Original von tangocharly
Die „Allgemeinen Preise“ sind zwar in § 36 Abs. 1 EnWG erwähnt und zwar dahin, dass das Unternehmen die Haushaltskunden zu jenen zu versorgen hat, wozu die Verpflichtung zählt selbig zu veröffentlichen. Die explizite Kompetenzzuweisung zur Bildung „Allgemeiner Preise“ finde ich im Wortlaut aber nicht.
Nur klarstellend:
Die gesetzliche Regelung weist dem Grundversorger die
Kompetenz zu, die
jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung einseitig festzulegen und zu bestimmen, nur eben etwas
anders verortet, als vom VIII. Zivilsenat des BGH angenommen.
Nach der gesetzlichen Regelung ist der Grundversorger sogar zur Festlegung der
jeweiligen Allgemeinen Preise der Grundversorgung
verpflichtet.
Er muss sie nämlich
denknotwendig erst festlegen, bevor er sie öffentlich bekannt geben kann und bekannt gibt.
Wenn
das keine klare
gesetzliche Kompetenzuweisung ist, dann weiß ich aber auch nicht mehr weiter (siehe nur BGH KZR 29/06 Rn. 20).
§ 36 Abs. 1 EnWG bestimmt eindeutig, dass Grundversorger Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben und zu jenen jeweiligen Allgemeinen Preisen Haushaltskunden beliefern müssen.
Demnach haben Grundversorger nach der gesetzlichen Regelung die Pflicht, grundversorgte Haushaltskunden zu denjenigen [nicht feststehenden]
jeweiligen Allgemeinen Preisen zu versorgen, welche die Grundversorger jeweils zunächst einseitig festgelegt und sodann öffentlich bekannt gegeben haben.
Die grundversorgten Kunden haben nach der gesetzlichen Regelung nur Anspruch auf Belieferung zu den
jeweiligen Allgemeinen Preisen, die der Grundversorger einseitig festgesetzt und öffentlich bekannt gegeben hat.
Dazu wurde weiter oben umfassend ausgeführt.
BGH VIII ZR 56/08 Rn. 15
Nach § 36 EnWG 2005 ist nur der Grundversorger im Sinne von Absatz 2 der Vorschrift verpflichtet, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.
Meine Rede.
BGH VIII ZR 56/08 Rn. 19 ff.
In § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV war bestimmt, dass das Gasversorgungsunternehmen zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen Gas zur Verfügung stellt und dass Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam werden. Mit der Einfügung des Wortes\"jeweiligen\" sollte nach der Begründung des Verordnungsgebers (BR-Drs. 77/79, S. 34) ausdrücklich klargestellt werden, dass das Versorgungsunternehmen die Möglichkeit hat, die allgemeinen Tarife durch öffentliche Bekanntgabe gleitend, das heißt ohne Kündigung, zu ändern. In der Begründung zu § 4 AVBGasV heißt es (aaO, S. 38]:
\"Nach Absatz 1 sind die GVU verpflichtet, die Kunden zu den ‚jeweiligen’ allgemeinen Tarifen und Bedingungen, wozu auch diejenigen Regelungen gehören, die sie in Ausfüllung der vorliegenden Verordnung vorsehen, zu versorgen. Auf diese Weise wird sichergestellt, daß sich z.B. Tarifänderungen ohne entsprechende Kündigungen der laufenden Verträge nach öffentlicher Bekanntgabe (Absatz 2) vollziehen können. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich um Massenschuldverhältnisse mit langfristiger Vertragsbindung handelt. Die GVU müssen die Möglichkeit haben, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit in den Preisen an die Kunden weiterzugeben. Entsprechende Vertragskündigungen, verbunden mit dem Neuabschluss von Verträgen, würden hier vor allem zu praktischen Schwierigkeiten führen …\"
Daraus hat der Senat hergeleitet, dass § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV den Gasversorgungsunternehmen im Bereich der Versorgung von Tarifkunden ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gewährt (BGHZ 172, 315, Tz. 16 f.; 178, 362, Tz. 26). Die Vorschriften sind durch § 5 Abs. 2 GasGVV ersetzt worden, ohne dass sich dadurch in der Sache etwas ändern sollte (vgl. BR-Drs. 306/06, S. 25 f., 43). Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 GasGVV ist der Grundversorger auch weiterhin nur verpflichtet, dem Kunden zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen und Bedingungen Gas zur Verfügung zu stellen. Entsprechend geht § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV davon aus, dass Allgemeine Preise für Gas auf einer einseitigen Leistungsbestimmung durch den Versorger beruhen können, die der Kunde nach § 315 BGB auf ihre Billigkeit hin überprüfen lassen kann.
Meine Rede:
Nach der gesetzlichen Regelung legt der Grundversorger die
jeweiligen Allgemeinen Preise durch öffentliche Bekanntgaben einseitig fest, zu denen er nur verpflichtet ist, die grundversorgten Kunden zu beliefern.
Er allein und kein anderer bestimmt nach der gesetzlichen Regelung die vertraglichen Ansprüche, welche grundversorgte Kunden von ihm jeweils nur beanspruchen können.
Der Grundversorger allein bestimmt die vertragliche Leistung, die er selbst zu erbringen hat und die den grundversorgten Kunden nur zusteht. Er allein legt einseitig jeweils die Leistung fest, welche für grundversorgte Kunden jeweils die
vertragsgemäße Leistung sein soll.
Und dies ist ein gesetzlich eingeräumtes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, nicht eingeräumt durch die Bestimmungen der Grundversorgungsverordnung, sondern einegräumt durch die gesetzlichen Regelungen des EnWG selbst (vgl. BGH KZR 29/06 Rn. 20).
