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Autor Thema: Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB  (Gelesen 90455 mal)

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Offline Jagni

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #45 am: 13. November 2010, 15:39:39 »
@ Evitel2004


Super!, Evitel, ich bewundere Ihren Ordnungssinn und Ihre Durchsetzungskraft.

Allerdings sehe ich in Ihrer Entscheidung auch ein leuchtendes Beispiel für
sachliche und persönliche Unabhängigkeit, so wie es das Rechtsstaatsprinzip  unseren  Richtern vorgibt. Gehen wir davon aus, dass es für die, die auch \"Hüter\" der Verfassung sind, ein heiliges Prinzip darstellt.

Gruß
Jagni

Offline Jagni

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #46 am: 14. November 2010, 22:11:34 »
@bolli

Es gibt überhaupt keinen Grund jetzt die Ohren hängen zu lassen, nur weil RR-E-ft das Thema platt gemacht hat.

Die „Merkwürdigkeiten“, um die es Ihnen wohl geht, sind hier im Forum fein säuberlich aufgestapelt und wenn ich nur tief genug grabe, dann hole ich auch noch alle Echauffierungen von RR-E-ft hervor, die zu diesem Thema passen.

Allerdings  kann man ihm insoweit zustimmen, als dass ein fortwährendes Lamento uns nicht vorwärts bringt. Wir hängen augenblicklich an einer Hoffnung.  Der Hoffnung nämlich, dass das jetzt im Feuer stehende Instanzengericht kein Übernahmegericht ist. Und das, was RR-E-ft dazu informativ zur Verfügung stellt, lässt erkennen, dass es eine berechtigte Hoffnung  ist.

Sie selbst haben mich schon einmal auf eine solches Gericht aufmerksam gemacht, das sich dem Gesetz und dem Recht verpflichtet sieht und seine Entscheidungen alleine in seiner ureigenen Verantwortung trifft. Gehen wir einfach davon aus, dass all unseren Gerichten dieser hohe Anspruch innewohnt. Anders wäre es nicht auszuhalten. Und wenn es Ausnahmen gibt, muss man denen beikommen. Dazu hat RR-E-ft auch schon Beispiele geliefert.

Gruß
Jagni

Offline tangocharly

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #47 am: 14. November 2010, 23:26:12 »
Zitat
@jagni
Das darf auch nicht gelingen, wenn der Richter bei seiner Rechtschöpfung eine nach seiner Ansicht „verfassungskonforme“ Auslegung (gleiches Recht für Tarif- und Sonderabnehmer) zu Hilfe nimmt und damit einen entgegengesetzten Sinn herbeiführt.

Das was der VIII. BGH-Senat in Bezug auf § 4 Abs. 1 u. Abs. 2 AVBGasV / § 5 Abs. 2 GasGVV unternommen hat, indem er den § 315 BGB zur Anwendung brachte, stellt allenfalls den Versuch einer \"verfassungskonformen\" Auslegung dar.

Denn in den genannten Bestimmungen liest sich nirgendwo, dass dem Versorger bei der einseitigen Tarifbestimmung hierbei ein billiges Ermessen eingeräumt sei.

Da dem Rechtsstaatsgebot gem. Art. 20 Abs. 3 GG der Bestimmtheitsgrundsatz innewohnt, sind die genannten Bestimmungen unbestimmt und erlauben, liest man den § 315 BGB nicht mit, die willkürliche Tariffestsetzung. Dass solches nicht angeht, braucht nicht vertieft zu werden.

Wenn aber der Gesetzgeber mit den Bestimmungen gem. § 1 und § 2 EnWG Regeln aufgestellt hat, welche er zudem in § 39 Abs. 1 EnWG noch explizit erwähnt, nach denen Allg. Preise gebildet werden müssen (jedenfalls dann, wenn der Gesetzgeber auch noch in die Tastatur der Preisbildung greifen hätte wollen), dann stellt sich die Frage, wodurch sich eine verfassungskonforme Auslegung mit Hilfe des § 315 BGB begründen lassen soll.

Wo findet sich der verfassungskonforme Ansatz für einen auf § 315 BGB gestützten \"Anfangspreis\" oder die sog. \"Sockelpreistheorie\" ?

Die mit dieser Theorie eingetretenen Verbiegungen (die individuelle Betrachtung des Preisgefüges jeweils danach, ob oder ob nicht widersprochen wurde) kennt man ja.

Es kann bezweifelt werden, ob der gesetzgeberische Wille vor dem Hintergrund der §§ 1 und 2 EnWG und im Zusammenhang mit den AVB\'s eine Sockelpreistheorie im Auge gehabt hat.

Möglicherweise hätte spätestens am 13.06.2007 Anlaß bestanden, die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen gem. § 4 Abs. 1 und Abs. 2 AVBGasV auf den Prüfstand der hierzu berufenen Prüfinstitution zu stellen, anstelle mit einer \"Krücke\" das Problem \"verfassungskonform\" zu lösen.

Ganz abgesehen davon, wie anmaßend erscheint, das gesetzliche Modell der Allg. Preise zu denen Jedermann an die öffentliche Versorgung anzuschließen ist nach dem EnWG, durch die Sockelpreistheorie zu konter karieren.

Es erscheint noch anmaßender heute, jetzt wo sich die Frage der angeblich bestehenden Notwendigkeit der \"Gleichbehandlung\" von Tarif- und Sonderabnehmerkunden stellt, das Wischi-Waschi-Modell des § 315 BGB in den Prüfungsrahmen gem. § 307 BGB zu implementieren.

Und der Vogel über das Ganze wird dann noch damit abgeschossen, zu behaupten, eine Klausel sei sehr wohl transparent, obwohl der Abnehmer nirgendwo lesen kann, dass sein Gegenüber in der Lage sei nach billigem Ermessen einseitig über die Gegenleistung zu bestimmen.

Bislang ist davon auszugehen, dass im Zeichen der Privatautonomie die Parteien im Rahmen einer Individualvereinbarung vereinbaren, dass dem Gegenüber eine einseitige Leistungsbestimmung nach Vertragsabschluß nach billigem Ermessen zustehen soll.

Welche Interessenlage des Versorgers ist dabei schützenswert, sich mit Hilfe einer nebulösen Klausel eines billigen Ermessens zu versichern, wo doch die Maßstäbe für den Preis aus den Bestimmungen gem. §§ 1 und 2 EnWG hergeleitet werden müssen.

Dass billiges Ermessen auch dann Geltung besitzt, obwohl die Parteien keine Vereinbarung hierüber getroffen haben, dafür aber entsprechende gesetzliche Regelungen bestehen die dies vorsehen, zeigt sich anhand einer Fülle von Bestimmungen (z.B. §§ 660, 745, 971, 1024, 1246, 1382, 2048, 2156 BGB - weiter Beispiele aus anderen Normen könnten noch folgen).

Ist es aber so, wie soeben beschrieben, dann existiert hierfür eine klare, verständliche und bestimmte Rechtsgrundlage, so wie dies Art. 20 Abs. 3 GG verlangt.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline bolli

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #48 am: 15. November 2010, 10:17:27 »
Zitat
Original von Jagni
@bolli

Es gibt überhaupt keinen Grund jetzt die Ohren hängen zu lassen, nur weil RR-E-ft das Thema platt gemacht hat.

Die „Merkwürdigkeiten“, um die es Ihnen wohl geht, sind hier im Forum fein säuberlich aufgestapelt und wenn ich nur tief genug grabe, dann hole ich auch noch alle Echauffierungen von RR-E-ft hervor, die zu diesem Thema passen.
ICH werde wegen RR-E-ft\'s Bemerkungen nicht die Ohren hängen lassen. Und die regelmäßigen Leser des Forums werden sicherlich auch seine Bemerkungen dazu kennen.

Ich möchte auch nicht unnötig lamentieren sondern nur auf die Besonderheiten dieses Senats aufmerksam machen, auf die man sich einstellen muss, wenn man mit ihm zu tun bekommt und wo man versuchen muss, ggf. mikt anderen Meinungen sauber gegenzuargumentieren.

Um aber die Unsäglichkeit des sogenannten Sockelpreises aufzuzeigen gilt es neben den sachlichen Argumenten in gesetztesmaterieller Hinsicht auch die sachlichen Argumente, die der VIII. Senat in seiner derzeitigen Besetzung liefert, aufzuzeigen.

Und da sind solche \"Nebentätigkeiten\" wie die von Herrn Ball eben auch \"sachliche Argumente\". Ebenfalls in diese Kategorie fallen aus meiner Sicht die zahlreichen Obiter dicta Entscheidungen,  die in dieser Häufung  nach den Äußerungen der hier im Forum anwesenden RAe doch eher ungewöhnlich sind.

