Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten  (Gelesen 30010 mal)

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Offline RR-E-ft

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #45 am: 10. August 2009, 22:15:12 »
Es würde wohl auch wenig Sinn machen, die Existenz des § 93 ZPO etwa mit Nichtwissen zu bestreiten.

Ob die Voraussetzungen vorliegen, die ein sofortiges Anerkenntnis gem. § 93 ZPO ermöglichen, bedarf immer einer umfassenden Prüfung im konkreten Einzelfall.
Die Frage wird sich in der Regel erst beurteilen lassen, nachdem die Klageschrift zugestellt wurde und die gesamte vorgerichtlich gewechselte Korrespondenz durchgesehen wurde.

Offline reblaus

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #46 am: 11. August 2009, 07:22:33 »
Die Anwendung des § 93 ZPO ist jedoch der Ausnahmefall. Er ist nicht anwendbar, wenn der Kläger vorgerichtlich keine Beweise vorlegt. Im Falle des § 315 BGB wird ausreichen, vorgerichtlich mitzuteilen, dass die Bezugskosten um den Betrag der Preissteigerung gestiegen sind. Wie sich die Bezugskosten im Detail entwickelt haben, kann vorgerichtlich keine Rolle spielen, da die Zahlungsverweigerung dann auf mangelndem Glauben des Kunden beruht. Soweit diese Zweifel ernstlich sind, können sie aber nur durch Beweiserhebung beseitigt werden.

Behauptet der Versorger fälschlicherweise, dass seine Bezugskosten in Höhe der Preissteigerung gestiegen sind, so begeht er einen Betrug. Die Rechtsordnung schafft damit den Rahmen, dass auch einfachen Zusicherungen im Geschäftsverkehr Glauben geschenkt werden darf.

Offline nomos

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #47 am: 11. August 2009, 09:45:01 »
Zitat
Original von reblaus
Im Falle des § 315 BGB wird ausreichen, vorgerichtlich mitzuteilen, dass die Bezugskosten um den Betrag der Preissteigerung gestiegen sind. Wie sich die Bezugskosten im Detail entwickelt haben, kann vorgerichtlich keine Rolle spielen, da die Zahlungsverweigerung dann auf mangelndem Glauben des Kunden beruht.
    @reblaus, logisch
?? Was ist das für eine Begründung, da kann ich nicht mehr folgen.

Wollen Sie damit etwa sagen, dass der Versorger aus taktischen Gründen den Verbrauchern keine Informationen liefert, die die Billigkeit des Preises aufzeigen? Die Verbraucher also im Dunkeln lassen, damit die Zahlungsverweigerung auf \"mangelndem Glauben\" beruht? Was ist überhaupt ein \"mangelnder Glaube\"?

Muss der Verbraucher nach Ihrer Bewertung die Billigkeit einfach glauben, auch wenn ihm die Fakten zur eigenen Beurteilung dazu nicht vorgelegt werden?

Wäre die Billigkeit ausreichend nachgewiesen hätte der Verbraucher keine Veranlassung zum Widerspruch und zur Zahlungsverweigerung gehabt. Der Grund für die entstehenden Kosten liegen beim Versorger, der die Billigkeit nicht rechtzeitig nachgewiesen hat. Geschieht dies dann erst ausreichend mit der Klagebegründung erübrigt sich der Streit. Warum sollte der Verbraucher dann die Kosten tragen, wenn der Versorger den Nachweis verspätet liefert?

@reblaus und richtig erkannt, die Anwendung des § 93 ZPO ist generell ein Ausnahmefall. Die Diskussion ist daher mehr Theorie als Praxis, aber die Frage wurde gestellt. Im Falle der Gaspreisgrundversorgung ist das sicher noch mehr Ausnahme, da, was die Erfahrung zeigt, die Begründung der Klage in aller Regel für die Aufklärung und für den Beweis der Billigkeit unzureichend ist. Das fängt schon bei der Verweigerung der relevanten Daten wegen angeblicher Geschäftsgeheimnisse an... usw...[/list]

Offline Black

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #48 am: 11. August 2009, 11:40:03 »
@nomos

Wie sollte denn der Billigkeitsnachweis außergerichtlich nach Ihrer Meinung konkret erfolgen?
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline nomos

