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Autor Thema: Offensichtlich Kurzschluss bei Versorgeranwälten  (Gelesen 11156 mal)

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Offline RR-E-ft

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Offensichtlich Kurzschluss bei Versorgeranwälten
« am: 29. März 2007, 18:29:08 »
Selbst gestandene Anwälte haben anscheinend Schwierigkeiten, das Urteil richtig einzuordnen:

http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=47926&pm=1

Wahrscheinlich haben sie die BGH- Rechtsprechung der letzten 30 Jahre insoweit nicht hinlänglich verfolgt. Die Urteile vom 15.02.2006 (WuM 2006, 207 Rn. 28 ff.) und vom 11.10.2006 - VIII ZR 270/05 (Rn. 18 ff.) scheinen sie nicht zur Kenntnis genommen zu haben.

Den Kollegen hätte wohl auffallen sollen, dass der BGH es bereits vor der Liberalisierung abgelehnt hatte, die mit einem Stromversorger vertraglich vereinbarten Preise auf ihre Billigkeit hin zu kontrollieren (BGH NJW-RR 1990, 1204).

Gleichwohl erklärte der BGH aber 13 Jahre später die Billigkeitskontrolle auf Stromtarifpreise für grundsätzlich anwendbar (BGH NJW 2003, 1449).

Zudem haben die Urteile der LG Bremen, Berlin und Dresden hinlänglich gezeigt, dass § 315 BGB auf Erdgas- Sonderverträge tatsächlich keine Anwendung findet, einseitige Gaspreiserhöhungen oftmals infolge unwirksamer Preisänderungsvorbehalte in den AGB unwirksam sind.

Diese Landgerichte wendeten zutreffend für Sondervertragskunden § 315 BGB wegen § 307 BGB auch dann nicht an, als die Gasversorger noch eine Monopolstellung hatten.

Die Gasversorger hätten sich jedoch womöglich eine Anwendung der Billigkeitskontrolle gewünscht, waren sie doch selbst von der Angemessenheit ihrer Preise überzeugt.

An der Anwendung der Billigkeitskontrolle auf echte Tarifpreise wird sich nichts ändern. Diese wurde vom BGH immer wieder bestätigt (vgl. nur BGH NJW 2006, 684 Rn. 10).

Offline Fridericus Rex

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Offensichtlich Kurzschluss bei Versorgeranwälten
« Antwort #1 am: 29. März 2007, 18:50:30 »
Heißt das aber nicht, dass § 315 BGB auf Strom nicht anwendbar ist, da es keine Monopolsituation mehr gibt?

Zitat
Den Kollegen hätte wohl auffallen sollen, dass der BGH es bereits vor der Liberalisierung abgelehnt hatte, die mit einem Stromversorger vertraglich vereinbarten Preise auf ihre Billigkeit hin zu kontrollieren (BGH NJW-RR 1990, 1204).


Wenn ich das richtig verstehe, sehen Sie das genauso und meinen, nunmehr sei eine Prüfung nach AGB-Recht vorzunehmen.

Wenn der § 315 aber an der Monopolstellung scheitert, dann ist das bei Gas doch auch der Fall, zu E-wie-Einfach kann doch jeder wechseln (und spart immer dabei!). Offensichtlich gibt es auch weitere Angieter.

Damit dürfte § 315 dann gestorben sein, oder bin ich zu voreilig?

Offline RR-E-ft

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Offensichtlich Kurzschluss bei Versorgeranwälten
« Antwort #2 am: 29. März 2007, 19:38:48 »
@Frediricus Rex

Möglicherweise fehlt Ihnen das grundelegende Verständnis über die Anwendung des § 315 BGB.


Wenn man einen Sondervertrag vereinbart, einigt man sich regelmäßig auf einen konkret zu zahlenden Preis.

Dieser hat die Richtigkeitsgewähr aus der freiwilligen Einigung und bedarf deshalb keiner gerichtlichen Überprüfung. Sonnenklar.

Grundsätzlich kann kein Preis für die Vertragsparteien "richtiger" sein, als der, auf den sie sich bei Vertragsabschluss geeinigt hatten.

Lediglich bei einem Monopolisten könnte sich die Frage stellen, ob der Preis bei Vertragsschluss trotz Einigung nicht etwa faktisch einseitig bestimmt war und deshalb in analoger Anwendung des § 315 BGB zu kontrollieren sei, was der BGH für Hausanschlusskosten und Baukostenzuschuss seinerzeit abgelehnt hatte.

Im laufenden Vertragsverhältnis kann der Lieferant den Preis nur dann einseitig neu bestimmen, wenn er sich eine Preisänderung wirksam vorbehalten hatte.

Wenn ich Kollegen Graf v. Westphalen richtig verstanden habe, hat indes noch kein Mensch einen Preisänderungsvorbehalt in AGB gesehen, welcher dem Transparenzgebot des § 307 BGB entsprechen könnte.

So bleibt es also zumeist beim anfänglich vereinbarten Preis, bis der Vertrag wirksam beendet wird.

Es gibt indes bekanntlich Fälle, wo der Energieleiferungsvertrag ohne Einigung auf einen Preis entgegen § 154 Abs. 1 BGB  überhaupt nur durch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Energielieferanten zustande kommt.

Ohne ein solches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gäbe es dabei schon überhaupt keinen vertraglichen Zahlungsanspruch.

Dem einseitig bestimmten Preis fehlt dabei von Anfang an die "Richtigkeitsgewähr", die sonst aus der Einigung der Parteien darüber folgt (st. Rspr. des BGH).

Die einseitige Leistungsbestimmung in solchen Konstellationen unterliegt selbstredend als Kehrseite der gleichen Medaille der Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 BGB (BGH NJW 2006, 684; BGH KZR 8/05; BGH KZR 9/05).