@tangocharly
Sie stellen einige schöne Fragen, die ja nicht neu sind, wo es aber immer wieder neu interessant wäre, sie mal vom VIII. Senat beantwortet zu bekommen.

Zitat
Original von tangocharly
Wo findet sich der verfassungskonforme Ansatz für einen auf § 315 BGB gestützten \"Anfangspreis\" oder die sog. \"Sockelpreistheorie\" ?

Im Gegenteil finde ich derzeit nur mal wieder den Ansatz des Kartellsenats des BGH, die er in seinen Urteilen zum Stromnetznutzungsentgelds vom 18.10.2005 - KZR 36/04, 04.03.2008 - KZR 29/06 und zuletzt vom 20.07.2010 - EnZR - 23/09 immer wieder die Überprüfung des GESAMTEN Preises bejaht, was (natürlich) auch meiner Lesart der entsprechenden Vorschriften entspricht.
Zitat
Urteil vom 18.10.2005 - KZR 36/04 Rdnrn. 22 u. 23
3. Der damit eröffneten Nachprüfung der Billigkeit des Netznutzungsentgelts, das die Zedenten zu zahlen haben, steht auch nicht entgegen, dass in dem Netznutzungsvertrag durch die Bezugnahme auf das Preisblatt die Höhe des Erstentgelts betragsmäßig bestimmt worden ist und das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, dass das streitige, seit dem 1. November 2001 zu zahlen-de Entgelt aufgrund der vertraglich vorgesehenen jährlichen Überprüfung er-höht worden ist.

Nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ist allerdings auch bei einem gesetzlichen Preisbestimmungsrecht eine etwaige Unbilligkeit eines bei Vertragschluss vereinbarten (oder durch vorbehaltlose Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zum vereinbarten Preis gewordenen) Preises nicht zu prüfen und selbst bei der Nachprüfung eines erhöhten Preises nicht zu berücksichtigen (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 29, 36). Diese Rechtsprechung beansprucht jedoch ausdrücklich keine Geltung für den Fall, dass bei Leistungen der Daseinsvorsorge wegen einer Monopolstellung des Versorgers oder wegen eines Anschluss- und Benutzungszwanges eine Überprüfung der Billigkeit des Preises in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB geboten ist (aaO Tz. 33-36). Sie ist auch bei einem Netznutzungsvertrag nicht anzuwenden, bei welchem dem Netzbetreiber das Recht zusteht, das Netznut-zungsentgelt nach billigem Ermessen festzusetzen.

Da es in beiden Fällen um ein einseitiges gesetzlich begründetes Leistungsbestimmungsrecht geht und auch die Rechtsgrundlage des EnWG identisch ist, dürfte eine Übertragung der Ansicht sowie der Rechtssprechung des Kartellsenats auf \"normale\" Energielieferungen zulässig sein.

Leider kommen im Augenblick keine entsprechenden Entscheidungen aus der Kartellrechtsebene an den Kartellsenat, so dass bei einer beabsichtigten abweichenden Rechtssprechung von der des VIII. Senats eine Anrufung des Obersten Senats erfolgen müsste.
Im Gegenteil ist der letzte Fall, der an und für sich von seinem bisherigen Instanzenweg vor dem Kartellsenat hätte landen müssen, ( BGH VIII ZR 178/09 - Abgrenzung Tarifkunde/ Sondervertragskunde) urplötzlich beim VIII. Senat \"aufgeschlagen\". Ein Grund für diese Verschiebung ist mir bisher leider noch nicht bekannt geworden. Durch Rücknahme der Revision hat es dort allerdings auch keine Verhandlung und somit kein Urteil gegeben.

Zitat
Original von tangocharly
Es erscheint noch anmaßender heute, jetzt wo sich die Frage der angeblich bestehenden Notwendigkeit der \"Gleichbehandlung\" von Tarif- und Sonderabnehmerkunden stellt, das Wischi-Waschi-Modell des § 315 BGB in den Prüfungsrahmen gem. § 307 BGB zu implementieren
Auch hier befindet sich der VIII. Senat mal wieder auf dem Holzweg. Aus meiner Sicht vergleicht er Äpfle mit Birnen und versucht anschließend weiterhin sortenreines Obst heraus zu bekommen.
Da die Grundlage für die beiden Vertragsarten nun mal grundsätzlich unterschiedlich ist (hier die allgemeine Grundversorgung gem. EnWG und Strom- bzw. GasGVV und somit GESETZLICHE Lieferpflicht mit dem RECHT der Preisbestimmung aber auch der PFLICHT, die übrigen gesetzlichen Regelungen einzuhalten
und dort die individuelle Vereinbarung auf Energielieferung nach individuell vereinbarten vertraglichen Regelungen (Sondervertrag) . Da kann ich mir doch nicht das RECHT der Preisbestimmung herauspicken und dieses dann in den Sondervertrag \"einpflanzen\" OHNE die anderen gesetzlichen Regelungen des GV-Vertrags mitzunehmen.
Das sieht doch ein Hund mit Krückstock, dass da was nicht stimmt. Nur der VIII. Senat WILL es nicht sehen (oder kann er es nicht?)

Zitat
Original von tangocharly
Und der Vogel über das Ganze wird dann noch damit abgeschossen, zu behaupten, eine Klausel sei sehr wohl transparent, obwohl der Abnehmer nirgendwo lesen kann, dass sein Gegenüber in der Lage sei nach billigem Ermessen einseitig über die Gegenleistung zu bestimmen.
Schon die \"normale\" Auslegung des Transparenzgebotes des BGH überfordert die Mehrzahl der Verbraucher, da sie zwar wenigstens z.B. die Preisbestandteile genannt bekommen, von denen ihr Preis abhängt, aber bei entsprechenden Erhöhungen nicht nachvollziehen können, wie sich der Preis der einzelnen Bestandteile verändert hat, da ihnen viele Quellen nicht zugänglich sind oder sie die \"passenden\" Preise nicht herausfinden können. Aber letztlich ist das ja auch egal, da ihnen im Falle, dass ihnen der Preis nicht angemessen erscheint, ja eh nur der Weg zu einem anderen Anbieter bleibt (dessen Preise komischerweise ähnlich hoch sind und dessen Konzern ähnlich hohe Gewinne erwirtschaftet, wie das Unternehmen, welches sie zu verlassen beabsichtigen).

Mit der \"Vorlage\" des VIII. Senats aus seinem Urteil 17.12.2008 VIII 274/06 im Rücken tun sich die Versorger natürlich leicht, die Einbeziehung des gesetzlichen Preisbestimmungsrechts in ihre Verträge zu übernehmen obwohl dieses Recht ja normalerweise NUR für die GESETZLICHE GRUNDVERSORGUNG gilt (wo dann auch alle anderen gesetzlichen Regelungen gelten und insofern eben keine Gleichstellung zwischen GV-Kunden und SV-Kunden gegeben ist  :evil:). Aber dem VIII. Senat sei Dank, das kriegen wir schon hin. (@Black: ich weiss, ich weiss, es gab auch VERBRAUCHERfreundliche Urteile. Aber darum geht es nicht, es geht um Nachvollziehbarkeit und saubere Argumentation).

Offline Jagni

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #49 am: 18. November 2010, 14:54:33 »
@ tangocharly

Die Adventszeit ist noch nicht greifbar, aber dennoch geben Sie mir schon auf, Nüsse zu knacken. Mir reicht es eigentlich, wenn ich hierzu Aufträge meiner Frau entgegen zu nehmen habe.
Allerdings reizen mich Ihre Anforderungen.

Zitat
von tangocharly

Das was der VIII. BGH-Senat in Bezug auf § 4 Abs. 1 u. Abs. 2 AVBGasV / § 5 Abs. 2 GasGVV unternommen hat, indem er den § 315 BGB zur Anwendung brachte, stellt allenfalls den Versuch einer \"verfassungskonformen\" Auslegung dar.

Ihrem Gedanken entnehme ich, dass wir die gleiche Stoßrichtung haben. Lediglich in der Wahl der  Verletzungstatbestände, mit der die neue Rechtsetzung des VIII. Senats angegriffen werden soll, unterscheiden wir uns noch.  Während Sie die gebotene Rechtsstaatlichkeit nicht gewahrt sehen,  halte ich mich zunächst an der Grundrechtsverletzung fest.
Wichtig ist, dass die jeweiligen Argumente tragen.

