@Black
Stellen wir uns mal vor, wir hätten die Juristenausbildung erfolgreich absolviert, würden die Rechtsprechung des BGH dazu nicht kennen und müssten uns deshalb anhand der Gesetzesmaterialien die Rechtslage selbst - wie gelernt - erarbeiten. Das Beste auf dieser Welt ist immer noch der zum selbständigen Denken befähigte Mensch, der auch die Muße dafür findet und in Demut davon Gebrauch macht.
Wir werden allein anhand der gesetzlichen Regelungen erkennen müssen, dass sich das einseitige Leistungsbetimmungsrecht des Versorgers für die Belieferung im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht schon aus dem Energiewirtschaftsgesetz selbst ergibt und nicht aus § 5 GVV. § 5 II GVV regelt nur mit Rücksicht auf § 315 Abs. 2 BGB die Ausübung desjenigen einseitigen Leistungsbestimmungsrechts besonders, welches sich selbst jedoch bereits aus der gesetzlichen Regelung des EnWG ergibt. Es soll nach der gesetzlichen Regelung eben nicht - wie sonst - des (schwer nachweisbaren) Zugangs der (unwiderruflichen) Willenserklärung der zur Leistungsbestimmung berechtigten Partei beim anderen Vertragsteil ankommen, sondern allein auf eine entsprechende öffentliche Bekanntgabe. Selbst wenn man sich die Bestimmungen der Grundversorgungsverordnung hinwegdenkt, verbleibt es bei diesem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Grundversorgers aus dem Energiewirtschaftsgesetz selbst.
Diese Erkenntnis werden wir uns schrittweise zu erarbeiten haben.
Darüber, dass der Grundversorger gem. §§ 36, 2, 1 EnWG gesetzlich verpflichtet ist, die (jeweiligen) Allgemeinen Preise der Grundversorgung - ohne Mitwirkung der Kunden- einseitig festzulegen und öffentlich bekannt zu geben und zu diesen sodann grundversorgte Kunden zu versorgen, wird wohl noch Einigkeit bestehen.
Dass dabei eine gesetzliche Verpflichtung des Grundversorgers als Energieversorgungsunternehmen zu einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung besteht, lässt sich wohl auch nur schwer leugnen.
An welcher Stelle diese zum Zuge kommen sollte, wenn nicht bei der Tariffestsetzung, ist nicht ersichtlich.
Nicht anders die Vorgängeregelung § 10 Abs. 1 EnWG (hierzu BGH KZR 29/06 Rn. 20).
Dass es sich um die gesetzliche Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts zugunsten des Grundversorgers handelt, wird wohl auch Einigkeit bestehen. Dieser hat die jeweiligen Allgemeinen Preise festzusetzen, zu denen er sodann hiernach die grundversorgten Kunden versorgen muss.
Dabei hilft ihm niemand. Der Grundversorger allein verfügt über die für die
Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse. Unzweifelhaft nimmt der (potentiell) grundversorgte Kunde an dieser Preisfestlegung des Grundversorgers nicht teil. Kein einziger grundversorgter Kunde hat Einfluss auf die jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung, zu denen ihn der Grundversorger versorgen muss. Kein grundversorgter Kunde hat somit Einfluss auf den eigenen vertraglichen Anspruch gegen den Grundversorger zur Belieferung zu bestimmten jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung.
Welchen vertraglichen Lieferanspruch der grundversorgte Kunde insoweit inne hat, bestimmt deshalb jeweils allein der Grundversorger durch Festlegung seiner jeweiligen Allgemeinen Preise [und Bedingungen] der Grundversorgung, in deren Verhältnis mithin einseitig.
Der Grundversorger bestimmt also einseitig die vertragliche Leistung, die der grundversorgte Kunde von ihm vertraglich nur
beanspruchen kann, weil der Grundversorger seine vertragliche Leistung gegenüber dem grundversorgten Kunden nur zu den von ihm selbst festgelegten
jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung erbringen muss und erbringt.
