Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Der VIII. Zivilsenat, der EuGH oder doch der Große Senat für Zivilsachen des BGH  (Gelesen 98616 mal)

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Offline tangocharly

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Der BGH, 17.02.2010, VIII ZR 67/09 und das Stellen von AGB\'s .

Zitat
Leitsätze

a) Ein Stellen von Vertragsbedingungen liegt nicht vor, wenn die Einbeziehung vorformulierter Vertragsbedingungen in einen Vertrag auf einer freien Entscheidung desjenigen beruht, der vom anderen Vertragsteil mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert wird. Dazu ist es erforderlich, dass er in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen.

b) Sind Vertragsbedingungen bei einvernehmlicher Verwendung eines bestimmten Formulartextes nicht im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB gestellt, finden die §§ 305 ff. BGB auf die Vertragsbeziehung keine Anwendung.
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Offline tangocharly

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Original von RR-E-ft
D steht synonym für das Unerklärliche, keiner weiteren Erkenntnis Zugängliche.

\"D\" steht für das griechische \"Delta\".
Und mit Delta\'s beschäftigen wir uns im Energiesektor reichlich  :D
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Original von tangocharly
\"D\" steht für das griechische \"Delta\".
Und mit Delta\'s beschäftigen wir uns im Energiesektor reichlich  :D
: D und auch noch \"griechisch\"  ;)
Delta?, das will kein Schwein wissen, nicht mal von Blondinen aus dem Energiesektor.  :D

Offline RR-E-ft

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Die Lektüre Palandt, BGB, § 310  Rn. 22 f. deutet auf eine Überlagerung der EU- Richtlinien bei der Inhalts- und Transparenzkontrolle des § 307 BGB hin, die von nationalen Gerichten zwingend zu berücksichtigen ist. Damit erscheint die obiter dicta- Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats neben den anderen o. g. Gründen vollkommen unvereinbar.

Offline tangocharly

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Original von RR-E-ft
Die Lektüre Palandt, BGB, § 310  Rn. 22 f. deutet auf eine Überlagerung der EU- Richtlinien bei der Inhalts- und Transparenzkontrolle des § 307 BGB hin, die von nationalen Gerichten zwingend zu berücksichtigen ist. Damit erscheint die obiter dicta- Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats neben den anderen o. g. Gründen vollkommen unvereinbar.

Der Tag wird sicherlich auch noch kommen, wo dies an maßgeblicher Stelle begriffen werden kann. Aber vielleicht sollte man sich wirklich kurzfristig und vorübergehend - anstelle von o.d. - mit der WM beschäftigen.
Also denn, vuvuzela ausgepackt, den Bierkasten neben das Sofa (Nüßgen nicht vergessen - bis zur 45 min.-Spielpause kann da schon leicht eine Unterzuckerung aufkommen, mit der Folge dass die Konzentration abflacht).
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Offline RR-E-ft

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Zur Überlagerung siehe BGH, Urt. v. 29.04.2010 Xa ZR 101/09 Rn. 33

Zitat
Die Beantwortung der vorgenannten Rechtsfragen erfordert - entgegen der Revisionserwiderung - keine vorherige Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union. Art. 3 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen setzt lediglich von den Mitgliedstaaten einzuhaltende Mindeststandards. Art. 8 dieser Richtlinie erlaubt dem nationalen Recht eine darüber hinausgehende Inhaltskontrolle. Selbst wenn die beanstandeten Klauseln nicht auch gemäß Art. 3 der Richtlinie 93/13/EWG als missbräuchlich anzusehen wären, stünde dies einer Unwirksamkeit gemäß § 307 BGB nicht entgegen.

Anders verhält es sich, wenn das nationale Gericht eine Klausel, die nach Art. 3 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen wegen Verstoß gegen Mindeststandards unwirksam sein kann, für wirksam erachtet. Dann bedarf es einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union.

Offline Jagni

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Original von RR-E-ft
6.

Der achte Zivilsenat begründet seine Rechtsauffassungen, die er obiter dicta äußerte, damit, dass sich entsprechendes aus § 310 Abs. 2 BGB ergäbe.

Bei genauer Betrachtung räumt jedoch § 310 Abs. 2 BGB den Versorgungsunternehmen gar keine Privilegierung bei der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB und somit bei der Beachtung des Transparenzgebotes ein, wie sich aus der Rechtsprechung des Senats selbst ergibt:

BGH, Urt. v. 15.07.2009 VIII ZR 56/08 Rn. 17, juris:

Bei (Sonder-)Verträgen der Gasversorgung findet zwar gemäß § 310 Abs. 2 BGB eine Inhaltskontrolle nach §§ 308 und 309 BGB nicht statt, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit Gas (AVBGasV) abweichen, an deren Stelle die Gasgrundversorgungsverordnung getreten ist.

Die beanstandete Preisanpassungsklausel unterliegt aber als Preisnebenabrede (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 21. September 2005 - VIII ZR 38/05, WM 2005, 2335, unter II 1 m.w.N.) in jedem Fall der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB (BGHZ 138, 118, 123 zu den Vorgängerregelungen in § 23 Abs. 2 Nr. 2 und § 9 AGBG).

I
Bei erster Betrachtung mag die Aussage, dass sich aus § 310 Abs. 2 BGB keine Privilegierung der Versorger hinsichtlich der Inhaltskontrolle ergibt, richtig sein, weil die Inhaltskontrolle nach Rn. 17, Satz 2  gar nicht wegfällt, sondern weiterhin funktioniert, und zwar in jedem Fall. So denke ich, soll der Gedanke  verstanden werden. Die Versorgungsunternehmen haben also nicht das Privileg, von der Inhaltskontrolle befreit zu sein.

Beim zweiten Anlauf  komme ich jedoch zur folgenden Beurteilung:

Wenn der BGH in seiner Rn. 17, Satz 2 sagt, dass „Die beanstandete Preisanpassungsklausel.... als Preisnebenabrede.... in jedem Fall der Inhaltskontrolle ....“ unterliegt, dann meint er damit sicherlich auch nur die „beanstandete“ Klausel, die er letztendlich in seinem Urteil auch verwirft.  Das sagt aber nichts darüber aus, ob die Inhaltskontrolle bei der Klausel, die er als Rechtsvorschrift per obiter dicta implementieren lässt, weiter Bestand hat. M.E. ist dieses Implantat kontrollfrei. Die Versorger sind also doch privilegiert.


II
Der Wegfall der Inhaltskontrolle ist nach meiner Einschätzung nicht der wesentliche Inhalt der  Rechtsauffassung, die sich aus der kritisierten Entscheidung des BGH ergibt. Vielmehr dürfte der in der  Implementierung einer Rechtsvorschrift zu sehen sein, die aus der AVBGasV/GasGVV herübergeholt wird. Diese Implementierung ist es, die so gewaltig stört.  Soll der Fortbestand der Inhaltskontrolle gesichert werden, dann würde ich zunächst den Vorgang der Implementierung in Frage stellen – also untersuchen. Und dazu nehme ich jetzt folgenden Anlauf:

Der § 310 Abs 2 BGB hebt nur die Klauselverbote für Energieversorgungsverträge auf. Er lässt also Ausnahmen zu, z.B. dass eine Vorbehaltsklausel in den  AGB Verwendung finden kann. Er sagt aber nichts darüber aus, welchen Rechtscharakter ein solcher Änderungsvorbehalt haben soll.

Bei erster Betrachtung scheint es somit möglich zu sein, einen Änderungsvorbehalt zu wählen, der den Charakter einer normalen Preisänderungsklausel hat, oder, der eine zwingende Rechtsvorschrift darstellt, die einfach nur noch zu implementieren ist.

Der BGH hat sich für letzteres entschieden. Und deswegen scheint mir das auch der wesentliche Gehalt der  Entscheidung per obiter dicta zu sein. Es ist der Gedanke von der Implementierung einer Rechtsvorschrift mit ihrem ganzen Schweif an Rechtsfolgen.
Damit nimmt die Privilegierung der Versorger ihren Lauf. Dass dabei auch gleichzeitig die Inhaltskontrolle untergeht, ist die Rechtsfolge aus dem sich anknüpfenden § 307 Abs 3, Satz 1.  Denknotwendig, das muss ich nun auch einmal sagen, muss sie bei einer solchen Konstruktion auch untergehen, denn was würde es für einen Sinn machen, eine implementierte, mit dem Segen des Verordnungsgebers ausgestattete Rechtsvorschrift mit der Inhaltskontrolle aus einer anderen Rechtsvorschrift zu überprüfen. Der Transparenzmangel ist jetzt kein Thema mehr.


III
Wie begründet der BGH seine Konstruktion?

Zur Begründung nutzt er den Willen des Gesetzgebers, dass hinter der aus § 23 Abs. 2 Nr.3 AGBG in den  § 310 Abs. 2 BGB übernommenen Ausnahme der Gedanke steht, dass Sonderabnehmer keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer, so dass es den Versorgungsunternehmen frei stehen muss, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Sonderabnehmern entsprechend den AVBGasV/GasGVV auszugestalten. So kann man den Willen des Gesetzgebers in der BT.-Drs. 14/6040, S 160 nachlesen.

Im Rahmen der so eingeräumten Gestaltungsfreiheit für die  Versorger kann es aber nur darum gehen, auch in Sonderverträgen ein einseitiges Preisgestaltungsrecht zu installieren. Das ist es, was der Gesetzgeber meint, wenn er sagt,  dass die Sonderabnehmer keines besseren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer.  Es geht dabei  um eine Parallelgestaltung. Die soll der Versorger selbst im Rahmen der Vertragsfreiheit herbeiführen. Das wird ihm auch gelingen, wenn er dazu bereit ist, eine Preisanpassungsklausel zu gestalten, die der Inhaltskontrolle standhält.

Auch der nächste in die Betrachtung drängende Gedanke, nämlich der der Liberalisierung, treibt dieses Bedürfnis nach einer Parallelgestaltung. Das Bedürfnis ist allerdings nicht neu, es besteht „weiterhin“ und nur deswegen hat schon der Entwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vorgesehen, dass die Ausnahmeregelung im § 310 Abs 2 BGB beibehalten werden soll. Daraus ist aber nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung  vor dem Liberalisierungshintergrund neue Rechtsfolgen herleiten will, die letztlich den Wegfall der Inhaltkontrolle bei Preisanpassungsklauseln bewirken.

Das Bedürfnis nach Parallelgestaltung besteht insbesondere deswegen, weil die Versorger in beiden Vertragssystemen ein  berechtigtes Interesse haben, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben, ohne die Verträge kündigen zu müssen. Wäre diese Möglichkeit der Parallelgestaltung nicht gegeben, dann könnten die Versorger ihre Kostensteigerungen nur bei Tarifabnehmern unterbringen. Die Sonderabnehmer hätten somit einen stärkeren Schutz, wären besser gestellt, als Tarifkunden. Das sind sie aber nicht, dank wirksamer Parallelgestaltung.

Die Begründung des BGH für seinen Implementierungsgedanken geht letztlich ins Leere. Sie basiert zwar anfangs auf dem Willen des Gesetzgebers, übersteigt dann aber dessen Intention. Der BGH verneint einen stärkeren Schutz der Sonderabnehmer deutlich umfassender als der Gesetzgeber, er verneint ihn so sehr, dass er sogar vor einer Beseitigung der Inhaltskontrolle bei den Preisklauseln der Sonderabnehmer nicht zurückschreckt.
Der Gesetzgeber zielt dagegen mit seiner Vorstellung von einer Parallelgestaltung keineswegs auf den Untergang der Klauselkontrolle, weil er damit  u.a. in eine mächtige Kollision mit dem EU-Recht geraten würde, und in so etwas gerät man eigentlich nur, wenn man sich vergaloppiert.

Ob der BGH so weit über die Vorgaben des Gesetzgebers hinausschießen darf, um geltendes Recht auszulegen, ist zumindest fraglich. Fraglich ist vor allem, zu welchem Zweck und mit welchem Ziel er diese Attacke geritten hat.

Um aber auch noch die Eingangsfrage zu beantworten: M.E sind es eindeutig die Versorger, die per obiter dicta privilegiert wurden.

Gruß
Jagni

Offline RR-E-ft

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Bei den Bestimmungen der Grundversorgungsverordnungen handelt es sich um kein dispositives Recht und deshalb um keine gesetzlichen Regelungen im Sinne von § 307 Abs. 3 BGB. Sonst würde es des § 310 Abs. 2 BGB nicht bedürfen. Letzterer privilegiert schon seinem Wortlaut nach nur die Inhaltskontrolle in Bezug auf §§ 308, 309 BGB, nicht jedoch in Bezug auf § 307 BGB.

Offline Jagni

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Wenn in Frage gestellt wird, dass das gesetzliche Preisänderungsrecht überhaupt in einen unter dem Dach der Privatautonomie nach den Regeln der Vertragsfreiheit gestalteten Sondervertrag eingepflanzt  werden kann, dann ist der aufgezeigte Weg sicher ein Ansatz.

Allerdings erscheint er mit sehr filigran.

Der § 307 Abs 3 geht zunächst ganz allgemein von Rechtsvorschriften aus. Der Gedanke, die Rechtsvorschriften nun aufzuspalten in dispositives und zwingendes Recht (Verordnungsrecht) ist bestechend bis verwegen. Die Fortführung des Gedankens führt nämlich dazu, dass in AGB, die sich auf die Verträge der Sonderabnehmer beziehen, niemals zwingendes Recht verwendet werden kann, um eine wirksame Klausel zu begründen.

Ist dieser Denkansatz aber auch gefestigt und belastbar?

Offenbar wird davon ausgegangen, dass es bei zwingendem Recht nicht zu davon abweichenden Regelungen kommen kann und nur bei abweichenden Regelungen lässt  § 307 Abs 3 BGB  die Anwendung  von Abs 1 und 2 gelten. Vor diesem Hintergrund wäre dann auch eine Rechtsvorschrift aus einer Verordnung keine Regelung im Sinne von § 307.

Dem steht nun die neue Rechtsetzung des VIII. Senats entgegen, Er bestimmt einfach, wohl Kraft der ihm zufallenden Kompetenz, dass auch zwingendes Recht, also eine Rechtsvorschrift aus einer Verordnung,  „unverändert“ einbezogen werden kann. Damit setzt er Recht.

Mit dieser Gegensätzlichkeit ist jetzt umzugehen.

Gruß
Jagni

Offline tangocharly

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Diese Problematik ist doch recht einfach einzuordnen:

(1) Da die GVV\'s für Sonderabnehmer nicht gelten, stellen sie keine Rechtsvorschriften dar i.S.v. § 307 Abs. 3 S.1 BGB, von denen eine Abweichung die Ampel auf Rot stellt.

(2) Erst wenn die GVV in den Sondervertrag implementiert wird, dann kreiert der Versorger \"Bedingungen, die unter § 310 Abs. 2 BGB fallen können (was aber erst dann wieder die Ampel auf Rot stellt, wenn weiteres Bedingungswerk gestellt wird und dies unter den Anwendungsbereich fällt).

(3) Immerhin gibt es aber auch noch einen § 307 Abs. 3 S. 2 BGB - und dort ist der Wurfanker für die Transparenzkontrolle (Leitbild hin und Leitbild her).

(4) Dass die GVV\'s nicht einfach so mal in der Klauselkontrolle Bedeutung haben zeigt auch § 310 Abs. 4 S. 3 BGB: was zur Leitlinie werden soll, bestimmt der Gesetzgeber und nicht der BGH.

Nota bene: Wenn und weil die Problematik bei § 307 Abs. 3 BGB angesiedelt bleibt, kann sich weder die Judikative noch die Legislative über das Gebot von Transparenz und Rechtsklarheit hinweg setzen; erst recht nicht, wenn das Gemeinschaftsrecht auch noch zwingende Forderungen in dieser Richtung aufgestellt hat.

Und wer immer noch nicht erkannt hat, dass die Regelungen in § 36 EnWG und § 5 GasGVV nichts anderes als Wischi-Waschi-Regelungen sind, der tut mir halt einfach leid.
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Offline RR-E-ft

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@Jagni

Sie haben mich wohl missverstanden.

Die Bestimmungen der Grundversorgungsverordnungen sind keine gesetzlichen Regelungen für Verträge, die im Rahmen der Vertragsfreiheit abgeschlossen werden und insoweit keine gesetzlichen Regelungen im Sinne des § 307 Abs. 3 BGB.

Natürlich können Bestimmungen aus den gesetzlichen Regelungen, die für im Rahmen der Vertragsfreiheit abgeschlossene Verträge gesetzlich nicht gelten, in solche Verträge als Allgemeine Geschäftsbedingungen implementiert werden.

Sie unterliegen dann als AGB der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB und genießen bei dieser Inhaltskontrolle gem. § 310 Abs. 2 BGB jedoch dem Gesetzeswortlaut entsprechend nur eine Privilegierung in Bezug auf §§ 308, 309 BGB.

Der vom BGH insoweit entschiedene Ursprungsfall (NJW 1998, 1640= VIII ZR 276/96; NJW 2004, 2161) betraf eine Haftungsregelung in den AGB eines Sondervertrages, die § 6 AVBEltV [Haftung für Versorgungsstörungen] entsprach, die als solche eigentlich gegen das AGBG verstoßen hätte, aber wegen der Privilegierung in § 23 Abs. 2 Nr. 2 AGBGB wegen des Leitbildes als zulässig erachtet wurden.

Dort lag der Fall entscheidend anders und die Begründung vermochte zu überzeugen.

Zitat
Der Senat hat - entgegen den Vorinstanzen - entschieden, daß diese in den Lieferungsverträgen enthaltenen Klauseln einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG standhalten. Dies ergibt sich u.a. aus der Leitbildfunktion des § 6 AVBEltV, der eine Wertentscheidung des Verordnungsgebers im Tarifkundenbereich unter Abwägung der gegenläufigen Interessen von Stromkunden und Energieversorgungsunternehmen darstellt. Es ist nicht geboten, die Sonderkunden gegenüber den Tarifabnehmern zu bevorzugen. Einem möglichen höheren Schadensrisiko des Sonderkunden entspricht ein erhöhtes Haftungsrisiko des Energieversorgungsunternehmens. Da die Haftung für diese Vermögensschäden für das Versorgungsunternehmen nicht versicherbar ist, ist zu befürchten, daß das Versorgungsunternehmen sein höheres Haftungsrisiko durch eine Strompreiserhöhung auf die Gesamtheit der Kunden - einschließlich der Tarifkunden - abwälzen muß. Dies würde dem Ziel, eine preisgünstige Energieversorgung zu gewährleisten, entgegenwirken. Demgegenüber kann sich der Sonderkunde durch Vorsorgemaßnahmen, insbesondere durch Abschluß einer Versicherung, selbst absichern.

Diese Erwägungen gelten auch für die summenmäßige Haftungsbegrenzung auf 5.000,-- DM.


Zitat
Original von tangocharly

Und wer immer noch nicht erkannt hat, dass die Regelungen in § 36 EnWG und § 5 GasGVV nichts anderes als Wischi-Waschi-Regelungen sind, der tut mir halt einfach leid.

@tangocharly

Ich habe Ihr Mitleid nicht verdient.

Ich halte - wie andernorts aufgezeigt- die klaren gesetzlichen Regelungen in §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG für den Bereich der Grundversorgung als bestmögliche Lösung. Und ich habe auch aufgezeigt, warum insoweit die Regelung des § 5 II GVV gegenüber der Regelung des § 315 Abs. 2 BGB praktikabler und vorzugswürdig ist, weil nämlich ein sonst erforderlicher Zugang von Willenserklärungen im Massengeschäft zu Beweisschwierigkeiten führen würde, zu deren Ausräumung immense Kosten anfallen würden, die jedoch im Widerspruch zu §§ 2, 1 EnWG stünden.

Offline tangocharly

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@RR-E-ft

Ich werde, wenn Sie gestatten, mir eine Wunderkerze anzünden   =)
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Offline RR-E-ft

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@tangocharly

Ich bitte darum.  =)

Offline __hp__

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Teil 1 von 2

Ich möchte heute an meinen im Frühjahr verfassten Ausgangsbeitrag noch einmal anknüpfen.