Bei meiner nachfolgenden Betrachtung orientiere ich mich an der neuen Rechtschöpfung des VIII. Senats, weil sie, zwar bestritten und weiterhin angegriffen, dennoch Realität geworden ist. Die Rückfindung zu dem herkömmlichen Recht ist noch offen.

Zitat
von tangocharly

Denn in den genannten Bestimmungen liest sich nirgendwo, dass dem Versorger bei der einseitigen Tarifbestimmung hierbei ein billiges Ermessen eingeräumt sei.
Die Bestimmung, z.B. § 5 Abs 2 GasGVV ist bei ihrer Verlagerung aus dem Tarifrecht der Daseinsvorsorge zunächst als Rechtsvorschrift, die das gesetzliche Preisänderungsrecht umschreibt, gestartet und dann wundersam als Preisklausel im allgemeinen Vertragsrecht gelandet. In ihr ist jetzt die einseitige Leistungsbestimmung im Sinne des § 315 BGB, das billige Ermessen und die Wirksamkeit vereinigt. Man könne geradezu von einer Dreifaltigkeit sprechen.

Mit der “unveränderten“ Übernahme der Rechtsvorschrift wandert auch der ganze Schweif an Rechtsfolgen  in den Sondervertrag mit hinein. Dazu gehört eben auch das einseitige Leistungsbestimmungsrecht, und zwar das gesetzliche. Das billige Ermessen kommt daher unmittelbar/direkt aus dem Gesetz (§ 315 BGB) heraus zur Anwendung. Mit Vertragsschluss vereinbaren die Vertragspartner sogar, dass einer von ihnen die Leistung zu bestimmen hat.

Jeder Klauselverwender, der sich eine solche Rechtsmacht verschafft hat, oder durch Gesetz verliehen bekommt, muss kontrolliert werden können!  

Die entgegenstehende Meinung, dass der Gedanke einer Verknüpfung von wirksamer Preisänderungsklausel mit dem billigen Ermessen in einem Sondervertrag nicht trägt, argumentiert aus dem herkömmlichen Recht heraus. Ihr ist nicht zu widersprechen, so lange sie dort verweilt.

Mein Versorger, der vorausschauende, hilft sich selbst weiter, um einem  Vorwurf der Verletzung des Bestimmtheitsgebotes auszuweichen.  Er erklärt in seinen AGB, dass alle Preisanpassungen ausschließlich nach Maßgabe der Billigkeit erfolgen.

Es wird einem daher nicht gelingen, bei Betrachtung der Klausel im Sondervertrag die Möglichkeit zur Ausübung der Billigkeitskontrolle zu übersehen. Daher zieht an dieser Stelle wohl auch nicht der Willkürvorwurf, der im folgenden Zitat auftaucht:

Zitat
von tangocharly

Da dem Rechtsstaatsgebot gem. Art. 20 Abs. 3 GG der Bestimmtheitsgrundsatz innewohnt, sind die genannten Bestimmungen unbestimmt und erlauben, liest man den § 315 BGB nicht mit, die willkürliche Tariffestsetzung. Dass solches nicht angeht, braucht nicht vertieft zu werden.

Aus dem Zitat wird nicht deutlich, wen Sie angreifen wollen. Die in ihrer eigenen Unsicherheit zitternde Klausel, oder die besagten Rechtsvorschriften in den Verordnungen?

Will man mit dem Bestimmtheitsgrundsatz angreifen, wäre m.E. dort zuzuschlagen, wo die Rechtsvorschrift ihre Heimat hat, denn dort ist sie von ihrem Wortlaut her genau so unbestimmt, wie in dem Sondervertrag, in dem sie die Verwirrung auslöst. Wir können uns jedoch nicht ausschließlich am Wortlaut  festhalten.
Es gibt viele Beispiele, in denen unter Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes Gesetze zu Fall kamen. Warum auch nicht eine Rechtsverordnung. Ist das aber unsere Zielrichtung? Ich meine nicht.

Wenn Sie aber die implantierte Preisklausel angreifen wollen, was ich eher vermute, dann steht folgender Gedankengang im Weg:

Jede rechtskräftige Erklärung ist dem Bestimmtheitsgebot unterworfen. Insoweit bin ich bei Ihnen. Es stellt sich nun die Frage, wie dem Gebot Genüge getan wird, wenn die Preisklausel auf dem Prüfstand steht. Bei dieser Prüfung wird auf ausreichend erkannt, wenn die Bestimmung an billiges Ermessen gebunden ist. Siehe hierzu Rechtsgutachten Prof. Schwintowski S. 7, 2. a), entnommen einer Aufsatzbesprechung von RR-E-ft.
Die Bindung hat der VIII. Senat umfänglich eingefädelt.

Wenn wir uns über den Gedankengang des VIII. Senats  verständigen können, dass es einen hinreichend erkennbaren Weg zu dem Instrument der Billigkeitskontrolle gibt, ist jetzt noch Ihre Frage offen:


Zitat
von tangocharly

Wo findet sich der verfassungskonforme Ansatz für einen auf § 315 BGB gestützten \"Anfangspreis\" oder die sog. \"Sockelpreistheorie\"?

Offen gesagt, habe ich dieses Problem noch nicht ausreichend durchdacht. Bei erster Betrachtung erscheint es mir aber auch der schwierigere Weg zu sein, einen verfassungskonformen Ansatz zu suchen, um diese Sockelpreistheorie zu rechtfertigen oder anzugreifen.
Ich würde an ein solches Problem eher im umgekehrten Sinne herangehen und fragen, in welchem meiner  Rechte bin ich durch die Staatsgewalt verletzt?  Staatsgewalt wird auch durch die vollziehende Tätigkeit, im Sinne von rechtsprechender Gewalt ausgeübt und unterliegt daher ebenfalls der Kontrolle des Verfassungsgerichts. Ich will dieses Thema daher zunächst auf eine Bank schieben, die hoffentlich keine lange ist. Vielleicht greift hier aber auch @Black, der abseits des schlichten Gemüts argumentierende Versteher der Materie ein und löst die Frage auf. Er hat aus dem Dunstkreis dieses Themas sowieso noch eine Bringschuld  (siehe auch hier).



Sollte der Anlauf zur Zurückgewinnung des mit dem EU-Recht in Einklang stehenden Verbraucherschutzes über den Weg des EuGH nicht erfolgen, aus welchen Gründen auch immer, braucht es einen weiteren Weg zur Durchsetzung des Verbraucherrechts.

Als Bürger, hier Verbraucher, kann ich mich gegen Verletzungen durch die Staatsgewalt wehren, wenn ich mich  auf die in Art 93 Abs 1 Nr. 4a GG genannten Fälle berufe (Verfassungsbeschwerde). Untersuchen wir dagegen Verletzungen vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsprinzips, also einem tragenden Verfassungsgrundsatz, wird das beim Ergebnis eines Verstoßes weitere Tore öffnen, die zum Verfassungsgericht führen.

Denkbar wäre aber auch, dass ein Gericht, z.B. das OLG Oldenburg, von sich aus die verfassungsmäßige Vereinbarkeit prüfen lässt. Das wäre aber der langwierige Weg.

Unter Zuhilfenahme des Art 20 Abs 3 GG, auf den Sie zugesteuert sind, wäre  noch weiter zu prüfen, inwieweit sich der Senat  bei seiner Rechtschöpfung  an Gesetz und Recht gebunden sah, ob eine Rückführung auf ein formelles Gesetz erkennbar ist, ob der Wille des Gesetzgebers für eine solche Rechtsetzung vorliegt und wenn ja, ob er auch richtig gedeutet und nicht gar missdeutet wurde, wie es um die Rechtssicherheit bestellt ist, wenn so nebenbei ein derart gewaltiger Umbruch im Recht erfolgt, ob das herkömmliche Recht in ausreichendem Maße gewürdigt, oder ob ihm sogar Gewalt angetan wurde, ob die Anrufung des Großen Senats bewusst und aus welchem Grund umgangen und damit dem Rechtsuchenden möglicherweise der gesetzliche Richter entzogen wurde und letztlich, ob aus der Summe der Erkenntnisse jene unerträgliche Verwerfung entstanden ist,  die das neue Recht des VIII. Senats als ein unrichtiges Recht ausweist.

Es gibt also noch andere Wege die nach Rom führen. Sie, tangocharly,  haben einen aufgezeigt.

Gruß
Jagni

Offline Black

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #50 am: 19. November 2010, 15:26:41 »
Zitat
Original von Jagni

Zitat
von tangocharly

Wo findet sich der verfassungskonforme Ansatz für einen auf § 315 BGB gestützten \"Anfangspreis\" oder die sog. \"Sockelpreistheorie\"?

