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Autor Thema: Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh  (Gelesen 29158 mal)

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Offline khh

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Re: Rückforderung "überzahlter" Gas- und Strompreise
« Antwort #30 am: 19. November 2014, 18:20:19 »
... Können diese Leute auch noch was tun, oder haben sie einfach Pech gehabt?
Sie haben einfach Pech gehabt! >:( ... Prozessuale Wirkung gerichtlicher Entscheidungen ...

Ob noch etwas möglich ist, sollte ein Anwalt beantworten können  -  siehe Link "Rechtskraft":
Zitat
Bei einer Teilklage wird nur der abgeurteilte Teil von der Rechtskraft erfasst, wenn der Anspruch teilbar ist (z.B. Zahlungsklage) ...
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Offline uwes

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Re: Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh
« Antwort #31 am: 19. November 2014, 19:00:21 »
Sie haben einfach Pech gehabt! >:( Das lag aber nicht nur an der damaligen Gesetzes-/Rechtslage, sondern auch an inkompetenten Richtern, die wenig Ahnung vom Energierecht hatten!

Kein Richter - insbesondere im Amtsgericht - hat das für diese Art von Rechtsstreitgkeiten eforderliche Spezialwissen. Es ist die Aufgabe des Rechtsanwalts des Kunden,  dem Gericht die wesentlichen rechtlichen Gegebenheiten vorab mitzuteilen.

In vielen Fällen ist das nicht erfolgt, zumal ich selbst eingestehen muss, dass die Rechtsprechung gerade in diesem Sektor nun wirklich nicht vorhergesehen werden konnte. Ich selbst habe noch bis in das Jahr 2006 die Auffassung vertreten, dass ein Kunde den Preisänderungen gem. § 315 BGB nicht widersprechen muss, weil schließlich Schweigen des Verbrauchers keinerlei Erklärungswert hatte. Der VIII. Zivilsenat hat mich eines besseren belehrt und jetzt nach der Entscheidung des EuGH ist alles doch wohl wieder nicht mehr notwendig.

Wer hatte geahnt, dass sich der BGH bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Folgen unwirksamer Preisänderungsklauseln in Sonderverträgen auf die - nunmehr hinlänglich bekannte - Fristenlösung festlegen würde, die jetzt - nach den Entscheidungen des EuGH auch keinen Bestand mehr haben dürften.

Zu erahnen war lediglich die Konsequenz der 10- jährigen Verjährungszeit - ab 2011 - aus der Auseinandersetzung der Bankkunden mit den Bearbeitungsentgelten  für Verbraucherkredite. Das ist aber nicht der VIII. sondern der XI. Zivilsenat gewesen.

Nun habe ich den VIII. Zivilsenat in meinem obigen Beitrag nicht despektierlich sondern wegen des Einfallsreichtums den Zivil(rechtserfindungs-)senat genannt. Ich denke, dass angesichts der Rechtsprechung in den letzten 10 Jahren im Energielieferungsrecht diese Benennung nicht ganz ab von der - rechtlichen - Realität liegt.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline uwes

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Re: Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh
« Antwort #32 am: 19. November 2014, 19:32:13 »
Liegt ein rechtskräftiges Urteil vor, so ist die Wiederaufnahme des Verfahrens unter "Durchbrechung des Rechtskraftprinzips" nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich (http://www.rechtslexikon-online.de/Wiederaufnahme_des_Verfahrens.html), die hier aber alle nicht vorliegen. Nur weil ein Gericht zu einer anderen Auslegung eines Rechtssatzes gelangt, können nicht alle Verfahren, die auf der andersartigen Auslegung beruhen, wieder aufgenommen werden.
Mit freundlichen Grüßen

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Offline Didakt

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Re: Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh
« Antwort #33 am: 19. November 2014, 20:06:18 »
Nun habe ich den VIII. Zivilsenat in meinem obigen Beitrag nicht despektierlich sondern wegen des Einfallsreichtums den Zivil(rechtserfindungs-)senat genannt. Ich denke, dass angesichts der Rechtsprechung in den letzten 10 Jahren im Energielieferungsrecht diese Benennung nicht ganz ab von der - rechtlichen - Realität liegt.