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #49 am: 11. August 2009, 14:53:24 »
Zitat
Original von Black
@nomos

Wie sollte denn der Billigkeitsnachweis außergerichtlich nach Ihrer Meinung konkret erfolgen?
@Black, habe ich das nicht schon wiederholt geschrieben, z.B. erst Gestern:

Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten


Zitat
Es ist in der Praxis sehr wohl möglich vorprozessual zufriedenstellend die Billigkeit zu belegen. Dazu gehören alle notwendige Daten und Fakten auf den Tisch.
    Von der Billigkeit kann der aufmerksame  Verbraucher allerdings nur überzeugt werden, wenn sie real gegeben ist. Da liegt der Hund wohl begraben. Man legt nicht offen und will das mit allen Mitteln verhindern, weil man selbst am besten weiß, dass man die Billigkeit nicht wirklich belegen kann. Man sorgt daher auch dafür, dass der  Billigkeitsbegriff und die Prüfung möglichst eingeschränkt wird.

    Die Billigkeit wird ja nicht generell per Gesetz von einem Gericht festgestellt. § 315 (3) BGB kommt ja nur im Streitfall ins Spiel, wenn der Nachweis aus Sicht des nicht bestimmenden Vertragspartners nicht erbracht ist und er Zweifel an der Billigkeit der einseitig getroffenen Bestimmung hat.

    Wenn der Versorger seine Zahlen, die Kalkulation und die Preisbestandteile deklariert und ersichtlich ist, dass der Preis fair und billig ist, das EnWG z.B. nicht märchenhaft geblieben ist, dann bin ich sicher, wird der überwiegende Teil der Verbraucher keinen Anlass für einen Widerspruch sehen.

    Heute bleibt dem Verbraucher im Zweifelsfall oder wenn er Quersubventionen, zweckfremde Mittelverwendungen oder exorbitante Gewinne sieht,  nur übrig, Widerspruch einzulegen und den Preis möglichst angemessen zu kürzen und die Klärung vor Gericht abzuwarten.

    Was wir heute bei der Energieversorgung haben kann daher kein Dauerzustand bleiben. In den diversen Ergebnissen vor den Gerichten, die manchmal unterschiedlicher nicht ausfallen können, sehe ich ein Problem für die Rechtstaatlichkeit.

    Ich habe daher auch schon mehrfach geschrieben, wie auf dem Verordnungswege eine Regelung möglich wäre:

    Vorgeschriebene Datenerhebung und Prüfung durch die Wirtschaftsprüfer im Rahmen der Jahresabschlussprüfung. Berichtspflicht an eine staatliche Behörde (Wirtschafts-, Verbraucherministerium, Kartellbehörde ...). Dort wird die Billigkeit dann gegebenenfalls fach- und sachkundig festgestellt. Wir haben solche staatlich vorgegebenen Prüfungen z.B. im Kreditgewerbe längst.

    Man muss nicht immer alles wiederholen. Vielleicht nochmal im Forum suchen und nachlesen.

Offline reblaus

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #50 am: 11. August 2009, 17:53:34 »
@nomos
Wenn der Versorger schreibt, dass die Gaspreise um 0,4 ct/kWh erhöht werden müssen, weil seine Gesamtkosten seit der letzten Preisanpassung mindestens in gleicher Höhe gestiegen sind, so ist das eine präzise und konkrete Darlegung des Grundes der Preiserhöhung. Wenn seine Kosten tatsächlich um 0,4 ct/kWh gestiegen sind, so ist die Preiserhöhung auch gerichtsfest vorgenommen worden.

Jetzt kann man natürlich wie RR-E-ft die Offenlegung weiterer Details der Kostensteigerungen verlangen. Dann kann der Versorger mitteilen, dass die Bezugskosten um 0,5 ct/kWh gestiegen sind, die Personalkosten um 0,2 ct/kWh gesunken sind, die Geschäftsführergehälter um 0,05 ct/kWh gestiegen sind, die Kosten für Bleistifte ebenfalls eine Steigerung um 0,05 ct/kWh erfahren haben und alle anderen Kosten unverändert geblieben sind. Dann kann man mitteilen, zu welchem Datum die Kostensteigerungen zum tragen kamen, ob die Mitteilungen per Brief E-Mail oder Fax eingegangen sind oder welche Maßnahmen zur Vermeidung dieser Steigerungen getroffen wurden.