Nach der gesetzlichen Regelung, die auch den Vertragsinhalt des Versorgungsvertrages zwischen Grundversorger und grundversorgtem Kunden ausmacht, bestimmt also der Grundversorger nach Vertragsabschluss die zu erbringende Leistung einseitig.
Dass auch ein solches einseitige Leistungsbestimmungsrecht der direkten Anwendung des § 315 BGB unterliegt, weil schon mit Rücksicht auf §§ 1, 2 EnWG nicht angenommen werden kann, dass dem Grundversorger ein schrankenloses Leistungsbestimmungsrecht vom Gesetzgeber eingeräumt werden sollte, ist wohl unschwer nachvollziehbar.
Dass das dem Grundversorger eingeräumte einseitige Leistungsbestimmungsrecht eine
Leistungsbestimmungspflicht beinhaltet, ergibt sich bereits aus § 36 Abs. 1 EnWG (Pflicht zur Tariffestsetzung und- veröffentlichung).
Dass die Erfüllung dieser Verpflichtung sich nicht in einem
einmaligen Akt erschöpfen kann, ist wohl auch klar.
Schließlich erlischt das eingeräumte einseitige Leistungsbestimmungsrecht ja auch nicht mit einmaliger Festsetzung und Veröffentlichung bzw. erschöpft sich darin.
Oder meinen Sie, mit einem einmaligen Akt wäre der gesetzlichen Verpflichtung genüge getan und das eingeräumte Recht habe sich dadurch erschöpft?
Ließe sich ja diskutieren. Nur darf man dann bei Kostenerhöhungen nicht nach der Möglichkeit von einseitigen Tarifänderungen fragen.
Wenn der Allgemeine Tarif -
allein infolge der fehlenden bindenden Vereinbarung eines feststehenden Preises - auf die Dauer der Vertragsbeziehung
veränderlich ist, dann schafft doch wohl § 315 BGB den besten Interessenausgleich.
Wäre hingegen zunächst ein feststehender Preis vertraglich vereinbart und somit für beide Seiten bindend und führte deshalb zu einem
punktuell vereinbarten Äquivalenzverhältnis, wäre ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Sinne des § 315 BGB wegen des weiten Spielraums der Billigkeit zu dessen Wahrung denkbar ungeeignet, weil jeweils im Umfange des weiten Spielraums etwas weiter zu verrutschen droht.
Bei einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht steht das vertragliche Äquivalenzverhältnis nicht fest, sondern die zur Leistungsbestimmung berechtigte und verpflichtete Partei legt dieses fest. Ob dieses einseitig bestimmte Äquivalenzverhältnis für den anderen Vertragsteil verbindlich ist, bemißt sich nach § 315 Abs. 3 BGB.
Dass der Gesetzgeber in § 17 Abs. 1 Satz 3 GVV die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle durch den grundversorgten Kunden berücksichtigt hat, diese also voraussetzt, ist wohl auch nicht von der Hand zu weisen.
Nach alldem stellt die Frage, ob Sie mit ihrem vorhergehenden Beitrag das gesetzlich eingeräumte Leistungsbestimmungsrecht in Zweifel ziehen möchten oder eher nur die Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB darauf oder etwa davon überzeugt sind, ein solches Recht sei ohne entsprechende (laufende) Verpflichtungen eingeräumt worden, wozu nicht nur Kollege Dr. Schulz-Gardyan schon allerlei m.E. Absonderliches veröffentlicht hat.
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Die Betrachtungsweise erscheint auch einseitig:
Original von Black
Der Preissockel basiert auf dem Grundgedanken des Schuldrechts, dass sich zwei Parteien bei Vertragsschluss auf die wesentlichen Inhalte des Vertrages einigen. Dazu gehört auch der Preis.
Insoweit geht der BGH von einem vereinbarten Anfangspreis aus. Wenn der Versorger sich von diesem ursprünglich vereinbarten Preis lösen möchte, um einseitig einen neuen Preis zu bestimmen, dann muss diese Bestimmung der Billigkeit entsprechen.