Offen gesagt, habe ich dieses Problem noch nicht ausreichend durchdacht. Bei erster Betrachtung erscheint es mir aber auch der schwierigere Weg zu sein, einen verfassungskonformen Ansatz zu suchen, um diese Sockelpreistheorie zu rechtfertigen oder anzugreifen.... Vielleicht greift hier aber auch @Black, der abseits des schlichten Gemüts argumentierende Versteher der Materie ein und löst die Frage auf.

Der Preissockel basiert auf dem Grundgedanken des Schuldrechts, dass sich zwei Parteien bei Vertragsschluss auf die wesentlichen Inhalte des Vertrages einigen. Dazu gehört auch der Preis.

Insoweit geht der BGH von einem vereinbarten Anfangspreis aus. Wenn der Versorger sich von diesem ursprünglich vereinbarten Preis lösen möchte, um einseitig einen neuen Preis zu bestimmen, dann muss diese Bestimmung der Billigkeit entsprechen.

Ich sehe daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #51 am: 19. November 2010, 15:49:12 »
Der VIII.Zivilsenat verkürzt das gesetzliche Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht (BGH KZR 2/07 Rn. 29) auf ein Tarifänderungsrecht.


Zitat
BGH KZR 2/07 Rn. 29

Die Verordnung gibt dem Versorger kein allgemeines Preisanpassungsrecht, sondern das Recht zur Bestimmung (und Änderung) derjenigen allgemeinen Tarife und Bedingungen, zu denen der Versorger nach § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (1998] jedermann an sein Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen hat (§ 1 Abs. 1 AVBGasV).


Dies kollidiert m.E. mit der gesetzlichen Bindung Allgemeiner Tarife an den Maßstab der Billigkeit, die den Versorger gesetzlich auch zu Tarifanpassungen zugunsten der Kunden - also Tarifsenkungen - verpflichtet (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18], welche ihrerseits eine - die Billigkeitskontrolle ausschließende - (individuelle) Preisvereinbarung (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 58] schon denknotwendig ausschließen muss.  Es liegt wohl zuvörderst ein Verstoß gegen zu beachtende Denkgesetze vor.

Zitat
BGH VIII ZR 246/08 Rn. 59

nicht zweifelhaft, ob das Versorgungsunternehmen den Preis überhaupt anpassen durfte; es besteht lediglich Ungewissheit darüber, ob die Preisanpassung der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB standhält. Diese gerichtliche Billigkeitskontrolle findet nur statt, wenn der Kunde die Unbilligkeit der Leistungsbestimmung durch Klage geltend macht oder wenn er gegenüber der Leistungsbestimmung des Versorgers den Einwand der Unbilligkeit erhebt undder Versorger im Wege der Leistungsklage vorgeht (vgl. MünchKomm BGB/Gottwald, 5. Aufl., § 315 Rdnr. 47; Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl.,§ 315 Rdnr. 17; jeweils m.w.N.). Vor diesem Hintergrund hält der Senat es weiterhin für gerechtfertigt, das Verhalten des Kunden, der nach Übersendung einer auf einer einseitigen Preiserhöhung basierenden Jahresabrechnung weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden, dahin auszulegen, dass er die Billigkeit der Preiserhöhung nicht in Frage stellt und ihr unter diesem Aspekt zustimmt. Hingegen kommt eine weiter gehende Auslegung des Kundenverhaltens dahin, dass er nicht nur die Billigkeit der jeweiligen einseitigen Preisänderung, sondern - soweit es darauf ankommt - auch die Berechtigung des Versorgungsunternehmens zur einseitigen Preisänderung an sich akzeptiert, nicht in Betracht.


Der Kartellsenat des BGH unterscheidet hingegen wohl deutlich zwischen einem Allgemeinen Tarifpreis, der gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden ist, und einem vereinbarten Preis.

Zitat
BGH KZR 2/07 Rn. 29:

Der Preis, den sie zu zahlen haben, ergibt sich nicht aus dem allgemeinen, für jedermann geltenden Tarif der Beklagten, sondern aus der vertraglichen Vereinbarung des Gasbezugsvertrages. Auf einen solchen vereinbarten Preis findet das Tarifbestimmungsrecht des Versorgers weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung.


Zitat
BGH KZR 2/07 Rn. 26:

Hiernach kommt § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV Leitbildfunktion für die streitige Preisänderungsklausel nicht zu.

Die Vorschrift bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Zwar ergibt sich auch aus dem Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht entgegen der Auffassung der Kläger ein (gesetzliches) Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB (BGHZ 172, 315 Tz. 17). Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen. Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist

Der in Verbrauchsabrechnungen ausgewiesene Allgemeine Tarif gründet nicht nur auf Tariferhöhungen in der laufenden Abrechnungsperiode, sondern immer auch auch auf unterlassenen Tarifabsenkungen in der laufenden Abrechnungsperiode und ist deshalb wohl insgesamt Ergebnis der einseitigen Bestimmungen des Versorgers und dessen einseitige Tariffestsetzungen, an denen der grundversorgte Tarifkunde nicht beteiligt ist.

Die gesetzliche Bindung der Allgemeinen Tarife an den Maßstab der Billigkeit und die Rechtspflicht zur Tarifabsenkung steht also schon gedanklich einer (individuellen) Preisvereinbarung entgegen, die der VIII.Zivilsenat jedoch fingiert.

Zitat
BGH VIII ZR 246/08 Rn. 65

Wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden, wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis. Er kann deshalb nicht mehr gemäß § 315 Abs. 3 BGB auf seine Billigkeit überprüft werden (BGHZ 172, 315, Tz. 36; vgl. auch BGHZ 178, 362, Tz. 15 f.).

Die gesetzliche Rechtspflicht zur Tarifabsenkung würde dadurch ausgehebelt. Die richterliche Fiktion infolge dieser Auslegung läuft damit jedoch wohl ganz offenbar der gesetzlichen Regelung zuwider. Die Auslegung des Senats erscheint deshalb mit der gesetzlichen Regelung schlicht unvereinbar.  

Grundversorgte Kunden müssten - um keine Rechtsnachteile in Kauf zu nehmen -  Verbrauchsabrechnungen immer zeitnah insbesondere auch dann widersprechen, wenn keine Tarifänderung in der Abrechnungsperiode eingetreten war.

Dies deshalb, weil nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass der Versorger gerade hierdurch seiner gesetzlichen Rechtspflicht zur Tarifabsenkung zuwider gehandelt hatte.

Der zur Abrechnung gestellte Tarifpreis könnte sich gerade auch deshalb als unbillig und mithin  gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB als unverbindlich erweisen. Hat der Versorger entgegen gesetzlicher Rechtspflicht den Allgemeinen Tarif nicht abgesenkt, muss erst eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zu einer verbindlichen Tariffestsetzung führen, also der Festsetzung eines geringeren Tarifs.

Zitat
BGh X ZR 60/04 unter II 1 b):

Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der rich-terlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu fest- gesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsun- ternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v.24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.

Was für eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB bereits gilt, muss wohl bei direkter Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB auf das gesetzliche Tarifbestimmungs- und -änderungsrecht erst recht gelten.

Offline Black

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #52 am: 19. November 2010, 16:38:16 »
Was dem Preissockel demnach entgegengehalten werden könnte ist also nicht die Verfassung sondern möglicherweise die Rechtsprechung des Kartellsenates.

Da der Kartellsenat dem VIII. Senat aber nicht übergeordnet ist, handelt es sich damit um (nur) eine gleichrangige Rechtsauffassung.

Wenn man die Auffassung des VIII. Senates nicht als absolute Wahrheit ansehen möchte, dann kann das auch nicht für den Kartellsenat gelten. Das Argument taugt also nicht um irgendeinen \"Verstoss\" des VIII. Senates gegen die Verfassung oder auch nur gegen \"Denkgesetze\" zu rechtfertigen.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #53 am: 19. November 2010, 16:50:18 »
Letztere luftige Argumentation errinert mich an Kollegen Dr. Schulz-Gardyan.

Nicht ersichtlich, ob Denkgesetze Verfassungsrang genießen.
Sie sind jedoch unzweifelhaft von der Rechtsprechung zu beachten.

Auch gesetzliche Regelungen sind von der Rechtsprechung zu beachten.

Und wenn die gesetzliche Regelung nun einmal eine Rechtspflicht zur Tarifabsenkung zugunsten der grundversorgten Tarifkunden statuiert, so darf die Rechtsprechung sich hierzu nicht in Widerspruch stellen, deren Durchsetzbarkeit vereiteln.