Was ich mich frage ist, warum ein Verbraucher die allgemeine Behauptung der Kostensteigerung anzweifelt, um dann diesen Detailangaben plötzlich Glauben zu schenken. Entweder hält man seinen Versorger für ein ehrbares Unternehmen oder für einen Straßenräuber. Dem ehrbaren Unternehmen wird man die allgemein gehaltene Behauptung abnehmen. Dem Straßenräuber sollte man aber  nicht über den Weg trauen, und wenn er mit noch so blumigen Worten um Vertrauen heischt.

Die Anforderung an eine vorgerichtliche Erläuterungspflicht kann daher entweder sehr gering sein, oder aber es muss eine vorgerichtliche Beweisaufnahme erfolgen, wenn der Schuldner dies wünscht. Insoweit sind Sie, nomos, in Ihrer Haltung wenigstens konsequent, und schlagen nicht den untentschlossenen Mittelweg anderer ein.

Sie sollten aber bei Ihrer Ansicht bedenken, dass § 93 ZPO für alle Zivilrechtsstreitigkeiten gilt. Jeder Gläubiger ist dann aufgefordert, dem Schuldner bis ins Detail nachzuweisen, warum er auf seinem Anspruch bestehen kann. Das würde zum Festschmaus für findige Insolvenzverschlepper werden, die mit immer neuen Zweifeln ihre Zahlungspflicht ins Unendliche hinauszögern könnten. Wer schlussendlich die Kosten dieser Beweise wie Sachverständigengutachten etc. bezahlen soll, ist völlig unklar.

Ich denke es gibt gute Gründe, warum § 93 ZPO nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommt, und bei Gaspreisstreitigkeiten bisher keine Rolle gespielt hat.

Offline nomos

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #51 am: 11. August 2009, 18:28:00 »
Zitat
Original von reblaus
@nomos
......
Was ich mich frage ist, warum ein Verbraucher die allgemeine Behauptung der Kostensteigerung anzweifelt, um dann diesen Detailangaben plötzlich Glauben zu schenken. Entweder hält man seinen Versorger für ein ehrbares Unternehmen oder für einen Straßenräuber.
.....
Das würde zum Festschmaus für findige Insolvenzverschlepper werden, .......

Ich denke es gibt gute Gründe, warum § 93 ZPO nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommt, und bei Gaspreisstreitigkeiten bisher keine Rolle gespielt hat.
    @reblaus, lassen Sie mal den Glauben, Straßenräuber und Insolvenzverschlepper beiseite. Auch ehrbare Kaufleute werden nicht nur einmal geprüft. Der Staat selbst schickt Steuerprüfer und andere Kontrolleure.

    Auch der Verbraucher hat ein Recht auf den Nachweis der Billigkeit. Auch er muss sich nicht mit Glauben begnügen.
     
    Richtig § 93 ZPO gilt generell bei Zivilrechtstreigkeiten, also auch wenn es um die Billigkeit des Gaspreises geht. § 93 spielt da keine besondere Rolle, in keiner Richtung. § 93 ZPO gilt im Falle des Falles auch bei Gaspreisstreitigkeiten.

    Im Lösungsvorschlag geht es um Weisungen an staatlich vereidigte Wirtschaftsprüfer mit vorgegebenem Testat. Falsche Angaben an die feststellende Behörde hätten selbstverständlich übliche Konsequenzen. Eine solche Feststellung könnte bundeseinheitlich bereits per Verordnung geregelt werden. Das würde den Anforderungen weit mehr genügen als der aktuelle Zustand.

    Glauben reicht mir persönlich als Verbraucher auch angesichts der Erfahrungen schon lange nicht mehr.

