hat:
Haushaltskunde in der Grundversorgung oder Abnehmer im Rahmen eines Sondervertrags?
Diese Abgrenzung ist von grundlegender Bedeutung.
Haushaltskunden werden zu
allgemeinen Tarifen versorgt. Vom Versorger nicht ins Bockshorn jagen lassen – hier werden oft Begriffe verwendet, die den Verbraucher irritieren.
Tipp:Sichten und prüfen Sie ihre Vertragsunterlagen. Oftmals finden sich noch alte Preisblätter, die hier näheren Aufschluss geben können. Ein gesonderter Tarif mit niedrigem Verbrauch (z.B. 5000 kWh/a bei Gas) könnte ein starkes Indiz dafür sein, dass dies der allgemeine Tarif ist, alle anderen somit Sondertarife, die es eben nur über einen Sondervertrag gibt. Bei weiteren Fragen wenden Sie sich an den Anwalt ihres Vertrauens.
Denken Sie dran, ein Vertrag kommt schon durch konkludente (schlüssige) Handlung zustande, sprich: es wird Energie entnommen.
bei Gas:Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (Gas-GVV)
http://www.gesetze-im-internet.de/gasgvv/index.htmlbei Strom:Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Strom-GVV)
http://www.gesetze-im-internet.de/stromgvv/index.htmlSondervertragskunden werden zu speziellen Bedingungen versorgt – die oben erwähnten GVV\'s finden gerade deshalb keine Anwendung. Die Versorger beziehen diese Verordnungen trotzdem in das Vertragswerk ein und betiteln den inhaltsgleichen Text als allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Grundlage für die AGB\'s ist § 305 BGB. Die AGB\'s unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Die Sonderverträge und deren Ergänzung durch die AGB halten dieser Inhaltskontrolle nach §307 BGB i.d.R. nicht stand.
Besonderheiten zum Unbilligkeitseinwand bei Sonderverträgen, siehe hier: - Danke an eislud
eprimoBeispiele zu unwirksamen Klauseln:
http://www.pontepress.de/pdf/200602U13.pdfSonderfall FestpreisangebotWer ein Festpreisangebot seines Versorgers annimmt, ist damit für einen befristeten Zeitraum und zu einem festen Verbrauchspreis, Kunde des Versorgungsunternehmens. Unbilligkeitseinwand ausgeschlossen für die Vertragslaufzeit.
Inhalt des UnbilligkeitseinwandsMit dem Einwand wird die Preisgestaltung des Versorgers in der Gesamthöhe als nicht angemessen gerügt. Dies gilt sowohl für Grundpreis, Servicepauschale, Arbeitspreis, oder wie es sonst noch heißt.
Wie hoch die angemessenen Preise überhaupt sein können, liegt nach dem Einwand, weder an der Feststellung des Versorgers und schon gar nicht an der, des Verbrauchers. Ein Gericht wird im Prozess auch keinen Preis festlegen, sondern stellt die Angemessenheit des verlangten Preises fest oder eben nicht.
Wer klagt, muss sein Anliegen auch beweisen können. Vermehrt unterliegen die Verbraucher, die gegen den Versorger klagen (siehe Urteile LG München I, LG Ingolstadt, BGH-Urteil vom 13.06.07). All diese
Einzelfallentscheidungen bezogen sich auf Tarifkunden, jetzt Haushaltskunden. Deshalb Ruhe bewahren und verklagen lassen.
Der Versorger verweist oftmals auf vorliegende Gutachten unabhängiger Wirtschaftsprüfer. Wer diese Aussage mit Bedacht liest, wird feststellen, dass sich die Gutachten i.d.R. auf die Preiserhöhung, aber nie auf die Höhe des Verbrauchspreises insgesamt bezieht. Unabhängig davon, bleibt es bei der Festlegung durch Urteil.