Der VIII.Zivilsenat erkennt auch die gesetzliche Rechtspflicht zur Tarifabsenkung an (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18], schaltet jedoch die Gedanken daran wohl in einer Art Multitasking und von durchschnittlich Verständigen logisch nicht mehr nachvollziehbaren Art und Weise ständig an und aus.

Normalerweise würde man BGH VIII ZR 246/08 Rn. 65 und VIII ZR 81/08 Rn. 18 als sich logisch ausschließende Auffassungen zu verstehen und deshalb wohl  eine Art schizophrener Störung zu attestieren haben.

Eine Preisvereinbarung gem. §§ 145 ff. BGB und ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht gem. § 315 BGB  (gleichviel, ob gesetzlich oder vertraglich eingeräumt) schließen sich gegenseitig denknotwendig aus.

Sie stehen sich bereits vom Gesetzgeber als gleichwertige Alternativen geschaffene Institute des Vertragsrechts und allgemeinen Schuldrechts gegenüber, wie sich bereits aus den Motiven zum BGB ergibt. Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht geht nach der gesetzlichen Regelung immer mit der Verpflichtung einher, die Leistungsbestimmung nach Vertragsabschluss der Billigkeit entsprechend zu treffen.

Motive des Gesetzgebers

In einem Dauerschuldverhältnis besteht diese Verpflichtung zur Leistungsbestimmung fortlaufend. Nach der gesetzlichen Regelung soll der Allgemeine Preis der Grundversorgung, zu dem die Belieferung erfolgen muss, gerade nicht von einer individuellen Preisabrede mit einzelnen Kunden abhängen, sondern vom Grundversorger immer wieder neu der Billigkeit entsprechend festgesetzt werden. Der Grundversorgung ist nicht nur zur Festsetzung der Billigkeit entsprechender Allgemeiner Preise der Grundversorgung berechtigt, sondern hierzu gesetzlich verpflichtet, §§ 1, 2, 36 EnWG.


Der Gesetzgeber geht eben nicht davon aus, dass die Allgemeinen Preise der Grundversorgung, die vom grundversorgten Tarifkunden zu zahlen sind, auf einseitigen Leistungsbestimmungen des Grundversorgers beruhen können, die der grundversorgte Kunde gerichtlich auf ihre Billigkeit kontrollieren lassen kann, sondern dass die Allgemeinen Preise des Grundversorgers, die vom grundversorgten Tarifkunden zu zahlen sind, auf der einseitigen Leistungsbestimmung des Grundversorgers beruhen, weil dieser gesetzlich zur einseitigen Festlegung der selben verpflichtet ist.


Bei einem vereinbarten Preis gibt es kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und auch keine gesetzliche Rechtspflicht zur Absenkung.

Offline Black

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #54 am: 19. November 2010, 17:30:19 »
Wer einen Verstoss gegen Denkgesetze monieren muss, kann wohl auf formelle Gesetze nicht mehr zurückgreifen.

Die Rechtspflicht zur Tarifabsenkung findet sich in § 5 GVV nicht niedergeschrieben. Es handelt sich um einen Rechtsgrundsatz der erst von der Rechtsprechung des BGH entwickelt wurde.

Das bedeutet natürlich nicht, dass dieser Rechtsgrundsatz falsch wäre. Es verstößt aber ebenso gegen Denkgesetze, wenn man einerseits richterliche Rechtsfortbildung kritisiert und sich gleichzeitig darauf berufen möchte.

Für die schlichteren Gemüter: Man kann die Rechtsprechung des BGH nicht mit anderer Rechtsprechung des BGH als \"falsch\" widerlegen. Man kann damit maximal eine Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung belegen.
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Offline RR-E-ft

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #55 am: 19. November 2010, 17:47:11 »
Nach der gesetzlichen Regelung der §§ 1, 2, 36 EnWG muss die Belieferung grundversorgter Tarifkunden durch den Grundversorger zu Allgemeinen Preisen erfolgen, die der Grundversorger verpflichtet ist, einseitig festzulegen und zu veröffentlichen,  und die der grundversorgte Kunde gerichtlich auf ihre Billigkeit kontrollieren lassen kann.

Zitat
BGH VIII ZR 56/08 Rn. 15:

Nach § 36 EnWG 2005 ist nur der Grundversorger im Sinne von Absatz 2 der Vorschrift verpflichtet, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.


Zitat
VIII ZR 56/08 Rn. 20:

Daraus hat der Senat hergeleitet, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV den Gasversorgungsunternehmen im Bereich der Versorgung von Tarifkunden ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gewährt (BGHZ 172, 315, Tz. 16 f.; 178, 362, Tz. 26). Die Vorschriften sind durch § 5 Abs. 2 GasGVV ersetzt worden, ohne dass sich dadurch in der Sache etwas ändern sollte (vgl. BR-Drs. 306/06, S. 25 f., 43). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann.

Das Wort \"können\"ist deplaciert, weil nach der gesetzlichen Regelung der Grundversorger gerade verpflichtet ist, die Allgemeinen Preise der Grundversorgung - ohne Mitwirkung der Kunden - einseitig festzulegen und hiernach öffentlich bekannt zu geben.

Zitat
BGH KZR 29/06 Rn. 29:

Ebenso wie der Gesetzgeber den Energieversorgern, die nach § 10 EnWG 1998 allgemeine, d.h. fürjedermann geltende Tarife aufzustellen haben, hierdurch ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt hat (BGH NJW 2007, 2540 Tz. 17), ist damit den Netzbetreibern, die allein über die für die Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse verfügen, das Recht gegeben worden, unter Beachtung der Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes und gegebenenfalls der durch Rechtsverordnung konkretisierten Kriterien allgemeine Entgelte für die Netznutzung zu bilden.

Offline Black

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #56 am: 19. November 2010, 17:50:21 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Nach der gesetzlichen Regelung der §§ 1, 2, 36 EnWG muss die Belieferung grundversorgter Tarifkunden durch den Grundversorger zu Allgemeinen Preisen erfolgen, die der Grundversorger verpflichtet ist, einseitig festzulegen und zu veröffentlichen,  und die der grundversorgte Kunde gerichtlich auf ihre Billigkeit kontrollieren lassen kann.

Faszinierend



Zitat
VIII ZR 56/08 Rn. 20:

Daraus hat der Senat hergeleitet, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV den Gasversorgungsunternehmen im Bereich der Versorgung von Tarifkunden ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gewährt (BGHZ 172, 315, Tz. 16 f.; 178, 362, Tz. 26). Die Vorschriften sind durch § 5 Abs. 2 GasGVV ersetzt worden, ohne dass sich dadurch in der Sache etwas ändern sollte (vgl. BR-Drs. 306/06, S. 25 f., 43). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann.

Genau. Hergeleitet.
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Offline bolli

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #57 am: 19. November 2010, 18:19:58 »
Zitat
Original von Black
Die Rechtspflicht zur Tarifabsenkung findet sich in § 5 GVV nicht niedergeschrieben. Es handelt sich um einen Rechtsgrundsatz der erst von der Rechtsprechung des BGH entwickelt wurde.
Na ja, Fakt ist aber mal, dass die Tarifabsenkung in der Formulierung von § 5  Abs. 2 GasGVV (Änderung der allgemeinen Preise...) enthalten ist. Ebenso Fakt ist, dass die Versorger gem. § 1 Abs 1  EnWG u.a. eine preisgünstige und verbraucherfreundliche Energieversorgung sicherzustellen haben.  Für sein darauf fusendes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (nix vertraglich vereinbarte Preise) muss sich der Versorger halt eine Überprüfung der Billigkeit (Angemessenheit) seiner Preise gefallen lassen, wenn der Vertragspartner die Billigkeit gem. § 315 BGb anzweifelt.
Das sind klar gesetzliche Regelungen und da ist nichts mit vereinbarten Preisen enthalten.

Genauso ist die Übertragbarkeit des gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts (als Änderung der Preise in § 5 Abs. 2 GasGVV bezeichnet) als Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag aus meiner Sicht mehr als fraglich .

Das gesetzliche Leistungsbestimmungsrecht aus § 5 Abs. 2 GasGVV ist lediglich ein Teil des gesamten gesetzlichen Rahmens des Gasbezugs. Damit in untrennbarem Zusammenhang stehen die anderen gesetzlichen Regelungen zum Gasbezug, wie z.B. Kündigungsrecht u.a., die aus meiner Sicht bei einem einseitigem Leistungsbestimmungsrecht gelten müssen.