Vorab sei gesagt: Bereits mein „Ausgangsbeitrag“ aus Mai dieses Jahres war ja bekanntlich „etwas“ lang geraten und so sah ich mich schon damals (fast) gezwungen, aufrichtig Besserung zu geloben. Doch heute muss ich leider reumütig feststellen, dass dieser neue, an meinen alten Beitrag anknüpfende und weiterführende Beitrag sogar in noch größerem Umfange daherkommt, als schon der erste. Und schon wieder gelobe ich Besserung. Nur - das muss wohl doch bis zu nächsten Mal warten. Und das soll dann aber auch an dieser Stelle hoch und heilig versprochen sein!

Damals im Mai hatte der VIII. Zivilsenats seine am 14. Juli 2010 (VIII ZR 246/08) verkünde Entscheidung in Sachen EWE ja noch nicht getroffen. Heute wissen wir nun endgültig, wie er zu den Dingen steht - und vor allem, wie er in Streitigkeiten von grundsätzlicher Bedeutung „Recht“ spricht.

Mit diesem neuen Beitrag will ich nicht nur - aber auch - eine Nachbetrachtung zur EWE-Revisionsentscheidung liefern unter einigen aus meiner Sicht wesentlichen und aktuellen Aspekten, die es wert sein könnten, (noch) einmal genauer betrachtet zu werden. Und dieses auch vor dem Hintergrund noch anhängiger Gerichtsverfahren, nicht zuletzt vor dem OLG Oldenburg. Auch die europarechtliche Thematik soll noch einmal zur Sprache kommen - und zwar unter einem vielleicht überraschenden Aspekt.

Meinen obigen Ausgangsbeitrag hatte ich damals mit den Worten geschlossen:


Zitat
\"Ein solches Vorgehen reihte sich ein in eine Kette von Merkwürdigkeiten, die der VIII. Zivilsenat oder sein bedeutendster Protagonist (Senatsvorsitzender Ball) bisher schon abgeliefert hat, und wäre geeignet, ernste Zweifel an der Unbefangenheit des VIII. Zivilsenats zu bekräftigen und so das Ansehen des Bundesgerichtshofs als unabhängiges Organ der Rechtsprechung insgesamt nachhaltig zu beschädigen. Aber so weit ist es ja noch nicht! Wir werden sehen ...“

Und seit dem 14. Juli sehen wir, und zwar klarer:

Die Entscheidung des VIII. Zivilsenats hat die Rechtsordnung nach meiner in diesem Beitrag genauer begründeten Ansicht in einer Weise auf den Kopf gestellt, wie ich es von einem deutschen Obergericht so noch nicht erlebt habe. Die Behandlung der Revisionen in Sachen EWE durch den VIII. Zivilsenat stellt aus meiner Sicht in wesentlichen Teilen einen Skandal dar, der seinesgleichen sucht. Der VIII. Zivilsenat hat den von mir im Frühjahr beschworen juristischen \"Offenbarungseid\" geleistet, ohne dabei auch nur mit der Wimper zu zucken, und dokumentiert, dass wesentliche Vorschriften, die zum Schutze der Verbraucher erlassen worden sind - nebst einer dazu ergangenen gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung - in einer Weise „über den Haufen geschmissen“ werden können, die mehr als verblüfft. Sie lässt einen erschaudern!

Jeder, der sein legitimes Recht wahrnimmt, sich gerichtlich gegen womöglich unangemessene oder sogar gänzlich unwirksame Preiserhöhungen zu wehren, hat einen unverzichtbaren Anspruch darauf, dass Recht unabhängig und nur auf Grundlage von „Gesetz und Recht“ (Art. 20 Abs. 3 GG) gesprochen wird. Ein Gericht, das den Anschein erweckt, nicht ausschließlich „Gesetz und Recht“ seien Grundlage für die getroffene Entscheidung, erzwingt es geradezu, dass man ihm mehr als kritisch auf die Finger schaut und sich Klarheit darüber verschafft, was es eigentlich darunter versteht, „im Namen des Volkes“ Recht zu sprechen.

Grundsätzlich - das will ich klarstellen - bin ich weit davon entfernt, demjenigen (symbolisch) auf die Schulter zu klopfen, der Gerichtsentscheidungen (seien es nun letztinstanzliche Urteile oder untergeordnete Instanzentscheidungen) gänzlich unreflektiert in der Luft zerreißt, nur weil jene Entscheidungen nicht das gewünschte Ergebnis hervorgebracht haben. Zu einem demokratischen Konsens sollte es immer gehören, dass man Entscheidungsorganen, denen in einer Demokratie das (Letzt-)Entscheidungsrecht zugewiesen ist und denen dabei wesentliche Bedeutung hinsichtlich einer endgültige Streitbeilegung und umfassenden Befriedung zukommen - den Richterinnen und Richtern - auch dann nicht den menschlichen Respekt entzieht, wenn sich die gefällte Entscheidung im Einzelfall etwa in einer Nachschau als fehlerhaft, vielleicht sogar als untragbar herausstellt. Irren ist bekanntlich menschlich - und Richter sind nun einmal Menschen. Dieses Übereinkommen, dass niemand seine Rechte in die eigene Hand nehmen darf (\"Mittwoch - 9 Uhr an der Dorfeiche - 60 Schritt Abstand\";), sondern die Rechtsfindung bzw. -anwendung in die Hände eines Gerichts zu legen hat, steht aber unter der entscheidenden rechtsstaatlichen Randbedingung, dass Richterinnen und Richter nicht nur den Anschein zu wahren haben, unparteiisch zu sein: Nein - sie MÜSSEN unbefangen sein. Den Gerichten ist das Recht also buchstäblich (nur) treuhänderisch \"anvertraut\" (so Art. 92 GG). Allein der begründete Anschein, ein zur Entscheidung berufener Richter sei in der Sache nicht unbefangen, schließt einen solchen Richter von der Entscheidungsfindung aus, rechtfertigt und begründet zugleich einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag.

Der VIII. Zivilsenat hielt es in seiner Entscheidung aus Juli 2010 aber ganz offensichtlich nicht einmal mehr ansatzweise für erforderlich, den Eindruck zu vermeiden, nicht Gesetz und Recht seien Maßstab für die zu treffende Entscheidung, sondern möglicherweise die wirtschaftlichen Interessen der Versorgungsindustrie. Wer sich der Gasversorgungswirtschaft derart erkennbar verbunden fühlt und gleichzeitig in Gaspreisverfahren \"Recht\" spricht, verspielt aber nicht nur die Reputation des BGH, er stellt die Legitimation des Gerichts gänzlich in Frage. Damit soll hier aber keinesfalls zu einem \"Zurück zur Dorfeiche!\" aufgerufen werden, wenngleich der VIII. Zivilsenat aus meiner Sicht in seiner jetzigen Besetzung in Gaspreisverfahren keine nennenswert höhere Legitimation mehr aufweisen dürfte, als das besagte \"dörfliche Baumgewächs\".

Ich persönlich würde es deshalb nicht mehr hinnehmen, dass der Senat in dieser Besetzung über das Recht „meines“ Versorgers zur Preisänderung entscheidet, ohne zuvor einen begründbaren und begründeten Befangenheitsantrag gegen den Senat insgesamt angebracht zu haben.

Mit meinem Beitrag will ich aufzeigen, welche massiven Eingriffe (inkl. der Missachtung der Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte) sich der VIII. Zivilsenat gegenüber den Sammelklägern in Sachen EWE geleistet hat.

Ich will daneben die Frage ansprechen, ob das Modell des VIII. Zivilsenats, wonach das Preisänderungsrecht der Gasverordnung - inhaltsgleich in einen Gassondervertrag übernommen - die Anwendbarkeit der Transparenzkontrolle gem. § 307 BGB ausschließt, überhaupt tragfähig sein kann, oder ob dieses einen unlösbaren - verfassungsrechtlich zu beachtenden, aber vom VIII. Zivilsenat ausgeblendeten - Wertungswiderspruch aufwirft, der nach Korrektur schreit!?

Meine These, die ich im Folgenden belegen will, lautet: Weder der Wille des Gesetzgebers war bzw. ist darauf gerichtet, Gassondervertragskunden im Bereiche der Klauselkontrolle aus dem Anwendungsbereich des § 307 BGB (Transparenzkontrolle) herauszulösen, noch gebietet es die Verordnung unter dem Aspekt der Gleichbehandlung und Schutzbedürftigkeit, das in der Verordnung erblickte unklare und unverständliche Preisänderungsrecht als AGB in Gassonderverträgen gelten zu lassen, und zwar schon deshalb, weil die Verordnung insoweit rechtswidrig ist. Letzteres werde ich in einem rechtsdogmatischen Ansatz - hoffentlich allgemeinverständlich - belegen!

Ich vertrete zudem die Meinung - die ich ja schon in meinem Ausgangsbeitrag dargelegt habe -, dass die „Übernahmerechtsprechung“ des VIII. Zivilsenats aus Juli 2010 nicht zuletzt gegen die Klauselrichtlinie 93/13/EWG verstößt. Meiner Ansicht nach bedarf es aber keines neuerlichen Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH mehr, weil der EuGH die Klauselrichtlinie im Hinblick auf die hier interessierende Auslegungsfrage mit Urteil vom 10.05.2001(Rs. C 144/99, Kommission der EG/Königreich der Niederlande, NJW 2001, 2244) bereits hinreichend ausgelegt hat und dieses Auslegungsergebnis der Entscheidung des VIII. Zivilsenats in entscheidender Weise entgegensteht (dazu unten unter dem Gliederungspunkt „Das Urteil des EuGH vom 10.05.2001 zur Normklarheit“)

Daneben werde ich die Frage klären, wie es einzuschätzen wäre, sollte das OLG Oldenburg den EuGH entgegen der von vielen geäußerten Erwartung doch nicht anrufen -, und welche Chancen dann bestünden, die „unsägliche“ Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats aus der Welt zu schaffen.

Eine Einschätzung auf Grundlage meiner nachfolgenden Betrachtungen hier schon mal vorab: Die Energieversorger allgemein - und damit die EWE im Besonderen - werden sich kaum mehr lange auf die EWE-Entscheidung des VIII. Zivilsenats vom 17.Juli 2010 stützen können, um den Verbraucherschutz, wie er in den Versorgungs-AGB regelmäßig zum Ausdruck kommen muss, beharrlich zu unterlaufen.

Die fehlerhafte Vorgehensweise des VIII. Zivilsenats

Was hat der VIII. Zivilsenat denn nun eigentlich falsch gemacht, als es um die Revisionsentscheidung in Sachen OLG Oldenburg ging. Eigentlich, so müsste man fast polemisch sagen, so ziemlich alles. Dieses bedarf in den wesentlichen Punkten aber einer genaueren Nachbetrachtung, weil sich die Entscheidung vom 14.07.2010 für den gesamten Gasversorgungssektor im Sinne eines funktionierenden (Gas-)Marktes, auf dem Wettbewerb auch bzw. gerade im Interesse der Verbraucher herrschen soll, geradezu verheerend auswirken kann. Aber zuvörderst ist eine Nachschau natürlich deshalb erforderlich, weil die Entscheidung des VIII. Senats zeigt, dass und vor allem wie verfassungsmäßig garantierte Rechte der am EWE-Revisionsverfahren Beteiligten vor dem VIII. Zivilsenat \"unter die Räder gekommen\" sind.

Noch einmal die Ausgangsproblematik zur Erinnerung

Um die Methoden, mit denen der VIII. Zivilsenat in Sachen OLG Oldenburg die Verbraucher hinters Licht geführt hat, richtig erfassen zu können, muss man zunächst einmal das Zusammenspiel von vier einschlägigen Vorschriften verstehen, die vor der Schuldrechtsreform im Jahre 2001/2002 in einem eigenständigen Gesetz, dem AGB-Gesetz (Gesetz über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen), enthalten waren und mit der Reform weitestgehend in identischer Form in das BGB übernommen wurden.

Das AGB-Gesetz als Vorläufer der §§ 305 bis 310 BGB

Dieser kleine historische Rückgriff auf das AGB-Gesetz ist hier hilfreich, um dem VIII. Zivilsenat bei der gleich dargestellten Gesetzesauslegung, wie er sie (methodisch fehlerhaft) in seiner Revisionsentscheidung vorgenommen hat, nicht „auf den Leim“ zu gehen.

Es geht um den aktuellen § 307 BGB (ehem. § 9 AGB-Gesetz), daneben um § 308 BGB (ehem. § 10 AGB-Gesetz), § 309 BGB (ehem. § 11 AGB-Gesetz) und schließlich um § 310 BGB (ehem. § 23 AGB-Gesetz). In den §§ 10 und 11 des AGB-Gesetzes war damals in einem nicht abschließenden \"Beispiels-Katalog\" geregelt, welche Klauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen als unwirksam anzusehen seien. Eine Besonderheit bestand nun darin, dass in § 23 Abs. 2 Nr. 2 AGB-Gesetz geregelt war, dass dieser Katalog - also die §§ 10 und 11 AGB-Gesetz - keine Anwendung fände auf Verträge der Gasversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von den auf Grund des § 7 des Energiewirtschaftsgesetzes erlassenen Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Gas (AVBGasV - so hieß diese Verordnung damals) aus dem Versorgungsnetz abwichen. Was gesetzestechnisch etwas sperrig klingt, meinte nichts anderes, als dass sich auch Sondervertragskunden, bei denen vertraglich einbezogene AGB nicht nachteilig von der AVBGasV abwichen, nicht auf die §§ 10 und 11 AGB-Gesetz berufen können sollten, wenn sie meinten, eine entsprechende Vertragsbedingung sei im Einzelfall unwirksam.

Die Gasverordnungen (AVBGasV/GasGVV) als Vertragsbedingungen mit angemessenem Interessenausgleich

Die Logik, die sich dahinter verbarg: In § 7 EnWG, später § 11 Abs. 2 des bis zum 31.12.2001 geltenden Energiewirtschaftsgesetzes war geregelt, dass das Bundeswirtschaftsministerium durch Erlass entsprechender Rechtsverordnungen die Rechte und Pflichten der (Tarif-)Vertragspartner festsetzen durfte, dabei aber die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen hatte.

Der dem zugrunde liegende Grundsatz lautete vereinfacht also: Wenn doch schon der Bundeswirtschaftsminister von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Vertragsinhalt zwischen Tarifvertragskunden und Energieversorger inhaltlich zu regeln und dabei die nach dem Energiewirtschaftsgesetz gebotene Interessenabwägung (den Interessenausgleich) umfassend vorgenommen - die Vertragsinhalte also quasi gerecht austariert - hat, dann kann dieses Abwägungsergebnis doch eigentlich im Endeffekt auch für praktisch gleichlautende Klauseln in Sonderverträgen zu Grunde gelegt werden. Eine Überprüfung anhand der §§ 10 und 11 AGB-Gesetz wurde deshalb als nicht erforderlich angesehen und dementsprechend diese beiden Vorschriften unter den genannten Bedingungen als \"unanwendbar\" erklärt. Dieses - zumal die Interessenlage von Sondervertrags- und Tarifkunden - auch unter dem Aspekt der Schutzbedürftigkeit (zumindest wenn es sich bei den zugrundeliegenden Vertragsverhältnissen jeweils um Verbraucher handelt) nicht so wesensverschieden ist, dass sich eine Differenzierung geradezu aufdrängte. So weit, so gut!

„Einhellig“ anerkannt - und dieses ist von entscheidender Bedeutung - war aber schon nach altem (AGB-)Recht, dass § 23 AGB-Gesetz die Geltung der Generalklausel - § 9 AGB-Gesetz -, die unangemessene Vertragsbestimmungen für unwirksam erklärte, im Rahmen von Sonderabnehmerverträgen keinesfalls ausschließen wollte (vgl. zu dieser recht alten aber immer noch äußerst aktuellen AGB-Thematik etwa Ebel, Betriebsberater 1980, 477; oder ders. in DB 1979. 1829).

§ 9 AGB-Gesetz war immer die zentrale Auffangvorschrift, die heranzuziehen war, wenn bei der Beurteilung von Vertragsklauseln die Regelbeispiele der §§ 10 oder 11 AGB-Gesetz nicht eingriffen.

Als der Gesetzgeber dann sehr viel später im Jahre 2001 im Rahmen der vieldiskutierten Schuldrechtsreform das gesamte Schuldrecht umkrempelte und sämtliche Vorschriften einer genaueren Betrachtung unterzog, stellte sich für ihn fast zwangsläufig die Frage: \"Sollte es zukünftig eigentlich dabei bleiben, dass Vertragsbedingungen in Gassonderverträgen nicht an den §§ 10 und 11 AGB-Gesetz zu messen seien, wenn derartige Vertragsbedingungen nicht wesentlich von einer Gasverordnung, die die Vertragsverhältnisse der EVU mit Kunden in der Grundversorgung regeln, zum Nachteil der Sonderkunden abwichen?\"

Der Gesetzgeber beantwortete diese Frage mit einem klaren JA!

Die §§ 10 und 11 AGB-Gesetz sollten also bei entsprechender Konstellation auch weiterhin unanwendbar sein, lediglich die „Hausnummern“ mussten sich natürlich ändern, denn das AGB-Recht sollte schließlich von nun an im BGB weiterleben. Und so stellte der Gesetzgeber bei der Schuldrechtsmodernisierung im Jahre 2001 (in Kraft seit 1. Januar 2002) die etwas modifizierte Frage, die er - wie eben gesagt - mit dem klaren „JA“ beantwortete: \"Soll § 310 BGB die Anwendung der §§ 308 und 309 BGB (auch weiterhin) ausschließen?

Bei der Begründung, die der Gesetzgeber zu seinen Änderungsvorschlägen abgegeben hat, und wie sie sich in den das Gesetzgebungsverfahren begleitenden Gesetzesmaterialien widerspiegelt, setzte der VIII. Zivilsenat des BGH schließlich an, um die überzeugenden Überlegungen des OLG Oldenburg im Revisionsverfahren mal so eben „mir nichts, dir nichts“ vom Tisch zu wischen und den Gasverbrauchern (Sondervertragskunden) den Schutz des AGB-Rechts endgültig zu entziehen:

Der Wille des Gesetzgebers - Auslegungshilfe aus der Gesetzesbegründung zur Schuldrechtsreform

Um den Verbraucherschutz in einem derart wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge wie dem Gasbezug durch Gasendverbraucher „ad absurdum“ zu führen, bediente sich der VIII. Zivilsenat (zur Stützung bzw. Rechtfertigung seines „Sündenfalls“) bei dem fraktionsübergreifenden Gesetzesentwurf „eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts“ (Bundestagsdrucksache 14/6040), in dem die Begründung zum eben angesprochenen „Ja-Wort“ dokumentiert ist.

Der VIII. Zivilsenat entdeckte in dieser Drucksache den unbedingten Willen des Gesetzgebers, Gas-Sondervertragskunden mit solchen Kunden gleich zu stellen, die ihr Gas auf Grundlage der Gas-Verordnung (AVBGasV bzw. GasGVV) in der Grundversorgung beziehen. Wenn - so die Ratio des VIII. Zivilsenats - doch der Wille des Gesetzgebers dahin gehe, beide Vertragstypen (Sondervertragskunde/Kunde der Grundversorgung) gleich zu behandeln, dann wolle er auch ein in der Verordnung vorhandenes - wenn auch intransparentes und völlig verstecktes Preisanpassungsrecht - das als AGB in Sonderverträge einbezogen worden ist, gelten und dieses nicht an der AGB-Kontrolle scheitern lassen, sofern es nicht von dem Preisanpassungsrecht, wie es in der Verordnung enthalten ist, abweiche.

Wie stellt sich das Ganze gesetzestechnisch dar?

Dazu zunächst ein kurzer Blick auf die §§ 310 und 307 BGB (Fettdruck von mir zur Veranschaulichung hinzugefügt):

Zitat
§ 310 Abs. 2 BGB

(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen.