Offline RR-E-ft

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #52 am: 11. August 2009, 18:32:12 »
Zitat
Original von reblaus
@nomos
Wenn der Versorger schreibt, dass die Gaspreise um 0,4 ct/kWh erhöht werden müssen, weil seine Gesamtkosten seit der letzten Preisanpassung mindestens in gleicher Höhe gestiegen sind, so ist das eine präzise und konkrete Darlegung des Grundes der Preiserhöhung. Wenn seine Kosten tatsächlich um 0,4 ct/kWh gestiegen sind, so ist die Preiserhöhung auch gerichtsfest vorgenommen worden.

Wohl kaum. Mit Rücksicht auf §§ 2, 1 EnWG ist nicht jedweder beliebiger (tatsächlicher) Kostenanstieg auf die Kunden im Wege einer einseitigen Leistungsbestimmung abwälzbar.  Sollte der Gesamtkostenanstieg um 0,4 Ct/ kWh auf einer entsprechenden tatsächlichen Erhöhung der Geschäftsführerbezüge beruhen, ist die Gerichtsfestigkeit mehr als zweifelhaft.  An der Gerichtsfestigkeit fehlt es nach BGH VIII ZR 138/07 auch dann, wenn etwa ein entsprechender Bezugskostenanstieg im Vorlieferantenverhältnis etwa  schon nicht zur Anpassung an die Marktverhältnisse notwendig und angemessen  war. Einige meinen, ein Bezugskostenanstieg sei insbesondere dann nicht notwendig, wenn der Bezugsvertrag im maßgeblichen Zeitraum gem. Art. 81 EGV, § 1GWB, § 134 BGB nichtig war und beziehen sich dabei gern auf Rechtsprechung des EuGH. In diesem Forum tut sich einer u. a. damit besonders  hervor.


Zitat
Original von reblaus
Die Anwendung des § 93 ZPO ist jedoch der Ausnahmefall. Er ist nicht anwendbar, wenn der Kläger vorgerichtlich keine Beweise vorlegt.

Gerade dann ist die Anwendung von § 93 ZPO denkbar, gerade aber nicht, wenn der Kläger vorgerichtlich Beweise vorgelegt hat.

Die Begründung der Billigkeit einer getroffenen  Ermessensentscheidung auf Verlangen ist vertraglich geschuldet wie auch überhaupt die Vornahme einer der Billigkeit entsprechenden Leistungsbestimmung bei bestehendem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht im konkreten Vertragsverhältnis.

Offline reblaus

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #53 am: 11. August 2009, 19:15:42 »
@nomos
Sie müssen Ihrem Versorger auch nicht glauben. Ich glaube meinem Ex-Versorger auch nicht. Lediglich für den Fall, dass wir beide uns geirrt haben, und es sich doch um redliche Unternehmen gehandelt haben sollte, sind wir verpflichtet, die durch unser unbegründetes Misstrauen entstandenen Kosten zu bezahlen.

Zitat
Original von RR-E-ft Die Begründung der Billigkeit einer getroffenen Ermessensentscheidung auf Verlangen ist vertraglich geschuldet wie auch überhaupt die Vornahme einer der Billigkeit entsprechenden Leistungsbestimmung bei bestehendem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht im konkreten Vertragsverhältnis.

Das mag man ja so sehen. Die Frage ist nur, welche Anforderungen an eine solche Begründung zu stellen sind.

Folgender Satz ist eine Begründung:
Die Preiserhöhung erfolgt, weil unsere Bezugskosten um den gleichen Betrag pro kWh gestiegen sind, und an anderer Stelle keine Einsparungen erwirtschaftet werden konnten.

Folgendes hingegen ist keine Begründung:
Die Preiserhöhung erfolgt, weil unser Gaslieferant seine Preise für Kommunalgas pro kWh um den gleichen Centbetrag angehoben hat, und wir unsere sonstigen Kosten nicht senken konnten. Zum Nachweis dieser Tatsachen legen wir Ihnen ein Testat eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers bei, weiterhin legen wir Ihnen mehrere eidesstattliche notariell beurkundetete und mit Siegel versehene Versicherungen des Geschäftsführers unseres Gaslieferanten, unserer Geschäftsführer sowie unseres kaufmännischen Leiters vor. Schließlich erhalten Sie zum Beleg obiger Tatsachen, auszugsweise Vertragskopien, mit den entsprechenden Preissteigerungsklauseln, aus denen sich die Preisbindung an Leichtes Heizöl Rheinschiene ergibt. Schließlich erhalten Sie Listen des Stat. Bundesamtes über die Preisentwicklung bei Leichtem Heizöl etc., etc. ...