Es ist aus meiner Sicht nicht nur verkürzt gedacht sondern schlichtweg nicht zulässig, sich der Einfachheit halber diese eine genehme Position aus dem gesetzlichen Recht zu entleihen (weil man da eine intransparente Preisänderungsklausel, die wohl § 307 BGB nicht standhalten würde, verwenden darf, aber eben nur bei einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht im Kontext mit allen anderen gesetzlichen Regelungen zulässig ist) und die anderen Regelungen lässt man mal locker außen vor.

Wer die Preisänderungsklausel aus § 5 Abs. 2 GasGVV verwenden will, soll seine Leistungen auf der Basis der gesetzlichen Regelungen mit allem wenn und aber anbieten. Wer dieses nicht will, muss seine Klausel so formulieren, dass sie einer Prüfung gem. § 307 BGB standhält.

Mir erscheint die Rechtssprechung des VIII. Senats mittlerweile in einigen Punkten leider allzusehr beliebig und nicht mehr begründbar.

Da helfen auch Ihre (Black\'s) Verwindungen nicht wirklich weiter. Und bevor Sie antworten nochmal: Es gibt gesetzliche Regelungen, nur werden sie vom VIII. Senat leider nicht so angewendet, wie es sich aus den verschiedenen ergänzenden Informationen ergibt. Aber klar, auch der VIII. Senat darf seine Interpretationen verbreiten, seien sie auch noch so falsch. Es muss erstmal bewiesen werden.

Edit: Da war RR-E-ft schneller. Hab zu lange zum Schreiben gebraucht.  :evil:

Offline RR-E-ft

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #58 am: 19. November 2010, 18:22:21 »
@Black

Stellen wir uns mal vor, wir hätten die Juristenausbildung erfolgreich absolviert, würden die Rechtsprechung des BGH dazu nicht kennen und müssten uns deshalb anhand der Gesetzesmaterialien die Rechtslage selbst - wie gelernt - erarbeiten. Das Beste auf dieser Welt ist immer noch der zum selbständigen Denken befähigte Mensch, der auch die Muße dafür findet und in Demut davon Gebrauch macht.

Wir werden allein anhand der gesetzlichen Regelungen erkennen müssen, dass sich das einseitige Leistungsbetimmungsrecht des Versorgers für die Belieferung im Rahmen der  gesetzlichen Versorgungspflicht schon  aus dem Energiewirtschaftsgesetz selbst ergibt und nicht aus § 5 GVV. § 5 II GVV regelt nur mit Rücksicht auf § 315 Abs. 2 BGB die Ausübung desjenigen einseitigen Leistungsbestimmungsrechts besonders, welches sich selbst jedoch bereits aus der gesetzlichen Regelung des EnWG ergibt. Es soll nach der gesetzlichen Regelung eben nicht - wie sonst - des (schwer nachweisbaren) Zugangs der (unwiderruflichen) Willenserklärung der zur Leistungsbestimmung berechtigten Partei beim anderen Vertragsteil ankommen, sondern allein auf eine entsprechende öffentliche Bekanntgabe. Selbst wenn man sich die Bestimmungen der Grundversorgungsverordnung hinwegdenkt, verbleibt es bei diesem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Grundversorgers aus dem Energiewirtschaftsgesetz selbst.

Diese Erkenntnis werden wir uns schrittweise zu erarbeiten haben.

Darüber, dass der Grundversorger gem. §§ 36, 2, 1 EnWG gesetzlich verpflichtet ist, die (jeweiligen)  Allgemeinen Preise der Grundversorgung - ohne Mitwirkung der Kunden- einseitig festzulegen und öffentlich bekannt zu geben und zu diesen sodann grundversorgte Kunden zu versorgen, wird wohl noch Einigkeit bestehen.

Dass dabei eine gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers als Energieversorgungsunternehmen  zu einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung besteht, lässt sich wohl auch nur schwer leugnen.

An welcher Stelle diese zum Zuge kommen sollte, wenn nicht bei der Tariffestsetzung, ist nicht ersichtlich.

Nicht anders die Vorgängeregelung § 10 Abs. 1 EnWG (hierzu BGH KZR 29/06 Rn. 20).

Dass es sich um die gesetzliche Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts zugunsten des Grundversorgers handelt, wird wohl auch Einigkeit bestehen. Dieser hat die jeweiligen Allgemeinen Preise festzusetzen, zu denen er sodann hiernach  die grundversorgten Kunden versorgen muss.

Dabei hilft ihm niemand. Der Grundversorger allein verfügt über die für die Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse. Unzweifelhaft nimmt der (potentiell) grundversorgte Kunde an dieser Preisfestlegung des Grundversorgers nicht teil. Kein einziger grundversorgter Kunde hat Einfluss auf die jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung, zu denen ihn der Grundversorger versorgen muss. Kein grundversorgter Kunde hat somit Einfluss auf den eigenen  vertraglichen Anspruch gegen den Grundversorger zur Belieferung zu bestimmten jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung.

Welchen vertraglichen Lieferanspruch der grundversorgte Kunde insoweit inne hat, bestimmt deshalb jeweils allein der Grundversorger durch Festlegung seiner jeweiligen Allgemeinen Preise [und Bedingungen] der Grundversorgung, in deren Verhältnis  mithin einseitig.

Der Grundversorger bestimmt also einseitig die vertragliche Leistung, die der grundversorgte Kunde von ihm vertraglich nur beanspruchen kann, weil der Grundversorger seine vertragliche Leistung gegenüber dem grundversorgten Kunden nur zu den von ihm selbst festgelegten jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung erbringen muss und erbringt.

Nach der gesetzlichen Regelung, die auch den Vertragsinhalt des Versorgungsvertrages zwischen Grundversorger und grundversorgtem Kunden ausmacht, bestimmt also der Grundversorger nach Vertragsabschluss die zu erbringende Leistung einseitig.

Dass auch ein solches einseitige Leistungsbestimmungsrecht der direkten Anwendung des § 315 BGB unterliegt, weil schon mit Rücksicht auf §§ 1, 2 EnWG nicht angenommen werden kann, dass dem Grundversorger ein schrankenloses Leistungsbestimmungsrecht vom Gesetzgeber eingeräumt werden sollte, ist wohl unschwer nachvollziehbar.

Dass das dem Grundversorger eingeräumte einseitige Leistungsbestimmungsrecht eine Leistungsbestimmungspflicht beinhaltet, ergibt sich bereits aus § 36 Abs. 1 EnWG (Pflicht zur Tariffestsetzung und- veröffentlichung).

Dass die Erfüllung dieser Verpflichtung sich nicht in einem einmaligen Akt erschöpfen kann, ist wohl auch klar.
Schließlich erlischt das eingeräumte einseitige Leistungsbestimmungsrecht ja auch nicht mit einmaliger Festsetzung und Veröffentlichung bzw. erschöpft sich darin.

Oder meinen Sie, mit einem einmaligen Akt wäre der gesetzlichen Verpflichtung genüge getan und das eingeräumte Recht habe sich dadurch erschöpft?

Ließe sich ja diskutieren. Nur darf man dann bei Kostenerhöhungen nicht nach der Möglichkeit von einseitigen Tarifänderungen fragen.  

Wenn der Allgemeine Tarif - allein infolge der fehlenden bindenden Vereinbarung eines feststehenden Preises - auf die Dauer der Vertragsbeziehung veränderlich ist, dann schafft doch wohl § 315 BGB den besten Interessenausgleich.

Wäre hingegen zunächst ein feststehender Preis vertraglich vereinbart und somit für beide Seiten bindend und führte deshalb zu einem punktuell vereinbarten Äquivalenzverhältnis, wäre ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB wegen des weiten Spielraums der Billigkeit zu dessen Wahrung denkbar ungeeignet, weil jeweils im Umfange des weiten Spielraums etwas weiter zu verrutschen droht.

Bei einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht steht das vertragliche Äquivalenzverhältnis nicht fest, sondern die zur Leistungsbestimmung berechtigte und verpflichtete Partei legt dieses fest. Ob dieses einseitig bestimmte Äquivalenzverhältnis für den anderen Vertragsteil verbindlich ist, bemißt sich nach § 315 Abs. 3 BGB.

Dass der Gesetzgeber in § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle durch den grundversorgten Kunden berücksichtigt hat, diese also voraussetzt, ist wohl auch nicht von der Hand zu weisen.  

Nach alldem stellt die Frage, ob Sie mit ihrem vorhergehenden Beitrag das gesetzlich eingeräumte Leistungsbestimmungsrecht in Zweifel ziehen möchten oder eher nur die Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB darauf oder etwa davon überzeugt sind, ein solches Recht sei ohne entsprechende (laufende) Verpflichtungen eingeräumt worden, wozu nicht nur Kollege Dr. Schulz-Gardyan schon allerlei m.E. Absonderliches veröffentlicht hat.