Zitat
§ 307 BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

Die Regelbeispiele der §§ 308 und 309 BGB („In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam ...“ bzw. „Auch“ ... „ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam ...“) sollen also nach dieser klaren gesetzlichen Regelung unter den genannten Randbedingungen nicht gelten, wohl aber der § 307, der - noch einmal zur Erinnerung - im Wesentlichen dem alten § 9 AGB-Gesetz entspricht, welcher durch § 23 AGB-Gesetz bei Gassonderverträgen eben NICHT generell ausgeschlossen war.

Ausschluss des § 307 BGB in Gassonderverträgen für Endverbraucher

Der BGH hat nun aber (zumindest) für Verbraucher, die mit EVU zunehmend und mittlerweile massenhaft Sonderverträge abschließen, auch die bedeutsame Verbraucherschutzvorschrift § 307 BGB von vornherein für unanwendbar erklärt, wenn - wie eben gesagt - eine nachteilige Abweichung der einbezogenen Versorger-AGB in den Versorgungssondervertrag nicht nachteilig von der Verordnung abweicht.

Die Voraussetzung, die der VIII. Zivilsenat hier heranzog, um § 307 BGB im Sonderkundenbereich für Verbraucher endgültig leer laufen zu lassen (die nicht nachteilige Abweichung von der Verordnung also), entspricht erkennbar exakt derjenigen, die der Gesetzgeber in § 310 Abs. 2 BGB für den Ausschluss lediglich der §§ 308 und 309 BGB aufstellt hat.

§ 310 Abs. 2 BGB ist seit der Revisionsentscheidung des VIII. Zivilsenats nun also so zu lesen: „Die §§ 307, 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge mit Endverbrauchern ...“

Analoge Ausweitung des Gesetzestatbestands

Die Frage, die sich vor diesem Hintergrund nun zunächst fast von allein aufdrängen dürfte: Geht das eigentlich, dass ein Gericht - hier der VIII. Zivilsenat - sich derart als Gesetzgeber betätigt, indem er eine Norm - hier den § 310 BGB - einfach um ein Tatbestandsmerkmal („§ 307“) erweitert, um so diese Vorschrift, die ihrem klaren Wortlaut nach dem Verbraucherschutz unmittelbar dienen soll, aus der Anwendbarkeit vollständig „hinauszukatapultieren“!?

In der heutigen juristischen Methodenlehre klebt man im Rahmen der Bedeutungserfassung einer Norm tatsächlich nicht mehr allzu fest am Wortlaut der Vorschrift. Mindestens gleichbedeutend ist der Normzweck.

Und so kann es durchaus einmal passieren, dass es der Normzweck erfordert, eine (planwidrig) begrifflich zu eng gefasste Norm im Rahmen einer sogenannten Analogie auch auf Fälle anzuwenden (auszudehnen), die nach dem Normwortlaut nicht erfasst sind. Ein solches Vorgehen rechtfertigt sich auch aus Artikel 3 des Grundgesetzes (Gleichbehandlungsgrundsatz), der bestimmt, dass Sachverhalte, die im Wesentlichen gleich gelagert sind, auch gleich behandelt werden müssen.

Die planwidrige Regelungslücke?

Die Frage lautet hier also, hat der Gesetzgeber eine Gesetzeslücke planwidrig nicht geschlossen und gebietet es deshalb - quasi ersatzweise für gesetzgeberisches Unterlassen - der Normzweck des § 310 BGB, diese Vorschrift tatbestandlich um den § 307 BGB zu erweitern, um so die Anwendbarkeit des § 307 BGB im Verhältnis zwischen EVU und Sondervertragskunden (Endverbrauchern) gänzlich auszuschließen.

Um diese Frage widerspruchfrei beantworten zu können, muss man notwendigerweise den Zweck von zwei(!) Normen hinreichend genau erfassen. Zum einen ist natürlich das Augenmerk zu richten auf § 310 Abs. 2 BGB; den man ja (analog) erweitern möchte. Zum anderen machte es keinen Sinn, dabei den Bedeutungsgehalt von § 307 BGB, der ja in seiner konkreten Anwendbarkeit in Gassondervertragsverhältnissen ausgeschlossen werden soll, völlig auszublenden.

Und so hat der VIII. Zivilsenat auf die besagte Begründung des fraktionsübergreifenden Gesetzesentwurfs (Bundestagsdrucksache 14/6040) zurückgegriffen, als er den § 310 BGB erweitern und Verbrauchern, die Gas-Sonderverträge mit „ihren“ EVU abgeschlossen haben, den Schutz des § 307 BGB vollständig entziehen wollte.

Wer sich nun einmal die Mühe macht, die entsprechenden Gedankengänge des VIII. Zivilsenat, orientiert an den Materialien, die das Gericht herangezogen (vor allem aber nicht herangezogen) hat, Schritt für Schritt nachzuvollziehen, wird aus dem Staunen kaum mehr herauskommen. Hierbei - nicht unbedingt beim Staunen selbst, so aber doch beim genauen Hinsehen - will ich dem interessierten Leser mit meinem Beitrag ein wenig zur Seite stehen und aufzeigen, wo der VIII. Senat den grundgesetzlich vorgegebenen Weg endgültig verlassen hat:

Der VIII. Zivilsenat hat bekanntlich das, was er schon zuvor in mehreren Entscheidungen per „Obiter Dictum“ ungefragt „zum Besten“ gegeben hatte, in seiner EWE-Revisionsentscheidung aus Juli 2010 in diesmal streitentscheidender Form bekräftigt. Nicht nur die beteiligte EWE, auch in Aufsätzen von Autoren, die den EVU nahe stehen, wurde die „Klarstellung“ begrüßt - um nicht zu sagen: geradezu bejubelt.

Übernahme der intransparenten Preisanpassungsregelung in der EWE-Revisionsentscheidung

In der EWE-Revisionsentscheidung (VIII ZR 246/08) heißt es:

Zitat
33
(1) Eine Preisanpassungsklausel, die das gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV unverändert in einen Normsondervertrag übernimmt, also davon nicht zum Nachteil des Kunden abweicht, stellt keine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BGB dar. Zwar genügt eine § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nachgebildete vertragliche Preisanpassungsklausel nicht den Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung in anderen Fällen an die tatbestandliche Konkretisierung von Anlass, Voraussetzungen und Umfang eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts stellt. Dies steht der unveränderten Übernahme von § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV in einen Sonderkundenvertrag unter dem Gesichtspunkt einer unangemessenen Benachteilung des Sonderkunden (§ 307 Abs. 1 BGB) indes nicht entgegen (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 19, 23 f. m.w.N.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat trotz der teilweise im Schrifttum geäußerten Kritik (vgl. Markert, RdE 2009, 291, 293 f.; zustimmend hingegen Büdenbender, NJW 2009, 3125, 3129; Rottnauer, EWiR 2009, 765, 766; Zabel, BB 2009, 2281 f.) fest. Sie steht (entgegen Markert, aaO) nicht in Widerspruch zu § 310 Abs. 2 Satz 1 BGB.

34
a) Mit der Regelung des § 310 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, es den Versorgungsunternehmen freizustellen, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verträge mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Tarifabnehmer auszugestalten. Dahinter steht der Gedanke, dass Sonderabnehmer, auch wenn sie Verbraucher sind, keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer (BT-Drs. 14/6040, S. 160). Den Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden kommt deshalb ebenso wie denjenigen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie und den Nachfolgeregelungen der GasGVV für Sonderkundenverträge \"Leitbildfunktion im weiteren Sinne\" zu, auch wenn sie dafür unmittelbar nicht gelten (BGHZ 138, 118, 126 f.) [...]
Den Bestimmungen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden ist deshalb Leitbildfunktion für Sonderkundenverträge nicht pauschal beizumessen; vielmehr ist sie für jede einzelne in Rede stehende Bestimmung zu prüfen (BGHZ 176, 244, Tz. 25). Für das Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ist sie zu bejahen (dazu im Einzelnen Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 20 ff., und - für § 5 Abs. 2 GasGVV - VIII ZR 56/08, aaO, Tz. 22 ff.).

35
Der Gesetzgeber hat deshalb mit § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV selbst den Maßstab gesetzt, nach dem zu beurteilen ist, ob Sonderkunden durch eine Preisanpassungsklausel im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt werden. Stimmt die vertragliche Preisanpassungsklausel mit § 4 AVBGasV inhaltlich überein, das heißt, weicht sie davon nicht zum Nachteil des Abnehmers ab, liegt eine unangemessene Benachteiligung des Sonderabnehmers nicht vor (Senatsurteil vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, aaO, Tz. 24 m.w.N.).

Diese Ansichten verdienen im Rahmen meines Beitrags eine nähere Betrachtung:
    [*]Mit § 310 BGB Abs. 2 Satz 1 BGB verfolge der Gesetzgeber das Ziel, es den Versorgungsunternehmen freizustellen, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Verträge mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Tarifabnehmer auszugestalten;
    [*]Die Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit Gas beinhalte eine Leitbildfunktion für das Preisänderungsrecht;
    [*]Der Gesetzgeber hat mit dem Preisanpassungsrecht aus der Verordnung selbst den Maßstab gesetzt, nach dem zu beurteilen ist, ob Sondervertragskunden durch gleichlautende Preisanpassungsregelungen unangemessen benachteiligt werden;
    [*]Die Preisänderungsregel, (wie sie übrigens in die Verordnung nur hineininterpretiert wird, ohne dass sie dort ausdrücklich geregelt wäre) steht auch in ihrer de facto intransparenten Form einer unveränderten Übernahme in einen Sonderkundenvertrag unter dem Gesichtspunkt einer unangemessenen Benachteiligung des Sonderkunden nicht entgegen
    [/list] Zunächst einmal stellt sich in methodischer Hinsicht bei einer vermeintlich vorzunehmenden Analogie immer die Frage, ob es überhaupt eine Regelungslücke gibt, die der Gesetzgeber planwidrig ungeregelt gelassen hat, also geregelt hätte, wenn er sein „Versäumnis“ im Gesetzgebungsverfahren erkannt hätte. Dass eine solche Konstellation hier tatsächlich vorgelegen haben kann, ist im höchsten Maße zweifelhaft. Ohne eine solche planwidrige Regelungslücke jedoch wäre der VIII. Zivilsenat nicht berufen gewesen, die Ausnahmen der AGB-Kontrolle gem. § 310 BGB auch auf § 307 BGB auszudehnen. Regelungslücke als Voraussetzung einer Analogie - Ein Blick in die Bundestags-Drucksache 14/6040
    Ein Blick in die Drucksache 14/6040 verdeutlicht das. Zur Erinnerung: Der Gesetzgeber wollte im Zuge der Schuldrechtsreform lediglich die Frage klären, ob es bei den Ausnahmen von §§ 308 und 309 BGB, wie sie bis dahin in den §§ 10 und 11 AGB-Gesetz geregelt waren, gem. § 310 BGB verbleiben sollte.

    Auf Seite 160 der Drucksache 14/6040, auf die sich der VIII. Zivilsenat zuvörderst stützt, um § 307 BGB im Ergebnis auszuhebeln, heißt es dazu:

    Zitat
    „Absatz 2 übernimmt die bisherige Ausnahme des § 23 Abs. 2 Nr. 3 AGBG. Danach gelten die bisherigen §§ 10, 11 AGBG (= §§ 308, 309 RE) nicht für Verträge mit Sonderabnehmern von Strom und Gas, es sei denn, dass die Verträge Abweichungen von den Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Elektrizität bzw. Gas, die für den Regelfall der typisierten Vertragsbeziehungen der Versorgungsunternehmen zu Tarifkunden den Inhalt der Versorgungsverträge bestimmen, vorsehen. Hinter dieser Ausnahme steht der Gedanke, dass Sonderabnehmer, auch wenn sie Verbraucher sind, keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer, so dass es den Versorgungsunternehmen frei stehen muss, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen auszugestalten.

    Der Anwendungsbereich dieser Ausnahme ist durch die zunehmende Liberalisierung auf dem Energieversorgungsmarkt gestiegen. Daraus folgt nämlich, dass zunehmend auch Verbraucher mit Versorgungsunternehmen Verträge abschließen, die nicht von vornherein den Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Elektrizität, Gas usw. unterliegen, und insoweit zu „Sonderabnehmern“ werden. Das Bedürfnis für eine Parallelgestaltung der Vertragsbedingungen der Versorgungsunternehmen gegenüber Verbrauchern als Tarifkunden und Verbrauchern als Sonderabnehmern besteht mithin weiterhin, so dass der Entwurf die Ausnahmeregelung beibehält.“

    Hier bezieht sich die Begründung des Gesetzgebers hinsichtlich des von ihm hervorgehobenen Bedürfnisses, die Vertragsbedingungen zwischen Tarifkunden (Kunden der Grundversorgung) und solchen Kunden, die auf Grundlage eines Sonderkundenverhältnisses mit Energie (Gas) beliefert werden, parallel zu gestalten, für jeden erkennbar ausdrücklich und ausschließlich auf eine Nichtanwendbarkeit des Beispielkatalogs gem. der neuen §§ 308 BGB sowie 309 BGB. Der Gesetzgeber stellt damit zugleich implizit klar, dass - wie bisher nach altem AGB-Recht - weiterhin an der Generalklausel gem. § 307 BGB festzuhalten sei.

    Von einer planwidrigen Gesetzeslücke, die durch Richterrecht auszufüllen gewesen wäre, konnte und kann also schon von daher überhaupt keine Rede sein.

    Da es der Gesetzgeber also bewusst nicht in Angriff genommen hat, den § 307 BGB im Anwendungsbereich von AGB in Gassonderverträgen auszuschließen, musste der VIII. Zivilsenat also einen anderen Weg einschlagen, um genau zu seinem (wohl gewünschten) Ergebnis zu gelangen.

    Das Leitbildmotiv aus dem ehemaligen AGB-Gesetz - Maßstab vom „Gesetzgeber“ gesetzt

    Der VIII. Zivilsenat bemühte dazu - wie oben zitiert - die juristische Figur der „Leitbildfunktion“, die von der Verordnung ausgehe und so eine darin enthaltene intransparente Preisänderungsvorschrift trotz des § 307 BGB auch im Sonderkundenverhältnis zulasse. Der „Gesetzgeber“(?) habe doch selbst den Maßstab gesetzt, nach dem zu beurteilen sei, ob Sonderkunden durch eine Preisanpassungsklausel im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt werden. Stimme die vertragliche Preisanpassungsklausel mit § 4 AVBGasV inhaltlich überein, das heißt, weicht sie davon nicht zum Nachteil des Abnehmers ab, liege eine unangemessene Benachteiligung des Sonderabnehmers nicht vor.

    Das Leitbildmotiv, auf das der VIII. Zivilsenat in dem hier diskutierten Zusammenhang - zu Unrecht - abstellt, geht wieder einmal zurück auf das alte AGB-Recht:

    Bereits damals wurde hervorgehoben, dass die gerechte Interessenabwägung, die der Verordnungsgeber - nämlich der Wirtschaftsminister - für den Tarifabnehmerbereich vorgenommen habe, gewisse Anhaltspunkte dafür liefern könne, ob gleichlautende Vertragsbedingungen, die in Sonderverträge einbezogen wurden, wirksam seien. Die Verordnung wurde dabei aufgefasst als ein modellhafter „Lösungsversuch“ für einen Bereich, der bei vergleichbarer Interessenlage sowie ähnlichem Sachverhalt auch auf andere Bereiche indiziell ausstrahlen könne. Die indizielle Wirkung, die eine solche Verordnung für die Wirksamkeit entsprechender Vertragsbedingungen entfalten konnte, sollte aber nur „eine erste Annäherung“ sein für die Frage, ob die vom Verordnungsgeber vorgenommene Interessenabwägung für den vorliegenden Regelungsbereich angemessen und richtig sei (vgl. zur Thematik wiederum Ebel, BB 1980, 477 (478).

    Also nur eine „erste Annäherung“!

    Die „erste Annäherung“, die zumindest vordergründig zu dem Ergebnis kommt, die Verordnung sei auch im Hinblick auf das darin enthaltene einseitige Preisänderungsrecht durch das EVU richtungsweisend und schließe als Leitbild für Sonderkunden die Unwirksamkeit einer entsprechenden Klausel in den AVB zwingend aus, darf sich - um Gewicht zu erlangen und so über eine „erste Annäherung“ hinauszukommen - aber nicht in einen unauflösbaren Widerspruch setzen zu den Vorgaben, die sich aus dem übergeordnetes Recht (seien es die Vorschriften des BGB oder sogar das materielle Verfassungsrechts oder die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts) ergeben.

    Ein solcher Widerspruch liegt hier nun aber ohne jeden Zweifel vor. Und dieses, ohne dass der VIII. Zivilsenat bei seiner „Rechtsfindung“ darauf gestoßen wäre, weil er bei der Ermittlung des angeblichen gesetzgeberischen Willens ausschließlich die Gesetzesmotiven zu § 310 BGB (Drucksache 14/6040 - Seite 160) betrachtet hat, ohne diese Begründungen inhaltlich einzuordnen und an den Begründungen, die derselbe Gesetzgeber in derselben Drucksache nur wenige Seiten zuvor auf Seite 154 zu § 307 BGB abgegeben hat - der Norm also, die immerhin das Transparenzgebot enthält und aus seinem Anwendungsbereich ausgeschlossen werden soll -, „gegenzuprüfen“.

    Der VIII. Zivilsenat hat sich bis heute erkennbar um die Frage „herumgedrückt“, welche Auswirkungen insbesondere die einhellige Transparenz-Rechtsprechung der BGH-Senate und das darauf beruhende, aber erst sehr viel später - mit der Schuldrechtsreform - ins BGB aufgenommene Transparenzgebot, wie es sich nun in § 307 BGB wiederfindet, für die Wirksamkeit einer intransparenten Preisanpassungsklausel aus einer Rechtsverordnung haben könnte. Und insbesondere: Welche Bedeutung der Gesetzgeber dem Transparenzgebot inkl. der dazu ergangenen einhelligen Rechtsprechung der BGH-Senate beimisst!

    Selektive Auswahl der Gesetzesmaterien zur Bestimmung der Reichweite des gesetzgeberischen Willens

    Hätte der VIII. Zivilsenat die Gesetzesmotive (Bundestagsdrucksache 14/6040), die er herangezogen hat, um den gesetzgeberischen Willen zur Gleichbehandlung von Sondervertragskunden und Grundversorgten zu ermitteln, also im eben genannten Sinne nicht selektiv (Begründung nur zu § 310 BGB), sondern vollständig (Erwägungen auch zu § 307 BGB) ausgewertet, wäre er auf eine gewichtige Unstimmigkeit in seinem Auslegungsergebnis aufmerksam geworden:

    Grundsätzlich schließt der § 307 BGB eine Klauselkontrolle für Bestimmungen aus, die das Preis-/Leistungsverhältnis betreffen, weil Abreden unmittelbar über den Gegenstand des Vertrags der Vertragsfreiheit unterliegen (sollen). Von diesem Grundsatz, der nach altem AGB-Recht aus § 8 AGB-Gesetz folgte und so in den § 307 BGB übernommen wurde, ließ die einhellige Rechtsprechung der BGH-Senate aber bereits während der Geltung des AGB-Gesetzes eine gewichtige Ausnahme zu. War eine Klausel, aus der der Preis für die Gegenleistung abzuleiten war - also die „Preisabrede“ -, undurchsichtig, unklar bzw. unverständlich, so scheiterten solche Klauseln am „Transparenzgebot“, das von der besagten höchstrichterlichen Rechtsprechung in den damaligen § 9 AGB-Gesetz „hineininterpretiert“ wurde.

    Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot wurde also von der höchstrichterlichen Rechtsprechung als derart gewichtig gewertet, dass selbst eine Klausel, die eigentlich der Klauselkontrolle nicht unterliegen sollte, entgegen dieses Grundsatzes doch als unwirksam zu verwerfen war.