Woher soll der Verbraucher den angemessenen Preis auch kennen
In diesem Zusammenhang sollte es der Verbraucher tunlichst vermeiden den Begriff angemessen zu verwenden. In jedem Fall sollte eine bestehende Einzugsermächtigung gegenüber dem Versorger widerrufen werden.
Ab dem Zeitpunkt, wo dem Versorger der Unbilligkeitseinwand vorliegt, gibt es keine berechtigte Forderung seinerseits. Der geschuldete Preis für seine erbrachte Leistung ist strittig. Zahlungskürzungen erst nach Übersendung an den Versorger. Am Besten per Einschreiben mit Rückschein.
Mahngebühren/MahnbescheidEine wirksame Mahnung setzt die Berechtigung einer Forderung voraus. Damit ist eine rechtswirksame Mahnung nach Unbilligkeitseinwand überhaupt nicht möglich. Versucht es der Versorger trotzdem, ist einem gerichtlichen Mahnbescheid in jedem Fall zu widersprechen. Das erlassende Gericht prüft die Berechtigung der Forderung gerade nicht.
SperrandrohungEine ausgesprochene Sperrandrohung auf jeden Fall Ernst nehmen. Die Vorankündigungsfrist beträgt 14 Tage. Es bleibt also genügend Zeit, mit Hilfe eines Rechtsbeistandes, die unzulässige Sperrandrohung abzuwenden. Die Versorger sehen dies teilweise anders und drohen trotzdem. Fakt ist – sie dürfen nach Unbilligkeitseinwand nicht sperren.
Verrechnung mit zuviel bezahltem in der VergangenheitFinger weg – es gilt das Aufrechnungsverbot.
Ggf. können bereits erbrachte Abschlagszahlungen oder Jahresendrechnungsbeträge durch Rücklastschrift zurückgeholt werden. Dann ist der Unbilligkeitseinwand in jedem Fall mit einer eigenen Verbrauchsberechnung zu verbinden, die die Überzahlung belegt.
Was zahle ich in Zukunft als Haushaltskunde?Hier gibt es zwei Varianten:
1. Die weiche Verbraucherwehr bezieht sich auf die Preisgestaltung von August 2004.
2. Die harte Verbraucherwehr zahlt gar nichts mehr.
In beiden Fällen wartet der Verbraucher ab. Bei Variante 1, jede Überweisung mit Angabe des Verbrauchs und des zugehörigen Monats
Da jeder eigenverantwortlich handelt, bleibt es ihm auch selbst überlassen, wie sie/er es handhaben möchte, denn sie/er trägt das Prozess-Risiko. Trittbrettfahren ausgeschlossen.
Was zahle ich in Zukunft als Sondervertragskunde?Unstrittig und vereinbart ist der Preis bei Vertragsabschluss, dieser ist zu zahlen. Weitergehende Zahlungsverpflichtung besteht seitens des Versorgers nicht, da es i.d.R. an gültigen AGB\'s mit transparenter Preisänderungsklausel fehlt.
Verjährung/VerwirkungGrundsätzlich beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre (§ 195 BGB).
Nach geführtem Unbilligkeitseinwand hat der Versorger, wie oben schon erwähnt, keine berechtigte Forderung (Anspruch) gegen den Verbraucher. Verjährung setzt aber voraus, dass ein Anspruch besteht.
Die Verjährung kann nicht eintreten, weil es an den Voraussetzungen überhaupt fehlt.
Unter diesem Gesichtspunkt kommt der rechtliche Begriff der Verwirkung zur Anwendung. Die Verwirkung ist zeitlich nicht bestimmt, sie ist Ausfluss aus § 242 BGB (Leistung nach Treu und Glauben). Die Verwirkung wird ggf. von Amts wegen vom Gericht festgestellt.
Dieser Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und schon überhaupt keinen auf eine Rechtsberatung oder - empfehlung.
Jeder mag das Gelesene nach seinem eigenen Gusto weiter verarbeiten oder lasse es auch ganz einfach bleiben.
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