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Autor Thema: Sondervertragskunden Argumentationshilfen  (Gelesen 18549 mal)

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Offline Kampfzwerg

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Sondervertragskunden Argumentationshilfen
« am: 20. Februar 2007, 19:54:37 »
Stimmung
zu 3. Details zu Sondervertragskunde (vielleicht mit ein paar Urteilen)

Anmerkungen:
Da immer der Einzelfall zugrunde gelegt werden muss, ist es im Bereich Sondervertragskunden schwierig eine allgemeine Hilfestellung zu leisten.

Zu beachten/unterscheiden gilt hierbei generell, ob in einen bestehenden Vertrag eingetreten wurde, oder ob man den Sondervertrag freiwillig abgeschlossen -und auch selbst unterschrieben-, heisst die Preise "individuell vereinbart", hat.

Selbst in letzterem Fall unterschreibt der Kunde im Regelfall vorformulierte Norm-Sonderverträge, was wiederum bedeutet, dass eine individuelle Vereinbarung faktisch gar nicht stattgefunden hat.

Das wiederum ermöglicht dann ebenfalls eine Argumentation auch mit §315 BGB. (s. OLG Karlsruhe)


@all

Anbei kleine Sammlung als Argumentationshilfe bei
Sondervertragskunden,
ohne Anspruch auf Vollständigkeit :wink:
Falls jemandem ein Fehler auffallen sollte, bitte ruhig kurz Info.
Und dabei bitte nicht vergessen: ich argumentiere mit 315 und 307.
Voraussetzung:
1. Eintritt in einen bereits bestehenden Sondervertrag eines Bauträgers mit dem EVU, bei dem die ursprünglichen Anfangspreise aufgrund eines Norm-Sondervertrags
n i c h t individuell (weder vom Bauträger und schon gar nicht von mir) vereinbart worden sind.
2. Die Preisklauseln in den Sonderbedingungen sind gem. §307 unwirksam.

Sammlung:

Gefestigte Rechtsprechung des BGH zur Unwirksamkeit von Preisklauseln und zur Wirkung des Unbilligkeitseinwandes, vgl. etwa BGH-Urteil vom 25.2.1998 Az. VIII ZR 276/96;  BGH, Urt. v. 19.10.1999 - XI ZR 8/99 (NJW 2000, 651)

Aktuelle Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Preisanpassungsklauseln wegen Intransparenz gem. § 307 BGB und zur zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB:
 
OLG Karlsruhe, Az: 7 U 194/04 v. 28.06.06;
BGH NJW-RR 2005, 1717; OLG Stuttgart NJW-RR 2005, 858; LG Dresden, Urteil v. 19.05.2006; LG Bremen, Urteil v. 24.05.2006

BGH NJW 2005, 2919; BGH NJW 2006, 684 ff.; BGH NJW 1667, 1670 Tz.28; LG Oldenburg, WuM 2006, 162; LG Neuruppin, ZMR 2006, 290; BGH, Urteil v. 07.02.2006 - KZR 8/05; OLG Schleswig, Urteil v. 05.04.2006
Edit vom 27.03.07: LG Kassel Urteil v. 05.02.07 Az. 6 O 33/07
LG Kassel: Preiserhöhung unwirksam/ Geld zurück an Kunden


Das LG Oldenburg wies in dem Sammelklageverfahren Az. 9 O 403/06 am 17.11.2006 darauf hin, dass die Kammer eine umfassende Offenlegung der für die Bildung des Gaspreises maßgeblichen Kalkulationsgrundlagen für erforderlich hält.

Das LG Hannover - 1. Kammer für Handelssachen- als Kartellgericht wies in einem anderen Sammelklageverfahren unter dem Az. 21 O 104/06 am 06.12.2006 darauf hin, dass zum Nachweis der Angemessenheit des ab der Preiserhöhung verlangten Preises die Beklagte die gesamte Kalkulation darzulegen habe, sich nicht darauf beschränken könne, auf der Basis des bis dahin geltenden Preises lediglich die Kostensteigerungen vorzutragen.