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Die Betrachtungsweise erscheint auch einseitig:

Zitat
Original von Black
Der Preissockel basiert auf dem Grundgedanken des Schuldrechts, dass sich zwei Parteien bei Vertragsschluss auf die wesentlichen Inhalte des Vertrages einigen. Dazu gehört auch der Preis.

Insoweit geht der BGH von einem vereinbarten Anfangspreis aus. Wenn der Versorger sich von diesem ursprünglich vereinbarten Preis lösen möchte, um einseitig einen neuen Preis zu bestimmen, dann muss diese Bestimmung der Billigkeit entsprechen.

Wenn sich zwei Parteien bei Vertragsabschluss auf einen Preis einigen, dann ist diese Einigung grundsätzlich für die Dauer der Vertragsbeziehung für beide Vertragsteile gleichermaßen bindend. Ein Preis ist dann fest vereinbart und beide Partner sind an diesen fest vereinbarten Preis gebunden, mit allen daraus erwachsenden Chancen und Risiken. Hier sei der Versorger an diesen vereinbarten Preis nicht gebunden, sondern er könne darüber entscheiden, ob er sich von diesem lösen möchte.  In einem solchen Fall kann doch wohl von vertraglicher Bindung an den Preis kaum die Rede sein.

Bei der vertraglichen Vereinbarung eines Preises gilt der Grundsatz pacta sunt servanda mit der Folge, dass man sich aus einer, für den anderen Vertragsteil günstigen vertraglichen Bindung nicht einseitig lösen kann.

Es kommt wohl im Vertragsrecht nicht oft vor, dass ein Vertragsteil nach Vertragsabschluss einseitig darüber entscheiden darf, den Preis neu zu bestimmen (ob, wann, in welche Richtung, in welchem Umfang).

Das geht grundsätzlich nur, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss keinen festen Preis vereinbart haben, sondern statt dessen vereinbart haben, ein Vertragsteil solle nach Vertragsabschluss den Preis [einseitig] bestimmen, was die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB zur Folge hat. (Das lässt sich auch etwa  an der Tankstelle, beim Heizölhändler oder an der Bockwurstbude individuell vereinbaren, wenn man denn einen findet, der sich darauf einlässt).

Genau dieser Fall liegt bei der Grundversorgung vor.

Die Parteien vereinbaren bei Vertragsabschluss gerade keinen feststehenden Preis, sondern satt dessen nur, dass die Belieferung zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung erfolgen soll, die wiederum der Grundversorger festzulegen und öffentlich bekannt zu geben hat.

Dass die Belieferung zu den jeweiligen (und somit veränderlichen, nicht feststehenden) Allgemeinen Preisen der Grundversorgung erfolgen soll, ergibt sich aus § 6 Abs. 1 GVV (früher § 4 Abs. 1 AVBV). Bei der Grundversorgung soll die Versorgung also nicht zu einem feststehend vereinbarten Preis und nicht zu dem einen Allgemeinen Preis der Grundversorgung erfolgen, sondern zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung, die der Grundversorger jeweils (einseitig) festlegt und öffentlich bekannt gibt.

Eigentlich sieht das wohl auch der VIII.Zivilsenat des BGH, nur scheint es ihm nicht recht zu gefallen.


Zitat
BGH VIII ZR 225/07 Rn. 23

§ 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV regelt nur, dass das Gasversorgungsunternehmen Gas zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen zur Verfügung stellt und Änderungen der allgemeinen Tarife erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden.

Weitere vertragliche Abreden, etwa die Vereinbarung eines feststehenden Preises, gab es tatsächlich gar nicht und die Bestimmungen der AVBV waren gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 AVBV kraft Gesetzes Vertragsbestandteil des Versorgungsvertrages mit Tarifkunden. Nicht anders heute die Bedingungen der Grundversorgungsverordnungen.  

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Bemerkenswert erscheint nun, dass Versorger - angespornt durch Kollegen und deren Referate etwa beim BDEW-Infotag am 09.12.10 in Bonn - nunmehr auch im Bereich der Vertragsfreiheit und der Sonderverträge bei Vertragsabschluss davon abgehen wollen, feststehende Preise zu vereinbaren und statt dessen Vertragslösungen wählen, die zur unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB führen sollen und sie deshalb auch zu Preisabsenkungen verpflichten, soweit solche nur möglich sind (vgl. BGH VIII ZR 246/08 Rn. 42, VIII ZR 225/07 Rn. 23 f.).  Das hätte man noch vor Kurzem für kaum möglich gehalten. Und möglicherweise schon am 09.02.11 fliegt nicht nur den Freunden vom Gaswerk der Laden um die Ohren, weil entsprechende Vertragsbestandteile sich als unwirksam erweisen.

Tatsächlich hat der VIII.Zivilsenat die Versorger mit seiner in diesem Punkt schizophrenen Denke in ein unsägliches Dilemma geführt.

Er hat Preisänderungsklauseln für unwirksam erklärt, welche für den Kunden die Möglichkeit der gerichtlichen  Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB ausschließen (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 41).

Am Ende wird sich aber wohl doch die seit Langem bestehende Rechtsprechung des BGH durchsetzen, wonach gerade auch Preisänderungsklauseln unwirksam sind, die den Kunden auf die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB verweisen (BGH XI ZR 55/08 Rn. 32, 37, 38; KZR 10/03 unter II.6).

Denn für einen anderen Maßstab der Transparenz- und Inhaltskontrolle nach § 307 BGB für Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen als in sonstigen Massengeschäft- Verträgen (etwa Banken und Sparkassen) fehlt am Ende denn wohl doch eine überzeugende Begründung.

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Die Unterscheidung zwischen vertraglicher Preisvereinbarung einerseits und einseitigem Leistungsbestimmungsrecht andererseits lässt sich schon bei Zugrundelegung allgemeinen Vertragsrechts praktisch sehr anschaulich erfahren:


Der Sondervertragskunde, der bei Vertragsabschluss einen feststehenden Preis vereinbart hatte (vgl. BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46) kann auch fast 20 Jahre später noch (!!!) die Belieferung zu diesem,  bei Vertrasgabschluss fest vereinbarten Preis vertraglich beanspruchen (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 02.09.10 Az. U 1200/09 Kart.; LG Bonn, Urt. v. 03.11.10 Az. 5 S 218/09).

Pacta sunt servanda.

Im Gegensatz dazu kann der grundversorgte Kunde noch nicht einmal zwei Monate später noch die Belieferung zu den bei Vertragsabschluss geltenden Allgemeinen Preisen der Grundversorgung vertraglich beanspruchen, eben weil bei Vertragsabschluss gerade kein feststehender Preis vertraglich vereinbart wurde, sondern nur die Belieferung zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung, die nun mal allein der Grundversorger nach Vertragsabschluss jeweils festlegt und öffentlich bekannt gibt.

Juristen sprechen in diesem Zusammenhang von einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht einer Vertragspartei. Die gesetzliche Regelung dazu findet sich in § 315 BGB.

Der grundversorgte Kunde kann deshalb lediglich beanspruchen, dass die jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung, die der Grundversorger jeweils festlegt und zu denen der Grundversorger ihn beliefern muss, jeweils der Billigkeit entsprechen, undzwar unter Berücksichtigung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragsteile und umfassender Würdigung des Vertragszwecks einer möglichst sicheren, preisgünstigen, effizienten leitungegbundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas unter Berücksichtigung von §§ 1, 2 EnWG (vgl. nur BGH VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183).  

Weil dem grundversorgten Kunden im konkreten Vertragsverhältnis keine andere Möglichkeit zur Verfügung steht, diejenige vertragliche Leistung zu beeinflussen, die er vom Grundversorger im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht vertraglich nur beanspruchen kann, eröffnet ihm § 315 BGB die - mittlerweile weithin bekannte - Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle.

Es geht nur um die Abwägung der gegenläufigen Interessen der Vertragspartner des konkreten Vertragsverhältnisses, in dem das einseitige Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt ist. Es geht darum, welcher Preis im Verhältnis Grundversorger zum grundversorgten Kunden unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragteile jeweils angemessen ist.

Und deshalb hat die Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB nichts mit einer Monopolstellung und nichts damit zu tun, ob Wettbewerber vorhanden sind und auch nichts mit Marktpreisen oder irgendwelchen Preisvergleichen (so bereits ausdrücklich BGH VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183).


