Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Wirksame Einbeziehung von AGB?  (Gelesen 16497 mal)

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Offline RR-E-ft

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Wirksame Einbeziehung von AGB?
« Antwort #45 am: 20. November 2009, 18:21:35 »
@Black

Ohne vertöffentlichte Allgemeine Preise der Grundversorgung ist eine Grundversorgung ohne weitere Abreden schon schwer vorstellbar.

Entnimmt ein Haushaltskunde ohne anderweitige vertragliche Abrede Gas aus dem örtlichen Niederdruckverteilnetz, kommt dadurch gem. § 2 II GasGVV ein Grundversorgungsvertrag zu den jeweiligen öffentlich bekannt gegeben Allgemeinen Preisen der Grundversorgung zu stande.

Der VIII. Zivilsenat des BGH geht von einer (konkludenten) Einigung auf den veröffentlichten und damit bereits feststehenden Allgemeinen Preis der Grundversorgung aus (BGH VIII ZR 36/06). Ein solcher Vertragsschluss funktionierte nicht, wenn kein Allgemeiner Preis der Grundversorgung gem. § 36 I EnWG zuvor öffentlich bekannt gegeben wurde. Sonst hätte der Grundversorger die Preisbestimmung vollständig nach eigenem Gusto in der Hand, was jedoch allenfalls  bei Bestehen eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts für den Anfangspreis gegenüber dem Kunden möglich wäre. Ein solches wurde in der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH jedoch wiederholt abgelehnt (VIII ZR 144/06, VIII ZR 36/06, VIII ZR 138/07, VIII ZR 314/07).

Der Allgemeine Preis der Grundversorgung muss also durch eine öffentliche Bekanntgabe des Grundversorgers gem. § 36 Abs. 1 EnWG vor der Gasentnahme gem. § 2 Abs. 2 GasGVV feststehen, weil sonst kein Grundversorgungsvertrag durch (konkludente) Einigung wirksam abgeschlossen werden kann.

Offline Black

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Wirksame Einbeziehung von AGB?
« Antwort #46 am: 20. November 2009, 18:33:38 »
Und was wäre Ihre Lösung, wenn das eben nicht der Fall war? Ersatzversorgung?
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Wirksame Einbeziehung von AGB?
« Antwort #47 am: 20. November 2009, 18:58:00 »
@Black

Ein theoretischer Fall, weil wohl alle Grundversorger ihre Allgemeinen Preise der Grundversorgung gem. § 36 Abs. 1 EnWG öffentlich bekannt gegeben haben.

Es gäbe wohl keinerlei fälligen Zahlungsansprüche gegenüber denjenigen Kunden, mit denen keine besonderen Abreden getroffen wurden. Schließlich bemessen sich die Preise der Ersatzversorgung auch nach den Allgemeinen Preisen der Grundversorgung gegenüber Haushaltskunden, dürfen diese jedenfalls nicht übersteigen.

Die Allgemeinen Preise der Grundversorgung müssen sich aus der öffentlichen Bekanntgabe gem. § 36 Abs. 1 EnWG ergeben. Ohne eine solche öffentliche Bekanntgabe bestehen gar keine Allgemeinen Preise der Grundversorgung. Es stünde insbesondere auch nicht fest, auf die Belieferung zu welchem Preis (potentiell) grundversorgte Kunden einen gesetzlichen Anspruch gegen den Grundversorger haben. Aber auch die Zahlungsverpflichtung derjenigen Kunden, die ohne besondere Abreden Gas aus dem Netz entnehmen, wäre vollkommen offen.

Unzweifelhaft ist auch, dass Allgemeine Preise der Grundversorgung nicht ohne öffentliche Bekanntgabe gem. § 4 AVBGasV/ § 5 GasGVV wirksam abgeändert werden können.

Das alles hat wohl nichts mit der Frage der wirksamen Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in Sonderverträge zu tun.

Offline Wusel

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Wirksame Einbeziehung von AGB?
« Antwort #48 am: 20. November 2009, 19:58:15 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Auf den exakten Wortlaut der Klausel kommt es schon an.