LG Mönchengladbach Az. 7 O 113/05 Urteil v. 10.07.06:
Die Kläger können damit gemäß § 315 Abs. 3 BGB eine Überprüfung der Entgelte der Beklagten nach billigem Ermessen verlangen, was voraussetzt, dass die Beklagte nicht nur die Billigkeit der Ermessensausübung bei Festsetzung des Leistungsentgelts darlegt und beweist  ( vgl. BGH ZMR 2003, 566 ), sondern vorab als notwendige Vorstufe auch ihre Kalkulation offen legt ( vgl. Held NJW 2004, 175 ; and. Ans. LG Hannover NJW-RR 1992, 1200).

LG Bonn,  Az. 8 S 146/05, Urteil verkündet am 07.09.2006: Die Billigkeitskontrolle von Erdgaspreisen hat nach diesem Urteil grundsätzlich anhand der eröffneten Preiskalkulation zu erfolgen (im Anschluss an OLG Karlsruhe).

LG Berlin Az.34 O 611/05 vom 19.06.2006
Nur auf echte Tarifkundenverträge im vorgenannten Sinne finden die Bestimmungen der AVBGasV direkte Anwendung, nicht jedoch bei allen Formen von Sonderpreisregelungen (auch Norm- Sonderverträge genannt).
Es ist dem Gasversorger verwehrt, Kunden, die zu Sonderpreiskonditionen beliefert werden, als Tarifkunden zu deklarieren und sich auf die direkte Anwendung der Bestimmungen der AVBGasV kraft normativer Einbeziehung zu berufen.
Preisanpassungsklauseln in solchen Sonderverträgen müssen dem Transparenzgebot entsprechen, § 307 BGB.
Der Kunde muss erkennen können, woran sich eine Preiserhöhung bemisst. Das Versorgungsunternehmen soll als AGB- Verwender nicht durch ungenaue Voraussetzungen oder eine ungenaue Rechtsfolge die Möglichkeit erhalten, ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume in Anspruch zu nehmen und dadurch das bisherige Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zu seinen Gunsten zu verändern (BGH NJW-RR 2005, 1717; OLG Stuttgart, NJW-RR 2005, 852).

Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 28. Juni 2006 (Az.: 7 U 194/04) entschieden, dass Gaspreise der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB unterliegen, und dass ein Versorger zum Nachweis seine Kalkulation offen legen muss. Gleichzeitig wurde die Berufung des Gasversorgers gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Mannheim vom 16. August 2004 (Az.: 24 O 41/04) zurückgewiesen und eine Revision zum BGH nicht zugelassen.
Das OLG Karlsruhe stellt außerdem klar, dass sich auch ein Sondervertragskunde, der freiwillig und vorbehaltlos in ein Versorgungsverhältnis eingetreten ist, nachträglich auf § 315 BGB berufen kann.
Das Urteil ist rechtskräftig.

Der BGH zum Verhältnis von § 307 BGB zu § 315 BGB:
Vgl.
Urteil v. 19.10.1999 - XI ZR 8/99 (NJW 2000, 651);
Urteil v. 19.11.2002 - X ZR 243/01 (NJW 2003, 507, 508);
Urteil v. 13.07.2004 – K ZR 10/03;
Urteil v. 17.02.2004 - XI ZR 140/03.
Urteil v. 13.12.2006 - VIII ZR 25/06

BGH Urteil. v. 11.10.2006 - VIII ZR 270/05:
Ein konkludenter Vertragsschluss durch Entnahme von Energie kommt wegen des Abschlusses eines Vertrages zwischen der Klägerin und dem Beklagten nicht in Betracht
(vgl. Senatsurteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 95/03, WM 2004, 2450 = NJW-RR 2004, 928 unter II 2).

last not least: die Stellungnahme des Bundeskartellamts:
Verweis darauf, dass die Kündigung von Sonderverträgen und die Einstufung in den Allgemeinen Tarif nach Einwand von § 315 BGB gemäß Stellungnahme des Bundeskartellamts unzulässig ist.

Offline RR-E-ft

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Sondervertragskunden Argumentationshilfen
« Antwort #1 am: 20. Februar 2007, 21:56:18 »
@Kampfzwerg

Danke für die große Mühe.

Aber welches sind denn nun die Argumente aus den Entscheidungen, deren Entscheidungsdatum und Aktenzeichen mit so großer Mühe zusammengetragen wurden?