    Die bereits mehrfach angesprochene europäische Klauselrichtlinie 93/13/EWG, die am 5. April 1993 erlassen wurde, insbesondere um Verbraucher vor missbräuchlichen Vertragsbedingungen zu schützen, schreibt in ihrem Art. 4 Abs. 2 vor, was zu dem Zeitpunkt im deutschen Recht auf Grundlage der besagten Transparenzrechtsprechung - wie eben beschrieben - bereits Rechtslage war: Eigentlich „kontrollfreie“ Klauseln - wie etwa die Preisabrede, die ja das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung betrifft - , unterliegen doch der Klauselkontrolle, sofern diese Klauseln unklar bzw. unverständlich sind. Aber - nach der Klauselrichtlinie soll sich das Transparenzgebot nicht bloß auf die in Art 4 angesprochenen und an sich kontrollfreien Klauseln erstrecken. In unmittelbarem Regelungszusammenhang schreibt die Richtlinie in ihrem Art. 5 vor, dass sämtliche niedergelegten Klauseln klar und verständlich abgefasst sein müssen, um Wirksamkeit zu erlangen. Da sich die höchstrichterliche Transparenzrechtsprechung bereits zum damaligen Zeitpunkt der Bedeutung transparenter Klauseln für den Verbraucherschutz bewusst war, war auch das in Art. 5 der Klauselrichtlinie normierte Transparenzgebot zum Zeitpunkt des Richtlinienerlasses im Jahre 1993 quasi Rechtslage in Deutschland.

    Da sich das Transparenzgebot im eben genannten Umfange aber „nur“ in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wiederfand, nicht jedoch im (AGB-)Gesetz ausdrücklich verankert war, war zumindest zweifelhaft, ob die Bundesrepublik die Richtlinie ausreichend umgesetzt hatte. Denn die Regelungen des nationalen Rechts müssen nach der Klauselrichtlinie gewährleisten, dass der darin verbürgte Verbraucherschutz auch tatsächlich zum Tragen kommt. Ob das gesichert sei, wenn die Rechtsprechung das nationale Recht lediglich richtlinienkonform auslegen würde, ohne dass der Einzelne auf eine klare und verständliche Anspruchsnorm des nationalen Rechts zurückgreifen kann, war zunächst unklar.

    In einem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Niederlande wurde dann vom EuGH mit Urteil vom 10.05.2001 (Rs. C-144/99, Kommission der EG/Königreich der Niederlande) - das weiter unten noch eine wichtige Rolle spielen soll - Klarheit geschaffen. Der Gesetzesentwurf, auf dessen Begründung sich der VIII. Zivilsenat im Rahmen seiner Rechtsfindung selektiv stützte, wartete die eben genannte Entscheidung es EuGH noch ab, und nahm unmittelbar danach das Transparenzgebot (endlich) in Übereinstimmung mit der EuGH-Entscheidung in den Gesetzesentwurf zur Änderung des Schuldrechts auf. In seiner Entwurfsbegründung zu § 307 BGB, die vom VIII. Zivilsenat leider völlig ausgeblendet wurde, betonte der Gesetzgeber die besondere Bedeutung, die dem Transparenzgebot für den Verbraucherschutz beizumessen sei.

    Die gesetzgeberische Begründung zu § 307 BGB - insbesondere zur Bedeutung des Transparenzgebots

    In Drucksache 14/6040 auf Seite 154 heißt es in der Begründung zu § 307 BGB mit Blick auf die Bedeutung des Transparenzgebots für die Wirksamkeit von Vertragsbedingungen:

    Zitat
    „Damit wird der Zweck des bisherigen § 8 AGBG, der lediglich der Inhaltskontrolle, nicht aber der Transparenzkontrolle in bestimmten Fällen Grenzen setzen wollte, verdeutlicht und eine bislang bestehende Lücke bei der Umsetzung von Artikel 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG geschlossen. Danach sind nämlich sog. preisbestimmende und leistungsbestimmende Klauseln lediglich dann von der Inhaltskontrolle befreit, wenn sie „klar und verständlich“ abgefasst sind, also den Anforderungen des Transparenzgebots genügen. Diese Vorbedingung der Kontrollfreiheit entspricht zwar im Ergebnis der gegenwärtigen Rechtsprechung des BGH, in der dieser Grundsatz freilich nicht immer so deutlich wird. Im Übrigen sollte sich das Richtlinienerfordernis auch aus dem Wortlaut des Gesetzes entnehmen lassen, was derzeit nicht der Fall ist. Denn § 8 AGBG schloss bislang die Anwendung des § 9 AGBG insgesamt und damit auch die darin enthaltene Transparenzkontrolle für preisbestimmende, leistungsbeschreibende und deklaratorische, den Rechtsvorschriften entsprechende Klauseln aus.

    Die vorgeschlagene Neufassung des bisherigen § 8 AGBG macht nunmehr deutlich, dass das Transparenzgebot auch bei derartigen Klauseln gilt, wenn es auch bei deklaratorischen Klauseln nur äußerst selten zur Anwendung kommen dürfte. Umso bedeutsamer ist die Klarstellung für preisbestimmende und leistungsbeschreibende Vertragsklauseln, weil das Gebot einer klaren, verständlichen, insbesondere nicht irreführende Regelung hier besonders wichtig ist. Nur wenn der Verbraucher die Preis- und Leistungsbestimmung im Einzelnen verstehen und nachvollziehen kann, hat er die Möglichkeit, eine „informierte“ Auswahl unter den verschiedenen Angeboten zu treffen.“

    Hervorhebung der zentralen Bedeutung des Transparenzgebots in der Gesetzesbegründung

    Hier verdeutlicht der Gesetzgeber, dass er sich den Vorgaben der Binnenmarktsrichtlinie 93/13 EWG (Klauselrichtlinie) unbedingt stellen wollte, insbesondere im Hinblick auf das darin als so bedeutend hervorgehobene Transparenzgebot. Er musste aber nach der e.g. Entscheidung des EuGH davon ausgehen, dass er noch nicht alles getan hatte, um das Transparenzgebot der Klauselrichtlinie ins deutsche Recht umzusetzen. Insbesondere bei den bisher kontrollfreien Klauseln, wie sie in Art 4 Abs. 2 der Klauselrichtlinie bezeichnet waren, die nur auf Grundlage einer richtlinienkonformen Auslegung durch den BGH im Falle der Intransparenz einer Klauselkontrolle unterworfen wurden, bestand offensichtlicher Nachbesserungsbedarf.

    Und so machte der Gesetzgeber deutlich, dass er mit der Aufnahme des Transparenzgebotes in § 307 BGB erreichen wollte, dass damit „auch“ die nach Art. 4 Abs. 2 eigentlich kontrollfreien Bestimmungen als unwirksam zu verwerfen seien, sofern diese dem Transparenzgebot nicht gerecht werden sollten.

    Aber was heißt in dem Zusammenhang „auch“? Während Abreden unmittelbar über den Vertragsgegenstand, den Leistungsinhalt oder das zu zahlende Entgelt dem Grundsatz nach nicht der AGB-Kontrolle unterliegen, sieht dieses für alle sonstigen Klauseln, mit denen von Rechtsvorschriften abgewichen wird oder die solche ergänzen sollen, anders aus. Sie waren immer von vornherein an den Regelungen des AGB-Rechts zu messen und der Klauselkontrolle unterworfen. Der Gesetzgeber machte in seiner Gesetzesbegründung (mit dem „auch“) deutlich, dass er im Rahmen des Transparenzgebotes keinen Unterschied zwischen Klauseln zulassen wollte, die ohnehin der AGB-Kontrolle - wie etwa Preisnebenabreden in Form von Preisänderungsklauseln - unterworfen sind und solchen, die prinzipiell nicht kontrollfähig sind. Und damit befindet sich die Gesetzesbegründung zu 307 BGB in völligem Einklang mit der Klauselrichtlinie, die das Transparenzgebot zur zentralen Messlatte für Klauseln welcher Art auch immer erhebt.

    Der VIII. Zivilsenat hingegen kommt bei Betrachtung der Gesetzesmaterien nur zu § 310 BGB zu einem Ergebnis, das, konsequent zu Ende gedacht, absurd erscheint:

    Eine intransparente Klausel, die den Leistungsinhalt oder das vertragliche Verhältnis von Leistung und Gegenleistung betrifft, und eigentlich der AGB-Kontrolle völlig entzogen wäre, wird wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot verworfen, während eine AGB-Regelung, die ihrer Rechtsnatur folgend von vornherein am AGB-Recht zu messen ist (wie etwa eine Preisänderungsklauseln als Preisnebenabrede), trotz eines solchen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unter Ausschluss des § 307 BGB in ihrer Geltung erhalten wird!

    Aber - hätte der VIII. Senat wenigstens einmal einen Blick in die Gesetzesbegründung zu § 307 geworfen, so wäre er zumindest auf die europarechtliche Dimension der Fragestellung gestoßen (worden) und hätte unschwer erkannt - nein: erkennen müssen -, dass die Klauselrichtlinie das Transparenzgebot auf sämtliche Vertragsklauseln ausdehnt hat und sich der nationale Gesetzgeber - ob er nun will oder nicht - und hier wollte der Gesetzgeber - sich dem zu stellen hatte. Und dem hat er sich dann auch - wie gezeigt - gestellt.

    „Transparente Preisbestimmungsklauseln“ als notwendige Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb/Binnenmarkt

    Aber der Gesetzgeber geht ja in seiner eben zitierten Gesetzesbegründung noch viel weiter. Er hebt die Bedeutung besonders hervor, die der Preistransparenz für einen funktionsfähigen Markt beizumessen ist:

    Zitat
    „Umso bedeutsamer ist die Klarstellung für preisbestimmende und leistungsbeschreibende Vertragsklauseln, weil das Gebot einer klaren, verständlichen, insbesondere nicht irreführende Regelung hier besonders wichtig ist. Nur wenn der Verbraucher die Preis- und Leistungsbestimmung im Einzelnen verstehen und nachvollziehen kann, hat er die Möglichkeit, eine „informierte“ Auswahl unter den verschiedenen Angeboten zu treffen.“

    In der Vorstellung, dass Preisnebenabreden (Preisanpassungsklauseln) ohnehin schon dem Transparenzgebot unterfielen und durch eine gesetzgeberische Anpassung des § 307 BGB nun klargestellt sei, dass auch Preisabreden (anfängliche Preisvereinbarungen) dem Transparenzgebot zu entsprechen haben, sollen sie Wirksamkeit entfalten, hat der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung zu § 307 BGB auf die überragende Bedeutung der „Preistransparenz“ für eine bewusste Auswahlentscheidung unter den verschiedenen Anbietern hingewiesen. Da Preisnebenabreden sich - wenn auch nur mittelbar - ebenso auf den Preis, der für eine Leistung zu entrichten ist, auswirken, wie die unmittelbare Preisvereinbarung selbst, sind die Erwägungen, die der Gesetzgeber zur Bedeutung der Preistransparenz anstellt, umfassend aufzufassen - bezogen auf Preisabreden wie Preisnebenabreden.

    Nur wer im „Einzelnen“ verstehen und nachvollziehen kann, welcher Preis, für die Lieferung von Erdgas zu bezahlen ist und unter welchen Bedingungen sich dieser Preis in die eine oder andere Richtung (nach oben oder unten) durch einseitige Erklärung des Versorgers ändern können soll, kann eine bewusste Auswahlentscheidung zwischen mehreren Anbietern treffen.

    Ohne transparente Preisregeln, die sich (gem. der vom Gesetzgeber bekräftigten BGH-Rechtsprechung) danach also auch darauf zu erstrecken haben, ob, wann und wie Leistungspreise einseitig angepasst werden dürfen, kann der Einzelne überhaupt keine hinreichend bewusste Auswahl unter mehreren Anbietern treffen. Er wird dann eher dazu neigen, bei seinem bisherigen Versorger zu bleiben. Eine Auswahlentscheidung bzw. Wechselbereitschaft ist aber auf dem Energiesektor von allerhöchster Bedeutung und gerade dort unverzichtbar, wo Wettbewerb zwischen den Anbietern noch nicht einmal ansatzweise in Gang gekommen ist: auf dem Gassektor. Dort stehen sich bekanntermaßen immer noch nur einige wenige große „Markt“-Teilnehmer gegenüber, haben den „Markt“ unter sich aufgeteilt und hoffen, dass diese für sie paradiesischen „oligopolistischen“ Zustände noch möglichst lange anhalten mögen. Wenn sich nun die Bundesrepublik - nicht zuletzt wegen der europäischen Vorgaben - auf die Fahnen geschrieben hat, dass auf dem Energiesektor im Allgemeinen und so auf dem Gassektor im Besonderen gerade zugunsten der Verbraucher Wettbewerb herrschen soll, dann mutet das Ergebnis des VIII. Zivilsenats geradezu absurd an, Verbraucherschutzvorschriften (§ 307 BGB) bei der Beurteilung von Vertragsklauseln unbeachtet zu lassen und so im Endeffekt einen Wettbewerb schon im Keime zu ersticken, der doch gerade im Interesse der Verbraucher an bezahlbarer Energie erst noch in Gang kommen soll. Die Verbraucher werden hier vom VIII. Zivilsenat also in doppelter Hinsicht „geprügelt“ - und (ich kann mich da gar nicht oft genug wiederholen) das auch noch zu Unrecht!

    Diesem Umstand, dass auf dem Gassektor der Wettbewerb aus naheliegenden Gründen nur schwer in Gang kommt, will übrigens nicht zuletzt die wesentlich aktuellere Gasrichtlinie 2003/55/EG Rechnung tragen und entgegenwirken, indem sie mit ihrem von mir bereits angesprochenen Artikel 3 Abs. 3 noch einmal ausdrücklich ausschließt, dass Verbraucher über eine intransparente Gestaltung von Vertragsbedingungen in ihrer Auswahlentscheidung nachhaltig behindert werden. Der Gesetzgeber wird - wie festgestellt - erneut aufgefordert, wirksame Maßnahmen zum Schutze der Endkunden zu ergreifen, um Transparenz diesbezüglich zu gewährleisten!


    Von einer Leitbildfunktion kann also schon vor diesem Hintergrund keine Rede sein. Der Gedanke der Leitbildfunktion kommt über die besagte „erste Annäherung“ nicht hinaus.

    Die Unwirksamkeit des Preisänderungsrechts aus der Gas-Verordnung unter dem Aspekt des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes

    Die Entscheidung des VIII. Zivilsenats in Sachen EWE verletzt die Kläger des Ausgangsverfahrens in ihren Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 GG, und zwar ganz unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Sondervertragskunden handelt oder sie ihr Gas im Rahmen der Grundversorgung auf Grundlage der Gasverordnung (AVBGasV bzw. GasGVV) von der EWE bezogen haben oder beziehen.

    Damit ist die Entscheidung, die eine Gleichbehandlung von Sondervertragskunden mit solchen aus der Grundversorgung auf niedrigstem (Transparenz-)Niveau, soweit es um die Preisanpassungsregeln in den EWE-AGB geht, grundrechtswidrig und damit unhaltbar.

    Eine Leitbildfunktion der Gasverordnung, die es rechtfertigen könnte, Sondervertragskunden wie „Grundversorgten“ den Schutz des Transparenzgebots des BGB nicht zuzugestehen, lässt sich unter Beachtung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht feststellen. Nur die sachwidrige Missachtung dieses Grundrechts lässt es zu, dass der VIII. Zivilsenat aus einem umfassenden gesetzgeberischen Willen zur Gleichbehandlung von Sondervertragskunden mit solchen aus der Grundversorgung in Verbindung mit der besagten Leitbildfunktion der Gasverordnung meint ableiten zu können, (auch) die nicht schutzbedürftigeren Sondervertragskunden bedürften keines Schutzes nach § 307 BGB.

    Ein Widerspruch, auf den man stößt, besteht doch zuvörderst schon darin, dass es tatsächlich nicht einsichtig erscheint, warum der grundversorgte Gaskunde eigentlich eine intransparente Preisanpassungsklausel aus der Gasverordnung gegen sich gelten lassen sollte - die in der Verordnung immerhin so unklar formuliert ist, dass selbst das OLG Oldenburg Schwierigkeiten hatte, in der Verordnung selbst eine solche Preisanpassungsklausel überhaupt zu entdecken, während man gleichzeitig dem Sondervertragskunden für eine gleichlautende Klausel den vollen Schutz des § 307 BGB zugestehen möchte.

    Der Kartellsenat hat sich mit dieser Frage in seiner zitierten Entscheidung nicht vertieft auseinandergesetzt.

    Wie bereits zitiert, meinte der Kartellsenat:

    Zitat
    „Dass die Norm keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen nennt, ist jedoch eine unmittelbare Folge des Umstandes, dass Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen.“

    Es ist aber überhaupt nicht einzusehen, warum dieser Unterschied zwischen Grundversorgten und Sondervertragskunden quasi zwangsläufig („als unmittelbare Folge“) dazu führen müsste, dass den Verbrauchern aus der Grundversorgung eine klare und nachvollziehbare Preisanpassungsregel, nötigenfalls durch eine die Verordnung ergänzende Vertragsklausel, die dann natürlich der Inhaltskontrolle des AGB-Rechts unterliegen würde, vorenthalten wird. Unterscheiden sich Grundversorgte und Sondervertragskunden, die gleichzeitig Haushaltsendverbraucher sind, lediglich im Verbrauchsvolumen, so lassen sich keine so wesentlichen Unterschiede erkennen, dass eine Differenzierung nach Endverbraucher oder Sondervertragskunden im Hinblick auf Preisanpassungsregeln gerechtfertigt wäre. Art. 3 Abs. 1 GG schreibt immerhin vor, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches auch sachgerecht ungleich behandelt wird.

    Das gefundene Ergebnis des VIII. Zivilsenats, aus „Gleichbehandlungsgründen“ dann (auch) Sondervertragskunden intransparente Preisanpassungsklauseln zuzumuten, stellt aber in nicht hinnehmbarer Weise das AGB-Recht in seinen wesentlichen Zügen in Frage.

    Die Legende von einer in der Gasverordnung enthaltenen wirksamen Preisanpassungsregel

    Grundsätzlich setzt die Übernahme der in der Gasverordnung - sei es nun die AVBGasV oder die GasGVV - angeblich vorhandenen intransparenten Preisänderungsregelung zunächst zwingend voraus, dass dieses normierte Preisänderungsrecht überhaupt Wirksamkeit für sich beanspruchen kann, also rechtmäßig ist. Wäre nämlich die intransparente Preisregel aus der Gas-Verordnung unwirksam, könnte sie nicht zugleich als Leitbild für eine gleichlautende Preisänderungsklausel in einem Gassondervertrag fungieren. Eine Gleichbehandlung von Gassondervertragskunden mit solchen aus der Grundversorgung hinsichtlich der (unwirksamen) Preisänderungsvorschrift aus der Gas-Verordnung schiede also aus.

    Genau so liegt der Fall hier. Der VIII. Zivilsenat unterstellt in seiner EWE-Entscheidung lediglich die Wirksamkeit der in der Gasverordnung erblickten Preisänderungsvorschrift, ohne dieses auch nur ansatzweise kritisch zu hinterfragen.

    Ein wirksames Preisänderungsrecht ergibt sich jedoch für Gasversorgungsunternehmen aus der Gas-Verordnung auch gegenüber den ihr direkt unterfallenden Kunden der Grundversorgung gerade nicht, wie sich aus dem Folgenden zwingend ergibt:

    Die Gasverordnungen

    Die Gasverordnungen, in denen der VIII. Zivilsenat ein einseitiges Preisänderungsrecht der EVU erblickt nebst einer entsprechenden Leitbildfunktion für die Angemessenheit von entsprechenden Regeln in Gassonderverträgen sind zum Einen die

    AVBGasV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden), wie sie im Jahre 1979 erlassen worden ist und bis zum 07.11.2006 galt sowie die

    GasGVV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (Gasgrundversorgungsverordnung) die seit dem 08.11.2006 in Kraft ist und die AVBGasV ersetzt hat.