Wenn sich zwei Parteien bei Vertragsabschluss auf einen Preis einigen, dann ist diese Einigung grundsätzlich für die Dauer der Vertragsbeziehung für beide Vertragsteile gleichermaßen bindend. Ein Preis ist dann
fest vereinbart und beide Partner sind an diesen fest vereinbarten Preis gebunden, mit allen daraus erwachsenden Chancen und Risiken. Hier sei der Versorger an diesen vereinbarten Preis nicht gebunden, sondern er könne darüber entscheiden, ob er sich von diesem lösen möchte. In einem solchen Fall kann doch wohl von vertraglicher Bindung an den Preis kaum die Rede sein.
Bei der vertraglichen Vereinbarung eines Preises gilt der Grundsatz
pacta sunt servanda mit der Folge, dass man sich aus einer, für den anderen Vertragsteil günstigen vertraglichen Bindung nicht einseitig lösen kann.
Es kommt wohl im Vertragsrecht nicht oft vor, dass ein Vertragsteil nach Vertragsabschluss einseitig darüber entscheiden darf, den Preis neu zu bestimmen (ob, wann, in welche Richtung, in welchem Umfang).
Das geht grundsätzlich nur, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss keinen festen Preis vereinbart haben, sondern
statt dessen vereinbart haben, ein Vertragsteil solle nach Vertragsabschluss den Preis [einseitig] bestimmen, was die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB zur Folge hat. (Das lässt sich auch etwa an der Tankstelle, beim Heizölhändler oder an der Bockwurstbude individuell vereinbaren, wenn man denn einen findet, der sich darauf einlässt).
Genau dieser Fall liegt bei der Grundversorgung vor.
Die Parteien vereinbaren bei Vertragsabschluss gerade keinen feststehenden Preis, sondern satt dessen nur, dass die Belieferung zu den
jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung erfolgen soll, die wiederum der Grundversorger festzulegen und öffentlich bekannt zu geben hat.
Dass die Belieferung zu den
jeweiligen (und somit veränderlichen, nicht feststehenden) Allgemeinen Preisen der Grundversorgung erfolgen soll, ergibt sich aus § 6 Abs. 1 GVV (früher § 4 Abs. 1 AVBV). Bei der Grundversorgung soll die Versorgung also nicht zu einem feststehend vereinbarten Preis und nicht zu dem
einen Allgemeinen Preis der Grundversorgung erfolgen, sondern zu den
jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung, die der Grundversorger jeweils (einseitig) festlegt und öffentlich bekannt gibt.
Eigentlich sieht das wohl auch der VIII.Zivilsenat des BGH, nur scheint es ihm nicht recht zu gefallen.
BGH VIII ZR 225/07 Rn. 23
§ 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV regelt nur, dass das Gasversorgungsunternehmen Gas zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen zur Verfügung stellt und Änderungen der allgemeinen Tarife erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden.
Weitere vertragliche Abreden, etwa die Vereinbarung eines feststehenden Preises, gab es tatsächlich gar nicht und die Bestimmungen der AVBV waren gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 AVBV kraft Gesetzes Vertragsbestandteil des Versorgungsvertrages mit Tarifkunden. Nicht anders heute die Bedingungen der Grundversorgungsverordnungen.
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Bemerkenswert erscheint nun, dass Versorger -
angespornt durch Kollegen und deren Referate etwa beim BDEW-Infotag am 09.12.10 in Bonn - nunmehr auch
im Bereich der Vertragsfreiheit und der Sonderverträge bei Vertragsabschluss davon abgehen wollen, feststehende Preise zu vereinbaren und statt dessen Vertragslösungen wählen, die zur
unmittelbaren Anwendung des § 315 BGB führen sollen und sie deshalb auch zu Preisabsenkungen verpflichten, soweit solche nur möglich sind (vgl. BGH VIII ZR 246/08 Rn. 42, VIII ZR 225/07 Rn. 23 f.). Das hätte man noch vor Kurzem für kaum möglich gehalten. Und möglicherweise schon am 09.02.11 fliegt nicht nur den Freunden vom Gaswerk der Laden um die Ohren, weil entsprechende Vertragsbestandteile sich als unwirksam erweisen.