Offline Energie-Bündel

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #54 am: 11. August 2009, 19:20:27 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Hier auch nicht. ;)

Ich rede doch hier gar nicht von einem Anerkenntnis nach Beweisaufnahme, sondern ausdrücklich von einem Anerkenntnis nach Klagezustellung und den notwendigen Substantiierungen, die erstmals im Prozess erfolgen, zB. hinsichtlich der zwischenzeitlichen Entwicklung der konkret preisbildenden Kostenfaktoren, die bei der Beurteilung der Billigkeit jedenfalls Berücksichtigung finden müssen.

Ob der Beklagte dann erstmals überzeugt ist oder sich auch  nur überzeugt gibt, ist doch vollkommen egal.
Deshalb muss gewiss keiner zum Arzt, um sich den Schädel aufsägen zu lassen.

Wenn ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht im Vertragsverhältnis besteht, ist der bestimmungsberechtigte Vertragsteil nicht nur verpflichtet, eine Bestimmung zu treffen, sondern auch verpflichtet, auf Verlangen die Billigkeit der getroffenen Bestimmung nachvollziehbar zu begründen, zumal  wenn die Billigkeit der Ermessensentscheidung  von Umständen abhängt, die der andere Vertragsteil schon selbst nicht kennen kann (zB. interne Kostenentwicklung).

Erfolgt auf Verlangen eine solche Begründung nicht, erfolgt eine substantiierte Begründung erst in einem Prozess, besteht die Möglichkeit eines sofortigen Anerkenntnisses gem. § 93 ZPO, weil der Kunde keine Veranlassung zur Klage gegeben hatte.


Es freut mich, dass \"RR-E-ft\" die Diskussion zum Thema Billigkeit / bzw. Annerkennungsurteil wieder aufgenommen hat und dass die Bedeutung seines ursprünglichen Textes vom 31.01.2008, nach dem lebendigen Wortwechsel der vergangenen Tage, jetzt glasklar vorliegt.

Es ist zweckmäßig, wenn sich die Diskussion nun auf § 93 ZPO konzentriert, wie das inzwischen auf der Fall ist.

Unter der von \"RR-E-ft\" genannten Voraussetzung, - daß der Kunde klarmachen kann, daß er vorprozessual keinen Anlaß zur Klage gegeben hat -, sehe ich keinen Grund warum er mit Hilfe von § 93 ZPO nicht zum Erfolg in der Kostenfrage kommen könnte.

§ 93: \" Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozeßkosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.\"

Für das qualifizierte \"sofort\" ist ein Widerspruch im Mahnverfahren unschädlich (hM; KG MDR 80, 942). Das \"sofort\" gilt auch noch im schriftlichen Vorverfahren.

Geht also die Klagebegründung zu, hat der Kunde nach § 276 zwei Wochen Erklärungsfrist. In dieser Notfrist hat der beklagte Kunde also noch Zeit, so wie es \"RR-E-ft\" am 9.8.09 vorschlägt, mit seinem Anwalt die Klageschrift auf ihren gerichtsrelevanten Gehalt, sprich Gewinn- und Verlierchancen, abzuschätzen und kann dann mit seinem Anwalt die konkreten Gegebenheiten seines vorprozessualen Verhaltens, im Hinblick auf das zu diesem Zeitpunkt noch mögliche Anerkenntnisurteil, eingehend prüfen.

Zumindestens in einem Fall, der meiner Anfrage zugrunde liegt, gibt es für mich kaum Zweifel, daß der Kläger bezüglich der Klageanlaßprüfung schlechte Karten hätte. Der Kunde hat wiederholt dargelegt, daß er ernstzunehmende Gründe für seine Unbilligkeitsvermutung hat. Er hat auch eindringlich und, zumindest für einen Unparteiischen, auch glaubhaft dargelegt, daß er sofort die angemahnten Beträge zahlen würde, wenn ihm detailiert und nachvollziehbar die Billigkeit des gesamten verlangten Gaspreises dargelegt würde.