Ich habe die große Sorge, dass derjenige, der sich nicht mindestens über Stunden damit befasst hat, aus dem Beitrag nichts mitnehmen kann als eine Lavine von Aktenzeichen, die für ihn das bleiben was sie sind, olle Aktenzeichen ohne lebendigen Inhalt. :wink:

Offline Kampfzwerg

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Sondervertragskunden Argumentationshilfen
« Antwort #2 am: 21. Februar 2007, 18:24:39 »
Lieber RR-E-ft,

unter einem guten Teil der Urteilssammlung steht, abgesehen von den Az, eine kurze Zusammenfassung des Inhalts, aus dem sich m.E. das Argument ergeben sollte.
Ich gehe davon aus, dass alle an der Materie Interessierten des Lesens mächtig sind.

Unter o.g. Anmerkung und Voraussetzung ist der zugrunde gelegte Einzelfall verdeutlicht.

Die Argumentation an sich, und damit die Eigenverantwortung, kann - und sollte es nach meiner Meinung auch nicht - keinem komplett abgenommen werden.

Eine allgemeingültige Aussage - und damit Argumentation zu Sonderverträgen - kann es wegen verschiedener Möglichkeiten der Vertragsgestaltung ebenso wenig geben, wie einen allgemeingültigen Musterbrief. Auch dieser muss für den jeweiligen Fall modifiziert werden.

Ich verstehe Ihre große Sorge, aber was wäre denn so schlimm daran sich einige "Stunden" mit der Materie zu befassen und den Inhalt lebendig werden zu lassen?  :wink:
Falls ich in den diesjährigen, dreiwöchigen Sommerferien keinen Urlaub machen möchte, könnte ich diese Zeit vielleicht dazu nutzen eine komplette und komplexe Ausarbeitung zum Thema Sondervertragskunden unter Berücksichtigung aller möglichen Vertragsgestaltungen und Gegebenheiten zu erarbeiten.

Viele "alte" Forenteilnehmer lernen inzwischen sogar schon seit Jahren dazu.
Ich selbst habe sogar 2 J. gebraucht um herauszufinden, dass ich SV-Kunde bin. Na und? Jetzt weiss ich es - und meinem Versorger musste ich es sogar auch noch selbst mitteilen, da dieser diesen Umstand wohl komplett verdrängt hatte.

Wenn ich dem einen oder anderen neuen Mitstreiter diesen langen, steinigen Weg verkürzen kann, bin ich dazu gerne bereit.

Nicht bereit bin ich, ihm den ganzen Weg sofort und vollständig mit einem vorformulierten Widerspruch und einem fertigen Schreiben an den Versorger, das nur noch zu kopieren, drucken und zu unterschreiben ist, komplett abzunehmen.
Wenn ich das wollen würde, hätte ich mein vollständiges Schreiben an den Versorger, mit komplexer Argumentation in Länge von mehreren Seiten, im Forum eingestellt.

Im Gegenteil, ich erwarte sogar von jedem neuen Mitstreiter sich zumindest Mühe zu geben, sich in die zugegebenermaßen äußerst komplexe Materie einzuarbeiten.

Wenn also jemand aus dem vorstehenden Beitrag nichts mitnehmen kann, oder besser will, als olle Aktenzeichen ohne lebendigen Inhalt, bitteschön.
Seine Entscheidung. Und sein Problem.
Ich hingegen habe damit dann keines.

Offline RR-E-ft

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Sondervertragskunden Argumentationshilfen
« Antwort #3 am: 21. Februar 2007, 21:07:55 »
@Kampfzwerg

Hut ab vor dieser Fleißarbeit.

Das kann den Leuten weiterhelfen, die sich darauf einlassen, selbst die maßgeblichen Überlegungen nachzuvollziehen.

Offline Kampfzwerg

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Sondervertragskunden Argumentationshilfen
« Antwort #4 am: 22. Februar 2007, 18:07:52 »
@RR-E-ft

Merci...