Sie haben den VIII. zu Recht als solchen bezeichnet. Als Alternative böte sich auch noch "Formulierungserfindungsakrobatiksenat" an.  ;) Auch für einen Laien sagenhaft, was diese höchsten Rechtsexperten - insbesondere einer aus dem Team - sich um den heißen Brei gedreht haben. Und jetzt liegt einen Scherbenhaufen vor Ihnen, und sie haben sicher ein gewaltiges Problem damit, diesen zu entsorgen.

...Liegt ein rechtskräftiges Urteil vor, so ist die Wiederaufnahme des Verfahrens unter "Durchbrechung des Rechtskraftprinzips" nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich..., die hier aber alle nicht vorliegen. Nur weil ein Gericht zu einer anderen Auslegung eines Rechtssatzes gelangt, können nicht alle Verfahren, die auf der andersartigen Auslegung beruhen, wieder aufgenommen werden.

Gut, das Sie es nochmal herausgestellt haben. Auch das gehört wohl zum juristischen Grundwissen. Deshalb muss man auch - ohne sich noch in Haarspalterei zu ergießen - die hier besagten Rechtsstreitigkeiten, die in der Vergangenheit ausgeurteilt wurden und deren Urteile Rechtskraft erlangt haben, ein für allemal als gegeben hinnehmen und darüber kein Wort mehr verlieren.

Offline tangocharly

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Re: Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh
« Antwort #34 am: 19. November 2014, 20:12:31 »
@ uwes

Wollte der 8.ZS jetzt wieder mit seiner Sockeltheorie daher kommen, dann läuft er national Gefahr den Rechtsfrieden zu zerstören. Denn spätestens jetzt, nach dem Urteil des Gerichtshofs, ist dem Publikum endgültig klar geworden, was man von der Preispolitik der Versorger zu halten hat. Mit seiner Theorie würde der 8.ZS. diejenigen Bürger erst recht der Dummheit strafen, die sich vor seiner RSpr. verbeugten und sich aus Gründen  fehlender Zivilcourage, Angst vor Prozesskosten und -risiken, zur schlichten Zahlung entschlossen. Nicht umsonst wurden Widerspruchskunden ständig als "Rebellen"  und in den Prozessen als "Schmarotzer" diffamiert. Es ist nicht jedermanns Sache, so wie dies der 8.ZS. wünschte, in regelmäßigen Abständen Widersprüche gegen die Jahresschlussrechnungen der Versorger abzusondern und im Kürzungsfalle von der Versorgungswirtschaft mit Versorgungssperrandrohungen eingedeckt zu werden.
Die Kraft des Faktischen wurde zur Kraft des Systems. 
Dieses System ist jetzt, dank des Gerichshof gestorben. Ein wirksames Preisänderungsrecht besteht nicht. Katharsis ist nicht angesagt - darin muß man dem Votum Markerts beipflichten.
Wenn Sie sich die Entscheidungen des XI. ZS. v. 28.10.14 ansehen, dann werden Sie nachvollziehen können, dass ein (bislang) ähnlicher stoischer Zivilsenat kein Problem gesehen hatte, Bankentgelte von bis 2% der Kreditsumme als wirksam gefordertes Nebenentgelt anzusehen. Wie in den genannten Entscheidungen weiter nachgelesen werden kann, hatte sich bis in das Jahr 2011 eine breite Phalanx an streitbaren Oberlandesgerichten gegen diesen XI. ZS. gestellt, die selbige Bankklauseln in der Klauselkontrolle (§ 307 BGB) durchfallen haben lassen. Es bedurfte erst eines beachtlichen Aufsatzes des Senatsvorsitzenden Nobbe, der dann in den folgenden Entscheidungen verarbeitet und in die RSpr. des XI. ZS. eingearbeitet werden konnte. Deshalb hat sich der XI. ZS. in der "Kenntnis"-Verjährung ja auch auf den Beginn mit Ende 2011 eingeschossen.
So liegt der Fall ja auch hier. Der 8. ZS. hatte noch im Jahr 2011, als er begann die ersten Entscheidungen auszusetzen und dem Gerichtshof vorzulegen, die Meinung vertreten, dass die Preisanpassungen nach § 4 AVB oder § 5 GVV wirksam seien. Bis dahin hat seine RSpr. ein unüberschaubares Sammelsurium an Entscheidungen von Untergerichten bis hin zu Oberlandesgerichten eingestellt, welche dem 8. ZS. mehr oder weniger bedenkenlos gefolgt sind. Genauso konturlos, wie die zitierten Bestimmungen, waren hierbei die gefundenen Entscheidungsbegründungen. Wer wollte es angesichts dieses Wirrwars wem verdenken, wenn sich in der breiten Masse die Stimmung eingestellt hatte ("stell dir vor es ist Krieg, und keiner geht hin").
Ein weiser Spruch lautet: "Ein Gesetz ist ein Netz. Ein Netz mit Maschen, mal engen und mal weiten. In den engen bleiben die Dummen hängen; durch die weiten schlüpfen die Gescheiten".
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline khh