    Die Rechtsnatur von Verordnungen im Vergleich zu formellen Gesetzen

    Um die nachfolgende dogmatischen „Beweisführung“ einigermaßen nachvollziehen zu können, insbesondere aber wegen der wesentlichen Bedeutung, die der Unterscheidung von Verordnung zu formellem Gesetz für die weitere Argumentation zukommt, soll an dieser Stelle einmal die Rechtsnatur der beiden „Vorschriftstypen“ etwas genauer unter die Lupe genommen werden:

    Grundsätzlich ist es in einer parlamentarischen Demokratie die Aufgabe der „Legislative“, also des gewählten Parlaments, Gesetze zu erlassen. Gesetze, die vom Bundestag oder einem Landtag verabschiedet worden sind, nennen sich „formelle Gesetze“, weil sie in einem streng förmlichen Gesetzgebungsverfahren entstanden sind.

    Die Exekutive - die vollziehende Gewalt - hat mit der Gesetzgebung zunächst einmal wenig zu tun. Ihre Aufgabe besteht im Sinne der klaren Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative in erster Linie darin, die vom „parlamentarischen Gesetzgeber“ erlassenen formellen Gesetze auszuführen (deshalb spricht man bei der Exekutive auch von der „ausführenden Gewalt“). Der Exekutive ist neben der öffentlichen Verwaltung auch die Bundesregierung inkl. der Bundesminister zugeordnet.

    Aber keine Regel ohne Ausnahme: Aus praktischen Gründen kann es durchaus sinnvoll sein, dass nicht der „parlamentarische Gesetzgeber“ selbst in einem formellen Gesetz alle wesentlichen Festlegungen trifft, sondern dieses in die Hände der fachkompetenten Ministerien legt, wo der fachliche Sachverstand ja konzentriert ist und damit ausgeprägter vorhanden sein dürfte, als im Parlament. Das Problem dabei ist aber, dass der „parlamentarische Gesetzgeber“ - die Legislative also - damit die ihm zugeordnete Gesetzgebungskompetenz einfach an die Exekutive weiterreicht. Das geht nur, weil mit Art. 80 GG eine Regelung vorhanden ist, die ein solches Vorgehen unter bestimmten Voraussetzungen zulässt:

    Zitat
    Art 80 Abs. 1 GG

    Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. [...]

    Der Gesetzgeber muss also - will er die Bundesregierung oder einen einzelnen Bundesminister ermächtigen, ein Gesetz zu erlassen - eine klare gesetzliche „Ermächtigungsgrundlage“ schaffen, aus der sich eindeutig ablesen lässt, in welcher Weise und in welchem Umfange der Bundesminister von der Ermächtigung Gebrauch machen darf.

    In dieser Konstellation haben wir es also praktisch mit zwei Gesetzgebern zu tun: dem parlamentarischen, der ein „formelles Gesetz“ erlassen muss - die Ermächtigungsgrundlage - sowie dem Verordnungsgeber - quasi dem kleinen Gesetzgeber - , der mit der Verordnung aber kein formelles, sondern „lediglich“ ein materielles Gesetz erlässt.

    Die Unterscheidung nach formellen Parlamentsgesetzen und solchen, die „nur“ auf Grundlage einer Ermächtigungsgrundlage durch die Exekutive (den kleinen Gesetzgeber) erlassen worden sind, hat im Sinne einer Gesetzeshierarchie für die vorliegende Fragestellung höchste Bedeutung:

    Während das parlamentarische Gesetz in erster Linie an der Verfassung zu messen ist (Übereinstimmung mit dem Grundgesetz), stehen Verordnungen als rein materielle Gesetze im Stufenaufbau unterhalb der formellen Gesetze und müssen deshalb nicht nur mit dem Grundgesetz im Einklang stehen, sondern darüber hinaus sämtliche formellen Gesetze (etwa die Vorschriften des BGB) beachten, um nicht als rechtswidrig verworfen zu werden und so buchstäblich im „Reißwolf“ zu landen. Verordnungen sind schon von daher völlig ungeeignet, das Recht eigenständig abzuändern. Sie können nur den Rahmen ausfüllen, der ihnen von der Rechtsordnung gelassen wird, und zwar auch nur so weit, wie die Ermächtigungsgrundlage reicht.

    Wer aber befindet denn nun darüber, ob ein Parlamentsgesetz oder eine Verordnung rechtswirksam ist, wenn Zweifel angebracht erscheinen? Das kommt darauf an. Hält ein Gericht ein Parlamentsgesetz, auf das es für die Entscheidung ankommt, für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, darf es das Gesetz nicht einfach unangewendet lassen, sondern muss das Bundesverfassungsgericht einschalten und ein sog. Normenkontrollverfahren einleiten (Art. 100 GG). Über die Frage der Verfassungsmäßigkeit entscheidet dann das BVerfG.

    Ganz anders sieht es aber bei Verordnungen aus: Ein Gericht, das über einen Rechtsstreit zu entscheiden hat, bei dem es auf die Wirksamkeit einer einschlägigen Verordnung ankommt, muss nebenbei - man könnte auch sagen: vorab - („inzidenterweise“) selbständig die Verordnung auf ihre Übereinstimmung mit der Ermächtigungsgrundlage überprüfen und sich vor allem überlegen, ob die Verordnung nicht etwa mit Vorschriften des materiellen Rechts - wie sie ja u.a. im BGB enthalten sind - kollidiert, was die Verordnung insoweit unwirksam machen würde. Die Feststellungen dazu trifft das Gericht, das den zugrundeliegenden Rechtsstreit zu entscheiden hat, selbständig. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wäre bei einem rein materiellen Gesetz wie einer Rechtsverordnung nicht zulässig.

    Kommt das Gericht bei einer solchen inzidenten Überprüfung einer Verordnung zu dem Ergebnis, diese sei rechtswidrig, muss es die betroffenen Regelungen der Verordnung unangewendet lassen und den Rechtsstreit anhand der sonstigen zur Verfügung stehenden formellen wie materiellen Vorschriften entscheiden.

    Die Ermächtigungsgrundlage für die Verordnungen

    Die AVBGasV

    Der formelle Gesetzgeber (der Bundestag) hatte mit § 26 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) vom 9.12.1976 (BGBl I S 3317) eine Änderung von § 7 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 13.12.35 herbeigeführt und den Bundesminister für Wirtschaft ermächtigt, eine entsprechende Gas-Verordnung zu erlassen.

    Die in § 7 Abs. 2 EnWG aufgenommene Ermächtigungsgrundlage lautete von da ab (Fettdruck von mir hinzugefügt):

    Zitat
    „Der Bundesminister für Wirtschaft kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die allgemeinen Bedingungen der Energieversorgungsunternehmen (§ 6 Abs. 1) ausgewogen gestalten. Er kann dabei die Bestimmungen der Verträge einheitlich festsetzen und Regelungen über den Vertragsabschluß, den Gegenstand und die Beendigung der Verträge treffen sowie die Rechte und Pflichten der Vertragspartner festlegen; hierbei sind die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Bedingungen öffentlich-rechtlich gestalteter Versorgungsverhältnisse mit Ausnahme der Regelung des Verwaltungsverfahrens.“

    Die AVBGasV trat dann am 01.04.1980 in Kraft.

    Die GasGVV

    Die am 08.11.2006 an die Stelle der AVBGasV getretene neue Gas-Verordnung, die GasGVV, beruht auf dem vom Gesetzgeber, dem Deutschen Bundestag, in § 39 Abs. 2 EnWG vom 07.07.2005 aufgenommen Ermächtigungsgrundlage:

    Die in § 39 Abs. 2 EnWG enthaltene Ermächtigungsgrundlage lautet:

    Zitat
    „Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die allgemeinen Bedingungen für die Belieferung von Haushaltskunden in Niederspannung oder Niederdruck mit Energie im Rahmen der Grund- oder Ersatzversorgung angemessen gestalten und dabei die Bestimmungen der Verträge einheitlich festsetzen und Regelungen über den Vertragsabschluss, den Gegenstand und die Beendigung der Verträge treffen sowie Rechte und Pflichten der Vertragspartner festlegen. Hierbei sind die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Bedingungen öffentlich-rechtlich gestalteter Versorgungsverhältnisse mit Ausnahme der Regelung des Verwaltungsverfahrens.“

    Der Gerechtigkeitsgehalt der Gas-Verordnung und des AGB-Rechts

    Diese Ermächtigungsgrundlagen schreiben also übereinstimmend zwingend vor, der Bundeswirtschaftsminister solle die beiderseitigen Interessen der Vertragspartner angemessen berücksichtigen, sofern er von der Ermächtigung Gebrauch machen möchte.

    Die Ausgangslage stellt sich also so dar, dass es der formelle Gesetzgeber (der Deutsche Bundestag) der Exekutive - hier dem Bundeswirtschaftsminister - erlaubt, mittels einer Gas-Verordnung die vertraglichen Beziehungen der Normadressaten zu regeln, ihm aber gleichzeitig ausdrücklich aufgibt, dabei unbedingt die beiderseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen.

    Nun stellt sich hier die entscheidende Frage, was der „Verordnungsgeber“ im Sinne einer „angemessenen Interessenabwägung“ alles zu beachten hat, damit sein Abwägungsergebnis - und damit die Verordnung selbst - vor den Gerichten, die ja eigentlich in jedem Einzelfall die Verordnung auf ihre Rechtswirksamkeit (inzident - s.o.) zu überprüfen haben, Bestand hat.

    Grundsätzlich gibt es zwischen der Gas-Verordnung und dem A

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    Die Benachteiligung (Ungleichbehandlung) von Gassondervertragskunden gegenüber anderen Vertragsverhältnissen

    Legt man hier zudem zugrunde, dass es sich bei einem Gassondervertrag um keinen spezielleren oder ungewöhnlichen Vertragstypus handelt, der es rechtfertigen könnte, andere - nämlich niedrigere - Maßstäbe an die Transparenz von Preisanpassungsklauseln anzulegen als in vergleichbaren Vertragsverhältnissen (Kaufverträgen etc.), so stellt sich die Frage, mit welchem Recht Gassondervertragskunden der Schutz des § 307 BGB vollständig genommen wird, während er in anderen (vergleichbaren) Vertragsverhältnissen voll durchgreift. Und so ist auch der Hinweis von Markert („Die Kontrolle der Haushaltspreise für Strom und Gas nach den §§ 307, 315 BGB“, ZMR 2009, 898 [901]) nicht nur berechtigt, sondern geradezu von verfassungsrechtlicher Bedeutung, soweit dieser nicht nachvollziehen kann, warum für „die Gestaltung formularmäßiger Preisanpassungsklauseln in Normsonderkundenverträgen beim Bezug von Strom und Gas andere Maßstäbe gelten sollen als z.B. beim Bezug von Flüssiggas oder Pay-TV oder der Aufnahme eines Kredits bei einer Bank oder Sparkasse“. Hier ist die Frage aufgeworfen nach der willkürlichen Ungleichbehandlung nicht wesensverschiedener Vertragstypen, die Art. 3 Abs. 1 GG zwingend ausschließt. Die Gerichte im Allgemeinen - und so der BGH im Besonderen - sind bei der Rechtsfindung gehalten, die sich aus den Grundrechten ergebenden Wertentscheidungen, die der Verfassungsgesetzgeber getroffen hat, von Amts wegen zu beachten. Eine Benachteiligung von Gassondervertragskunden, denen intransparente Preisanpassungsklauseln zugemutet werden, während Flüssiggasbezieher, Kabel-TV-Kunden, Kreditnehmer von Banken und Sparkassen oder die Abnehmer von Telekommunikationsleistungen wie selbstverständlich unter den Schutzschild der Transparenzkontrolle aus § 307 BGB kriechen können, wirft die Frage nach der prinzipiellen Unterschiedlichkeit von Gassonderverträgen auf, die eine solche Differenzierung erlauben könnte. Der VIII. Zivilsenat trägt dazu aber in all seinen Entscheidungen nichts Erhellendes bei, sondern meint wohl (unausgesprochen), zu einer solchen gleichheitswidrigen Benachteiligung von Gassondervertragskunden im Vergleich zu anderen Vertragstypen allein deshalb berechtigt zu sein, weil es dem von ihm beschworenen Willen des Gesetzgebers entspräche, die nicht schutzbedürftigeren Gassondervertragskunden denen aus der Grundversorgung gleichzustellen, welche auch nicht den Schutz des § 307 BGB genössen.

    Es drängt sich hier also ein schon von daher krasser Verstoß der Revisions-Entscheidung gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG verbürgten Anspruch der Kläger der Ausgangsverfahren auf Gleichbehandlung mit anderen, nicht wesensverschiedenen Vertragsformen geradezu auf.

    Unterstellt man nun einmal, Kunden der Grundversorgung seien „ihrem“ EVU bei Preisanpassungen wegen der unmittelbaren Anwendbarkeit der Gasverordnung ausgeliefert und hätten keinen Anspruch auf eine transparente Preisänderungsregel (was nach dem e.g. Grundsätzen aber keinesfalls der Fall ist), so bliebe doch der eben aufgeworfene Wertungswiderspruch qualitativ bestehen, wenn man Sonderkunden mit denen gleichstellte, die ihr Gas in der Grundversorgung beziehen. Die Frage lautete dann doch lediglich, warum Sondervertragskunden und Kunden der Grundversorgung eigentlich anders zu behandeln - hinsichtlich der Klarheit und Verständlichkeit von Preisanpassungsregeln weniger schutzbedürftig sind -, als etwa Bankkunden, Pay-TV-Kunden oder andere!?

    Der VIII. Zivilsenat hatte die Aufgabe, sich diesem erkennbaren Wertungswiderspruch zu stellen und ihn in rechtsstaatlich einwandfreier Form aufzulösen. Dem ist er aber nicht im Mindesten nachgekommen. Statt dessen hat er es vorgezogen, den festgestellten Wertungswiderspruch noch zu vertiefen, indem er der Gruppe der auf Grundlage einer Verordnung ohnehin schon sachwidrig (rechtswidrig) benachteiligten Kunden aus der Grundversorgung quasi aus übergeordneten „Gerechtigkeitsgesichtspunkten“ die Sondervertragskunden zur Seite stellte und im Ergebnis so beiden Vertragsgruppen die Segnungen des § 307 BGB vorenthielt.

    Bis heute hat sich der VIII. Zivilsenat also der Frage verschlossen, wie sich sein Ergebnis vor dem Hintergrund rechtfertigt, dass eine Reihe von Kundengruppen, die keinesfalls schutzbedürftiger sind als Gaskunden (seien es nun welche aus der Grundversorgung oder mit Gassondervertrag) den Schutz des § 307 BGB wie selbstverständlich in Anspruch nehmen können, während das für leitungsgebunden mit Erdgas belieferte generell nicht gelten soll. Der verengende Blickwinkel, den der VIII. Zivilsenat hier an den Tag legt, mutet schon deshalb mehr als merkwürdig an, als er doch in seiner EWE-Revisionsentscheidung den Aufsatz von Markert (RdE 2009, 291) selbst erwähnt , in dem dieser u.a. auf die Notwendigkeit ausdrücklich hinweist, Gaskunden im Regelungsbereich des § 307 BGB sachlich gegenüber anderen vergleichbaren Verbrauchergruppen nicht zu benachteiligen, sondern sie diesen gleichzustellen.

    Zur Veranschaulichung: Markert stellte in dem vom VIII. Zivilsenat angeführten Aufsatz fest:

    Zitat
    Vgl. RDE 2009, 291 (293):

    „Damit wird in der Strom- und Gasversorgung den Normsonderkunden entgegen dem klaren Wortlaut des § 310 Abs. 2 BGB der Schutz, der auf formularmäßige Preisanpassungsklauseln anwendbaren Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB generell entzogen mit der Folge, dass diese Kunden im Verhältnis zu allen anderen mit solchen Klauseln konfrontierten Sondervertragskunden diskriminiert werden. Weshalb z.B. den mit Flüssiggas belieferten Haushaltskunden, die vielfach ebenfalls Normsonderkunden sind, nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats dieser Schutz zusteht, den mit Erdgas belieferten Normsonderkunden jedoch nicht, ist nicht nachvollziehbar. Mit dem Senatsurteil vom 25. Februar 1986 lässt sich dies jedenfalls nicht begründen, denn die darin beurteilte AGB-Bestimmung war absolut klar und verständlich und daher vollkommen transparent. Gerade daran fehlt es aber bei einer bloßen unveränderten Übernahme des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV bzw. des § 5 Abs. 2 GasGVV in Verträge mit Gassonderkunden, wie der Senat selbst einräumt.“
    Zitat
    Oder unter RDE 2009, 291 (294):

    „Damit aber ist es nicht vereinbar, dass für die Gestaltung formularmäßiger Preisanpassungsklauseln in Normsonderverträgen mit Haushaltskunden beim Bezug von Strom und Gas andere Maßstäbe gelten sollen als z.B. beim Bezug von Flüssiggas oder Pay-TV oder der Aufnahme eines Kredits bei einer Bank oder Sparkasse.“
    Dem Senat hätte sich angesichts dieser Hinweise Markerts geradezu aufdrängen müssen, dass wegen der sich aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden und der von ihm unbedingt zu beachtenden Pflicht zur Gleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte es nicht angehen kann, dass zumindest Normsonderkunden aus der Gasversorgung gegenüber sonstigen Sondervertragskunden diskriminiert werden.

    Indem sich der VIII. Zivilsenat dem aber nicht einmal ansatzweise stellte, ignorierte er das Grundrecht der Kläger auf sachliche Gleichbehandlung, als gäbe es ein solches gar nicht!

    Dass Verordnungen von den Gerichten im Einzelfällen womöglich nicht hinreichend auf ihre Übereinstimmung mit der Ermächtigungsgrundlage, mit höherrangigem einfachen Recht oder sogar mit dem Verfassungsrecht überprüft, sondern statt dessen der zu treffenden Entscheidung regelmäßig als rechtsgültig zugrunde gelegt werden, mag mit einem „juristischen Grundsatz“ zu tun haben, der einer materiell fehlerfreien Entscheidung immer mal wieder im Wege stehen kann. Der „Grundsatz“ lautet: „Das war schon immer so!“. Eine Regelung, die - wie die Gasverordnungen AVBGasV oder die GasGVV - schon seit Jahren, wenn nicht sogar seit Jahrzehnten, unwidersprochen Gültigkeit für sich beanspruchen konnte, erzeugt in den Köpfen vieler Menschen - auch bei Richtern - die Vorstellung, dass eine solche Vorschrift schon längst „über den Haufen“ geworfen worden wäre, wenn sie mit höherrangigem Recht (Richterrecht, bürgerlich-rechtliche Vorschriften (etwa aus dem BGB), im einfachen Gesetz umgesetzte „Europäische Binnenmarktsrichtlinien“ oder dem Grundgesetz) nicht vereinbar wäre. Zumal ja jedes Gericht eine Rechtsverordnung unangewendet lassen muss, soweit sie als rechtswidrig erkannt ist. Insofern besteht immer die Gefahr, dass sich Richter auch einer „nur“ materiellen Vorschrift, um die es sich bei einer Verordnung ja handelt, eher unter dem Aspekt nähern, mit dieser sei schon alles in Ordnung.

    Dass ein solches Vorgehen (nur, aber immerhin) in Einzelfällen aber in die Irre führen kann, zeigt ein Beispiel, das im Straßenverkehrsrecht erst kürzlich für Furore gesorgt hat: Das OLG Oldenburg hat einmal genauer hingesehen, ob eine jahrelang für rechtswirksam erachtete Verordnung (hier die Straßenverkehrsordnung) mit höherrangigem Recht vereinbar sei und dieses im Ergebnis verneint: Eine Winterreifenpflicht in der verordneten Form hielt das OLG Oldenburg für verfassungswidrig und damit rechtswidrig.

    Nach alledem kommt der VIII. Zivilsenat nur unter Missachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit tragenden rechtsstaatlichen Grundprinzipien (Gewaltenteilungsprinzip) zu dem unhaltbaren Ergebnis, Gassondervertragskunden hätten keinen Anspruch auf einen Schutz gem. § 307 BGB wegen intransparenter Preisanpassungsklauseln, sofern solche nicht von den (intransparenten) Preisänderungsregeln der Verordnungen abwichen.