Tatsächlich hat der VIII.Zivilsenat die Versorger mit seiner in diesem Punkt schizophrenen Denke in ein
unsägliches Dilemma geführt.
Er hat Preisänderungsklauseln für unwirksam erklärt, welche für den Kunden die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB ausschließen (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 41).
Am Ende wird sich aber wohl doch die seit Langem bestehende Rechtsprechung des BGH durchsetzen, wonach gerade auch Preisänderungsklauseln unwirksam sind, die den Kunden auf die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB verweisen (BGH XI ZR 55/08 Rn. 32, 37, 38; KZR 10/03 unter II.6).
Denn für einen anderen Maßstab der Transparenz- und Inhaltskontrolle nach § 307 BGB für Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen als in sonstigen Massengeschäft- Verträgen (etwa Banken und Sparkassen) fehlt am Ende denn wohl doch eine
überzeugende Begründung.
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Die Unterscheidung zwischen
vertraglicher Preisvereinbarung einerseits und
einseitigem Leistungsbestimmungsrecht andererseits lässt sich schon bei Zugrundelegung
allgemeinen Vertragsrechts praktisch sehr anschaulich erfahren:
Der
Sondervertragskunde, der bei Vertragsabschluss einen
feststehenden Preis vereinbart hatte (vgl. BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46) kann auch
fast 20 Jahre später noch (!!!) die Belieferung zu diesem, bei Vertrasgabschluss fest vereinbarten Preis vertraglich beanspruchen (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 02.09.10 Az. U 1200/09 Kart.; LG Bonn, Urt. v. 03.11.10 Az. 5 S 218/09).
Pacta sunt servanda.
Im Gegensatz dazu kann der
grundversorgte Kunde noch nicht einmal zwei Monate später noch die Belieferung zu den bei Vertragsabschluss geltenden
Allgemeinen Preisen der Grundversorgung vertraglich beanspruchen, eben weil bei Vertragsabschluss gerade kein feststehender Preis vertraglich vereinbart wurde, sondern nur die Belieferung zu den
jeweiligen Allgemeinen Preisen der Grundversorgung, die nun mal allein der Grundversorger nach Vertragsabschluss jeweils festlegt und öffentlich bekannt gibt.
Juristen sprechen in diesem Zusammenhang von einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht einer Vertragspartei. Die gesetzliche Regelung dazu findet sich in § 315 BGB.
Der
grundversorgte Kunde kann deshalb lediglich beanspruchen, dass die
jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung, die der Grundversorger jeweils festlegt und zu denen der Grundversorger ihn beliefern
muss, jeweils der Billigkeit entsprechen, undzwar unter Berücksichtigung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragsteile und umfassender Würdigung des Vertragszwecks einer möglichst sicheren, preisgünstigen, effizienten leitungegbundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas unter Berücksichtigung von §§ 1, 2 EnWG (vgl. nur BGH VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183).
Weil dem grundversorgten Kunden
im konkreten Vertragsverhältnis keine andere Möglichkeit zur Verfügung steht, diejenige
vertragliche Leistung zu beeinflussen, die er vom Grundversorger im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht vertraglich nur beanspruchen kann, eröffnet ihm § 315 BGB die - mittlerweile weithin bekannte - Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle.
Es geht nur um die Abwägung der gegenläufigen Interessen der Vertragspartner des konkreten Vertragsverhältnisses, in dem das einseitige Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt ist. Es geht darum, welcher Preis im Verhältnis Grundversorger zum grundversorgten Kunden unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragteile jeweils angemessen ist.
Und deshalb hat die Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB nichts mit einer Monopolstellung und nichts damit zu tun, ob Wettbewerber vorhanden sind und auch nichts mit Marktpreisen oder irgendwelchen Preisvergleichen (so bereits ausdrücklich BGH VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183).