Dies gilt nach der langjährigen Rechtsprechung des BGH auch für Strompreise (vgl. nur BGH NJW-RR 1992, 183).

Bei derart konkludent geschlossenen Verträgen verbleibt es also dabei, dass bereits der Anfangspreis der Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 BGB unterliegt.

Daneben gibt es Verträge, in denen dem Lieferanten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht von Anfang an vertraglich eingeräumt ist etwa bei echten Tarifkundenverträgen gem. § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 iVm. § 4 AVBEltV.

Ohne ein solches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht wäre der Preis im laufenden Vertragsverhältnis wie aufgezeigt schon nicht durch den Versorger einseitig neu  festsetzbar.

Auch darauf kommt selbstverständlich § 315 BGB direkt zur Anwendung, andernfalls verbleibt es beim Preis vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bis zur Vertragsbeendigung.

Weil solche echten Tarifpreise indes von Zeit zu Zeit vollständig neu kalkuliert und einseitig neu festgelegt werden, ist dabei der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt als der Folgepreis, der Preis also jederzeit über § 315 BGB kontrollierbar (BGH NJW 2006, 684).

Ein solches einseitiges Leistungsbestimmungsrecht wird einem Vertragspartner vom Gesetz nur ganz ausnahmsweise eingeräumt, nämlich in den Fällen, wo ein gesetzlicher Kontrahierungszwang angeordnet ist, eine gesetzliche Leistungspflicht besteht.

Dies gilt vollkommen unabhängig von einer Monopolstellung und betrifft etwa den Grundversorger gem. § 36 EnWG.

Wo dieser gegenüber seinen Kunden zur einseitigen Leistungsbestimmung im laufenden Vertragsverhältnis berechtigt ist, unterliegen die getroffenen einseitigen  Bestimmungen der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB, ohne dass es dabei auf eine Monopolstellung ankommen kann.

Es ist vollkommen unzweifelhaft, dass etwa auch die einseitig festgesetzten Honoraforderungen der Architekten, Patentanwälte, Sachverständigen etc. einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegen.

Warum es bei Energielieferanten demgegenüber anders sein sollte, konnte noch niemand nachvollziehbar erklären.

Demgegenüber bestand noch nie eine Rechtsprechung, wonach generell alle Energiepreise einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegen undzwar selbst dann nicht, wenn der Versorger eine Monopolstellung hat (BGH NJW-RR 1990, 1204).


Es kommt eben immer darauf an, wie der konkrete Vertrag zustande gekommen war (mit Einigung auf einen Preis oder Ausnahmsweise ohne eine solche über ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht) und ob im laufenden Vertragsverhältnis der einen Partei etwa ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht wirksam eingeräumt und ausgeübt wurde.

Auf Sonderverträge für Energielieferungen kamen die AVBEltV/ AVBGasV weder direkt noch analog zur Anwendung (BGH NJW 1998, 1640, 1642). Der Vorbehalt eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts gem. § 315 BGB verstößt gegen § 307 BGB (vgl. nur BGH KZR 10/03 unter II.6). Eine Bestimmung, die den Kunden bei einseitiger Leistungsbestimmung auf einen Rückforderungsprozess verweist verstößt gegen § 307 BGB, weil mit dem tragenden Rechtsgedanken des § 315 BGB schlicht unvereinbar (vgl. BGH NJW 2005, 2919, 2920).


Und an alldem  hat sich nun einmal schlicht und ergreifend überhaupt nichts geändert. Alles bleibt, wie es schon immer war.

Und deshalb führte ich die Rede vom offensichtlichen Kurzschluss.

Dem § 315 BGB ist ersichtlich bereits jetzt ein langes Leben beschieden, weil es sich um eine sehr weise Regelung handelt (näheres vgl. etwa Schwintowski, N&R 2005, 90, 92 ff).

Sterben werden allenfalls einmal die vielen Legenden, die von der Energiewirtschaft um diese Vorschrift gestrickt wurden.

Offline Fridericus Rex

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Offensichtlich Kurzschluss bei Versorgeranwälten
« Antwort #3 am: 29. März 2007, 22:55:20 »
Ich denke schon, dass ich mir in der letzten Zeit ein grundlegendes Verständnis von § 315 BGB gemacht habe. Erst kürzlich habe ich mir - gerade um das besser zu verstehen - ein Buch diesbezüglich gegönnt (Zenke/Wollschläger, § 315 BGB. Streit um Versorgerpreise). Dies liest sich sehr eingängig und verständlich.

Aber losgelöst davon:
Zitat
Lediglich bei einem Monopolisten könnte sich die Frage stellen, ob der Preis bei Vertragsschluss trotz Einigung nicht etwa faktisch einseitig bestimmt war und deshalb in analoger Anwendung des § 315 BGB zu kontrollieren sei
Das heißt doch aber in der Konsequenz, dass es bei Nichtmonopolisten gerade nicht zu einer analogen Anwendung des § 315 BGB kommt. Hierzu zählt der BGH nach der neuen Entscheidung doch gerade den Strombereich.

Zitat
Es gibt indes bekanntlich Fälle, wo der Energieleiferungsvertrag ohne Einigung auf einen Preis entgegen § 154 Abs. 1 BGB überhaupt nur durch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Energielieferanten zustande kommt.
Welche Fälle sind das? Sofern ich den § 154 Abs. 1 BGB richtig verstehe, kommt ohne Einigung gar kein Vertrag zu stande. § 154 Abs. 1 BGB lautet:
Zitat
(1) Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll, ist im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen. Die Verständigung über einzelne Punkte ist auch dann nicht bindend, wenn eine Aufzeichnung stattgefunden hat.
Ohne Vertrag aber auch gar kein § 315 BGB, da dieser gerade von "Vertragschließenden" spricht und im Recht der Schuldverhältnisse, ABschnitt: Schuldverhältnisse aus Verträgen geregelt ist.