    Aber das Urteil des VIII. Zivilsenats steht auch wegen der offensichtlichen Missachtung des (ebenfalls) auf Art. 3 Abs. 1 GG beruhenden „Willkürverbots“ in Misskredit, ebenso drängt sich ein Verstoß gegen den Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf „rechtliches Gehör“ (Art. 103 GG) auf und schließlich dürfte die Entscheidung den Anspruch der Kläger auf den „gesetzlichen Richter“ (Art. 101 Abs. 1 GG) in nicht hinnehmbarer Weise verkürzt haben.

    Das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG

    Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) weist in ständiger Rechtsprechung darauf hin, dass ein Richterspruch erst dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar sei und sich daher der Schluss aufdränge, dass er auf sachfremden Erwägungen beruhe, willkürlich sei.

    „Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung jedoch nicht willkürlich. Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird“ - so das BVerfG noch kürzlich in einer Entscheidung vom 12.10.2009 (1 BvR 735/09).

    Gemessen daran spricht hier vieles - wenn nicht sogar alles - tatsächlich für Willkür als Maßstab für die im letzten Sommer vom VIII. Zivilsenat zu treffende Entscheidung in Sachen EWE:

    Es ist schon kaum vorstellbar, dass der VIII. Zivilsenat die Gesetzesbegründung im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung nur mit Blick auf § 310 BGB zur Kenntnis genommen haben könnte, um den besagten zielgerichteten gesetzgeberischen Willen zur Gleichbehandlung von Grund- und Sondervertragskunden unter Ausschluss des in § 307 BGB bürgerlich-rechtlich verankerten Transparenzgebots zu ermitteln. Wer eine Norm wie § 310 BGB über ihren Wortlauf hinaus ausdehnen will, um so den Anwendungsbereich des § 307 BGB im Rahmen von Gassonderverträgen quasi auf NULL zu reduzieren, wird sich bei unbefangener Herangehensweise kaum den Überlegungen verschließen (können), die der Gesetzgeber zur Bedeutung des § 307 BGB, insbesondere aber zum darin verkörperten Transparenzgebot, abgegeben hat.

    Hätte der Senat diese Gesetzesbegründung zum § 307 BGB nicht ausgeblendet, quasi davor die Augen verschlossen, so hätten sich aus den in der Gesetzesbegründung zum § 307 BGB enthaltenen Gründen nicht nur Zweifel an dem von ihm unterstellten gesetzgeberischen Willen zu einer so umfassenden Gleichbehandlung (im Unrecht) aufdrängen müssen: Der Senat wäre dann auch zwingend auf die ausdrücklichen Anmerkungen des Gesetzgebers, die für eine äußerst enge Verzahnung des § 307 BGB mit den europarechtlichen Vorgaben (insbesondere der Klauselrichtlinie) sprechen, gestoßen, und er hätte sich infolge dessen der Frage nach der Auslegung der Klauselrichtlinie auch unter dem Kompetenzaspekt (Zuständigkeit des EuGH, nicht des VIII. Zivilsenats) konsequent stellen müssen (=> Vorlageverfahren zum EuGH).

    Nach alledem ist also davon auszugehen, dass der Senat sehr wohl zur Kenntnis genommen hat, welche Bedeutung der Gesetzgeber dem Transparenzgebot einräumt und der VIII. Zivilsenat es lediglich deshalb unterlassen hat, dieses zu würdigen, weil es ihm dann äußerst schwer gefallen wäre, das Preisanpassungsrecht in Sondervertragsverhältnissen auf Grundlage des Verordnungstextes nicht an § 307 BGB scheitern zu lassen. Ein solches Vorgehen ist aber verbotene „Willkür“!

    Nun mag man ja dem „Club der Freunde des VIII. Zivilsenats“ angehören und entgegnen, Willkür sei in derartigen Fällen trotzdem nicht unbedingt anzunehmen. Der VIII. Zivilsenat habe hier lediglich Aspekte übersehen, die die Entscheidung materiell fehlerhaft, aber nicht unbedingt verfassungswidrig dastehen lassen: Denen sei mit Blick auf die eben zitierte Entscheidung des BVerfG gesagt: Es ist Aufgabe des Gerichts, Recht zu sprechen auf Grundlage von Gesetz und Recht. Die „Rechtsblindheit“ - nicht zu erkennen, dass europarechtliche Vorschriften und ihre Umsetzung ins deutsche Recht heranzuziehen sind - und infolgedessen bei der Rechtsfindung einschlägige Normen gar nicht bzw. entgegen ihrer europarechtlichen Zweckrichtung anzuwenden bzw. nicht richtlinienkonform auszulegen, deutet an, dass die Bedeutung des Transparenzgebots aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB mit seinen europarechtlichen Bezügen in krasser Weise missverstanden und so in nicht mehr nachvollziehbarer Weise von der Anwendung ausgeschlossen wird. Ergo: Es liegt auch danach „Willkür“ vor. Die Grundrechte der Kläger des Ausgangsverfahrens aus Art. 3 Abs. 1 GG werden vom VIII. Zivilsenat verletzt.

    Aber auch eine verfahrensbezogene Gesamtschau spricht hier für Willkür: Wenn der Rechtsvertreter der am Revisionsverfahren beteiligten Sammelkläger - wie vom Terminsbeobachter „ESG-Rebell“ damals mitgeteilt - ausdrücklich in den Raum stellt, dass hier möglicherweise auch europarechtliche Vorschriften (die Gasrichtlinie) zu beachten seien, sich ein solch wichtiger Aspekt aber in den Entscheidungsgründen mit keiner Silbe wiederfindet und in der Entscheidung so völlig unberücksichtigt bleibt, dann kann sich das Gericht zu seiner Ehrenrettung nicht darauf berufen, es habe diesen Aspekt schlicht übersehen. Ist das Gericht ohnehin schon verpflichtet, die Rechtslage umfassend zu beachten und die einschlägigen Normen zur Entscheidungsfindung heranzuziehen, will es dem Willkürvorwurf entgehen, dann gilt das erst recht, wenn auf solche übernationalen Regelungsmaterien, die der schließlich getroffenen Entscheidung konkret im Wege stehen könnten, ausdrücklich hingewiesen worden ist. Die Ausblendung von einschlägigen europarechtlichen Vorschriften im Rahmen der Auslegung der §§ 310 und 307 BGB, insbesondere die Nichtbeachtung der Klauselrichtlinie sowie der Gasrichtlinie stellt einen Akt der Willkür dar, der das Urteil in Sachen EWE wegen eines Verstoßes gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG unheilbar verfassungswidrig und damit untragbar macht.

    Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) verletzt - Hinweis auf EuGH-Zuständigkeit übergangen

    Der Umstand, dass das Gericht in der EWE-Revisionsentscheidung mit keiner Silbe auf den Vorhalt des Klägervertreters RA Wassermann eingeht, der Übernahme einer intransparenten Preisanpassungsregelung aus der Gasverordnung in einen Sondervertrag stehe europäisches Recht entgegen, indiziert zudem einen bedeutenden Verstoß gegen den Klägeranspruch auf rechtliches Gehör. Der Einwand ist immerhin nicht unerheblich, wurde aber vom VIII. Zivilsenat überhaupt nicht weiter verfolgt, worauf nicht nur das völlige Fehlen dieses Aspektes in den Entscheidungsgründen des Urteils hindeutet. In einem neuerlichen Verfahren vor dem VIII. Zivilsenat (RWE - VIII ZR 162/09), wo erst vor wenigen Tagen die mündliche Verhandlung stattfand, hat der VIII. Senat (dem Verhandlungsbericht von „ESG-Rebell“ zufolge) signalisiert, der auch dort wesentlichen Rechtsfrage nachgehen zu wollen, ob nicht ein Vorabentscheidungsverfahren zum EuGH einzuleiten sei. Wäre diese Vorfrage inhaltlich (also bewusst) bereits im EWE-Verfahren, wo diese Frage von höchster Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits war, hinreichend geklärt worden, wie es RA Wassermann erbeten hatte, hätte das Gericht auf die dazu angestellte Erwägungen jetzt in dem RWE-Verfahren zurückgreifen können. Da der Senat aber dem Hinweis von RA Wassermann diesbezüglich keinerlei Bedeutung beimessen wollte, blieb diese Frage im EWE-Verfahren völlig ungeklärt und verkürzt somit den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör.

    Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG) verletzt - Hinweis auf Zuständigkeit des „Großen Senats für Zivilsachen“ übergangen

    Der Gehörsverstoß ergibt sich hier zudem aus dem übergangenen Vorhalt des Klägervertreters RA Wassermann, die einschlägige Rechtsprechung des Kartellsenats stehe einer Entscheidung des VIII. Zivilsenats im Sinne seiner Obiter Dictum-Entscheidungen entgegen, wonach die intransparente Preisänderungsregel der Gas-Verordnung in den Sondervertrag übernommen werden könne, ohne dass das dem Transparenzgebot des § 307 BGB widerspräche. Wie sich aus dem Terminsbericht von „ESG-Rebell“ ergibt, hat RA Wassermann damit also auf die Unzuständigkeit des VIII. Zivilsenats und der daraus folgenden Notwendigkeit, wegen der abweichenden Rechtsprechung verschiedener Senate (hier des Kartellsenats) den Großen Senat für Zivilsachen anzurufen.

    Den Entscheidungsgründen im EWE-Revisionsurteil lässt sich entnehmen, dass der VIII. Zivilsenat nicht einen einzigen Gedanken daran verschwenden wollte, ob die Kartellsenatsrechtsprechung zur Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln tatsächlich der eigenen Entscheidung, wie der Senat sie schließlich am 14.07.2010 fällte, entgegensteht - und (vor allem) warum er eine Vorlage an den Großen Senat nicht für erforderlich hielt. Die Thematik „Großer Senat“ wurde vom VIII. Zivilsenat trotz des darauf bezogenen Hinweises des Klägervertreters völlig ausgeklammert!

    Das Fehlen dieser „Zuständigkeitsfrage“ im Urteilstatbestand bzw. den Entscheidungsgründen deutet darauf hin, dass der VIII. Zivilsenat den Hinweis von Prozessvertreter RA Wassermann nicht zur Kenntnis genommen hat. Da der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aber nicht nur verbürgt, dass jede Partei sich in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht äußern darf, sondern zudem, dass wesentlicher Vortrag bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen ist, liegt hier auch unter dem Aspekt „Zuständigkeit des ‚Großen Senats’ “ ein Gehörsverstoß nahe, womit das grundrechtsgleiche Recht der Kläger des Ausgangsverfahrens auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt wäre.

    Die Pflicht zur Anrufung des Großen Senats wg. der entgegenstehenden Rechtsprechung des Kartellsenats (Urteil vom 29.04.2008 - KZR 2/07)

    Darüber, ob allein die einschlägige Rechtsprechung des Kartellsenats die Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen unbedingt erzwungen hätte, ließe sich vielleicht noch streiten:

    Der Kartellsenat hatte über eine Preisanpassungsklausel zu befinden, die dem Versorgungsunternehmen ein Preisanpassungsrecht einräumte, wenn eine Preisänderung durch dessen Vorlieferanten erfolgte („ ... ist berechtigt, die Gaspreise zu ändern, wenn eine Preisänderung durch die Vorlieferanten [...] erfolgt“), während im Übrigen die Gasverordnung (GasGVV) gelten sollte.

    Mit Blick auf die Frage, ob § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV Leitbildfunktion für die streitige Preisänderungsklausel zukomme, hebt der Kartellsenat ausdrücklich einen wesentlichen Unterschied zwischen Kunden hervor, die Gas in der Grundversorgung beziehen und solchen, die auf Grundlage eines Sondervertrags beliefert werden. Die Verordnung (GasGVV) mache lediglich deshalb keine Vorgaben zu Zeitpunkt und Inhalt von Preisänderungen (sei also intransparent), weil Tarifkunden zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen und Bedingungen beliefert werden und beliefert werden müssen. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass der Kartellsenat für Sondervertragskunden ein solches „Bedürfnis“ nach einer intransparenten Preisänderungsklausel schon deshalb nicht sieht, weil Sondervertragskunden zu den vereinbarten Konditionen dauerhaft nicht beliefert werden müssen. Der Versorger war und ist zur Beendigungskündigung berechtigt, will er den Kunden nicht mehr zu Sonderkonditionen beliefern. Dieser fiele dann automatisch in die Grundversorgung zurück.

    Der Kartellsenat stellt daneben darauf ab, dass der „allgemeine Tarif“, der das Verhältnis des Versorgungsunternehmens zum Kunden der Grundversorgung regelt, schon von Gesetzes wegen an den Maßstab der Billigkeit (§ 315 BGB) gebunden ist, woraus sich nicht nur das Recht zur Preiserhöhung ergebe, sondern zugleich die Pflicht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und (durch richtige Wahl des Zeitpunkts der jeweiligen Preisänderung) dafür Sorge zu tragen, dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden wie Kostenerhöhungen. Der Kartellsenat sah in dieser sich aus § 315 BGB ergebenden Pflicht ein notwendiges Element, das der vom Versorgungsunternehmen gestellten Preisänderungsklausel gerade fehlte.

    Hier wäre zumindest denkbar, dass der VIII. Zivilsenat trotz des klaren Hinweises des Kartellsenats auf den wesentlichen Unterschied, der zwischen grundversorgten Gaskunden hier und Sondervertragskunden dort besteht, davon ausgeht, die Rechtsprechung des Kartellsenats stehe seiner eigenen deshalb nicht im Wege, weil doch auch er - der VIII. Zivilsenat - bei Abweichung einer Preisänderungsklausel von der Gasverordnung (keine unveränderte Übernahme der Preisänderungsregelung aus der Verordnung in den Versorgungssondervertrag) die Klausel regelmäßig als eine den Verbraucher benachteiligende verwirft und gleichzeitig die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB als Korrektiv beschwört:

    Zitat
    „Dem Sonderkunden steht ebenso wie dem Tarifkunden oder dem Grundversorgungskunden eine Überprüfung von einseitigen Preisänderungen nach § 315 BGB offen“ (vgl. VIII ZR 246/08, Abs-Nr. 36).
    Die Pflicht zur Anrufung des Großen Senats wg. entgegenstehender Rechtsprechung des XI. Zivilsenats - Bankensenat - (Urteil vom 21.04.2009 - XI ZR 78/08)

    Nicht streiten lässt sich aber über die Frage, ob nicht zumindest die einschlägige Rechtsprechung des Bankensenats in Sachen EWE die Anrufung des Großen Senats für Zivilsachen zwingend erfordert hätte. Diese Frage ist mit einem klaren Ja zu beantworten:

    Der VIII. Zivilsenat rechtfertigt die wirksame Übernahme (in den Gassondervertrag ) der intransparenten Preisanpassungsregelung, wie sie in der Gasverordnung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ja enthalten sein soll, insbesondere damit, dass es doch jeder einzelne Sondervertragskunde (ebenso wie der Kunde aus der Grundversorgung) in der Hand habe, eine vom Versorger vorgenommene Preisänderung gem. § 315 BGB gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen zu lassen.

    Dabei geht der VIII. Senat also im Ergebnis davon aus, die Bindung eines dem Versorger womöglich eingeräumten einseitigen Preisfestsetzungsrechts an den Maßstab von § 315 BGB relativiere die Notwendigkeit klarer und verständlicher Preisänderungsklauseln in Gassonderverträgen, es käme darauf wegen des sich aus § 315 BGB ergebenden Korrektivs auf Transparenz nicht mehr entscheidend an.

    Dieser Überlegung (ich habe darauf in meinem Ausgangbeitrag bereits hingewiesen) hatte aber der Bankensenat bereits zu einem Zeitpunkt, als die EWE-Revisionsentscheidung noch gar nicht gefällt war, einen unüberwindbaren Riegel vorgeschoben:

    An dieser Stelle will ich wegen der Bedeutung der Entscheidung des Bankensenats für die Anrufung des Großen Senats in Sachen EWE die entsprechende Urteilspassage aus dem Urteil noch einmal zitieren:

    Zitat
    „Lässt eine Preis- und Zinsänderungsklausel weiter den Kunden darüber im Unklaren, ob und in welchem Umfang das Kreditinstitut zu einer Anpassung berechtigt oder zu seinen Gunsten verpflichtet ist, läuft auch die dem Kunden eingeräumte Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle weitgehend leer. Kommt es erst gar nicht zu einer gebotenen Herabsetzung des Preises oder Zinssatzes, versagt sie für gewöhnlich, weil der Kunde mangels hinreichenden Anhalts schon eine solche Verpflichtung des Verwenders zumeist nicht zu erkennen vermag. Erfolgt eine Preis- oder Zinsanpassung zu seinen Ungunsten, fehlt ihm die Beurteilungsgrundlage, ob sich die Anpassung im Rahmen des der Bank zustehenden Gestaltungsspielraumes bewegt oder ein Verfahren nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Erfolg betrieben werden kann“.
    Der Bankensenat nimmt bei dieser Argumentation also nicht etwa brachentypische (bankenspezifische) Besonderheiten in den Blick, die es rechtfertigen könnten, Preis- oder Zinsänderungsklauseln im Bankenbereich im Einzelfall vor dem Hintergrund des Transparenzgebotes anders zu beurteilen, als solche, die das Preisänderungsrecht in Gassonderverträgen regeln. Der Bankensenat setzt hier ausschließlich an der Funktion des § 315 BGB an und beschreibt aus dieser Perspektive, was eine nachträgliche gerichtliche Billigkeitsüberprüfung intransparenter Preisanpassungsreglungen gem. § 315 BGB leisten kann - und vor allem was nicht!

    Die dabei zum Ausdruck gebrachten Überlegungen des Bankensenats betreffen grundlegend und umfassend die von ihm abgelehnte Eignung des § 315 BGB in seiner Funktion als Korrektiv im oben genannten Sinne. Der Bankensenat verneint hier ausdrücklich, dass die Möglichkeit des Verbrauchers, eine Preisanpassung nach § 315 BGB zu verlangen, es rechtfertigen könnte, auf klare und verständliche, „transparente“ Preisänderungsklauseln eben, zu verzichten.

    Und der VIII. Zivilsenat durfte die Übertragbarkeit dieser Entscheidung des Bankensenats auch nicht etwa mit Blick auf eine im Bankenvertrag von vornherein vereinbarte Variabilität der Zinsvereinbarung (zumindest implizit, denn die Entscheidungsgründe verhalten sich dazu ja nicht) ablehnen, während es in Gassonderverträgen regelmäßig um die Befugnis zur nachträglichen Änderung eines ursprünglich vereinbarten (festen) Preises geht (vgl. zu dieser Überlegung die in einem anderen Sachzusammenhang unter Rd.-Nr. 53 getätigten Äußerungen des VIII. Zivilsenats in seiner EWE-Revisionsentscheidung).

    Denn die Entscheidung des Bankensenats bezieht sich - wie man der oben wiedergegebenen Begründungspassage des Urteils zweifelsfrei entnehmen kann - nicht nur auf Zinsänderungsklauseln, sondern schließt das in der Klausel enthaltene einseitige Preisänderungsrecht ausdrücklich in seine Überlegungen mit ein.

    Im Ergebnis greift der Bankensenat mit seiner Entscheidung die Überlegungen des Kartellsenats auf und stellt lediglich klar - was in der Kartellrechtsentscheidung wohl eher undeutlich geblieben ist - , dass sich nämlich schon aus der in den Sondervertrag einbezogenen Preisänderungsklausel mit hinreichender Sicherheit ergeben müsse, dass und vor allem in welchem Umfang der Verwender von Preisanpassungsklauseln zu einer Anpassung berechtigt oder zugunsten des Kunden verpflichtet sei. Der XI. Zivilsenat hat damit also lediglich das bekräftigt, was sich dem Gesetzgeber seiner Gesetzes-Begründung zu § 307 BGB zufolge in der Rechtsprechung der BGH-Senate oft zu undeutlich wiederspiegelt: das Transparenzgebot!