Der Versorger hat es immer abgelehnt substantierte Begründungen zur Billigkeit vorzulegen und seine scheinbare Begründung nur mit völlig allgemeinen Floskeln über gestiegene Ölpreise / Kosten betritten.

Wie vor allem auch \"nomos\" anführt, ist es \"in der Praxis sehr wohl möglich vorprozessual zufriedenstellend die Billigkeit zu belegen. Dazu gehören alle notwendigen Daten und Fakten auf den Tisch\", es geht \"um einen hinreichenden Nachweis\".

Was spricht gegen die Verpflichtung eines Versorgers, der ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht hat, seinen Begründungspflichten auf Verlangen auch substaniell nachzukommen? Vorallem da nur der Leistungsbestimmer seine interne Kostenentwicklung überblicken kann, wie \"RR-E-ft\" in diesem Zusammenhang wohl treffend argumentiert.

Ich glaube schon, daß sich mit dem § 93 ZPO alle die, die sich wegen mangelnder Rechtsschutzvorsorge mehr als andere Gedanken zum Risiko- / Nutzenverhältnis einer langen gerichtlichen Auseinandersetzung machen müssen, noch einen zielstrebigen Notpfeil in den Köcher stecken können.

Offline reblaus

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #55 am: 11. August 2009, 19:44:14 »
@Energie-Bündel
Ich habe Sie so verstanden, dass diese Frage für Sie vor allem deshalb eine Rolle spielt, weil die Mitglieder Ihrer Bürgerinitiative zum Teil große Scheu vor dem Prozesskostenrisiko haben.

Die von RR-E-ft und nomos vorgeschlagene Interpretation des § 93 ZPO ist noch von keinem deutschen Gericht aufgenommen worden. Es muss Ihnen daher klar sein, dass Ihre Mitglieder mit einem sofortigen Anerkenntnis einem Rechtsstreit um die Sache entgehen. Sie werden aber umso mehr um die Kostenlast streiten müssen.

Was Sie ebenso beachten müssen ist, dass der substantiierte Vortrag Ihres Versorgers in jedem Fall kommt. Ansonsten ist seine Klage unschlüssig, und wird allein aus diesem Grund abgewiesen werden. Ob diese ganzen Behauptungen, die er dort aufstellt, der Wahrheit entsprechen oder nicht, ist erst mit einer Beweisaufnahme zu klären. Sie werden daher vor der Frage stehen, glaube ich das, was da vorgetragen wird, und was wenn es stimmen würde zu meiner Verurteilung führen würde, oder glaube ich es nicht.

Diese Frage können Sie sich aber bereits jetzt stellen, sie lautet dann nur: werde ich im Prozess die ganzen Behauptungen des Versorgers, die zu meiner Verurteilung führen würden, glauben oder nicht.

Ihre avisierte Vorgehensweise macht für mich nur dann Sinn, wenn Sie endlich gerichtlich geklärt sehen wollen, wieweit die vorgerichtliche Darlegungspflicht des Versorgers geht. Für Ihren Fall wird das aber keine Rolle mehr spielen, weil Sie nach Anerkenntnis bezahlen müssen.

Ich glaube, dass Sie auch die Kosten werden bezahlen müssen.

Wie wäre es mit folgendem Vorschlag.

Alle Mitglieder schreiben Ihrem Versorger, dass Sie bereit sind die ausstehenden Beträge zu bezahlen, wenn er im Gegenzug für jede Preiserhöhung separat folgende Zusicherung macht:

Hiermit versichern wir, dass wir unsere Preise pro kWh seit der letzten Preiserhöhung nicht stärker erhöht haben, als unsere Bezugskosten für das gesamte eingekaufte Gas pro kWh gestiegen sind, und wir diese Preissteigerungen durch andere rückläufige Kosten aus dem Gasbereich nicht vermindern konnten.

Lediglich ein Mitglied lässt sich verklagen oder reicht Feststellungsklage ein. Die Kosten dieses Verfahrens tragen alle Mitglieder anteilig.

Wird in diesem Pilotverfahren festgestellt, dass die obige Zusicherung falsch war, haben alle anderen Mitglieder Rückforderungsansprüche.