Zitat
BGH, Urt. v. 02.10.1991 VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183 unter III.:

Die Klägerin hat ihrer Darlegungslast nicht dadurch genügt, dass sie zur Begründung ihrer Preisbestimmung auf die in der Bundesrepublik Deutschland herrschende Bandbreite der Strompreise und auf diejenigen Entgelte verwiesen hat, die sie von anderen Stromabnehmern fordert.

1.   Allerdings kann eine einseitige Preisbestimmung unter Umständen als billig im Sinne von § 315 BGB anzusehen sein, wenn das verlangte Entgelt im Rahmen des Marktüblichen liegt und dem entspricht, was regelmäßig als Preis für eine vergleichbare Leistung verlangt wird. Grundsätzlich ist indessen eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks (Soergel/M. Wolf, BGB, 12. Auf., § 315 Rdnr. 38]; Staudinger/Kaduk, BGB, 11. Aufl., § 315 Rdnr. 6; Esser/Schmidt, Schuldrecht I, 6. Aufl., S. 215; v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 119 f) sowie der Interessenlage beider Parteien (BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 1. Juli 1971 aa0 unter 12) erforderlich, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (vgl. die Übersichten bei v. Hoyningen-Huene, aa0; MünchKomm/Söllner, BGB, 2. Aufl., § 315 Rdnr. 16).

2.   a) Für Verträge, die - wie hier - die Lieferung elektrischer Energie zum Gegenstand haben, muß der das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschende Grundsatz berücksichtigt werden, dass die Energieversorgung - unter Beachtung der Anforderungen an die Sicherheit der Versorgung - so preiswürdig wie möglich zu gestalten ist.

Die möglichst sichere und preiswürdige Lieferung elektrischer Energie ist demnach Zweck auch des zwischen den Prozeßparteien herrschenden Interimsverhältnisses und entspricht dem rechtlich anerkannten Interesse der Beklagten. Dieser Gesichtspunkt muss in die Ermessensentscheidung der Klägerin eingehen. Er bedeutet in materiell-rechtlicher Hinsicht, dass sich der von ihr geforderte Strompreis an den Kosten der Belieferung mit elektrischer Energie ausrichtet.

Über die Deckung der Kosten für die Erzeugung und Leitung der elektrischen Energie sowie der Vorhaltung der dazu notwendigen Anlagen hinaus steht der Klägerin allerdings auch ein Gewinn zu, aus dem sie die erforderlichen Rücklagen bilden und Investitionen tätigen kann. Weiterhin ist ihr eine angemessene Verzinsung zuzugestehen, ohne die sie Fremdkapital nicht aufnehmen und Anlagekapital nicht gewinnen kann (Büdenbender aa0 Rdnr. 72 ff; Lukes aaO; Köhler aaO). Auf diesem Weg wird auch den Belangen der Klägerin Rechnung getragen.



Kommt es somit für die Beurteilung, ob die Ermessensentscheidung der Klägerin der Billigkeit entspricht, darauf an, inwiefern der geforderte Strompreis zur Deckung der Kosten der Stromlieferung und zur Erzielung eines im vertretbaren Rahmen bleibenden Gewinns dient, so steht damit zugleich der Umfang der erforderlichen Darlegungen im Prozess fest.

Es oblag der Klägerin, im einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche allgemeinen und besonderen Kosten, die ihr durch die Belieferung der Beklagten mit elektrischer Energie entstehen, abzudecken waren; ferner, welchen Gewinn sie zur Bildung von Rücklagen, zur Finanzierung von Investitionen oder zur Verzinsung des aufgenommenen Kapitals bzw. der Einlagen ihrer Aktionäre mit dem der Beklagten berechneten Preis erzielen wollte.

Heute wird es um Netzentgelte, Strombezugskosten, Vertriebskosten, Steuern und Abgaben gehen, die mit den Preisen abzudecken sind.

Klar ist, dass wegen des gesetzlich eingeräumten Leistungsbestimmungsrechts des Grundversorgers die jeweiligen Allgemeinen Tarife bzw. jeweiligen Allgemeinen Preise gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind mit der nicht überraschenden Folge, dass Kostenerhöhungen zur Tariferhöhung berechtigen, Kostensenkungen hingegen zur Tarifabsenkung verpflichten.  

Mit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB kann der grundversorgte Kunde deshalb nur klären, welcher Preis angemessen ist, zu dem ihn der Grundversorger im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht jeweils versorgen muss.

Der Kunde wird dabei die Frage aufwerfen, ob die vom Grundversorger einseitig festgesetzten jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 36, 2, 1 EnWG entsprechen, aus denen sich spiegelbildlich die vertragliche Leistung des grundversorgten Kunden ergibt.

Unzweifelhaft ist auch, dass der jeweilige Allgemeine Preis der Grundversorgung höher kalkuliert sein muss als ein im Rahmen der Vertragsfreiheit angebotener Sondervertragspreis (KG Berlin, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06). Beim Gas folgt dies allein aus der höheren Konzessionsabgabe. Zudem können sich die Lieferanten im Rahmen der Vertragsfreiheit ihre Kunden aussuchen, unterliegen keinem Kontrahierungszwang. Der Grundversorger muss alle Haushaltskunden versorgen, auch wenn diese sich etwa durch schlechte Bonität und Zahlungsmoral auszeichnen, was entsprechende Risikoaufschläge rechtfertigen könnte.

Dem Sondervertragskunden, der bei Vertragsabschluss einen feststehenden Preis vereinbart hatte, steht die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle schon deshalb nicht offen, weil kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten vertraglich vereinbart wurde. Gesetzlich ist es auch nicht eingeräumt.

Die Richtigkeitsgewähr des Preises (im Verhältnis der Vertragspartner zueinander) folgt allein aus der vertraglichen Preisvereinbarung bei Vertragsabschluss im Rahmen der Vertragsfreiheit. Und da mag nun einmal jeder einen anderen Preis für angemessen halten und diesen deshalb  feststehend vereinbaren, auch wenn es ihn später vielleicht reut wie die Regionalgas Euskirchen. Gleichwohl wird sich kein Gericht bereit finden, einen anderen - \"gerechteren\" Preis zu bestimmen.

Anders liegt es jedoch dann, wenn bei Vertragsabschluss statt eines feststehenden Preises ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten vertraglich vereinbart wird, dieser also nach Vertragsabschluss die vertragliche Leistung einseitig festsetzen können soll.
Auch dann findet § 315 BGB unmittelbare Anwendung (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle durch den Kunden ist dann die Kehrseite des vertraglich vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrechts. Da es sich bei dem Lieferanten um ein Energieversorgungsunternehmen handelt, wird auch dieser §§ 1, 2 EnWG bei der Preisbestimmung und somit der Leistung, auf welche der Kunde einen vertraglichen Anspruch hat, zu beachten haben, was auch bei diesem eine Kostenkontrolle notwendig machen wird.

Niemand hat die Parteien dabei gezwungen, im Rahmen der Vertragsfreiheit bei Vertragsabschluss  statt eines feststehenden Preises ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Energielieferanten vertraglich zu vereinbaren.

Wenn sie es dann aber getan haben, ergeben sich die rechtlichen Konsequenzen daraus enstprechend.  Wurde etwa ein Tarifbestimmungs- und änderungsrecht wie nach den gesetzlichen Regelungen der Grundversorgung vertraglich vereinbart, dann sollten kraft vertraglicher Anwendungsvereinbarung auch die o. g. Grundsätze zur Anwendung kommen.

Klar ist, dass immer dann, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss (wann auch sonst?) vertraglich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vereinbart haben, § 315 BGB von Anfang an unmittelbare Anwendung findet (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).

Klar ist ferner, dass § 315 BGB nicht zur Anwendung kommt, wenn ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht nicht vertraglich vereinbart wurde und ein solches auch nicht gesetzlich eingeräumt ist.

Offline bolli

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Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
« Antwort #59 am: 22. November 2010, 08:29:06 »
@RR-E-ft

!!!
Sehr gut hergeleitet, wie ja auch schon in einzelnen Teilen in anderen Threads.

Aber ich befürchte, die jenigen, die es nicht wahrhaben wollen, wird man selbst mit (dieser) Logik nicht erreichen.
Black freut sich für seine Klientel weiter über die Rechtsauffassung des VIII. BGH-Senats und sieht das natürlich auch so ( 8) ) und ob die Herrschaften des VIII. Senats selbst mal die Größe besitzen, ihre Meinung zu revidieren, darf wohl bezweifelt werden, erst recht dann, wenn diese vertretene Meinung vielleicht nicht durch unüberlegte oder zu Ende überlegte  Gedankengänge zustande kam sondern möglicherweise sogar bewusst in die Welt gesetzt wurde.

 

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