Ja natürlich. Also, hier ist der exakte, komplette Wortlaut der verwendeten Klausel in meinem \"Sonderabkommen\":

\"Wir sind berechtigt, dei dem Abkommen zugrunde liegende Preisstellung durch Bekanntmachung in der Tageszeitung mit Wirkung ab dem in der Bekanntmachung angegebenen Zeitpunkt zu ändern. Rückwirkende Preiserhöhungen sind hierbei ausgeschlossen.\"
Es wird nirgends erwähnt, wann wie und in welchem Maß der Preis sich ändert.

Meiner Meinung nach ist das eine Preisklausel, die ungültig sein müsste und an deren Stelle (hoffentlich) nicht die Preisänderungsregelung der (wirksam vereinbarten) AVBGasV tritt. Richtig?


Interessant ist sicher der Vergleich zu der Preisklausel in dem Sondervertrag, um den es im Urteil des OLG Frankfurt ging, hier heißt es: \"Preisänderungen ... werden nach öffentlicher Bekanntmachung in der örtlichen Presse wirksam\" (im Urteil unter Punkt 3).
Unter Punkt 48 des Urteils wird erklärt, dass bei dieser Klausel (zusammen mit der wirksam vereinbarten AVBgasV) sehr wohl das Preisänderungsrecht nach AVBGasV gilt.

Was macht nun den Unterschied aus, dass bei dem Fall des OLG Frankfurt die Preisregelungen der AVBGasV gelten, bei meiner (ungültigen) Klausel nicht?
Geht es nur um das Wort \"berechtigt\"?

Offline RR-E-ft

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Wirksame Einbeziehung von AGB?
« Antwort #49 am: 20. November 2009, 20:03:25 »
@Wusel

Sie selbst scheinen mit der Prüfung in ihrem konkreten Einzelfall möglicherweise  überfordert und sollten sich deshalb ggf. an einen Anwalt wenden, der die Prüfung des konkreten Einzelfalles übernimmt. Das Forum hier kann und soll eine solche Rechtsberatung im konkreten Einzelfall nicht ersetzen. Insbesondere die wirksame Einbeziehung der Bedingungen der AVBGasV ist zu prüfen, auf die es möglicherweise aus anderen Gründen aber schon nicht mehr ankommt (vgl. LG Gera, Urt. v. 07.11.08, BGH VIII ZR 320/07).

Offline reblaus

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Wirksame Einbeziehung von AGB?
« Antwort #50 am: 20. November 2009, 20:22:24 »
@Wusel
Sie scheinen über eine überdurchschnittliche Auffassungsgabe zu verfügen, und können Ihren Fall auch selbst durchleuchten. Ein Anwalt müssen Sie noch nicht unbedingt zu Rate ziehen. Wobei das immer mit einem Restrisiko verbunden ist. Allerdings ist auch die Beratung durch einen Anwalt mit Risiken verbunden. Manche tun nämlich nur so schlau, sind es aber gar nicht.

Zitat
Original von Wusel Meiner Meinung nach ist das eine Preisklausel, die ungültig sein müsste und an deren Stelle (hoffentlich) nicht die Preisänderungsregelung der (wirksam vereinbarten) AVBGasV tritt. Richtig?

Richtig!

Die Preisänderungsklausel im Fall des OLG Frankfurt ist keine vollständige Preisänderungsklausel. Sie ist mit der Regelung in § 4 Abs. 2 AVBGasV identisch (bis auf die Wortwahl Preisänderungen statt Änderungen der Allgemeinen Tarife). Nach BGH VIII ZR 36/06 ergibt sich das gesetzliche Preisänderungsrecht jedoch aus § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV und nicht nur aus Absatz 2.

Die Vertragsklausel ist somit gar keine eigenständige Klausel sondern ergibt nur gemeinsam mit der AVBGasV einen Sinn. Sie verdrängt nur § 4 Abs. 2 AVBGasV. Gemeinsam mit Absatz 1 bildet sie das gesetzliche Preisänderungsrecht nach, und ist damit wirksam.