...denn genau diese Zielgruppe war beabsichtigt!  :lol:

Offline Kampfzwerg

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Sondervertragskunden Argumentationshilfen
« Antwort #5 am: 27. März 2007, 21:05:17 »
@all

Ich bin gerne bereit die o.a. Argumentationshilfen bei Bedarf und neuen Urteilen zu aktualisieren (z.B. LG Kassel s.o. neu hinzugefügt).
Dazu wäre ich allerdings ggf. auf das eine oder andere feedback angewiesen, falls mir entsprechende Urteile aus Zeitmangel entgehen sollten.

Der eine oder andere von Euch ist bestimmt Sondervertragskunde, der sich durchaus auf 315 und 307 berufen kann.
Falls also Bedarf besteht: gerne Info, auch per pn.

Offline Kampfzwerg

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Offline Kampfzwerg

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Sondervertragskunden Argumentationshilfen
« Antwort #7 am: 14. August 2007, 20:08:00 »
Ergänzung:
Sondervertragskunden und unwirksame Preisänderungsklauseln:
auch zum Thema § 4 AVBGasV (Altverträge) o.ä.

Landgericht Essen vom 17.04.2007 Az. 19 O 520/06
LG Essen: Sammelklage erfolgreich

Offline Kampfzwerg

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Sondervertragskunden Argumentationshilfen
« Antwort #8 am: 16. November 2007, 18:30:29 »
Ergänzung:
Sondervertragskunden und unwirksame Preisänderungsklauseln:


http://oberlandesgericht.bremen.de/sixcm...teil_071116.pdf

OLG Bremen, Gaspreis- Urt. v. 16.11.2007, 5 U 42/06

OLG verhandelt am 17.10.2007 über Gaspreise

Offline Kampfzwerg

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Offline Kampfzwerg

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Sondervertragskunden Argumentationshilfen
« Antwort #10 am: 25. November 2007, 18:53:43 »
auf besonderen Wunsch ;)
eine kleine link- Ergänzung zu meinem ersten Beitrag in Bezug auf:

Zitat
last not least: die Stellungnahme des Bundeskartellamts:
Verweis darauf, dass die Kündigung von Sonderverträgen und die Einstufung in den Allgemeinen Tarif nach Einwand von § 315 BGB gemäß Stellungnahme des Bundeskartellamts unzulässig ist.

 
Kündigung des Versorgers: Schnelle Reaktion des Kunden

 
Kartellbehörden: Vertragskündigungen unzulässig

 
Bundeskartellamt: § 315 BGB bei Strom/Gas- Tarifkunden




http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/archiv/PressemeldArchiv/2006/2006_11_02.php

Pressemeldung des Bundeskartellamtes vom 02.11.2006
Kartellbehörden von Bund und Ländern: Sperrandrohung und Änderungskündigungen von Energieunternehmen gegenüber Verbrauchern unzulässig
Drohungen von Energieunternehmen gegenüber Verbrauchern, die unter Berufung auf § 315 BGB Preiserhöhungen nicht bezahlen, ihnen die Strom- oder Gaslieferung einzustellen, stellen einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dar und sind kartellrechtlich unzulässig. Gleiches gilt für die um sich greifende Praxis mancher Energieunternehmen, in dieser Situation günstige Sonderverträge mit Verbrauchern zu kündigen und den Kunden in den teureren Grundversorgungstarif herabzustufen. Zu diesem Ergebnis kamen jüngst Bundeskartellamt und Landeskartellbehörden nach einer gemeinsamen Sitzung. Sollten Energieunternehmen sich in Zukunft kartellrechtswidrig verhalten, müssen sie – so der Beschluss des Bund-Länder-Gremiums vom Ende Oktober 2006 mit Verfahren durch die Kartellbehörden rechnen.