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Re: Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh
« Antwort #35 am: 25. November 2014, 01:29:05 »
Anmerkung: Bitte nicht weiter alles miteinander "vermengen" - in diesem Thread geht es um die
Rückforderungsansprüche der Sondervertragskunden aufgrund des EuGH-Urteils vom 21.03.2013.

Zu den Rückforderungsansprüchen der Grundversorgungskunden aufgrund des EuGH-Urteils vom 23.10.2014
gibt es unter "Grundsatzfragen" separate Threads !
« Letzte Änderung: 25. November 2014, 01:53:21 von khh »
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Offline khh

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Rückforderungsansprüche Sondervertragskunden Gas + Strom
« Antwort #36 am: 25. November 2014, 01:37:14 »
Die Sondervertragskunden Gas und Strom, deren EVU ebenfalls diese sogen. "GVV-Klausel" als AGB-Preisänderungsklausel verwenden/verwendet haben, sollten Ihre Rückforderungsansprüche jetzt unverzüglich gegenüber dem Versorger geltend machen, bevor Forderungen aus 2011 zum Jahresende 2014 verjähren (vor Jahresende ggf. verjährungshemmende Maßnahmen auf den Weg bringen!).

Zur Erinnerung: Widerspruch ist möglich gegen alle Preiserhöhungen, die in Verbrauchsabrechnungen enthalten sind, welche innerhalb der zurückliegenden drei Jahre zugegangen sind (Beispiel: erstmaliger Widerspruch des Kunden am 24.11.2014, Eingang bei EVU am 26.11.2014 = Widerspruch möglich gegen die seit dem 26.11.2011 beim Kunden zugegangene Abrechnungen).

Fast wichtiger als eine Verjährungsvermeidung für die Ansprüche aus 2011 ist m.E., dass man sich einen möglichst weit zurückliegenden "vereinbarten" Preis sichert. Dazu ein Beispiel: In unserer Region werden die Strom-Sonderverträge des Grundversorgers (E.ON) immer Mitte Dez. des Jahres abgerechnet. Wenn hiesige Kunden kurzfristig den unwirksamen Preiserhöhungen erstmalig widersprechen, dann entfaltet dieser Widerspruch noch Wirkung auf die Mitte Dez. 2011 zugegangene Jahresrechnung und somit auch für eine bspw. am 01.01.2011 erfolgte Preiserhöhung. Für Rückforderungsansprüche aus 2012 und ggf. Folgejahre ist dann der vor dem 01.01.2011 geltende Preis zugrunde zu legen.
« Letzte Änderung: 25. November 2014, 01:40:19 von khh »
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Offline uwes

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Re: Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh
« Antwort #37 am: 03. Dezember 2014, 19:36:36 »
Auch wenn ich zutiefst davon überzeugt bin, dass ein fehlender Widerspruch des Sondervertragskunden nicht schädlich ist, muss ich auf die folgende Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinweisen und auch darauf, dass meine Auffassung, die ich hier am 13.11.2014 geäußert habe ganz offensichtlich vom BGH nicht vertreten wird. 
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=69580&linked=pm&Blank=1

Somit sehe ich zwar meine Auffassung hier http://forum.energienetz.de/index.php/topic,18522.msg111795.html#msg111795 weiterhin als richtig an, weise aber auf die entgegenstehende Rechtsprechung hin.

