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Autor Thema: Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung  (Gelesen 59173 mal)

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Offline Lothar Gutsche

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Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
« Antwort #75 am: 01. Juli 2008, 22:48:43 »
@nomos
Wieso ist für Tarifkunden in der Grundversorgung die Option \"Nichts zu zahlen\" keine Lösung?

Ich zahle seit über anderthalb Jahren überhaupt nichts mehr für Gas, Wasser und Strom - und warte täglich auf eine Klage der Stadtwerke. Wenn mehr Verbraucher die Rechnung um 100 % kürzen würden, dann gäbe es den wirtschaftlichen Druck, den unsere Stadtwerke, unsere Politiker und unser Energiekartell brauchen. Was soll denn das ewige Widersprechen gegen Preiserhöhungen? Der Gesamtpreis ist zu prüfen, nicht nur die Billigkeit der Preiserhöhung. Meine Empfehlung als Nichtjurist lautet, so radikal wie möglich kürzen.

Viele Grüße
Lothar Gutsche

Offline RR-E-ft

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Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
« Antwort #76 am: 02. Juli 2008, 11:27:30 »
@Lothar Gutsche

Darum geht es doch gar nicht. Wenn der Gesamtpreis das Ergebnis einer zulässigen einseitigen Entgeltbestimmung ist, dann kann man diesen gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB als unbillig rügen. Ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls, die ggf. gerichtlich zu klären ist. In dem Verfahren ist dann auch zu klären, ob die einseitige Entgeltbestimmung der Billigkeit entspricht.

Wer so weit wie in seinem konkreten Fall rechtlich zulässig kürzt, hat selbst redend kein Problem wegen eines Rückforderungsanspruchs, weil ein solcher schon nicht entsteht. Der Zahlungsanspruch des Versorgers unterliegt dann aber der Verjährung.

Ein Sondervertragskunde ist an den bei Vertragsabschluss vereinbarten Preis gebunden und hat diesen auch zu zahlen.

@nomos

Schuldlos gezahlt?

Ein Rückforderungsanspruch entsteht, soweit Zahlungen rechtsgrundlos geleistet wurden und dieser Rückforderungsanspruch unterliegt - wie jeder Anspruch- der regelmäßigen Verjährung.

Man muss deshalb vor Ablauf der Verjährungsfrist ggf. auch Rückforderung klagen und dabei darlegen und beweisen, dass die Zahlungen erfoplgt sind, jedoch ohne Rechtsgrund. Die Rechtsgrundlosigkeit wiederum kann sich aus verschiedenen Umständen ergeben, für die der Kläger die Darlegungs- und Beweislast trifft.

Warum ein Versorger selsbt auf die Einrede der Verjährung verzeichten sollte, ist nicht nachvollziehbar. Der Kunde verzeichtet ja wegen möglicherweise zu gering abgerechneter Beträge auch nicht.

Schon früher unterlagen Rückforderungsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung im Falle unbilliger Entgeltfestsetzungen eines Energieversorgers der kurzen Verjährung (vgl. BGH, Urt. v. 05.02.2003 - VIIII ZR 111/02). Man konnte also nicht kurz vor Ablauf von dreißig Jahren, nachdem die Zahlungen geleistet wurden, kommen.

Wer der Meinung ist, er habe rechtsgrundlos Zahlungen geleistet, dem ist es aufgegeben, innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist seine Ansprüche ggf. gerichtlich zu verfolgen. Das ist völlig in Ordnung.

Offline nomos

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Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
« Antwort #77 am: 02. Juli 2008, 12:06:04 »
@RR-E-ft, besten Dank und Sorry, wenn ich mit \"schuldlos\" nicht den juristisch korrekten Ausdruck verwendet habe, ich meinte selbstverständlich damit das Zahlen ohne Rechtsgrund.