Im Nichtmonopobereich kann es dann aber auch nicht dazu kommen, dass ein Dissenz betreffend des Preises entsteht. Wenn ein Bürger in Kenntnis bspw. des Strompreies des Versorgers Strom entnimmt, schließt er einen faktischen Vertrag (st. Rspr. des BGH). Dieser kommt zu den allgemeinen Bestimmungen zu Stande. Will er dies nicht, so muss er dies ausdrücklich erklären oder eben einen anderen Anbieter wählen, die es im Strom- und Gasbereich auf jeden Fall gibt.

Schließlich kann man doch auch in Sonderverträgen auf die AVBEltV und AVBGasV bezug nehmen. Dies mag dann einer AGB-Kontrolle unterliegen, die aber nur eingeschränkt stattfindet, § 310 BGB
Zitat
(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.


Ich halte die Entscheidung des BGH durchaus für eine wichtige Entscheidung, die es uns Verbrauchern schwerer machen wird, gegen die Versorgerpreise vorzugehen. Ich finde es schön, wenn Sie, lieber Herr Fricke, uns Mut machen, gleichwohl denke ich das jedenfalls mit diesem Urteil wir etwas an Boden verloren haben. Mal sehen was die BGH - Entscheidung im Gas bringt.

Offline RR-E-ft

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Offensichtlich Kurzschluss bei Versorgeranwälten
« Antwort #4 am: 30. März 2007, 00:12:26 »
@Fridericus Rex

Dachte ich mir schon. :wink:

Zenke/ Wollschläger
ist schon spannend und zum Einstieg sicher gut geeignet, wenn man das Hinterfragen nicht vergisst.

Welche konkreten Handlungsempfehlungen ab Seite 287 ff.
konnten Sie persönlich aus dem Werk für sich mitnehmen?

Nochmals:

Analoge Anwendung allenfalls im Monopolbereich.

In echten Tarifkundenverträgen war mit § 4 AVBEltV/ AVBGasV ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht von Anfang an vertraglich vereinbart, siehe nur § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AVBV, was die direkte Anwendung des § 315 BGB zur Folge hat.

Alle konkludenten Vertragsabschlüsse sind wegen § 154 I BGB auf ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Lieferanten angewiesen (BGH NJW-RR 1992, 183; BGH NJW 2006, 684; BGH NJW 2006, 1667).

Eine Einigung auf einen konkreten Preis gibt es dabei gerade nicht:

Würde es einer Einigung bedürfen, wäre ein konkludenter Vertragsabschluss schon beim Preiswiderspruch nicht möglich.
Ein solcher ist aber für den Vertragsabschluss als solchen bekanntlich unbeachtlich (BGH NJW 2003, 3131; BGH NJW 2006, 1667).

Der Kunde muss das Angebot (Preisliste) für den konkludenten Vertragsabschluss noch nicht einmal kennen.

Auch dies spricht gegen eine Einigung gem. §§ 145 BGB ff. auf einen konkreten Preis.  

Theoretisch kann ein neu Zugereister keine Kenntnis davon haben, dass ab 01.04. neue Strompreise gelten sollen. Am 31.03. gegen 23.30 Uhr betritt er, gerade in der neuen Stadt angekommen, seine neue Mietwohnung und betätigt dort zum ersten mal den Lichtschalter.

Das elektrische Licht geht an und er sieht -  wie so oft in solchen Fällen - dass weder neben dem Lichtschalter, noch neben dem Sicherungskasten, noch am Stromzähler oder irgendeiner Steckdose eine Preisliste des örtlichen Versorgers angebracht ist.

Die Nachbarn will er nicht aus dem Schlaf klingeln, um sich zu erkundigen und eigentlich ist es auch vollkommen egal, weil er meint, dass die überall zu hoch sind und er ja sowieso nicht mit denen einverstanden ist.

Welcher Preis sollte denn dabei Gegenstand einer Einigung geworden sein?

Zumal wenn der Grundversorger in der örtlichen Presse Mitte März die neue ab 01.04.2007 gültige Preisliste mit einem ganzen Bündel an verschiedenen Tarifen veröffentlicht hatte....

In dem vom BGH entschiedenen Fall, war klar, dass sich die Parteien bei Vertragsabschluss  auf den konkreten Tarif "local plus", einen Sondervertrag, geeinigt hatten.

Im berühmten Lichtschalter-Knips- Vertragsschluss- Fall wären doch aber wohl zumindest alternativ "local plus" und "local classic" in Betracht gekommen, daneben vielleicht noch andere veröffentlichte Preisstellungen: mit/ohne Leistungsmessung, mit/ohne Schwachlastregelung, family/single jeweils mit und ohne Hund....


Dies gilt erst recht, wo eine nachträgliche Bestpreis- Einstufung durch den Versorger erfolgt.

Dabei von einer Einigung auf einen Anfangspreis zu sprechen, der eine halbe Stunde nach Vertragsabschluss schon keine Gültigkeit mehr haben soll, wäre absurd, weshalb der BGH in solchen Fällen Allgemeiner Tarife bei dynamischer Verweisung auf eine jeweilige Preisliste zurecht den Anfangspreis als nicht weniger einseitig bestimmt bezeichnet als den Folgepreis (BGH NJW 2006, 684 Rn. 10).

Möglicherweise wird sich der BGH in dem Thüga- Gaspreisverfahren in der Revison gegen das Gaspreis- Urteil des LG Karlsruhe (allenfalls konkludenter Vertragsabschluss) deutlicher dazu artikulieren.

Es verbleibt dabei, dass es eine ganze Fülle von Fallgestaltungen gibt, in denen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Energielieferanten besteht, und bei denen deshalb weiter eine gerichtliche Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 BGB  stattfindet.

Einen solchen Fall der direkten Anwendung des § 315 BGB verhandelt etwa das Landgericht Gera.