Mit freundlichen Grüßen

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Offline uwes

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Re: Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh
« Antwort #38 am: 04. Dezember 2014, 11:37:23 »
Der Umstand, dass die Fristenlösung des VIII Zivilsenats europarechtswidrig ist, hatte Walter Zimmerlin bereits einmal näher ausgeführt. Dies ergibt sich aber unmittelbar aus der Entscheidung des EuGH Urt. v. 14. 6. 2012 − C-618/10 (Banco Español de Crédito SA/Joaquín Calderón Camino) in der ausgeführt wird, dass das nationale Gericht, wenn es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher feststellt, durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel den Vertrag nicht anpassen kann.

Ferner führt der EuGH aus,
Zitat
[70] Würde dem nationalen Gericht eine solche Befugnis zugestanden, könnte sie deshalb von sich aus keinen genauso wirksamen Schutz des Verbrauchers garantieren wie den, der sich aus der Nichtanwendung der missbräuchlichen Klauseln ergibt. Außerdem ließe sich diese Befugnis auch nicht auf Art. 8 der Richtlinie 93/13/EWG stützen, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lässt, auf dem durch diese Richtlinie geregelten Gebiet mit dem Unionsrecht vereinbare strengere Bestimmungen zu erlassen oder aufrechtzuerhalten, soweit ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher gewährleistet ist (vgl. EuGH, NJW2010, 2265 Rdnrn. 28 u. 29− Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid, sowie NJW2012, 1781 Rdnr. 34 – Pereničová und Perenič).

Das bedeutet;

Wollte ein nationales Gericht die Rechtsprechung des BGH zur Fristenlösung anwenden, so müsste es von der Entscheidung des EuGH abweichen. Da die Rechtsprechung des VIII. Zivil(rechtserfindungs)senats gegen europäisches Recht verstößt, müsste das Gericht die Rechtsfrage dem EuGH vorlegen.
Zitat
Nach Ansicht des VIII. Zivilsenats habe der EuGH damit aber nur die geltungserhaltende Reduktion unwirksamer AGB-Bestimmungen ausgeschlossen, nicht jedoch die davon zu unterscheidende ergänzende Vertragsauslegung mit dem Ziel, die durch die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel entstandene planwidrige Regelungslücke im Vertrag in einer für beide Seiten zumutbaren Weise zu schließen.
(Zitat Markert Anm. zu BGH vom 23.1.2013 VIII ZR 80/12 in ZNER 2013, 152,156)

Wenn aber durch die Fristenlösung dem Vorsorger als Verwender einer AGB-rechtswidrigen Vertragsklausel - hier zur Preisanpassung - wegen der Unwirksamkeit der Klausel kein Preisanpassungsrecht zusteht, demgegenüber aber der Versorger infolge des fehlenden Widerspruchs des Kunden durch die Fristenlösung wieder dazu ermächtigt wird, doch die höheren Preise zumindest teilweise durchzusetzen, so ist das nichts anderes als eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel, was nicht nur nach deutschem Recht (BGH, Urteile vom 17. Mai 1982 – VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109, 116 f.; vom 19. September 1983 – VIII ZR 84/82, NJW 1984, 48 unter II 1 a bb))  sondern auch nach Art 6 Abs. 1 RL93/13 nicht möglich wäre.

Das nationale Gericht sollte dann die Vorlagefrage lieber selbst stellen, da der VIII "Zivilrechtsversorgerschutzsenat" die RL 93/13 immer noch nicht sauber anwendet, sondern vielmehr hiergegen verstößt.

Der EuGH hat entschieden, dass ein nationales Gericht im Falle einer missbräuchlichen Klausel den

Vertrag nicht anpassen kann!

« Letzte Änderung: 04. Dezember 2014, 12:31:25 von uwes »
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Offline RR-E-ft

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Re: Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh
« Antwort #39 am: 04. Dezember 2014, 13:00:26 »
Ich teile die Kritik, wonach der Vertrag nicht angepasst werden darf.