    Der VIII. Zivilsenat stellt also im Ergebnis fest, die Unklarheit der aus der Gasverordnung übernommenen Preisänderungsregel wiege deshalb nicht schwer, weil der Kunde doch die vorgenommen Preisänderung auf ihre Billigkeit gem. § 315 BGB überprüfen lassen könne. Der Bankensenat stellt hingegen fest, dass die Möglichkeit eines Verbrauchers, die erfolgte Preisänderung gem. § 315 BGB einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle zu unterziehen, ihm im Hinblick auf den Zweck des Transparenzgebots, dem einzelnen mit hinreichender Sicherheit schon im Vorfeld eines etwaigen Prozesses Klarheit über die Notwendigkeit sowie Angemessenheit einer Preisänderung zu verschaffen, überhaupt nicht weiterhilft und deshalb als Rechtfertigung der Verwendung unklarer Klauseln nicht taugt.

    Gerade einen Widerspruch der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der genannten Art hatte der Gesetzgeber im Blick, als er mit § 132 Abs. 2 GVG die von den Senaten des BGH zwingend zu beachtende Vorschrift erließ:

    Zitat
    „ Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat [...] abweichen will.“
    Sofern der XI. Zivilsenat auf Nachfrage (das Gesetz spricht von „Anfrage“ - vgl. § 132 Abs. 3 GVG) des VIII. Zivilsenat seine gerade erst auf Grundlage der Transparenzrechtsprechung aller übrigen Senate getroffenen Feststellungen zum Verhältnis des Transparenzgebots gem. § 307 BGB zur Unbilligkeitseinrede nach § 315 BGB nicht gleich wieder „über den Haufen geschmissen“ haben sollte, wofür nichts spricht, war eine von Amts wegen zu beachtende Vorlagepflicht an den Großen Senat in den EWE-Revisionsverfahren gegeben, deren Missachtung den Anspruch der Kläger auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 GG verkürzt.

    Da aber ein vom VIII. Zivilsenat unbeabsichtigtes „Unbeachtetlassen“ (ein irrtümliches Übersehen) der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bankensenats für sich genommen eher einem einfachen Rechtsanwendungsfehler gleichzusetzen wäre als einem Verfassungsverstoß, wie er im Falle des vorsätzlichen oder leichtfertigen „Entzugs seines gesetzlichen Richters“ gem. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG anzunehmen ist, ist es immer hilfreich, in Revisionsverfahren auf die möglicherweise entgegenstehende Rechtsprechung anderer Senate konkret hinzuweisen. So würde dann zumindest ein irrtümliches „Übersehen der möglicherweise entgegenstehenden Rechtsprechung anderer Senate des BGH“ ausscheiden, und die völlige Nichtberücksichtigung einer entgegenstehenden Entscheidung - wie die angesprochene des Banken-Senats - zu Lasten eines Verfahrensbeteiligten wäre schon von daher geeignet, den Verfassungsverstoß gem. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG (Entzug des gesetzlichen Richters) zu implizieren.

    Da die Entscheidung des VIII. Zivilsenat in Sachen EWE aber schon unter Missachtung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) sowie unter der beschriebenen willkürlichen Ausblendung entgegenstehender Rechtssätze zustande gekommen ist (Verstoß gegen das Willkürverbot - Art 3 Abs. 1 GG), liegt hier auch der Schluss nahe, dass dem Senat die seiner Entscheidung entgegenstehende Rechtsprechung des Bankensenats bekannt war, er sie aber in seiner EWE-Entscheidung lediglich deshalb nicht berücksichtigen wollte, weil diese (wiederum) mit der eigenen Rechtsansicht so gar nicht kompatibel war und ist.

    Wenn der VIII. Zivilsenat aus den genannten Gründen die Entscheidung nicht aus den Händen gibt, obwohl § 132 GVG das zwingend gebietet, so stellt sich die Frage, ob es dem VIII. Senat nicht doch eher darum geht, einer seiner Rechtsansicht evtl. entgegenstehenden endgültigen Entscheidung des Großen Senats zu Lasten der EVU durch selbstherrliche Nichtvorlage schon im Vorfeld den Boden zu entziehen.

    Dieser Eindruck ergibt sich auch wohl zwingend daraus, dass der VIII. Zivilsenat wie erwähnt die im Verhandlungstermin seiner Rechtsansicht ausdrücklich entgegengehaltene Rechtsprechung des Kartellsenats in seiner Entscheidung völlig ignoriert hat und so verdeutlicht, dass er die Vorlagefrage an den Großen Senat offenbar so scheut wie der „Teufel das Weihwasser“.

    Warum keine Verfassungsbeschwerde, sondern zurück zum OLG Oldenburg

    Sieht man sich die eben aufgelisteten und geradezu aufdrängenden Verfassungsverstöße an, die sich der VIII. Zivilsenat in den EWE-Revisionsverfahren meinte leisten zu können, so stellt sich natürlich die Frage, wie es angehen kann, dass immer noch nicht das Bundesverfassungsgericht mit der Sache betraut wurde, um ggf. so die Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen oder den EuGH als die zuständigen gesetzlichen Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG zu erzwingen.

    Der Grund, dass die Verfahren (auf eine den Klägern natürlich völlig freigestellte Verfassungsbeschwerde) bisher noch nicht vor dem BVerfG gelandet sind, statt dessen auf eine neuerliche Entscheidung des OLG Oldenburg in der Sache warten, liegt vor allem darin begründet, dass die Verfassungsbeschwerde quasi die „Ultima Ratio“ darstellt, mit der jeder Betroffene seine verfassungsmäßigen Rechte vor dem BVerfG durchzusetzen kann. Der VIII. Zivilsenat hat die Sache aber ja bekanntlich an das OLG Oldenburg zurückverwiesen und so die Berufungsinstanz neu eröffnet. Damit besteht für die vor dem VIII. Zivilsenat teilweise übergangenen Kläger in dem wieder aufgenommenen Berufungsverfahren die realistische Chance, ihre Rechtspositionen ohne Inanspruchnahme des BVerfG durchzusetzen. Und solange eine solche Chance besteht, „sein Recht“ auf dem Instanzenweg zu erlangen, ist eine Verfassungsbeschwerde unzulässig. Sollte das OLG in den anstehenden Verfahren feststellen, dass die Verordnungen (AVBGasV oder GasGVV) gar nicht wirksam in die Sonderverträge einbezogen worden sind, wovon wohl in der überwiegenden Zahl der Fälle auszugehen ist, so fehlte es der EWE an einem Preisänderungsrecht und das Unternehmen würde antragsgemäß verurteilt. Den bedenklichen und hier beschriebenen Verfassungsverstößen und materiellen Fehlvorstellungen, denen sich der VIII. Zivilsenat in der Revisionsinstanz hingegeben hat und die er sich auf jeden Fall vorhalten lassen muss, könnten sich für diejenigen Kläger, die den Prozess vor dem OLG Oldenburg endgültig gewinnen würden, aber nicht mehr nachteilig auswirken. Und so wird für diese (erfolgreichen) Kläger mit dem Urteil des OLG das Verfahren wohl beendet sein (Ich rechne nicht damit, dass das OLG die Revision erneut zulassen wird und auch eine etwaige Nichtzulassungsbeschwerde der EWE dürfte für das Unternehmen kaum mehr erfolgreich verlaufen). Für eine Entscheidung des BVerfG bliebe dann insoweit kein Raum mehr.

    Dieses hat natürlich den bitteren Beigeschmack, dass die aus den genannten Gründen unhaltbare Revisionsentscheidung des VIII. Zivilsenats inkl. der Missachtung der europäischen Rechtsmaterie so wohl vorerst noch eine Weile im Raume stehen bleibt und weitläufig als Präzedenzentscheidung wahrgenommen wird, an der sich das eine oder andere Gericht bei seiner Rechtsfindung orientieren dürfte. Den EVU soll’s sicher recht sein. Für den Verbraucherschutz und einen Wettbewerb, der auf dem Gassektor erst noch richtig Fahrt aufnehmen soll, ist das sicherlich ein Worst-Case-Szenario. Insofern hatte Markert wohl Recht, als er in seinem Aufsatz „Die Kontrolle der Haushaltspreise für Strom und Gas nach §§ 307, 315 BGB“ (ZMR 2009, 898 (901)) feststellte: „Trotz dieser Einwände muss jedoch davon ausgegangen werden, dass der VIII. Zivilsenat erst einmal auf längere Sicht bei seiner als amtliche Leitsätze formulierten Position bleibt und die Praxis sich darauf einstellen muss“.

    Das OLG Oldenburg als Hoffnungsträger für eine Vorlage an den EuGH?

    Es wurde ja auch hier im Forum bereits die Hoffnung geäußert, das OLG Oldenburg werde womöglich wegen der europarechtlichen Dimension (wie ich sie in meinem Ausgangsbeitrag näher beschrieben habe) die Sache dem EuGH in Luxemburg in einem Vorabentscheidungsverfahren vorlegen.

    Ein Vorabentscheidungsverfahren hat im Jahre 2009 im Durchschnitt 17,1 Monate in Anspruch genommen, so dass nach einer solchen Entscheidung durch den EuGH das Berufungsverfahren vor dem OLG Oldenburg dann in etwa 1 ½ Jahren fortgesetzt werden könnte.

    Nun - zugegebenermaßen - ein wenig Spekulation:

    Auch wenn sich ein solches Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH eigentlich jetzt geradezu aufdrängt, so bin ich nicht zuletzt aus prozessualen Gründen aber doch eher skeptisch, ob es zu einer Vorlageentscheidung durch das OLG Oldenburg zum EuGH tatsächlich kommen wird. Und zwar nicht etwa, weil das OLG die erhebliche europarechtliche Bedeutung nun plötzlich wieder anders einschätzte, als wohl noch in der mündlichen Verhandlung vor wenigen Wochen, wo das Gericht ja die Bereitschaft zur Vorlage deutlich zu erkennen gegeben haben soll. Nein - eine Vorlage könnte daran scheitern, dass es auf die besagte europarechtliche Frage für die Entscheidung des Rechtsstreits möglicherweise gar nicht mehr ankommt.

    Wenn das OLG in einer Vielzahl von Fällen - wie zu hören war - von der beklagten EWE tatsächlich gar keinen konsistenten und widerspruchsfreien - erheblichen - Vortrag erhalten hat, aus dem sich ergeben könnte, dass die Gas-Verordnung zweifelsfrei und wirksam in den jeweiligen Gassondervertrag einbezogen worden ist, dann kann das OLG im Endeffekt auch nicht von einer wirksamen Einbeziehung ausgehen. Die EWE dürfte also insoweit mangels Einbeziehung der Gas-Verordnung den Prozess ohne weiteres verlieren.

    Nur in den paar wenigen Verfahren, die dann noch übrig sind und wo die Einbeziehungsthematik eher ungeklärt erscheint und deshalb vom OLG eine Beweisaufnahme/Vorlage an den EuGH in Aussicht gestellt worden ist, könnte es spannend werden. Soweit es das OLG vorzieht, vor einer Vorlage an den EuGH zunächst eine Beweisaufnahme durchzuführen (weniger aufwändig, als einen Vorlagebeschluss an den EuGH zu verfassen), kann der EWE kaum daran gelegen sein, die Einbeziehung der Verordnung in den Sondervertrag nachzuweisen.

    Denn dann stellte sich doch sofort wieder die zwingende Frage, ob eine aus der Verordnung unverändert übernommene intransparente Preisänderungsregel, wie sie ja der VIII. Zivilsenat für rechtlich unproblematisch hält, nicht gegen europäisches Recht (Stichwort: Klauselrichtlinie bzw. Gasrichtlinie - siehe dazu meinen Ausgangsbeitrag weiter oben) verstößt. Und da hat das OLG ja schon seine Absicht bekundet, nötigenfalls den EuGH anzurufen.

    Setzen sich aber auch in diesen Zweifelsfällen die Kläger durch, weil es der EWE einfach nicht gelingen „will“, das OLG davon zu überzeugen, dass die Gas-Verordnung wirksam einbezogen worden ist, gewinnen auch diese Kläger ihren Rechstreit, und das OLG kann Endurteile schreiben, statt eine nicht mehr erforderliche Vorlage an den EuGH zu formulieren.

    Und jetzt mal ehrlich: Wie hoch dürfte die Motivation der EWE eigentlich einzuschätzen sein, die paar Verfahren, um die noch ernsthaft gestritten wird, unbedingt zu gewinnen, um dann als Belohnung vor dem EuGH zu landen und wirklich zu riskieren, dass ihr dieses noch verbleibende Pfund (die vom VIII. Zivilsenat vorgegebene Rechtsposition), mit dem sie zumindest gegenüber ihren „nicht aufsässigen Kunden“ noch wuchern kann (und diese sollen immerhin einen Anteil von über 90 % der EWE-Kundschaft ausmachen), vom EuGH geradezu aus der Hand geschlagen wird.

    Ich glaube, diese Motivation wird bei der EWE alles andere als hoch einzuschätzen sein. Die EWE steckt also in einer erheblichen Zwickmühle. Den Prozess zu verlieren ist schlimm, den Versuch zu unternehmen, ihn zu gewinnen, fast noch schlimmer: Weist das Unternehmen vor dem OLG in nur einem einzigen Fall nach, dass es zu der Einbeziehung der Verordnung in den Sondervertrag gekommen ist, ist Luxemburg am Zuge. Deshalb glaube ich eher, dass die EWE diese (wohl nur) sehr kleine Zahl an Verfahren auch noch „sausen lassen“ wird, sollte es der beklagten EWE nicht gelingt, gerade mit diesen Klägern eine einvernehmliche Regelung - einen Vergleich - zu schließen.

    Der EuGH ohne ein vom OLG eingeleitetes Vorabentscheidungsverfahren?

    Leitet das OLG Oldenburg kein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH ein, so stellt sich natürlich die Frage, welche Chancen es gibt, die grundsätzlich bedeutsame Frage, ob die besagte Übernahme einer völlig intransparenten Preisanpassungsregel, wie sie in der Verordnung stecken soll, gegen europäisches Recht verstößt, auf sonstigen Gleisen vor den EuGH zu bringen!?

    Wie ich in meinem Ausgangsbeitrag bereits gesagt habe, besteht für einen einzelnen Verfahrensbeteiligten keine Möglichkeit, den EuGH selbständig - quasi wie ein ordentliches deutsches Gericht - anzurufen mit der Bitte, eine bestimmte Richtlinie ihrem Sinngehalt nach auszulegen.

    Deshalb macht es für Verfahrensbeteiligte, die in einem Revisionsverfahren vor dem VIII. Zivilsenat landen (wie jetzt in Sachen VIII ZR 162/09 - RWE), unbedingt Sinn, den VIII. Zivilsenat verstärkt dazu zu bewegen, den Großen Senat für Zivilsachen des BGH bzw. den EuGH anzurufen. Bezüglich der Vorlage an den Großen Senat wäre natürlich auf die grundsätzlichen Widersprüche hinzuweisen, die zu den Entscheidungen etwa des Kartellsenats, aber insbesondere des Bankensenats bestehen (s.o.), was eine Vorlage durch den VIII. Zivilsenat nach § 132 GVG unbedingt erzwingt.

    Eine erfolgte Vorlage an den Großen Senat würde dann entweder dazu führen, dass dieser die Rechtsansicht des VIII. Zivilsenats unter Bekräftigung der gefestigten Transparenz-Rechtsprechung praktisch aller BGH-Zivilsenate verwirft und eine widerspruchsfreie Grundsatzentscheidung trifft, die dem Verbraucherschutzaspekt des AGB-Rechts - insbesondere § 307 BGB - endlich wieder den Raum einräumt, der ihm auch in Gaslieferungsverträgen zukommt. An eine solche Entscheidung wäre der VIII. Zivilsenat dann gebunden. Der EuGH müsste nicht mehr angerufen werden.

    Oder - was jedoch sehr unwahrscheinlich sein dürfte, weil ein solches Ergebnis nur im Falle der krasser Missachtung wesentlicher Rechtssätze, insbesondere von Grundrechten der Verfahrensbeteiligten zustande kommen könnte - der Große Senat möchte sich der „verbraucherfeindlichen“ Rechtsansicht des VIII. Zivilsenats anschließen und das AGB-Recht ebenso „über den Haufen werfen“. Dann aber stellte sich auch für den Großen Senat die Frage nach der Bedeutung und Reichweite der europäischen Regelungen, die auf das deutsche Recht einwirken. In dem Falle müsste dann eben der Große Senat ein Vorabentscheidungsverfahren einleiten und die Frage zunächst dem EuGH vorlegen.

    Das Problem dürfte aber zur Zeit wohl eher darin zu sehen sein, dass sich der VIII. Zivilsenat ja standhaft weigert anzuerkennen, dass er hier keine Alleinzuständigkeit für sich in Anspruch nehmen kann. Man wird sehen, ob er diese Linie in den anstehenden Verfahren durchhält. Anscheinend steigt er ja - ERST JETZT!?, aber immerhin - in eine entsprechende Prüfung der europäischen Rechtsfragen ein. Man darf durchaus skeptisch sein, was das Ergebnis dieser Prüfung angeht. Und so dürften nötigenfalls über kurz oder lang verfassungsrechtliche Konsequenzen (Verfassungsbeschwerden) dort zu ziehen sein, wo diese nicht von vornherein an der Zulässigkeitsschranke scheitern müssten.

    Das EU-Recht und die vom VIII. Zivilsenat gerissene Umsetzungslücke

    Mit seiner grundsätzlichen Rechtsprechung hat der VIII. Zivilsenat „Deutschland“ - wie ich es in meinem Ausgangsbeitrag bezeichnet habe - tatsächlich in „Teufels Küche“ gebracht, weil er die nationalen Vorschriften, insbesondere §§ 310 und 307 BGB entgegen der besagten höchstrichterlichen AGB-Rechtsprechung zum Transparenzgebot derart „richtlinienkonträr“ interpretiert, dass die bisher sicher gerechtfertigte Vorstellung des Gesetzgebers, insbesondere die Klauselrichtlinie und die Gasrichtlinie seinen hinreichend ins deutsche Recht umgesetzt worden, nun nicht mehr mit der Realität übereinstimmt.

    Damit liegt seit der Entscheidung des VIII. Zivilsenats in Sachen EWE aus Juli 2010 eine beachtliche Umsetzungslücke vor.

    Eine nicht hinreichend oder nicht rechtzeitig umgesetzte Richtlinie stellt für sich genommen aber einen erheblichen Verstoß gegen die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Pflichten eines Mitgliedsstaates dar, europäische Vorgaben in nationales Recht umzusetzen, was dazu führen kann, dass wegen dieses Verstoßes gegen den betreffenden Staat durch die Europäische Kommission ein sog. „Vertragsverletzungsverfahren“ eingeleitet werden muss.

    Dabei sind die Anforderungen, die der EuGH an die jeweiligen Umsetzungsakte in inhaltlicher Hinsicht stellt, bemerkenswert hoch, wie eine wichtige Grundsatzentscheidung des EuGH ausgerechnet im Anwendungsbereich der besagten Klauselrichtlinie 93/13/EWG zeigt (Urteil des EuGH vom 10.05.2001, Rs. C-144/99, Kommission der EG/Königreich der Niederlande).

    Um die Bedeutung dieser Entscheidung für die hier vorliegende Rechtsfrage - für die Entscheidungsfindung des VIII. Zivilsenats insgesamt - aber auch für die anstehende Entscheidung des OLG Oldenburg zu verstehen bzw. richtig einordnen zu können, soll an dieser Stelle ein kurzer Blick gerichtet werden auf das dem EuGH-Urteil zugrunde liegende „Vertragsverletzungsverfahren“, das die EU-Kommission gegen die Niederlande vor dem EuGH angestrengt hatte. Dass der VIII. Zivilsenat diese Entscheidung des EuGH in seiner EWE-Revisionsentscheidung nicht herangezogen und gewichtet hat, ist geradezu ein unverzeihlicher Kardinalfehler. Insoweit wird interessant sein, ob der Senat in den zur Zeit bei ihm anhängigen weiteren Revisionsverfahren, wo er seine Übernahmerechtsprechung unter dem europäischen Blickwinkel erneut einer kritischen Würdigung zu unterziehen hat, neben der Gas- und Klauselrichtlinie gerade dieses EuGH-Urteil nun doch noch verwerten und dabei dann dessen Bedeutung für die von ihm einfach in den Raum geworfene „Übernahmerechtsprechung“ erkennen wird.