Verweigert Ihr Versorger die Abgabe dieser Zusicherung, sehe ich gute Chancen, dass Sie den § 93 ZPO für sich nutzen können.

Sie sollten diesen Vorschlag aber vorher nochmals von einem Anwalt prüfen lassen.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #56 am: 11. August 2009, 20:05:53 »
Zitat
Original von reblaus

Folgender Satz ist eine Begründung:
Die Preiserhöhung erfolgt, weil unsere Bezugskosten um den gleichen Betrag pro kWh gestiegen sind, und an anderer Stelle keine Einsparungen erwirtschaftet werden konnten.

Folgendes hingegen ist keine Begründung:
Die Preiserhöhung erfolgt, weil unser Gaslieferant seine Preise für Kommunalgas pro kWh um den gleichen Centbetrag angehoben hat, und wir unsere sonstigen Kosten nicht senken konnten. Zum Nachweis dieser Tatsachen legen wir Ihnen ein Testat eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers bei, weiterhin legen wir Ihnen mehrere eidesstattliche notariell beurkundetete und mit Siegel versehene Versicherungen des Geschäftsführers unseres Gaslieferanten, unserer Geschäftsführer sowie unseres kaufmännischen Leiters vor. Schließlich erhalten Sie zum Beleg obiger Tatsachen, auszugsweise Vertragskopien, mit den entsprechenden Preissteigerungsklauseln, aus denen sich die Preisbindung an Leichtes Heizöl Rheinschiene ergibt. Schließlich erhalten Sie Listen des Stat. Bundesamtes über die Preisentwicklung bei Leichtem Heizöl etc., etc. ...

Warum das eine eine Begründung sein soll, das andere jedoch nicht, vermag ich nicht nachzuvollziehen, was nichts heißen soll.Siehste hier.



Mit der Diskussion von ausgesprochenen  Glaubensfragen ist man möglicherweise beim Internetangebot von Radio Vatican besser aufgehoben.  ;)

In der vorgerichtlichen Korrespondenz können doch schon alle maßgeblichen Fragen angeschnitten worden sein:

a)

Bezugskostenanstieg ggf. wann, auf welcher konkreten Grundlage, um welchen Betrag,

b)

Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit und Angemessenheit eines solchen im Vorlieferantenverhältnis, etwa mit Rücksicht auf die nominale Entwicklung der Erdgasimportpreise und der Großhandelspreise aufgrund der internationalen Ölpreisbindung, Entwicklung der Großhandelspreise an der EEX und anderen freien Handelsplätzen, öffentliche Ausschreibungen des Energiebezugs

c)

Zwischenzeitliche Entwicklung aller weiteren konkret preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten sog. Preissockels, insbesondere Weitergabe von behördlich verfügten Netzentgelt- bzw. Netzkostenabsenkungen usw.,

d)

Je nach Vermögen weitere energiewirtschaftsrechtliche, kartell- und europarechtliche Erwägungen, die einige für besonders maßgeblich halten.

.....

Dies kann die Substantiierungslast deutlich erhöhen. Es lassen sich grundsätzlich alle maßgeblichen Argumente, die im Prozess eine Rolle spielen sollen,  bereits vorgerichtlich \"abarbeiten\".

Offline Black

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« Antwort #57 am: 11. August 2009, 21:20:46 »
@reblaus

Sie wissen vermutlich noch nicht, dass RR-E-ft ganz uneigennützig eine sehr detaillierte Darlegungslast bereits im Rahmen der Schlüssigkeit des Sachvortrages verlangt.

Der normale übliche Klägervortrag

\"die Preisanpassungen beruhen ausschließlich auf der Weitergabe gestiegener Bezugkosten, ohne Einsparungen in anderen Bereichen. Beweis. Sachverständigengutachten\"

wäre nach Lesart von RR-E-ft schon unschlüssig. Das was üblicherweise nur der Gutachter prüft, und was als Geschäftsgeheimnis zählt, will RR-E-ft schon alles im Sachvortrag hören.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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« Antwort #58 am: 11. August 2009, 21:36:12 »
Ich meine, mich am Prüfungsraster des BGH orientiert zu haben.