Wo der Rückforderungsanspruch der Kunden begrenzt werden soll, geht es eigentlich um die Frage einer Verwirkung.
Was m.E.  gar nicht geht, ist dass dem Versorger nach Zeitablauf nicht bestehende Zahlungsansprüche (Forderungen) nachträglich zugesprochen werden, erwachsen können sollen.

Nicht ersichtlich, wie der Versorger solche Nichtforderungen und darauf geleistete Zahlungen bilanzieren soll.
Nichtforderungen sind keine Forderungen des Versorgers.
Auf Nichtforderungen geleistete Zahlungen begründen regelmäßig Rückforderungsansprüche der Kunden aus ungerechtfertigter Bereicherung, mithin neue Verbindlichkeiten für den Versorger.

Durch die umstrittene ergänzende Vertragsauslegung soll nach Zeitablauf nicht nur der Rückforderungsanspruch der Kunden untergehen, sondern aus den Nichtforderungen des Versorgers plötzlich vollwertige Forderungen werden.

Demnach könnte sich der Versorger durch die Verwendung unwirksamer Preisänderungsklauseln und darauf gestützte Preiserhöhungen eine Art Anwartschaftsrecht schaffen, wenn die Nichtforderungen nach Zeitablauf unter der Bedingung des unterlassenen Widerspruchs zum Vollrecht erwachsen, also die Forderung auf den erhöhten Preis (rückwirkend) entsteht und die Rückzahlungsverbindlichkeit unter der selben Bedingung erlischt.

Dies scheint im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH zu stehen, wonach das Zur- Abrechnung- Stellen- Lassen nicht geschuldeter Beträge eine Betrugsstrafbarkeit begründen kann (vgl. BGH, Urt. v. 09.06.09 - 5 StR 394/08).
« Letzte Änderung: 04. Dezember 2014, 15:18:47 von RR-E-ft »

Offline tangocharly

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Re: Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh
« Antwort #40 am: 06. Dezember 2014, 20:47:25 »
Wie will der 8.ZS bei der Lösung des Wegfalls der vertraglichen Anpassungsklausel technisch vorgehen. Jedenfalls nicht so wie @uwes dies befürchtet hat.

Denn der 8.ZS gelangt nicht zu einer "Vertragsanpassung", sondern wendet schlicht das Gesetz an (§ 306 Abs. 2 BGB). Wie hat er doch seinerzeit in der Entscheidung vom 28.10.2009, Az.: VIII ZR 320/07, Tz 44,45 argumentiert:

Zitat
[...] Zwar zählen zu den gemäß § 306 Abs. 2 BGB bei Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen anwendbaren gesetzlichen Vorschriften auch die Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung (BGHZ 90, 69, 75 zu der Vorgängerregelung in § 6 Abs. 2 AGBG; Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 36).[...]

Ergänzende Vertragsauslegung ist somit nicht Vertragsanpassung, jedenfalls nach dem 8.ZS ("Klaus heißt jetzt Ute, wünschen ihr alles Gute").

Kann dann, wenn nach der RiLi 93/13 und nach EuGH der Verbraucherschutz im Vordergrund steht, noch von einer unionsrechtlich konformen "Ergänzenden Vertragsauslegung" ausgegangen werden ?

Oder muß vielmehr zu einer "unionsverträglichen restriktiven Vertragsauslegung" gelangt werden ? 
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Offline khh

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Re: Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh
« Antwort #41 am: 07. Dezember 2014, 21:39:59 »
[...]
... Rechtsprechung des BGH ..., wonach das Zur- Abrechnung- Stellen- Lassen nicht geschuldeter Beträge eine Betrugsstrafbarkeit begründen kann (vgl. BGH, Urt. v. 09.06.09 - 5 StR 394/08).

Und wie ist diesbzgl. zu bewerten, dass ein großer Stromversorger die Mitte Juni für Grundversorgungsverträge mitgeteilte Preiserhöhung ab 01.08.2014 am 03.12.2014 in Rechnung stellt und damit die Urteile des EuGH vom 23.10.2014 ignoriert ?
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Offline uwes

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Re: Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh
« Antwort #42 am: 08. Dezember 2014, 15:52:32 »
Und wie ist diesbzgl. zu bewerten, dass ein großer Stromversorger die Mitte Juni für Grundversorgungsverträge mitgeteilte Preiserhöhung ab 01.08.2014 am 03.12.2014 in Rechnung stellt und damit die Urteile des EuGH vom 23.10.2014 ignoriert ?

