Interessant zu lesen, wie sich der EuGH mit dem dusslichen Vortrag der Versorger zum Thema: schwerwiegende Folgen für die Versorgungswirtschaft und zur Thematik "zeitliche Befristung" auseinander gesetzt hat:
Zitat:
Zur zeitlichen Begrenzung der Wirkungen des vorliegenden Urteils
54 TWS und SWA haben den Gerichtshof in ihren schriftlichen Erklärungen für den Fall, dass sich aus dem zu erlassenden Urteil ergeben sollte, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung den in den Richtlinien 2003/54 und 2003/55 aufgestellten Anforderungen an die Transparenz nicht genügt, ersucht, die Wirkungen des Urteils zeitlich so zu begrenzen, dass sie um 20 Monate aufgeschoben werden, um dem nationalen Gesetzgeber eine Anpassung an die Folgen dieses Urteils zu ermöglichen. Die deutsche Regierung hat den Gerichtshof in ihren schriftlichen Erklärungen darum ersucht, die Zweckmäßigkeit einer zeitlichen Begrenzung der Wirkungen dieses Urteils zu erwägen.
55 Zur Begründung dieses Antrags haben TWS und SWA auf die schwerwiegenden Folgen für die gesamte Branche der Strom- und Gasversorgung in Deutschland verwiesen. Würden die Tarifänderungen für mit dem Unionsrecht unvereinbar erklärt, so wären die Versorger nämlich gezwungen, die von den Verbrauchern im Laufe der Jahre entrichteten Beträge rückwirkend zu erstatten, was für diese Versorger sogar existenzbedrohend sein und negative Folgen für die Versorgung der deutschen Verbraucher mit Strom und Gas haben könne.
56 Die genannten Parteien haben außerdem ausgeführt, dass, wie sich aus dem Monitoringbericht der Bundesnetzagentur für das Jahr 2012 ergebe, 4,1 Mio. Haushaltskunden auf der Grundlage der zwingenden Vorschriften der GasGVV mit Gas versorgt worden seien. Aus diesem Bericht gehe außerdem hervor, dass 40 % der 46 Mio. Haushaltskunden ihren Strom auf der Grundlage der zwingenden Regelung der StromGVV bezögen.
57 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof die für die Betroffenen bestehende Möglichkeit, sich auf die Auslegung, die er einer Bestimmung gegeben hat, zu berufen, um in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen, nur ganz ausnahmsweise aufgrund des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit beschränken kann. Eine solche Beschränkung ist nur dann zulässig, wenn zwei grundlegende Kriterien erfüllt sind, nämlich guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender Störungen (Urteil RWE Vertrieb, EU:C:2013:180, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).
58 Der Gerichtshof hat auf diese Lösung nur unter ganz bestimmten Umständen zurückgegriffen, namentlich, wenn eine Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestand, die insbesondere mit der großen Zahl von Rechtsverhältnissen zusammenhingen, die gutgläubig auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren, und wenn sich herausstellte, dass die Einzelnen und die nationalen Behörden zu einem mit dem Unionsrecht unvereinbaren Verhalten veranlasst worden waren, weil eine objektive, bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Unionsbestimmungen bestand (vgl. Urteil Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company, C‑190/12, EU:C:2014:249, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).
59 Was die Gefahr schwerwiegender Störungen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass sich TWS und SWA in ihren schriftlichen Erklärungen zwar auf Statistiken der Bundesnetzagentur für das Jahr 2012 berufen haben, in denen die Zahl der Kunden angegeben ist, die unter die allgemeine Versorgungspflicht und die allgemeinen Verpflichtungen in Bezug auf Sicherheit – einschließlich Versorgungssicherheit, Regelmäßigkeit, Qualität und Preis der Versorgung mit Strom und Gas – fallende Verträge abgeschlossen haben, die der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung unterliegen.
60 Jedoch wurde nicht dargelegt, dass die Infragestellung der Rechtsverhältnisse, deren Wirkungen sich in der Vergangenheit erschöpft haben, rückwirkend die gesamte Branche der Strom- und Gasversorgung in Deutschland erschüttern würde.
61 Im Übrigen hat die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen eingeräumt, dass sie nicht in der Lage sei, die Folgen des zu erlassenden Urteils für die Unternehmen in der Branche der Strom- und Gasversorgung zu beurteilen.
62 Somit ist festzustellen, dass das Bestehen einer Gefahr schwerwiegender Störungen im Sinne der oben in Rn. 57 angeführten Rechtsprechung, das eine zeitliche Begrenzung der Wirkungen des vorliegenden Urteils rechtfertigen könnte, nicht als erwiesen angesehen werden kann.
63 Da das zweite oben in Rn. 57 genannte Kriterium nicht erfüllt ist, braucht nicht geprüft zu werden, ob das Kriterium der Gutgläubigkeit der Betroffenen erfüllt ist.
64 Demnach sind die Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht zeitlich zu begrenzen.