BGH, Urt. v. 02.10.1991 VIII ZR 240/90 = NJW-RR 1992, 183 unter III.:
Die Klägerin hat ihrer Darlegungslast nicht dadurch genügt, dass sie zur Begründung ihrer Preisbestimmung auf die in der Bundesrepublik Deutschland herrschende Bandbreite der Strompreise und auf diejenigen Entgelte verwiesen hat, die sie von anderen Stromabnehmern fordert.
1. Allerdings kann eine einseitige Preisbestimmung unter Umständen als billig im Sinne von § 315 BGB anzusehen sein, wenn das verlangte Entgelt im Rahmen des Marktüblichen liegt und dem entspricht, was regelmäßig als Preis für eine vergleichbare Leistung verlangt wird. Grundsätzlich ist indessen eine umfassende Würdigung des Vertragszwecks (Soergel/M. Wolf, BGB, 12. Auf., § 315 Rdnr. 38]; Staudinger/Kaduk, BGB, 11. Aufl., § 315 Rdnr. 6; Esser/Schmidt, Schuldrecht I, 6. Aufl., S. 215; v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 119 f) sowie der Interessenlage beider Parteien (BGHZ 41, 271, 279; BGH, Urteil vom 1. Juli 1971 aa0 unter 12) erforderlich, in die weitere Gesichtspunkte einfließen können (vgl. die Übersichten bei v. Hoyningen-Huene, aa0; MünchKomm/Söllner, BGB, 2. Aufl., § 315 Rdnr. 16).
2. a) Für Verträge, die - wie hier - die Lieferung elektrischer Energie zum Gegenstand haben, muß der das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschende Grundsatz berücksichtigt werden, dass die Energieversorgung - unter Beachtung der Anforderungen an die Sicherheit der Versorgung - so preiswürdig wie möglich zu gestalten ist.
Die möglichst sichere und preiswürdige Lieferung elektrischer Energie ist demnach Zweck auch des zwischen den Prozeßparteien herrschenden Interimsverhältnisses und entspricht dem rechtlich anerkannten Interesse der Beklagten. Dieser Gesichtspunkt muss in die Ermessensentscheidung der Klägerin eingehen. Er bedeutet in materiell-rechtlicher Hinsicht, dass sich der von ihr geforderte Strompreis an den Kosten der Belieferung mit elektrischer Energie ausrichtet.
Über die Deckung der Kosten für die Erzeugung und Leitung der elektrischen Energie sowie der Vorhaltung der dazu notwendigen Anlagen hinaus steht der Klägerin allerdings auch ein Gewinn zu, aus dem sie die erforderlichen Rücklagen bilden und Investitionen tätigen kann. Weiterhin ist ihr eine angemessene Verzinsung zuzugestehen, ohne die sie Fremdkapital nicht aufnehmen und Anlagekapital nicht gewinnen kann (Büdenbender aa0 Rdnr. 72 ff; Lukes aaO; Köhler aaO). Auf diesem Weg wird auch den Belangen der Klägerin Rechnung getragen.
…
Kommt es somit für die Beurteilung, ob die Ermessensentscheidung der Klägerin der Billigkeit entspricht, darauf an, inwiefern der geforderte Strompreis zur Deckung der Kosten der Stromlieferung und zur Erzielung eines im vertretbaren Rahmen bleibenden Gewinns dient, so steht damit zugleich der Umfang der erforderlichen Darlegungen im Prozess fest.
Es oblag der Klägerin, im einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche allgemeinen und besonderen Kosten, die ihr durch die Belieferung der Beklagten mit elektrischer Energie entstehen, abzudecken waren; ferner, welchen Gewinn sie zur Bildung von Rücklagen, zur Finanzierung von Investitionen oder zur Verzinsung des aufgenommenen Kapitals bzw. der Einlagen ihrer Aktionäre mit dem der Beklagten berechneten Preis erzielen wollte.
Heute wird es um Netzentgelte, Strombezugskosten, Vertriebskosten, Steuern und Abgaben gehen, die mit den Preisen abzudecken sind.