Auch wenn ich verstehe, wie die Frage gemeint ist, muss hier unterschieden werden. Ein Betrug erfordert immer (u.a.) eine Täuschung im Rechtsverkehr. Eine andere Rechtsauffassung zu haben, ist tatbestandsmäßig keine Täuschung.

Ich gehe einmal davon aus, dass das von Ihnen angesprochene Versorgungsunternehmen davon ausgeht, Preise anpassen zu dürfen. Schauen Sie sich die äußerst kontroverse Diskussion hier http://forum.energienetz.de/index.php/topic,19287.msg111558.html#msg111558 an. Mindestens 3 Anwälte haben dort Beiträge eingestellt.

Sehen Sie sich einmal die Beispiele aus diesem Beitrag (von Zimmerlin?) http://forum.energienetz.de/index.php/topic,17518.msg95617.html#msg95617 unter den Ziffern 10-16 an.

Daran sehen Sie auch, wie rechtlich und tatsächlich der VIII. Energieversorgerschutzsenat Verwirrung gestiftet hat.
Man kann vieles herauslesen oder man versucht ganz einfach den EuGH zu lesen. Letzteres ist einfacher, Ersteres erwünsch- zumindest auf Versorgerseite
Mit freundlichen Grüßen

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Re: Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh
« Antwort #43 am: 08. Dezember 2014, 17:14:39 »
Die Absurdität des BGH-Richterrechts war und ist nicht nur für Normalverbraucher völlig unverständlich, sondern wohl inzwischen auch von Fachjuristen nicht mehr nachvollziehbar.

Da muss sich der betroffene Verbraucher angesichts dieser in sich widersprüchlichen Rechtsprechung des BGH fragen, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, sich mit seinem Anliegen einer Gerichtsentscheidung zu stellen. Wer kennt sich denn bei den Instanzgerichten noch in diesem Wirrwarr aus, um ein gerechtes Urteil zu fällen?

Offline uwes

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Re: Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh
« Antwort #44 am: 08. Dezember 2014, 18:10:06 »
Da muss sich der betroffene Verbraucher angesichts dieser in sich widersprüchlichen Rechtsprechung des BGH fragen, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, sich mit seinem Anliegen einer Gerichtsentscheidung zu stellen.

Man muss Juristerei auch einmal als Herausforderung sehen. Nachdem das OLG Oldenburg vom BGH in Sachen EWE aufgehoben worden war, hatte sich der zuständige Senat vom OLG Oldenburg nicht von der Rechtsauffassung des VIII Zivilsenats des BGH überzeugen lassen und die Sache selbst dem EuGH vorgelegt. (ABl EG vom 9.4.2011 C-113/2 und 3)

So muss es auch jetzt gehen. Trägt man den zuständigen Amts- und Landrichtern die offenkundige Europarechtswidrigkeit der Rechtsprechung des VIII. Senats nicht detailliert vor, so wird man nicht damit rechnen können, dass ein solches Gericht diese rechtlichen Gegebenheiten kennt. Sie selbst - Didakt - haben ja früher einmal über Ihr eigenes Verfahren  beim AG XXXXXXXXX berichtet, wenn ich mich recht erinnere. Dort sind Sie doch offenbar schon auf einen sehr unkundigen Richter gestoßen. Es ging aus Ihren damaligen Berichten nur nicht hervor, wie Sie ihn kundig gemacht hatten.

Betroffene sind jetzt gut beraten, sich durch besonders fachkundige Anwälte vertreten zu lassen und vor allen Dingen sich nicht selbst zu vertreten. Ich denke, die vielen Berichte und  Ihre treffenden Äußerungen zu der mittlerweile nciht mehr verständlichen Rechtsprechung zeigen den Weg dazu auch allzu deutlich auf.

[Edit DieAdmin: Name des AG anonymisiert]
« Letzte Änderung: 09. Dezember 2014, 07:29:57 von DieAdmin »
Mit freundlichen Grüßen

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