Und auf dieses Leistungsbestimmungsrecht findet § 315 BGB unmittelbare Anwendung, wie oben aufgezeigt.
Wenn bei Vertragsabschluss der Allgemeine Preis des Grundversorgers Max heißt und sich aus einem bestimmten Grundpreis und einem bestimmten Arbeitspreis zusammensetzt und der Grundversorger zwei Monate später einen neuen Allgemeinen Preis der Grundversorgung festlegt und öffentlich bekannt gibt, der Moritz heißt und zudem einen völlig anderen Grund- und Arbeitspreis ausweist, dann kann der betroffene grundversorgte Kunde nach der gesetzlichen Regelung vom Grundversorger nicht beanspruchen, zum Allgemeinen Preis \"Max\" weiterbeliefert zu werden, weil ein solcher schon nicht feststehend vereinbart wurde.
Für den betroffenen grundversorgten Kunden besteht vertragsrechtlich nur die Möglichkeit der Inhaltskontrolle des einseitig festgelegten Allgemeinen Preises Moritz gem. § 315 BGB.
Aufgabe der gerichtlichen Inhaltskontrolle gem. § 315 BGB ist es (nur), zu klären, ob die einseitig festgelegte Leistung tatsächlich die
vertragsgemäße Leistung ist, die sie [unter Berücksichtigung der objektiven wirtschaftlichen Interessen beider Vertragsteile und
umfassender Würdigung des Vertragszwecks] sein
soll (BGH III ZR 277/06 Rn. 20, VIII ZR 240/90 unter III 2a).
Bei Sonderverträgen besteht zweifelsfrei kein gesetzlich eingeräumtes Leistungsbestimmungsrecht.
Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht kann bei Sonderverträgen jedoch vertraglich vereinbart werden [BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16].
BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32
Die unmittelbare Anwendung des § 315 BGB setzt voraus, dass die Parteien vereinbart haben, eine von ihnen solle nach Abschluss des Vertrags die Leistung bestimmen (BGHZ 128, 54, 57). An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn ...
Der Senat führt im Grunde zutreffend aus, dass es daran fehlt, wenn bei Vertragsabschluss ein Preis vereinbart wurde.
Dann liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 315 BGB nicht vor. Klare Sache.
Der geneigte Leser der Entscheidungen des VIII. Zivilsenats wird jedoch festgestellt haben, dass der Senat wiederum in
schizophrener Weise seit 15.07.2009 in den Entscheidungen VIII ZR 56/08, VIII ZR 225/07, ... VIII ZR 246/08 zu
Sonderverträgen ausgeführt hat, auch dort käme § 315 BGB zur Anwendung.
Und dies, obschon dort bei Vertragsabschluss gerade ein feststehender Preis vereinbart wurde und deshalb die Parteien bei Vertragsabschluss gerade nicht vertraglich vereinbart haben konnten, eine von ihnen solle nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen, so dass nach den Maßstäben des selben Senats § 315 BGB gerade keine unmittelbare Anwendung finden soll (BGH VIII ZR 36/06 Rn. 32, VIII ZR 138/07 Rn. 16).
Man mag sich also fragen, ob die zu Tage tretenden Widersprüche in den Auffassungen des Senats auf einer Art
Schizophrenie gründen oder aber mit nur gespaltener Zunge zum rechtssuchenden Publikum gesprochen wird.
Sei es drum:
Wurde jedoch demnach bei Vertragsabschluss ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht
vertraglich eingeräumt/ vereinbart (weil die Parteien bei Vertragsabschluss keinen Preis vereinbart hatten, sondern vereinbart hatten, eine von ihnen solle nach Vertragsabschluss die Leistung bestimmen), dann ist bei Energielieferungsverträgen
Vertragszweck im Zweifel ebenfalls eine möglichst preisgünstige, effiziente leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Gas und gerade nicht etwa eine möglichst teure, unwirtschaftliche leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Gas.
Und auch dabei hat das Energieversorgungsunternehmen diesen
Vertragszweck zu berücksichtigen, wenn es nach der vertraglichen Abrede und gemäß der gesetzlichen Regelung des § 315 BGB verpflichtet ist, die jeweils
vertragsgemäße Leistung einseitig festzulegen.
Mit der von mir als
schizophren bezeichneten
Sonderrechtssprechung des VIII. Zivilsenats wurden im Energiebereich leider ohne Not und überzeugende Begründungen - von der gesetzlichen Regelung nicht vorgesehene und nicht geduldete -
Schimären geschaffen/konstruiert, welche die vom Gesetzgeber
eindeutig geregelten Institute, nämlich sowohl die
Inhaltskontrolle nach § 315 BGB (auf Vertragsgemäßheit der Leistungsbestimmung) als auch die
Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (auf Transparenz und Äquivalenzwahrung) nicht mehr erkennen lassen.
Beide Institute verlangen eine
klare Unterscheidung, auch nach der Rechtsprechung des BGH.
BGH KZR 10/03 unter II.6:
Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich.
§ 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarung bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213).
Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 aaO).
Um zu erkennen, dass die unveränderte (textliche) Übernahme der Bestimmung des § 5 Grundversorgungsverordnung in einen Sondervertrag jedenfalls
weder tatbestandlich noch rechtsfolgenseitig die Änderung eines bei Vertragsabschluss fest vereinbarten Sonderpreises regelt, geschweige denn
klar und verständlich, braucht wohl niemend ein Studium der Rechtswissenschaften absolviert haben. Nicht ersichtlich, wie lange wohl eine juristische Ausbildung währen muss, um zu sehen, dass § 310 Abs. 2 BGB sich schon
seinem Wortlaut nach nicht zur Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB verhält.
Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.
Die Methode die dahinter stecken mag, ist wohl keine juristische.