Bei der direkten Anwendung des § 315 BGB kommt es auf eine Monopolstellung oder Angewiesenheitslage gerade nicht an.

Das Verfahren  betrifft die zur Abrechnung gestellten Stromentgelte nach nachträglicher Bestpreis- Einordnung, die nicht Gegenstand einer Einigung der Parteien bei Abschluss eines ganz besonderen Sondervertrages waren. Der Lieferant hatte nach Vertragsabschluss alle möglichen Preismodelle einseitig geändert, bis der Allgemeine Tarif, der auch während der Vertragslaufzeit abgeändert wurde, plötzlich der Bestpreis war und zur Abrechnung gestellt wurde. Aufgrund eines vereinbarten  einseitigen Leistungsbestimmungsrechts konnte der Lieferant nach Vertragsabschluss so verfahren, indes mit einer Konsequenz:

http://www.energieverbraucher.de/files.php?dl_mg_id=756&file=dl_mg_1163494755.pdf

Das LG Gera hatte bereits in einem Hinweis- Beschluss aus 2005 erkannt, dass es für die direkte Anwendung des § 315 BGB nicht auf eine Monopolstellung oder Angewiesenheitslage ankommt.

Vollkommen unzweifelhaft ist m. E. die direkte Anwendung des § 315 BGB etwa auf den Tarif der Ersatzversorg gem. § 38 EnWG, auf die der betroffene Stromkunde evident angewiesen ist und wo es ausdrücklich keine Einigung, ja gar keinen Vertragsabschluss gab.

Offline RR-E-ft

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Offensichtlich Kurzschluss bei Versorgeranwälten
« Antwort #5 am: 30. März 2007, 19:43:33 »
@Fredericus Rex

Der Sinn und Zweck des § 315 BGB besteht gerade darin, einen Vetragsabschluss entgegen § 154 Abs. 1 BGB  auch dann zu ermöglichen, wenn sich die Parteien gerade nicht über alle vertragswesentlichen Punkte (etwa den Preis) geeinigt haben (vgl. Protokolle und Motive zum BGB).


Bei echten Tarifkundenverträgen bzw. Grundversorgungsverträgen fehlt dem Lieferanten im Gegensatz zu Sonderverträgen  bereits regelmäßig der Bindungswille auf einen vereinbarten Preis.

Der Versorger ist wegen der gesetzlichen Versorgungspflicht regelmäßig daran gehindert, den Vertrag selbst zu kündigen.

Er will sich keinesfalls mit dem Kunden auf einen für die gesamte Vetragsdauer geltenden Preis einigen, kann dies auch gar nicht:

Der Versorger muss vielmehr in die Lage versetzt sein, unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, im laufenden Vertragsverhältnis den Preis jederzeit an seine betriebswirtschaftlichen Erfordernisse anzupassen, um seiner gesetzlichen Versorgungspflicht gegenüber allen Anspruchsberechtigten  jederzeit genügen  zu können.

Zudem besteht eine Gleichbehandlungspflicht gegenüber den Kunden, die eine Preisspaltung gegenüber verschiedenen Tarifkunden mit gleichen Abnahmeverhältnissen ausschließt.

Weil der Versorger deshalb den Preis jederzeit -  im Extremfall auch schon einmal  wenige  Minuten nach Vertragsabschluss- einseitig ändern können muss, kommt es gerade zu keiner Bindungswirkung des Versorgers durch die Einigung auf einen bestimmten Preis bei Vertragsabschluss.

Zugleich hat auch der Kunde kein Interesse an einer solchen Bindung durch eine Preisvereinbarung.

Diese würde nämlich auch verhindern, dass der Lieferant im laufenden Vertragsverhältnis die Preise einseitig absenkt, wenn es die Kosten- und Erlöslage des Versorgers zulässt bzw. einen Aufsichtsbehörde anordnet, wie etwa aktuell bei mehreren Thüringer Stadtwerken.

Somit entspricht es den anerkannten Interessen beider Parteien, dass dem Versorger von Anfang an ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wird.

Die Einigung geht deshalb in diesen Fällen allein darauf, dass die Belieferung des Kunden zu den jeweiligen - vom Versorger einseitig festgelegten Preisen erfolgt, vgl. etwa § 4 AVBEltV/ AVBGasV.

Zutreffend hat etwa der Präsident des  LG Duisburg den Leiter der Rechtsabteilung der Wuppertaler Stadtwerke (diesmal in der Rolle eines Prozessvertreters) darauf hingewiesen, dass es in Deutschland üblich ist, dass der Versorger die jeweils geltenden Allgemeinen Preise gem. § 4 AVBV einseitig festlegt und nicht etwa der Kunde und dass der Kunde an der Festlegung des neuen Preises auch überhaupt nicht beteiligt wird.

Das hätte der Herr Kollege womöglich aufgrund seiner Erfahrung bei den Tariffestsetzungen der eigenen Stadtwerke auch schon allein wissen können, so dass es eines solchen richterlichen Hinweises gar nicht bedurfte.

Diese einseitigen Preisfestlegungen unterliegen deshalb der Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 BGB.

Dabei kann die Überprüfungsmöglichkeit auch nicht erst an einen Preisänderungsakt des Versorgers anknüpfen:

Möglicherweise sinken nach Vertragsabschluss dessen Kosten bei der Beschaffung oder anderen preisbildenden Faktoren erheblich, ohne dass er dies zu Preissenkungen zum Anlass nimmt, weil es auch sonst keinen entsprechenden Druck auf die Preise gibt.

Der von Anfang an einseitig bestimmte Preis kann deshalb im laufenden Vertragsverhältnis auch dann und gerade deshalb unbillig werden, weil der Versorger die Preise überhaupt nicht abändert, obschon seine geänderte Kostensituation dies gebietet.