    An der Entscheidung des EuGH zeigt sich noch einmal sehr deutlich, inwiefern in Deutschland durch die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats ein Umsetzungsdefizit zumindest in Bezug auf die Klauselrichtlinie entstanden ist.

    Das Urteil des EuGH vom 10.05.2001 zur Normklarheit

    In den Niederlanden besteht ein dem deutschen BGB entsprechendes „Burgerlijk Wetboek“ (BW). Darin finden sich auch Regelungen, unter welchen Bedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam („anfechtbar“) sind.

    Die EU-Kommission konnte in diesem niederländischen BW aber keine Regelungen erkennen, die Art. 4 Abs. 2 sowie Art. 5 der Klauselrichtlinie entsprachen. In diesen EU-Vorschriften ist - noch einmal zur Erinnerung - das Transparenzgebot geregelt und wie zu verfahren ist, wenn die niedergelegten Klauseln dem Transparenzgebot nicht entsprechen. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt, dass sich die Missbrauchskontrolle sogar auf die Angemessenheit des Preises, der für Güter zu entrichten ist (Preisvereinbarung), zu erstrecken hat, sofern die darauf bezogenen Klauseln unklar und unverständlich abgefasst sind. Dieses gilt also erst recht für hier interessierende „Preisnebenabreden“ (Preisänderungsklauseln) - die nur mittelbare Auswirkungen auf die Preisgestaltung haben und an deren Stelle, sofern eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives (also vertraglich abänderbares) Recht treten kann. Art. 5 der Klauselrichtlinie hebt dann noch einmal ausdrücklich hervor, dass alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten schriftlich niedergelegten Klauseln immer klar und verständlich abgefasst sein müssen und dass bei Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel die für den Verbraucher günstigste Auslegung zu gelten habe.

    Wegen der sich der Kommission aufdrängenden nicht vollständig erfolgten Umsetzung der genannten Bestimmungen aus der Klauselrichtlinie leitete sie schließlich vor dem EuGH ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Niederlande ein.

    Die Niederlande, die nach Erlass der Klausel-Richtlinie meinten, auf eine gesetzgeberische Anpassung ihres BW gänzlich verzichten zu können, weil sie die in der Richtlinie zum Ausdruck gebrachten Rechtsgrundsätze und Regelungen in ihrem BW bereits hinreichend berücksichtigt sahen, „verteidigten“ sich vor dem EuGH mit dem Hinweis, zumindest aber könnten die von der Richtlinie verfolgten Ziele durch eine systematische Auslegung der niederländischen Vorschriften erreicht werden. Damit war die richtlinienkonforme Auslegung des niederländischen Rechts angesprochen.

    Dem folgte der EuGH aber nicht und stellte mit Blick auf den Verbraucherschutz Grundsätzliches fest (vgl. Rd-Nr. 17-18 und 21 der Entscheidung):

    Zitat
    17
    „Nach ständiger Rechtsprechung verlangt die Umsetzung einer Richtlinie zwar nicht notwendig in jedem Mitgliedstaat ein Tätigwerden des Gesetzgebers, es ist jedoch unerlässlich, dass das fragliche nationale Recht tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie durch die nationalen Behörden gewährleistet, dass die sich aus diesem Recht ergebende Rechtslage hinreichend bestimmt und klar ist und dass die Begünstigten in die Lage versetzt werden, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (Urteil vom 23. März 1995 in der Rechtssache C-365/93, Kommission/Griechenland, Slg. 1995, I-499, Randnr. 9)\".

    18
    \"Wie der Gerichtshof hervorgehoben hat, ist diese letzte Voraussetzung besonders wichtig, wenn die Richtlinie darauf abzielt, den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten Ansprüche zu verleihen (Urteil Kommission/Griechenland, Randnr. 9). Gerade das ist hier jedoch der Fall, denn die Richtlinie bezweckt nach ihrer sechsten Begründungserwägung u. a., den Bürger in seiner Rolle als Verbraucher beim Kauf von Waren und Dienstleistungen mittels Verträgen zu schützen, für die die Rechtsvorschriften anderer Mitgliedstaaten gelten\".

    21
    \"Zu dem Vorbringen der niederländischen Regierung, der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung der niederländischen Regelung, der vom Hoge Raad der Nederlanden bestätigt worden sei, erlaube es jedenfalls, Unterschiede zwischen den Bestimmungen des niederländischen Rechts und denen der Richtlinie zu beheben, genügt der Hinweis, dass - wie der Generalanwalt in Nummer 36 seiner Schlussanträge ausgeführt hat - eine etwa bestehende nationale Rechtsprechung, die innerstaatliche Rechtsvorschriften in einem Sinn auslegt, der als den Anforderungen einer Richtlinie entsprechend angesehen wird, nicht die Klarheit und Bestimmtheit aufweisen kann, die notwendig sind, um dem Erfordernis der Rechtssicherheit zu genügen. Dies gilt ganz besonders im Bereich des Verbraucherschutzes“.

    Der EuGH macht hier also deutlich,
    • dass die nationalen Vorschriften zu gewährleisten haben - also sicherstellen müssen -, dass die Richtlinien in ihrem Regelungsgehalt tatsächlich vollständig zur Anwendung kommen;
    • dass das dazu ergangene nationale Recht hinreichend bestimmt und klar zu sein hat;
    • dass dieses Klarheits- und Bestimmtheitsgebot im Falle der Klauselrichtlinie besonders wichtig ist, weil die Klauselrichtlinie (auch) darauf abzielt, den Angehörigen anderer Mitgliedsstaaten Ansprüche zu verleihen;
    • dass eine richtlinienkonforme Auslegung unklarer nationaler Vorschriften durch die nationalen Gerichte niemals geeignet ist, auf klare und bestimmte nationale Vorschriften zu verzichten, weil ein solches Verfahren dem Erfordernis der Rechtssicherheit nicht genügt;
    • dass die Bestimmtheit und Klarheit der Umsetzungsnormen ein unverzichtbares Element des Verbraucherschutzes darstellt
    Auf die deutsche Rechtslage übertragen, haben wir eine fast absurd zu nennende Konstellation, auf die sich diese Grundsätze der EuGH-Entscheidung dennoch leicht anwenden lassen: Der § 307 BGB enthält mit eindeutiger Klarheit und Bestimmtheit das Transparenzgebot, das der EuGH in seiner eben genannten Entscheidung in seiner Bedeutung für den Verbraucherschutz herausgestellt hat. Die vom VIII. Zivilsenats vorgenommene Auslegung der §§ 310 und 307 BGB - über den Umweg eines unterstellten gesetzgeberischen Willens zu einer Gleichbehandlung (im Unrecht) und eines vom „Gesetzgeber“ angeblich gesetzten Maßstabs, wie Sondervertragskunden behandelt werden dürfen - nimmt einer klaren und bestimmten Norm, die Rechtssicherheit vermittelt, dem § 307 Abs. 1 S. 2 BGB , die Normklarheit und führt so erst zu einer vollendeten Rechtsunsicherheit.
    Damit reißt der VIII. Zivilsenat ohne Not - wenn auch aus naheliegenden Gründen - nachträglich eine Umsetzungslücke, die Deutschland von der Kommission vorgehalten werden dürfte und bei Untätigkeit des Gesetzgebers zu einem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik führen sollte.

    Dem Gesetzgeber ist hier sicherlich kein direkter Vorwurf zu machen, wenn ein BGH-Senat derart aus dem Ruder läuft und in der beschriebenen Weise eine Umsetzungslücke aufreißt. Aber - der Gesetzgeber kann sich hier nicht zurücklehnen. Wenn sich der VIII. Zivilsenat nicht doch noch eines Besseren besinnt und seine „Übernahmerechsprechung“ dorthin wirft, wo sie eigentlich hingehört, so ist der Gesetzgeber nach der eben zitierten Rechtsprechung des EuGH aufgerufen, die vom VIII. Zivilsenat geschaffene Unklarheit zu beseitigen. Er hat dazu nötigenfalls durch gesetzgeberische Maßnahmen zu „gewährleisten“ (siehe die vorgenannte EuGH-Entscheidung), dass sowohl die Klauselrichtlinie als auch die Gas-Richtlinie vollständig zur Anwendung kommen und nicht etwa Gas-Sondervertragskunden aus ihrem Schutzbereich ausgegrenzt werden, wie es der VIII. Zivilsenat gerne hätte. Der Gesetzgeber hat also nötigenfalls durch eine Klarstellung im Gesetz selbst dafür Sorge zu tragen , dass eine Auslegung des Gesetzes, wie sie der VIII. Zivilsenat für angezeigt hält, nicht weiterhin möglich ist.

    Das OLG Oldenburg und die zu beachtende Entscheidung des EuGH vom 10.05.2001

    Sollte sich die eben zitierte Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2001 denn nicht eigentlich auch auf die nach der Zurückverweisung durch den BGH wieder beim OLG Oldenburg anhängigen Berufungsverfahren auswirken? - Eigentlich schon!

    Soweit das OLG ohne Beweisaufnahme feststellen kann, dass eine Einbeziehung der Gas-Verordnung in den Versorgungsvertrag nicht gegeben ist, wird es den Klagen gegen die EWE ohne weiteres stattgeben.

    Ist aber eine Beweisaufnahme tatsächlich erforderlich, um die Einbeziehungsfrage zu klären, wird das OLG sicher überlegen, ob es eine solche Beweisaufnahme sofort durchführen oder die Einbeziehung wiederum unterstellen sollte, um die Sache dann dem EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren vorzulegen mit der Frage, ob die (unterstellte) Einbeziehung einer unklaren gesetzlichen Bestimmung (Preisanpassungsrecht aus der Gas-Verordnung (AVBGasV)) nicht gegen europäisches Recht, insbesondere die Klausel- sowie die Gasrichtlinie verstößt!?

    In diesem Zusammenhang spricht aber einiges dafür, dass der EuGH mit dem eben genannten Urteil zumindest die Klauselrichtlinie in einem auch hier bedeutenden Reglungszusammenhang bereits hinreichend klar ausgelegt hat. Dieses Auslegungsergebnis könnte dann aber auch der Entscheidung des OLG Oldenburg unmittelbar zugrunde gelegt werden:

    Wenn der EuGH in der zitierten Entscheidung betont, dass es die (auch hier zu berücksichtigenden) Vorschriften der Klauselrichtlinie (Art 4 Abs. 2 und Art. 5) erfordern, dass der Gesetzgeber durch klare und bestimmte gesetzliche Regeln gewährleistet - also zwingend sicherzustellen hat - , dass die in der Richtlinie verkörperten und den Verbrauchern zugedachten Schutzansprüche in einer Form, die dem Erfordernis der Rechtssicherheit Rechnung trägt, zum Tragen kommen, so steht einer BGH-Entscheidung, die die gesetzliche Klarheit und Bestimmtheit des § 307 BGB in ihr Gegenteil verkehrt, europäisches Recht in der durch den EuGH vorgenommenen Auslegung entgegen.

    Da der Gesetzesvorrang europäischer Vorschriften (wie in meinem Ausgangsbeitrag bereits erklärt) die Anwendung nationaler Regelungen ausschließt, die dem europäischen Recht entgegenstehen, könnte bzw. müsste das OLG Oldenburg sogar eine Auslegung des VIII. Zivilsenats und damit die Entscheidung selbst unbeachtet lassen, soweit diese der durch die Klausel-Richtlinie zwingend vorgegebenen und vom EuGH bestätigten Normklarheit, Normbestimmtheit und dem Schutzniveau (Verbraucherschutz) den Boden entzieht.

    Wenn schon eine unklare und unbestimmte gesetzliche Vorschrift, die von den nationalen Gerichten tatsächlich richtlinienkonform ausgelegt werden, nach dem eben bezeichneten Urteil des EuGH nicht mit dem europäischen Recht vereinbar ist, so muss das erst recht für eine nationalstaatliche Gerichtsentscheidung (VIII. Zivilsenat) gelten, die durch Ausblendung europarechtlicher Vorgaben einer klaren und bestimmten Norm - dem § 307 BGB - ihren gesetzgeberisch definierten Anwendungsbereich nimmt und so der Rechtsunsicherheit zu Lasten des Verbraucherschutzes geradezu Vorschub leistet.

    Auf die Bedeutung, die der Gesetzgeber der Klarstellung gem. § 307 BGB gerade mit Blick auf die Klauselrichtlinie beigemessen hat, habe ich ja unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung zu § 307 BGB (BT-Drs 14/6040, S. 154) weiter oben schon hingewiesen.

    Es bleibt also festzuhalten: Da die Grundsatzentscheidung, die der VIII. Zivilsenat am 17. Juli 2010 getroffen hat, in entscheidenden Punkten gegen die konkrete Auslegung der Klauselrichtlinie, wie diese sie durch das Urteil des EuGH vom 10.05.2001 erfahren hat, verstößt, könnte das OLG wohl sämtlichen Klagen, die ihr in Sachen EWE nach der Zurückverweisung wieder zur Entscheidung vorliegen, ohne vorherige Beweisaufnahme und ohne Vorabentscheidungsverfahren stattgeben. Es könnte den Rechtsstreit nämlich auf Grundlage der Transparenzrechtsprechung der BGH-Senate und des Rechtsverständnisses, wie es der Gesetzgeber in seiner Begründung zu § 307 BGB geäußert hat, gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB selbständig zugunsten der Kläger entscheiden.

    Sollte daraufhin der VIII. Zivilsenat in einem womöglich sich anschließenden neuerlichen Revisionsverfahren in gleicher Sache erneut die einschlägigen europäischen Regelungsmaterien (Richtlinien, EuGH-Entscheidungen etc.) missachten oder sich eine entgegenstehende Auslegung der Richtlinie(n) selbst anmaßen, wäre der Weg zum Bundesverfassungsgericht wohl endgültig frei.

    Eine bevorstehende „Bürgerbeschwerde“

    Mit einer Entscheidung in der Sache durch das OLG (ohne etwaige „Einschaltung“ des EuGH) wäre die Umsetzungslücke, die der VIII. Zivilsenat hinsichtlich der Klausel- sowie der Gasrichtlinie gerissen hat, aber noch keinesfalls geschlossen. Die Entscheidung des VIII. Zivilsenats mit seiner „Vorbildwirkung“ bliebe in der Welt. Wie kann man nun eigentlich den deutschen Gesetzgeber dazu animieren, entsprechend tätig zu werden? Denn dass dieser tätig werden muss, steht ja nach dem oben Gesagten (vgl. oben „Das Urteil des EuGH vom 10.05.2001 zur Normklarheit“) völlig außer Frage!?

    Es gibt den mittelbaren Weg über die Europäische Kommission, die darüber wacht und zu wachen hat, dass europäische Binnenmarktsrichtlinien vollständig ins nationale Recht umgesetzt werden. Dazu ist die Kommission aber natürlich in Einzelfällen auf Hinweise aus der Bevölkerung auf einen Umsetzungsverstoß angewiesen.

    Und so ist es möglicherweise noch gar nicht so recht ins Bewusstsein der Bevölkerung vorgedrungen, dass dazu jeder EU-Bürger die Möglichkeit hat, sich mit einer sog. „Bürgerbeschwerde“ direkt an die EU-Kommission zu wenden.

    Mit einer solchen „Bürgerbeschwerde“ kann der EU-Bürger gegenüber der Kommission rügen bzw. auch nur die Vermutung äußern, dass eine innerstaatliche Regelung (Rechts- oder Verwaltungsvorschrift) oder Verwaltungspraxis einen Verstoß gegen eine Bestimmung oder einen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts darstellt. Eine solche allgemeine Beschwerde hat also nicht etwa zum Ziel, den zugrunde liegenden Einzelfall zu klären („EWE will zu viel Geld von mir, muss ich zahlen ...!?“), sondern dient in erster Linie der Überprüfung der Umsetzung von EU-Rechtsakten und damit der Vereinheitlichung des Rechts in den Mitgliedsstaaten.

    Sofern eine solche Beschwerde nicht ohne jegliche Substanz ist, prüfen die Dienststellen der Kommission (regelmäßig innerhalb eines Jahres) nach Eingang der Beschwerde anhand der einschlägigen Bestimmungen des europäischen Rechts und der Gewichtigkeit des potenziellen Verstoßes, der mit der Beschwerde gerügt wird, ob ein „Vertragsverletzungsverfahren“ eingeleitet werden muss.

    Hält die Kommission den mit der Beschwerde verbundenen Vorwurf für berechtigt und erheblich, verfolgt sie die Sache weiter und gibt dem betroffenen Mitgliedsstaat in einem sog. „Mahnschreiben“ auf, sich zu der aufgeworfenen Frage zu äußern. Eine solche Äußerung des Mitgliedsstaates auf die Anfrage der Kommission sollte im Allgemeinen nicht länger als zwei Monate auf sich warten lassen. Die Kommission setzt dazu eine entsprechende Frist.

    Verstreicht die Frist fruchtlos - oder hilft der Mitgliedsstaat dem von der Kommission erkannten Missstand nicht alsbald ab, kann die Kommission den EuGH anrufen und gegen den Mitgliedsstaat die sog. „Vertragsverletzungsklage“ erheben.

    Die Entscheidung liegt dann - wie bei einem Vorabentscheidungsverfahren - beim EuGH.

    Die voraussichtlichen Erfolgsaussichten der Bürgerbeschwerde

    Ob die „Bürgerbeschwerde“ Erfolgsaussichten haben kann, hängt natürlich immer sehr stark vom Einzelfall ab. Vorliegend würde es dann aber doch mehr als überraschen, wenn die EU-Kommission hier nicht dringenden Handlungsbedarf sehen würde. Dieses aus zwei Gründen:

    Die Europäische Kommission betont zum Einen regelmäßig den großen Stellenwert, den sie dem Verbraucherschutz einräumt und wie er ja auch in verschiedenen Richtlinien zu Ausdruck kommt. Auf der anderen Seite will sie den Wettbewerb fördern - und dieses ebenfalls zugunsten der EU-Verbraucher. Wettbewerb kann aber nun einmal ohne Transparenz nicht funktionieren, was - wie beschrieben - auch der deutsche Gesetzgeber so sieht. Und (auch) aus diesem Grund hebt die Klauselrichtlinie im Interesse des Verbraucherschutzes ja das Transparenzgebot ausdrücklich hervor und erhöht mit der Gasrichtlinie - wie schon beschrieben - noch einmal dessen Gewicht.

    Dass der von der Kommission hochgehaltene Verbraucherschutz sowie ein funktionsfähiger Wettbewerb, der zugunsten der Verbraucher zumindest auf dem Energiesektor ja erst noch in Gang gesetzt werden soll, keine „Fata Morgana“ darstellen, zeigt etwa schon der erste Absatz der Begründung eines Kommissionsvorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/54/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt vom 19.09.2007, wo es heißt:

    Zitat
    „Strom und Gas sind für eine gedeihliche Entwicklung Europas von zentraler Bedeutung. Ohne einen wettbewerbsorientierten und effizienten europäischen Strom- und Gasmarkt werden die europäischen Bürger stark überhöhte Preise zahlen müssen für Produkte, die der Befriedigung ihrer ganz alltäglichen Grundbedürfnisse dienen. Strom- und Gasmarkt sind auch für Europas Wettbewerbsfähigkeit von zentraler Bedeutung, da Energie ein wichtiger Faktor für die europäische Wirtschaft ist“.

    Wenn Umsetzungsakte des nationalen Gesetzgebers (Deutscher Bundestag), die gerade diese Kernpunkte des Wettbewerbsrechts und Verbraucherschutzes vor

     

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