Offline Wusel

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Wirksame Einbeziehung von AGB?
« Antwort #51 am: 21. November 2009, 16:43:12 »
Zitat
Original von RR-E-ft
@Wusel

Sie selbst scheinen mit der Prüfung in ihrem konkreten Einzelfall möglicherweise  überfordert
Überfordert? Nur weil ich (sehr wohl wissend, wie sehr es bei einer rechtlichen Beurteilung auf jedes Detail ankommt) ein typisches Vertragsdetail auf den Punkt bringen möchte und die Unterschiede zu einem bestehenden Urteil herausarbeiten möchte?
Finde ich etwas schade, dass Sie genau an diesem Punkt ausweichend antworten. Trotzdem vielen Dank für Ihre vorherigen Einschätzungen.

Ich denke, dass gerade diese Unterscheidungen/Abgrenzungen im Detail auch für andere sehr hilfreich sind.

Zitat
Original von reblaus
@Wusel
Sie scheinen über eine überdurchschnittliche Auffassungsgabe zu verfügen,
Danke.

Interessant, wie sehr die Beurteilungen voneinander abweichen  :D

Vielen Dank, Reblaus, dass Sie meine Frage letztendlich punktgenau beantwortet haben.

Offline Kampfzwerg

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Wirksame Einbeziehung von AGB?
« Antwort #52 am: 22. November 2009, 17:56:50 »
@Wusel

mit den gegebenen Antworten landest Du letztendlich wieder auf Deinem Kenntnisstand von Oktober bis Dezember 2007!
Sonderabkommen EVI Hildesheim - AVBV und AVBGasV wirksam vereinbart? Was tun?
Grundsatzfrage: Wann ist ein Sonderabkommen ein Sondervertrag?
Damals warst Du allerdings RR-E-ft noch sehr dankbar für seine \"Superhinweise\" und reblaus war noch gar nicht (gerade eben erst) Mitglied des Forums.

Zusammen genommen relativiert das alles dann wohl beide Beurteilungen ;)


@all
Ich persönlich finde es letztendlich immer wieder sehr schade, dass viele Mitglieder versuchen, ihre persönlichen Einzelfälle über vorgeblich neue - und sich somit ständig wiederholende ! - Grundsatzfragen zu klären, anstatt sich etwas zu bemühen, in ihren bereits bestehenden Threads zu bleiben bzw. einen bereits bestehenden Grundsatzthread, der diesen Namen verdient, mittels Suchfunktion zu finden und zu reaktivieren.
Alleine zu dem Thema \"wirksame Einbeziehung der AGB\" gibt es inzwischen Dutzende.
Anders ausgedrückt \"Alter Wein in neuen Schläuchen\".
Alles eine Grundsatzfrage :rolleyes:


P.S. Und ich denke, dass gerade eine Beachtung dieser Grundregel im Detail auch für andere sehr hilfreich wäre.

Offline Wusel

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Wirksame Einbeziehung von AGB?
« Antwort #53 am: 22. November 2009, 19:04:33 »
Gerade bezüglich der Abgrenzung Sondervertragskunde - Tarifkunde gab es in den letzten beiden Jahren so manche neue Urteile und lassen so manchen vor 2 Jahren noch eindeutig erscheinenden Fall mittlerweile in neuem Licht erscheinen.
Deshalb wollte ich meinen Fall nochmal mit dem aktuellen Urteilsstand zur Diskussion stellen, gerade vor dem Hintergrund des OLG Frankfurt, der meinem Fall oberflächlich betrachtet zunächst sehr ähnlich war.

Ich denke, dass die daraufhin hier herausgearbeiteten feinen Unterscheidungen allgemein sehr hilfreich sind und nicht nur meinen Fall betreffen. Und jemand, der diesbezüglich grundlegende Informationen sucht, wird normalerweise nicht unbedingt in den versorgerspezifischen Threads suchen.

 

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