Gilt das auch für Sonderverträge (Thema dieses Threads) mit der GVV-Regelung als AGB-Preisänderungsklausel (Urteile EuGH v. 21.03.2013 und BGH v. 31.07.2013) ?
Diese Frage ist angesichts der bisher entgegenstehenden Rechtsprechung des BGH wie folgt zu beantworten.
Der VIII. Zivil(rechtserfindungs-)senat hat zuletzt in seiner Entscheidung vom 23.1.2013 Az. VIII ZR 305/11 ausgeführt:
Wie der Senat - nach Erlass des Berufungsurteils - entschieden hat, ist diese Lücke im Vertrag (gemeint ist der "planwidrige Wegfall eines Preisänderungsrechts - meine Anm.) im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise zu schließen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (vgl. Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO Rn. 21 ff., und VIII ZR 93/11, aaO Rn. 26 ff.; jeweils mwN).
Der Senat hatte einen "Normsonderkundenvertrag" zu beurteilen und sich von der Vorstellung leiten lassen, die Parteien hätten eine Preisklausel vereinbart. Er führt aus:
Denn die Aufnahme eines Preisänderungsrechts zeigt den Willen der Parteien, dass der Kunde - und nicht das Versorgungsunternehmen - Preisänderungen tragen soll, die etwa auf Veränderungen der Brennstoffbezugskosten oder der Lohn- und Materialkosten zurückgehen.
Letztlich hatte das Urteil zum einen den Zweck, die dem Versorgungsunternehmen drohenden Nachteile durch die rückwirkende Beseitigung des Preisänderungsrechts etwas zu reduzieren, mithin die Rückwirkung zu begrenzen- und zum anderen den Parteien zu verdeutlichen, dass sie ja ein Preisänderungsrecht vereinbaren wollten.
Nun muss diese Rechtsprechung aber erneut auf den Prüfstand.
Der EuGH hat in beiden Entscheidungen, die Normsonder- und Tarifkunden betreffen, die "Begrenzung der Rückwirkung" aber abgelehnt. Markert
http://files.enreg.eu/material/2013/06.05.2013.Markert.pdf sagt hierzu richtig:
Eine „Heilung“ durch Begrenzung dieser Rechtsfolge auf die Zeit nach der gerichtlichen Entscheidung ist den nationalen Gerichten verwehrt. Nur der EuGH selbst kann in seltenen Ausnahmefällen die Wirkung seiner Auslegung in dieser Weise begrenzen, was er jedoch in seinem Urteil vom 21.3.2013 ausdrücklich abgelehnt hat. Da die nationalen Gerichte über die Wirksamkeit von Vertragsbestimmungen immer nur fallbezogen entscheiden können, scheidet eine entsprechende Kompetenz von vornherein aus. Eine geltungserhaltende Reduktion unwirksamer AGB-Bestimmungen durch Verkürzung des Zeitraums ihrer Durchsetzbarkeit ist schon im deutschen AGB-Recht ausgeschlossen.
Nun gibt es natürlich noch den § 306 BGB. Hiernach ist ein Vertrag unwirksam, wenn das Festhalten an ihm für eine Partei eine unzumutbare Härte darstellen würde. Das wäre u.U. der Fall, wenn sich ein Kunde auf den Energiepreis vom 1.7.2004 (Ende der Umsetzungsfrist der Strom- und Gasrichtlinien der EG) berufen sollte für Zeiträume, in denen das EVU vielleicht selbst höhere Beschaffungskosten hätte. Allerdings vertritt Herr Markert die m.E. richtige Auffassung:
Nach dem EuGH-Urteil vom 14.6.2012, C–618/10, ist auch die„Fristenlösung“ des VIII. Zivilsenats des BGH EU-rechtlich nicht haltbar. Denn nach diesem Urteil ist es nach Art. 6 Abs. 1 der Klauselrichtlinie 13/93 den nationalen Gerichten verwehrt, den Inhalt einer nach dieser Richtlinie unwirksamen Klausel abzuändern, anstatt „schlicht deren Anwendung gegenüber dem Verbraucher auszuschließen.“ (Rn. 71 - Hervorhebung hinzugefügt). Der BGH meint zwar in seinen Urteilen vom 23.1.2013, damit sei nur die geltungserhaltende Reduktion unwirksamer Klauseln ausgeschlossen und hat deshalb zur ergänzenden Vertragsauslegung im Sinne seiner „Fristenlösung“ von einer Vorlage an den EuGH abgesehen. Da dies aber nur der EuGH selbst verbindlich beantworten kann, hat der Senat
damit gegen seine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV verstoßen. Nach Art. 6 Abs. 1 Halbs. 2 RL 13/93 bleibt der Vertrag ohne die missbräuchliche Klausel für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend, wenn er ohne diese Klausel bestehen kann. Dies schließt in aller Regel auch die Anwendung des § 306 Abs. 3 BGB wegen unbilliger Härte aus, dessen Anwendbarkeit aber ohnehin schon nach deutschem AGB-Recht auf seltene Ausnahmefälle begrenzt ist.
Nach dieser - für mich richtigen - Auffassung ist es daher einem Normsonderkunden nicht verwehrt, sich auf den vertraglichen "Anfangspreis" zu berufen auch wenn dieser außerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren vereinbart wurde und der Kunde die nachfolgenden Preisänderungen nicht beanstandet hat. (vgl. auch
http://www.pontepress.de/pdf/u2_201302.pdf Markert, ZNER 2013, 156
Ist sicherlich etwas kompliziert aber nach den eindeutigen Entscheidungen des EuGH die rechtlich logische Konsequenz.