Mancher hat gern einen konkreten Fall:

So wollten etwa die Stadtwerke Jena nach ihrem Ermessen die Strompreise in der Grundversorgung zum 01.01.2007 erhöhen - womöglich, weil dies im Trend liegt und auch sie Trendsetter sein wollen.

Die (noch) zuständige Preisaufsichtsbehörde lehnte dieses Ansinnen ab.

Im Februar verfügte die Bundesnetzagentur eine Absenkung der wohl seit langem überhöhten Netzentgelte um 9 Prozent zum 01.02.2007.

Die Stadtwerke nahmen diese erhebliche Kostensenkung nicht zur Veranlassung, die Strompreise sogleich abzusenken, sondern es bedurfte erst einer Verfügung der Strompreisaufsicht, mit welcher die höchstzulässigen Strompreise gem. § 12 BTOElt abgesenkt wurden.

Die Stadtwerke Jena reagierten auf diese Verfügung dergetsalt, dass sie mit neuen, abgesenkten Strompreisen die verfügte Preisobergrenze nach ihrem Ermessen voll ausschöpfen.

Demgegenüber hatten etwa die Stadtwerke Düsseldorf eine Tariferhöhung bei der Preisaufsicht zum Jahresbeginn beantragt und auch genehmigt bekommen, ihr Ermessen bei der Festsetzung der Grundversorgungstarife indes dahingehend ausgeübt, den genehmigten Rahmen vorerst nicht voll auszuschöpfen und die Strompreise vorerst nicht zu erhöhen.

Ermessen über Ermessen....

Obschon fraglich ist, ob den Stadtwerken Jena gegenüber Sondervertragskunden ein entsprechendes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht überhauupt wirksam vertraglich eingeräumt wurde, machten sie diesen gegenüber nach eigenem Ermessen zum 01.01.2007 von einem einseitigen Leistungsbetimmungsrecht Gebrauch und erhöhten die Vertragspreise einseitig über die seinerzeitige Preisobergrenze für den Allgemeinen Tarif hinaus, so dass die Sondervertragspreise bereits zum Jahresanfang über den Allgemeinen Tarifen lagen.

Nachdem die Aufsichtsbehörde nunmehr die Preisobergrenze für den Grundversorgungstarif noch einmal deutlich abgesenkt hat, die von den Stadtwerken einseitig festgelegten Sondervertragspreisen noch einmal deutlich weiter über dieser liegen, senken die Stadtwerke wohlmöglich nach ihrem Ermessen die Sondervertragspreise auch nicht wieder ab.

Das sind alles einseitige Bestimmungen gegenüber den jeweiligen Vertragspartnern, die sich ggf. gerichtlich überprüfen lassen müssen, wofür bekanntermaßen § 315 Abs. 3 BGB zur Verfügung steht.

Weil es im Gasbereich schon keine Preisaufsicht gibt, im Strombereich eine solche entfallen soll, sich an den laufenden Verträgen indes nichts ändert, könnte die direkte Anwendung des § 315 BGB zukünftig eine noch großere Bedeutung erlangen.

Im Fall der Strompreise der Stadtwerke Jena sieht es jedenfalls so aus, dass die Stadtwerke ihr Ermessen wohl offensichtlich in mehrerlei Hinsicht gegenüber verschiedenen Vertragpartnern falsch ausgeübt haben, indem sie nur ihren eigenen Vorteil gesucht haben ohne auf die berechtigten  Belange der Vetragspartner, deren rechtlich anerkanntes Interesse in einer möglichst preisgünstigen Versorgung besteht,  Rücksicht zu nehmen.

Dies soll die Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB  gerade verhindern bzw. nachträglich über einen entsprechenden Rückerstattungsanspruch hinsichtlich des rechtsgrundlos Geleisteten  korrigieren.

Diese ersichtlich weithin bestehenden praktischen Bedürfnisse nach einer Billigkeitskontrolle kommen bei Zenke/ Wollschläger zu kurz, weil keine praktikablen Lösungsvorschläge für den Kunden aufgezeigt werden, wie er sich vor der falschen Ermessensausübung durch den Versorger schützen kann bzw. rückwirkend schnell und unproblematisch  eine entsprechende, angemessene Kompensation erfährt.

Haben Sie etwas Entsprechendes gefunden?

Die Experten von FPS haben anscheinend auch keine praktikablen Lösungsvorschläge.

All die Kollegen, die die Auffassung vertreten, in echten Tarifkundenverträgen sei kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zugunsten der EVU vereinbart, stehen folgenden dringenden Fragen gegenüber:


Sind viele Verträge mangels Einigung auf einen konkreten Vertragspreis für die Dauer des Vertragsverhältnisses gar nicht wirksam zustande gekommen, mit der Folge, dass oft nur bereicherungsrechtliche Ansprüche des Versorgers bestehen?

Waren die Versorger zu einseitigen Preisneubestimmungen in den laufenden Vertragsverhältnissen mangels eines vertraglich vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrechts gar nicht berechtigt?

Erfolgten mithin alle Zahlungen der Kunden in den vergangenen Jahren auf die erhöhten Preise deshalb rechtsgrundlos und unterliegen der Rückforderung gem. § 812 BGB?

Wie und in welcher Höhe hätten die Versorgungsunternehmen in diesem Fall ggf. Rückstellungen zu bilden, um diesem unternehmerischen Risiko ggf. rechtssicher Rechnung zu tragen?

Ab welchem Zeitpunkt wären ggf. Insolvenzanträge zu stellen, wenn keine Mittel zur Verfügung stehen und aufgebracht werden können, um entsprechend erforderliche Rückstellungen nachträglich zu bilden?


Dies wären die drängendsten Fragen, welche die Energiewirtschaft dann heute beschäftigen müssten.
:idea:

Haben Sie irgendwo eine Antwort darauf gefunden?