Klar ist, dass wegen des gesetzlich eingeräumten Leistungsbestimmungsrechts des Grundversorgers die jeweiligen Allgemeinen Tarife bzw. jeweiligen Allgemeinen Preise gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind mit der nicht überraschenden Folge, dass Kostenerhöhungen zur Tariferhöhung berechtigen, Kostensenkungen hingegen zur Tarifabsenkung verpflichten.
Mit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB kann der grundversorgte Kunde deshalb nur klären, welcher Preis angemessen ist, zu dem ihn der Grundversorger im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht jeweils versorgen muss.
Der Kunde wird dabei die Frage aufwerfen, ob die vom Grundversorger einseitig festgesetzten jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 36, 2, 1 EnWG entsprechen, aus denen sich spiegelbildlich die vertragliche Leistung des grundversorgten Kunden ergibt.
Unzweifelhaft ist auch, dass der jeweilige Allgemeine Preis der Grundversorgung höher kalkuliert sein muss als ein im Rahmen der Vertragsfreiheit angebotener Sondervertragspreis (KG Berlin, Urt. v. 28.10.08 Az. 21 U 160/06). Beim Gas folgt dies allein aus der höheren Konzessionsabgabe. Zudem können sich die Lieferanten im Rahmen der Vertragsfreiheit ihre Kunden aussuchen, unterliegen keinem Kontrahierungszwang. Der Grundversorger muss alle Haushaltskunden versorgen, auch wenn diese sich etwa durch schlechte Bonität und Zahlungsmoral auszeichnen, was entsprechende Risikoaufschläge rechtfertigen könnte.
Dem Sondervertragskunden, der bei Vertragsabschluss einen feststehenden Preis vereinbart hatte, steht die Möglichkeit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle schon deshalb nicht offen, weil kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten vertraglich vereinbart wurde. Gesetzlich ist es auch nicht eingeräumt.
Die Richtigkeitsgewähr des Preises (im Verhältnis der Vertragspartner zueinander) folgt allein aus der vertraglichen Preisvereinbarung bei Vertragsabschluss im Rahmen der Vertragsfreiheit. Und da mag nun einmal jeder einen anderen Preis für angemessen halten und diesen deshalb feststehend vereinbaren, auch wenn es ihn später vielleicht reut wie die Regionalgas Euskirchen. Gleichwohl wird sich kein Gericht bereit finden, einen anderen - \"gerechteren\" Preis zu bestimmen.
Anders liegt es jedoch dann, wenn bei Vertragsabschluss statt eines feststehenden Preises ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten vertraglich vereinbart wird, dieser also nach Vertragsabschluss die vertragliche Leistung einseitig festsetzen können soll.
Auch dann findet § 315 BGB unmittelbare Anwendung (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).
Die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle durch den Kunden ist dann die Kehrseite des vertraglich vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrechts. Da es sich bei dem Lieferanten um ein Energieversorgungsunternehmen handelt, wird auch dieser §§ 1, 2 EnWG bei der Preisbestimmung und somit der Leistung, auf welche der Kunde einen vertraglichen Anspruch hat, zu beachten haben, was auch bei diesem eine Kostenkontrolle notwendig machen wird.
Niemand hat die Parteien dabei gezwungen, im Rahmen der Vertragsfreiheit bei Vertragsabschluss statt eines feststehenden Preises ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Energielieferanten vertraglich zu vereinbaren.
Wenn sie es dann aber getan haben, ergeben sich die rechtlichen Konsequenzen daraus enstprechend. Wurde etwa ein Tarifbestimmungs- und änderungsrecht wie nach den gesetzlichen Regelungen der Grundversorgung vertraglich vereinbart, dann sollten
kraft vertraglicher Anwendungsvereinbarung auch die o. g. Grundsätze zur Anwendung kommen.
Klar ist, dass immer dann, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss (wann auch sonst?) vertraglich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vereinbart haben, § 315 BGB von Anfang an unmittelbare Anwendung findet (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).
Klar ist ferner, dass § 315 BGB nicht zur Anwendung kommt, wenn ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht nicht vertraglich vereinbart wurde und ein solches auch nicht gesetzlich eingeräumt ist.