Bundeskartellamtspräsident Ulf Böge: „Die Berufung auf § 315 BGB ermöglicht den Verbrauchern, sich die Angemessenheit von ihnen auferlegten Energiepreiserhöhungen darlegen zu lassen. Durch Sperrandrohungen oder Änderungskündigungen als Reaktion auf entsprechende Preiswidersprüche verstoßen Energieversorgungsunternehmen, die in aller Regel in ihrem Versorgungsgebiet nach wie vor über faktische Monopolstellungen verfügen, gegen das kartellrechtliche Verbot ausbeutender Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen.“

Ein vom Bundeskartellamt im September eingeleitetes Verfahren gegen einen überregionalen Energieversorger (s. Pressemitteilung vom 25.9.2006) konnte inzwischen zum Abschluss gebracht werden, da der Versorger die technisch-organisatorischen Voraussetzungen verbessert hat, damit solche Drohungen in Zukunft unterbleiben.




http://www.energieverbraucher.de/files.php?dl_mg_id=923&file=dl_mg_1191476900.doc

Deutscher Bundestag Drucksache 16/5710
Wahlperiode 15. 06. 2007

Zugeleitet mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 13. Juni 2007 gemäß § 53 des
Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.
Unterrichtung
durch die Bundesregierung
Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit in den Jahren 2005/2006 sowie
über die Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet
und Stellungnahme der Bundesregierung


Seite 132:

d) Sperrandrohungen gegenüber Haushalts und Kleingewerbekunden

Im Verlauf des Jahres 2006 war eine zunehmende Praxis von Energieversorgungsunternehmen zu beobachten, Tarifkunden mit der Einstellung der Energieversorgung zu drohen, nachdem diese unter Berufung auf § 315 BGB die Billigkeit zurückliegender Preiserhöhungen für die Belieferung mit Erdgas (und auch mit Strom) bestritten und daraufhin ihre Zahlungen zwar nicht ganz eingestellt, aber den vom jeweiligen Versorgungsunternehmen geforderten Rechnungsbetrag entsprechend ihrem Einwand gekürzt hatten.

Das Bundeskartellamt hat dies unter dem Aspekt der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle aufgegriffen und die in seinem Zuständigkeitsbereich liegenden knapp 30 Energieversorgungsunternehmen darauf hingewiesen, dass es in solchen Fällen in der Androhung einer Versorgungssperre und erst recht in einer darauf folgenden Einstellung der Versorgung einen Verstoß gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung des jeweiligen Versorgungsunternehmens nach § 19 Abs 1 sieht.

Die hier angesprochene Kundengruppe der Tarifkunden ist mangels Belieferungsalternativen auf die Energielieferungen durch ihr jeweiliges Versorgungsunternehmen angewiesen. Der Einwand aus § 315 BGB ist ein zivilvertragsrechtliches Korrektiv, das in Energieversorgungsverträgen, auf deren Erfüllung der Kunde angewiesen ist und in denen dem Versorger ein einseitiges Preisbestimmungsrecht eingeräumt ist, ein angemessenes Verhältnis vertraglich vereinbarter Leistungen gewährleisten soll.

Ein entsprechender Kundeneinwand hat somit zur Folge, dass Tarife bzw. tarifliche Preiserhöhungen für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen. Solange die Billigkeit streitig ist, sind entsprechende Entgeltforderungen erst fällig, wenn die Tarife bzw. tariflichen Preiserhöhungen auf Antrag des Versorgungsunternehmens im Wege richterlicher Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen worden sind.

Solange also die Billigkeit nicht nachgewiesen oder gerichtlich festgestellt worden ist, besteht kein rechtlich schutzwürdiges Interesse des Versorgungsunternehmens an der Androhung einer Versorgungssperre. Dementsprechend schied auch die Einstellung der Versorgung unter Berufung auf den bisherigen § 33 Abs. 2 Satz 1 AVBGasV/AVBEltV aus, worin jeweils gerade fällige und somit durchsetzbare Entgeltforderungen vorausgesetzt werden. Hieran ändert sich ausweislich der vorliegenden Entwürfe des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie für die neuen Grundversorgungsverordnungen künftig nichts.

Das Bundeskartellamt steht vor diesem Hintergrund auf dem Standpunkt, dass die Durchsetzung von infolge eines Einwands nach § 315 BGB streitigen Entgeltforderungen einem marktbeherrschenden Energieversorger in aller Regel nur aufgrund seiner faktischen Monopolstellung bei der Versorgung von Tarifkunden mit Erdgas bzw. Strom in seinem Versorgungsgebiet möglich ist und ihm bei funktionierendem Wettbewerb nicht möglich wäre. Bei funktionierendem Wettbewerb hätte ein solcher Marktbeherrscher vielmehr zu befürchten, dass seine Kunden Ausweichmöglichkeiten zu anderen Versorgern hätten und auch davon Gebrauch machten. Durch die Sperrandrohung besteht die Gefahr, dass sich ein marktbeherrschender Versorger die Erfüllung unbilliger Geldforderungen sichert.