Dabei wäre ja dann davon auszugehen, dass die Versorger wussten, dass sie zu einseitigen Leistungsbestimmungen in den laufenden Vertragsverhältnissen nicht berechtigt sind, denen per Einzugsermächtigung von den Kundenkonten abgebuchten Beträgen kein Rechtsgrund zu Grunde lag, mithin bösgläubig von den Kunden gar nicht geschuldete Beträge von deren Konten eingezogen wurden, was eine verschärfte Haftung auslöst.

Ich bin mal gespannt sehr gespannt, wer dafür dann in letzter Konsequenz die Verantwortung übernehmen wollte.


Zu denken ist auch  an die Haftung der Kollegen, welche die Unternehmen entsprechend beraten hatten.  :shock:

Offline Motz

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Offensichtlich Kurzschluss bei Versorgeranwälten
« Antwort #6 am: 30. März 2007, 23:12:25 »
Hallo, ich verstehe den § 315 BGB nun gar nicht mehr - habe mir die Antworten mal angesehen. Ist er nun anwendbar oder nicht? Würde gern meine Rechnung kürzen twisted, trau mich aber nicht. Habe mir auch Zenke/Wollschläger bestellt. Hoffe, dann klar zu sehen. Oder geht auch alles in einfachen Wortn?

Offline RR-E-ft

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Offensichtlich Kurzschluss bei Versorgeranwälten
« Antwort #7 am: 31. März 2007, 14:53:18 »
@Motz


In dem Werk der Versorgeranwälte Zenke/ Wollschläger wird man als Verbraucher sicher die richtige Antwort finden. :wink:


Es ist ganz einfach:

§ 315 BGB findet nur dann und soweit Anwendung, wie der Preis vom Lieferanten bei Vertragsabschluss oder später im laufenden Vertragsverhältnis einseitig festgelegt wurde.

Er findet deshalb  keine Anwendung auf Preise, auf die man sich konkret geeinigt hat, und die wegen dieser Einigung als richtig gelten.

Preisen, auf die man sich nicht geeinigt hat, sondern die einseitig festgelegt wurden, fehlt hingegen diese "Richtigkeitsgewähr" und sie sind deshalb gerichtlich kontrollierbar.

In der Regel weiß man aus Kindertgen schon, wie eine Einigung funktioniert, ob mit Handschlag oder ohne.  

Man kann also leicht beurteilen, ob man sich auf den Preis, der auf der Rechnung erscheint, geeinigt hatte oder aob dieser vom Lieferanten einseitig festgesetzt wurde.


Im Übrigen sei auch Energidepesche Sonderheft empfohlen.

Offline Motz

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Offensichtlich Kurzschluss bei Versorgeranwälten
« Antwort #8 am: 01. April 2007, 21:16:43 »
Aber, habe ich mich denn nicht geeinigt? Ich meine, wer macht denn  Handschlag? Ich habe dort angerufen und mein Energieversorger, also die dame am Telefon, hat gesagt O.k., junger Mann, wir senden Ihnen gern unseren Strom.   D  Und ich habe gesagt, danke sehr, das wäre super  P

Was meinen Sie denn mit "Versorgeranwälten"? Wenn das Anwälte sind, dann müssen die doch das Recht gut kennen, oder?  ?

Offline RR-E-ft

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Offensichtlich Kurzschluss bei Versorgeranwälten
« Antwort #9 am: 01. April 2007, 22:37:20 »
@Motz

Möglicherweise hatten Sie sich gerade wegen eines bestimmten Preises Ihren Stromlieferanten gewählt. Möglicherweise hatten Sie aber auch nur die Telefonnummer eines einzigen Stromlieferanten, weil Sie sich vielleicht nicht besser informiert hatten.

Man kauft schließlich nicht  immer gleich ein Buch für 49 EUR. :D

Ein fernmündlicher Vertragsabschluss ist zwar ungewöhnlich, aber nicht völlig ausgeschlossen.

Regelmäßig gibt es eine schriftliche Vertragsbestätigung, in denen der Inhalt des Vereinbarten wiedergegeben ist.

Wenn man dabei einen konkreten Vertragspreis vereinbart hat, dann gilt dieser aufgrund der Vereinbarung (Einigung) undzwar für beide Seiten, ohne dass einer der Vertragspartner den Preis einseitig neu festlegen kann.

Der Kunde hat dann Anspruch auf Stromliferungen zu dem konkret vereinbarten Preis und der Lieferant hat nur Anspruch auf diesen vereinbarten Preis.

Ohne Einigung auf einen konkreten Preis kommt wegen § 154 Ab. 1 BGB kein Vertrag wirksam zustande, es sei denn, man überlässt ausnahmsweise dem Lieferanten ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht und dieser übt dieses aus, in dem er den vom Kunden zu zahlenden Preis einseitig festlegt.

Wenn man sich also nur darauf geeinigt hat, dass Strom ab einem bestimmten Zeitpunkt über einen bestimmten Zähler geliefert werden soll, ohne eine konkrete Einigung auf einen zu zahlenden Preis und ohne einseitiges Leistungsbetimmungsrecht des Lieferanten in Bezug auf die Festlegung des Preises, ist demnach ein Energielieferungsvertrag nicht wirksam abgeschlossen worden.

Dann gibt es gar keinen Energielieferungsvertrag. Ebenso kommen andere Kaufverträge nicht zustande, wenn man sich nicht auf einen Preis geeinigt hat. Es fehlt dann an einer Einigung über einen vertragswesentlichen Punkt.

Na klar kennen Anwälte das Recht.

Möglicherweise ist auch Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Anwälte - etwa vor Gericht - immer die Interessen ihrer speziellen Klientel vertreten. Das behalten sie regelmäßig auch bei, wenn sie gerade nicht im Gericht sind.