Auch dort musste der Gasversorger erklären, um welche Beträge seine Bezugskosten wann gestiegen sind, auf welchen Grundlagen der Anstieg beruhte, dass er sich bestimmten Preismechanismen nicht entziehen konnte usw usf. was im weiteren Prozessverlauf vor dem LG Duisburg noch verfahrensrelevant werden kann und wohl sein wird, insbesondere wenn der Kläger ggf. auf notwendigen gerichtlichen Hinweis seinen Vortrag ggf. weiter substantiiert. Der Umfang der Substantiierungslast hängt auch vom Umfang des Betreitens bzw. den Einlassungen des Gegners ab.

Schließlich ist auch für die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens regelmäßig Voraussetzung, dass die Anknüpfungstatsachen zunächst hinreichend substantiiert vorgetragen wurden.

Zitat

Die Beklagte hat behauptet, ihr Bezugsvertrag mit der Vorlieferantin R.   AG enthalte drei Preisänderungsklauseln, die an den Preis für leichtes Heizöl und an den Investitionsgüterproduzenten-Index geknüpft seien. Aufgrund dieser Preisänderungsklauseln sei ihr Bezugspreis seit Beginn des Jahres 2004 unter Einschluss einer Preiserhöhung zum 1. Januar 2005 um insgesamt 0,572 Cent/kWh gestiegen. Die Preissteigerung 2005 habe - beginnend mit der Preiserhöhung zum 1. Januar 2005 - insgesamt 0,7770 Cent/kWh betragen. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass die von der Beklagten behauptete Bezugspreiserhöhung um 0,351 Cent/kWh zum Stichtag 1. Januar 2005 in beiden Angaben enthalten ist, ergibt sich daraus noch eine Bezugskostensteigerung zwischen dem 1. Januar 2004 und dem 31. Dezember 2005 um insgesamt 0,998 Cent/kWh, während die Beklagte den Arbeitspreis für den Kläger in dieser Zeit lediglich um 0,96 Cent/kWh (von 3,05 Cent/kWh auf 4,01 Cent/kWh) angehoben hat. Zur Substantiierung ihres Vortrags hat die Beklagte ein diesen jedenfalls teilweise bestätigendes Testat einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorgelegt.

Zitat
Dafür, dass es sich bei den von der Beklagten geltend gemachten Bezugskostensteigerungen um im vorgenannten Sinne \"unnötige\" Kosten handelt, die die Beklagte durch eine Preissteigerung auffangen möchte, ergeben sich aus dem Parteivortrag keine Anhaltspunkte. Wenn sich die Beklagte, wie sie vorträgt, der Ölpreisbindung nicht entziehen konnte, weil es sich dabei um eine internationale Branchenvereinbarung handele, die sowohl in den Importverträgen zwischen den Erdgasproduzenten und den deutschen Importeuren als auch in den Lieferverträgen zwischen den Importeuren und den regionalen Gasversorgern wie der Beklagten enthalten sei, auf die ein regionales Gasversorgungsunternehmen wegen geringer Nachfragemacht wenig Einfluss nehmen könne (so die Beklagte in der vom Kläger vorgelegten Pressemitteilung vom 9. März 2005 zur Begründung ihrer Gaspreiserhöhung zum 1. Januar 2005),

Da gehörte zur Substantiierung schon sehr viel \"Butter bei die Fische\". Und dass in den Importverträgen der Gaspreis laut amtlichen Mitteilungen des BAFA an den Preis von Mineralöl (Rohöl) gekoppelt ist, leichtes Heizöl jedoch kein Rohöl ist, sondern ein Raffinerieprodukt, dessen Preis neben dem Rohölpreis auch von der Verfügbarkeit von Raffineriekapazitäten abhängt, wird man ggf. noch verständlich machen können, ebenso dass auf dem Markt seit langem Gaslieferungen ohne Ölpreisbindung angeboten werden.

Offline reblaus

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Wann Nachweis der Billigkeit/Gerichtskosten
« Antwort #59 am: 11. August 2009, 22:08:46 »
@Black
Toll. Dann ist er endlich mal meiner Meinung, dass es nämlich ausreicht, eine schlüssige Begründung für eine Preiserhöhung zu liefern. :D

 

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