In der Folge hat sich auch der Arbeitsausschuss Versorgungswirtschaft, ein Bund-Länder-Gremium für den Bereich des Energiekartellrechts, mit dieser Problematik befasst
und denselben Rechtsstandpunkt verabschiedet.

Der entsprechende Beschluss sah darüber hinaus einen Missbrauch auch in solchen Fällen verwirklicht, in denen der Versorger tarifähnlich ausgestaltete Sonderverträge mit einseitigem Preisbestimmungsrecht kündigt und den Kunden in den teureren Grundversorgungstarif einordnet oder diese Vorgehensweise androht.
Hinsichtlich der Belieferung der nicht-leistungsgemessenen HuK-Kunden mit Strom vertritt lediglich Baden-Württemberg die Auffassung, dass Stromversorgungsunternehmen keine
marktbeherrschende Stellung einnehmen; Baden-Württemberg geht für den Markt für die Belieferung von HuK-Kunden mit Strom von einer bundesweiten Marktabgrenzung aus.
Das Bundeskartellamt hat im Berichtszeitraum auf der Grundlage der vorstehenden Grundsätze in einem Fall ein Missbrauchsverfahren gegen ein überregionales Energieversorgungsunternehmen eingeleitet. Das Versorgungsunternehmen
hatte innerhalb weniger Monate mehrfach einem Tarifkunden, der zurückliegenden Preiserhöhungen bei der Strom- und Erdgasbelieferung nach den Grundsätzen
des § 315 BGB widersprochen und seine monatlichen Abschlagszahlungen entsprechend reduziert hatte, die Einstellung der Versorgung nach den AVBGasV/AVBEltV
angedroht. Die Androhungen waren jeweils erst nach rechtlicher Intervention des Kunden zurückgenommen worden. In jeder Androhung lag allerdings bereits ein eigenständiger Verstoß gegen das Verbot des § 19 Abs. 1. Der Fall konnte im Berichtszeitraum erfolgreich
abgeschlossen werden, nachdem das Unternehmen nachvollziehbar dargelegt hatte, welche organisatorischen Maßnahmen ergriffen wurden, um vergleichbare Verstöße
in Zukunft auszuschließen.

Offline Kampfzwerg

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Sondervertragskunden Argumentationshilfen
« Antwort #11 am: 27. November 2007, 16:52:38 »
Ergänzung:
BGH, Sondervertragskunden, AGB und unwirksame Preisänderungsklauseln:

Urteil des III. Zivilsenats vom 11.10.2007 - III ZR 63/07 -

BGH, Urt. v. 11.10.2007 - III ZR 63/07  Sondervertrag -         Endlich Klarheit/ Klartext

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=&nr=41657&pos=0&anz=95

Offline Kampfzwerg

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Sondervertragskunden Argumentationshilfen
« Antwort #12 am: 30. November 2007, 19:17:53 »
Ergänzung:
Sondervertragskunden und unwirksame Preisänderungsklauseln:

Das Urteil schließt dabei an die Entscheidung des BGH vom 11.10.2007 an.
LG Köln, rt. v. 24.10.2007 - 26 O 91/06

http://www.energieverbraucher.de/files.php?dl_mg_id=956&file=dl_mg_1196427654.pdf


@Cremer
Vielen Dank.

Offline Kampfzwerg

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Sondervertragskunden Argumentationshilfen
« Antwort #13 am: 08. Dezember 2007, 17:16:52 »
Ergänzung:
§ 19 GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung:

http://www.lexsoft.de/lexisnexis/justizportal_nrw.cgi?sessionID=2029269572352012299&highlighting=off&xid=141056,20

Offline Kampfzwerg

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Sondervertragskunden Argumentationshilfen
« Antwort #14 am: 08. Dezember 2007, 17:53:59 »
Ergänzung:
Sondervertragskunden, Sonderabkommen, AGB, Begrüßungsschreiben

So sieht es das Landgericht Frankfurt/ Oder

 

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