Herrn Kollegen Wollschläger kenne ich aus Verfahren, die wir vor verschiedenen Landgerichten führen, wobei er jeweils die Versorger vertritt.

Es stand deshalb nicht zu erwarten, dass er etwas veröffentlicht, was seiner Argumentation in den laufenden Verfahren zuwider liefe.

Indes war er auch bisher ersichtlich der einzige Kollege, der sich in einem nicht widerrufenen gerichtlichen Vergleich für ein Stadtwerk bereit fand, jeweils vor einer Preiserhöhung im laufenden Vertragsverhältnis die komplette Preiskalkulation gegenüber dem Kunden offen zu legen.

Ich schätze, dass er das nicht getan hätte, wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, dass seine Mandantin sonst auch dazu gerichtlich verpflichtet worden wäre, denn der Kollege ist sicher ein guter Anwalt und gesteht deshalb nicht mehr zu als notwendig.

Ich bin mir ganz sicher, dass Sie das ganz gut verstanden haben und wenn nicht, einfach noch einmal von vorn mit  Ihren Überlegungen beginnen, bis der Groschen ggf. fällt. :wink:

Falls Sie weiter zu keinem Ergebnis gelangen sollten, wenden Sie sich an einen Anwalt, dem Sie haarklein schildern, was seinerzeit am Telefon besprochen wurde, was ggf. danach schriftlich kam und welche Rechnungen hiernach gelegt und bezahlt wurden, damit dieser den Sachverhalt in Ihrem ganz speziellen Fall umfangreich prüft.

Sollte etwa eine Firma wie VARTA den Strom mit Batterien und Akkus gesandt haben, teilen Sie dies dem Anwalt unbedingt mit. Dann gilt wieder etwas anderes.  :wink:


P.S.: Handschlag machen traditionell die Händler auf dem Viehmarkt. Handschlagfreudig sind aber auch die kernigen  Menschen in den neuen Bundesländern.

Offline Fridericus Rex

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Offensichtlich Kurzschluss bei Versorgeranwälten
« Antwort #10 am: 03. April 2007, 23:07:42 »
@Motz

Also ich bin zwar kein juristischer Experte, aber wenn Sie in einem (telefonischen) Gespräch mit einem von Ihnen angesprochenen Stromversorger über Ihre Versorgung mit Strom gesprochen haben, dann ist das ein Vertrag, der die wesentlichen Bestandteile enthält. Auf eine schriftliche Vertragsbestätigung kommt es insoweit nicht an, ein Stromlieferungsvertrag kann formfrei geschlossen werden, oder irre ich mich da?

@Fricke
Ein interessanter Fall den sie da schildern, hat denn der Versorger tatsächlich die Kalkulation offen gelegt? Was kam bei der Überprüfung heraus. Ich habe hier im Forum noch nie gelesen, dass tatsächlich die Kalkulation auf den Tisch gelegt wurde.

Viele Grüße
Fridericus Rex

Offline RR-E-ft

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« Antwort #11 am: 04. April 2007, 11:42:22 »
@Fridericus Rex

Auch bei Motzki kommt es darauf an, ob man sich tatsächlich auf einen konkreten Preis geeinigt hatte, eine Frage des Einzelfalles, die im konkreten Fall zu klären wäre. Ohne Einigung auf einen ganz konkreten Preis bei Vertragsabschluss kommt - vorbehaltlich eines vereinbarten einseitigen Leisungsbestimmungsrechts -  ein Energielieferungsvertrag wegen § 154 I BGB nicht wirksam zustande. Dabei ist es ohne Belang, worüber sonst noch am Telefon gesprochen wurde, ob man sich dabei gut verstand.

Als Kunde muss man in einem Zahlungsprozess des Versorgers nicht darauf dringen, dass die Kalkulation offen gelegt wird. Auch die Gerichte haben wegen der vielen Arbeit kein gesteigertes Interesse daran.

Als Kunde darf man sich durchaus damit zufrieden geben, wenn die Preiskalkulation im Prozess nicht offen gelegt wird. Auch das Gericht hat es dann viel leichter.:wink:

Es genügt vollkommen, wenn die Zahlungsklage wegen der nicht offen gelegten Preiskalkualtion vollständig als unbegründet abgewiesen wird (BGH NJW-RR 1992, 183, 186; OLG München NJW-RR 1999, 421; OLG Karlsruhe, RdE 2006, 356).

Mehr kann man nun einmal von einem Gericht oft nicht verlangen.

Ein Kunde, der im Zahlungsprozess des Versorgers  noch mehr verlangt, übetreibt meines Erachtens.

Man muss die Kirche auch schon einmal im Dorf lassen.

Allenfalls widerklagend könnte man noch feststellen lassen, dass ein weitergehender Zahlungsanspruch des Versorgers nicht besteht, um den Sack endgültig zuzubinden.

Dann muss es dann aber auch gut sein. Wer als Kunde noch mehr will, ist womöglich nicht recht gescheit.

Versorgeranwälte haben deshalb oft weder guten Rat für die Versorger, noch für die Kunden.

Sie lassen sich das jedoch nicht anmerken.

Manchmal werden überhöhte Preise und überhöhte Gewinnmargen auch ohne Offenlegung der Preiskalkulation offenbar:

http://www.newsropa.de/index.php?id=115&tx_ttnews%5Btt_news%5D=2375&tx_ttnews%5BbackPid%5D=7&cHash=9697e7d653

Wenn ein Strompreis schon nicht gem. § 12 BTOElt als gesetzlich höchstzulässiger Preis rechtfertigen lässt, dann schon gar nicht bei einer einseitigen Preisneufestsetzung weit über dieser gesetzlichen Verbotsgrenze in einem Sondervertrag.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #12 am: 10. April 2007, 14:58:58 »
Auch das OLG Düsseldorf entschied in einem Urteil vom 18.06.2003, dass eine Zahlungsklage abzuweisen ist, wenn die Billigkeit des einseitig erhöhten Entgelts gem. § 315 Abs. 3 BGB anhand der Kalkulation nicht nachgewiesen wird:

http://www.olg-duesseldorf.nrw.de/presse/material/entscheid/u_kart_64_01_.pdf

Mehr konnte auch der dortige Beklagte vom Gericht nicht verlangen.

