@h’berger
Sie verstehen da etwas falsch. Wenn Ihr Versorger bisher die Altforderungen in die neue Abrechnung aufgenommen hat, und somit die nachfolgenden Abschläge zuerst mit dem alten nicht bezahlten Saldo verrechnet hat, hat das nichts mit einer klassischen Kontokorrentabrede zu tun. Da müssten Sie mit Ihrem Versorger schon einen Girovertrag abgeschlossen haben. Das ist eine spezielle Ausformung eines Kontokorrents, bei dem der jährliche Saldo nicht ausgeglichen wird, sondern einfach auf die nächste Abrechnungsperiode übertragen wird. Nur mit einem solchen Girovertrag hätte der Versorger gar kein Recht, von Ihnen die Nachzahlung einzufordern.
Beim klassischen Handelskontokorrent wird einmal jährlich eine Abrechnung erstellt. Aus dieser ergibt sich ein Saldo. Dieser Saldo wird mit dem Anerkenntnis von beiden Parteien zur Zahlung fällig. Ab diesem Moment beginnt die Verjährungsfrist für den Saldo zu laufen. Die Kontokorrentvereinbarung hindert Ihren Versorger sogar daran, für späteres Zeiträume geleistete Abschläge mit dem alten Saldo zu verrechnen. Die Kontokorrentvereinbarung sieht nämlich vor, dass solche Abschläge in das Kontokorrent eingestellt werden müssen, und nur mit den Gegenleistungen des Versorgers aus dem gleichen Abrechnungszeitraum verrechnet werden dürfen. Erst wenn durch Abrechnung dieses Zeitraums ein Saldo zugunsten des Versorgers entsteht, darf er diesen Saldo mit einer Altforderung verrechnen, soweit diese noch nicht verjährt ist.
Für die Frage der Verjährung ist das Kontokorrent nicht entscheidend. Entscheidend ist aber der Rechtscharakter der Abrechnung. Und entscheidend ist die Frage, ob für die Fälligkeit einer Abrechnung ein Saldoanerkenntnis erforderlich ist oder nicht. Ein Saldoanerkenntnis existiert nach meiner Auffassung bei jeder Abrechnung, auch bei solchen denen kein Kontokorrent zugrunde liegt. Sie wird schließlich in § 782 BGB ausdrücklich erwähnt, und nicht in §§ 355 ff. HGB.
Eine Abrechnung kann in einer Vielzahl von Geschäftsvorfällen notwendig oder zumindest vernünftig werden. Immer dann wenn zwei Parteien sich gegenseitig Leistungen erbringen. Wenn Sie für Ihre Nachbarn einkaufen, und ihre Nachbarn in einem anderen Geschäft gleichzeitig für Sie, wird man dies abrechnen, und sich die Kaufpreise nicht gegenseitig erstatten.. Der eine wird die Kaufpreise der Waren aufschreiben und saldieren, und der andere rechnet die Sache nach. Anschließend einigt man sich, dass die Abrechnung stimmt, und jener der mehr ausgegeben hat, den Betrag vom anderen erstattet bekommt. Das ist das Saldoanerkenntnis. Ein Kontokorrent liegt der Nachbarschaftshilfe nicht zugrunde.
Mit dem Saldoanerkenntnis wird der Zahlungsanspruch fällig. Ab diesem Moment beginnt die Verjährungsfrist zu laufen. Wurde der Saldo aber nicht anerkannt, wird der Anspruch auch nicht zur Zahlung fällig, und kann damit auch nicht verjähren. Allerdings beginnt bei nicht erfolgter Abrechnung der Anspruch der anderen Partei, den korrekt ermittelten Saldo anerkennen zu müssen, zu verjähren. Wenn derjenige, welcher die Abrechnung erstellen muss, diese einfach nicht erstellt, kann er mit Ablauf von drei Jahren vom anderen Teil nicht mehr verlangen, die richtige Berechnung akzeptieren zu müssen. Somit hat er keine Möglichkeit mehr, den Saldo fällig zu stellen, und Zahlung zu verlangen.
Die Rechtsauffassung von RR-E-ft hingegen erlaubt es einer Seite auch über die Leistungen der anderen Seite zu verfügen. Dies ist aber nur im Rahmen der Aufrechnung oder der Verrechnung gesetzlich vorgesehen. Weder aus der Aufrechnung noch aus der Verrechnung entsteht ein eigenständiger Saldo, der zu dem Zeitpunkt fällig wird. Es gibt auch sonst keinen gesetzlich geregelten Vertrag, in dem eine Partei ohne Willenserklärung der anderen Partei eine Forderung fällig stellen könnte. In irgendeiner Weise ist immer ein Zutun des Verpflichteten erforderlich. Sei es dass er die Ware oder Leistung abnehmen muss, sei es, dass ein Fälligkeitszeitpunkt ausdrücklich vereinbart werden muss.
Ich halte es als Verbraucher schon für wichtig zu wissen, auf welcher Rechtsgrundlage die Energieabrechnungen beruhen, wenn ich mich gegen solche Abrechnungen gerichtlich zur Wehr setzen will. Wenn ich nämlich nicht weiß, welches Gesetz der BGH anwenden wird, um die Sache zu entscheiden, kann ich genauso gut in die Spielbank gehen, statt mich vor Gericht auseinanderzusetzen. Man hat dann noch nicht einmal einen gesetzlichen Tatbestand. Man weiß also nicht, was man dem Gericht alles mitteilen muss, damit man auch Recht bekommt.
Daher bemühe ich mich - nicht sehr erfolgreich - bei RR-E-ft schon sehr lange, herauszufinden, auf welchem Gesetz denn seiner Ansicht nach diese Abrechnungen beruhen, und auf welche Gesetze sich der BGH stützt, wenn er z. B. die Abschlagszahlung als unselbständige Forderung klassifiziert. Eine saubere, alle Unklarheiten ausräumende These hat er bisher noch nicht geliefert.
@Plus
Auch bei Ihnen gilt, nicht jede Saldierung und Verrechnung hat etwas mit einem Kontokorrent zu tun. Ihr Versorger darf zwar bestehende Forderungen verrechnen oder addieren. Wenn er aber einen Saldo aus einer Energieabrechnung fällig stellen will, muss er eine separate Abrechnung für den bestimmten Zeitraum und für die bestimmte Energieart erstellen. Nachdem ein solcher Saldo berechnet wurde, kann er ihn mit anderen Salden addieren und verrechnen. Hierbei hat er die einschlägigen Gesetze zu beachten. Sie haben gegen bestimmte Verrechnungen das Recht unverzüglich zu widersprechen.
Wenn sich aus Ihren verschiedenen Verträgen z. B. für Wasser und Strom eine Erstattung ergibt, wegen einer Kürzung beim Gas aber eine kräftige Nachzahlung, kann der Versorger die Erstattungsansprüche mit der Nachzahlung verrechnen. In dem Moment sind Sie gezwungen, den Saldo aus der Strom- und der Wasserabrechnung einzuklagen. Das Risiko der Verjährung dieser Forderungen liegt bei Ihnen und nicht mehr beim Versorger.