Schließlich ging es um mehr als 5 Mio Deutsche Märker.

Offline Motz

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« Antwort #13 am: 18. April 2007, 22:07:11 »
Also, dann kann ich den Experten ja als "Motzki" mal schildern wie es war Ich habe angerufen. Die Dame hat gesagt gern s.o.). Ich habe gefragt, haben Sie denn was besonders preiswertes für mich? Dame Ja, klar, natürlich. Hat mir eine Zahl / einen Tarif genannt. Und dann kam der freundliche Abspann. Die haben mir auch was zugeschickt.

So war es. Also Was nun tun?

Die Erleuchtung  idea hatte ich aus Ihren beiden Texten nicht. Wieso Offenlegung? Ich frage, ob ich alles zahlen muss? Und der BGH hat das doch nun auch anders gesehen? Wie in dem Buch (habs fast durch, ist sogar gut lesbar, wenn man die Fußnoten weglässt) geschrieben? ?

GRuß
motz   shock

Offline RR-E-ft

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« Antwort #14 am: 19. April 2007, 12:54:54 »
@Motz

Ob man sich bei Vertragsabschluss nun auf einen konkreten Preis geeinigt hatte oder nicht, muss man doch eigentlich selbst wissen.

Das lässt sich wohl in keinem Buch nachlesen und das kann auch sonst keiner beantworten, der bei dem Gespräch nicht mit dabei war und den konkreten Inhalt nicht kennt.

Auch muss man selbst wissen, ob immer nur der Preis zur Abrechnung gestellt wurde, auf den man sich ggf. bei Vertragsabschluss mit dem Lieferanten geeinigt hatte.

Hatte man sich geeinigt und wurden nur die Preise zur Abrechnung gestellt, auf die man sich bei Vertragsabschluss geeinigt hatte, gilt zweifelsfrei pacata sunt servanda und man muss, um in Ihrem Bild zu bleiben "alles zahlen".

Das gilt gerade dann, wenn man kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht mit dem Lieferanten vereinbart hatte und dieser deshalb nicht berechtigt war, den Preis nach Vertragsabschluss einseitig (neu) festzulegen, zumal dann, wenn man auch trotz einer solchen Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts gegenüber einer einseitigen Preisfestlegung die Einrede aus § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht erhoben hat.

Das entsprach schon immer der Rechtsprechung des BGH und ist eigentlich auch eine Selbstverständlichkeit.

Pacta sunt servanda ist seinem Inhalt nach wohl allgemein bekannt.

Notwendige Spielregeln gibt es ja auch sonst: "Was liegt, das liegt." oder "Berührt, geführt.", "Plop das heißt Stop, drei Felder sind frei" .....

Wenn man einer Beratung in einem Einzelfall bedarf, so wende man sich bitte vertrauensvoll an einen Rechtsanwalt, welcher die Dienstleistung anbietet, die Rechtslage im konkreten Fall anhand aller Unterlagen eingehend zu prüfen.

Ebenso wie Bücher nicht verschenkt werden, wird indes erfahrungsgemäß auch diese Dienstleistung nicht unentgeltlich erbracht werden.


Zitat von: \"Motz\"
Ich habe angerufen. Die Dame hat gesagt gern s.o.). Ich habe gefragt, haben Sie denn was besonders preiswertes für mich? Dame: Ja, klar, natürlich. Hat mir eine Zahl / einen Tarif genannt.



Der Inhalt ihrer Telefonate mit einer Dame (nicht öffentlich gesproches Wort) sollte m. E.  nicht Gegenstand eines öffentlichen Forums sein. :wink:


Wenn Sie Erleuchtung suchen, wenden Sie sich bitte woanders hin. :idea:

Spirituelle Daseinszustände sind ebensowenig unser Thema wie die Schulung kognitiver Fähigkeiten. Sollte das Licht aus anderen Gründen fehlen, wende man sich ggf. an einen Energieversorger seiner Wahl. :D

Ich denke, dass etwa die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf im genannten Urteil auch unter dem Gesichtspunkt einleuchtet, dass die Entnahme von Energie gegen Entrichtung der in den jeweils gültigen Preisblättern festgelegten Entgelte jedermann und jederfrau gestattet wird, ohne dass es eines schriftlichen Vertrages bedarf, und deshalb auf diese Fälle übertragbar ist.

Die Urteilsbegründung ist in sehr verständlicher Form und klarer Sprache abgefasst, ganz ohne verwirrende Fußnoten. Damit meine ich insbesondere auf Seite 6 der Urteilsausfertigung den Punkt 1, auf Seite 10 ff. der Urteilsausfertigung den Punkt 3. sowie speziell auf  Seite 17 der Urteilsausfertigung den Punkt 4.

Verständnisstiftend kann auch der Aufsatz von Prof. Säcker in RdE 2006, S. 65, insbesondere ab Seite 68 sein:


http://www.agfw.de/typo3conf/ext/naw_securedl/secure.php?u=0&file=fileadmin/dokumente/rec/Aufsatz_Saecker_RdE_2006_65ff.pdf&t=1177078916&hash=066fbc9859bd26f7b67a28b623c6e36c

Ob das auch Ihnen ebenso einleuchtet oder was dem ggf. entgegensteht,  ist für mich persönlich indes nicht von Interesse, wofür ich recht herzlich um Ihr Verständnis bitte.

Zitat von: \"Motz\"
Also: Was nun tun?


Die Frage beantworten Sie sich nach alldem ggf. selbst.

 

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