Die Erklärung der ungerechtfertigten Bereicherung hier finde ich gut gelungen. Schon wegen der verheizten Kohle ;)

Mit wurde die Regelung vor längerer Zeit als Gurgel-§ verständlich gemacht. Hat jemand versehentlich das Bier des Nachbarn getrunken, ist er nicht mehr bereichert. Das könnte ja beim Versorger im übertragenen Sinn eventuell auch der Fall sein. Das Geld ist weg für einen anderen Zweck - aus Versehen ;)

Offline tangocharly

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Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
« Antwort #78 am: 02. Juli 2008, 23:52:59 »
@RR-E-ft

Wenn man einen Misthaufen als Biokompost bezeichnet, wird der Duft auch nicht angenehmer.
Was ist schon eine angemessene Reaktion auf die Machenschaften in der Energiewirtschaft?
Sind wir hier ein Club der Glasperlenspieler ?
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
« Antwort #79 am: 03. Juli 2008, 12:09:54 »
@tangocharly

Ich meine, dass wir sachlich bleiben sollten.

Für einen Sondervertragskunden kommt es bei nüchterner Betrachtung für die Frage der Rechtsgrundlosigkeit einer Entgelterhöhung und einer darauf geleisteten Zahlung nur darauf an, ob in dem Vertrag eine wirksame Preisänderungsbestimmung besteht oder aber nicht (BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07). Wer Sondervertragskunde ist, hat deshalb alle Veranlassung, etwaige Rückforderungsansprüche prüfen zu lassen und diese ggf. vor Ablauf der Verjährung durchzusetzen [vgl. auch LG Dortmund, Urt. v. 18.01.2008]. Darum geht es.

Davon, dass ein Chirurg eine eitrige und stinkende Pestbeule öffentlich als solche geißelt, hat auch keiner etwas. Es kommt vielmehr darauf an, dass dieser Spezialist  mit kühlem Kopf professionell seiner handwerklichen Kunst nachgeht, als notwendig erkannte Schnitte schnell und sauber führt.

Offline nomos

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Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
« Antwort #80 am: 04. Juli 2008, 09:05:28 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Die Regelung ist abstrakt generell und deshalb im Gesetz zutreffend.

Für den konkreten Fall muss man sie indes auch richtig lesen.
Der den Anspruch begründendende Umstand ist die erfolgte Zahlung selbst, die Person des Schuldners ist identisch mit dem Zahlungsempfänger. Mehr sollte man wohl nicht wissen müssen.
    Davon, dass ein Chirurg eine eitrige und stinkende Pestbeule öffentlich als solche geißelt, hat auch keiner etwas. Es kommt vielmehr darauf an, dass dieser Spezialist mit kühlem Kopf professionell seiner handwerklichen Kunst nachgeht, als notwendig erkannte Schnitte schnell und sauber führt.
    @RR-E-ft, was ist bei dieser Materie und den diversen Interpretationen schon einfach? Die Fachleute (Juristen) tragen da einen erheblichen Teil bei.

    Ich bin noch nicht ganz überzeugt, dass so der Wille des Gesetzgebers zum Tragen kommt. Die Zahlung ist ein Umstand, aber es ist im Gesetzestext von \"den den Anspruch begründenden Umständen\" die Rede. Die Kenntnis oder Nichtkenntnis, dass bei der Zahlung kein Rechtsgrund vorlag, sehe ich auch als Umstand.

    Richtig, der Erfolg des Arztes liegt in der Beseitigung des Übels, wie er das Übel letztendlich bezeichnet ist die Nebensache. Es kann aber zur Verständigung beitragen, wenn er gelegentlich auf die \"professionelle\" Sprache verzichtet und die Dinge beim allgemeinen Namen nennt.

Offline RR-E-ft

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Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
« Antwort #81 am: 04. Juli 2008, 15:23:58 »
@nomos

Die Diskussion ist müßig. Wer zu spät kommt, wird sicher erfahren, was gemeint ist. ;)

Offline nomos

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Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
« Antwort #82 am: 05. Juli 2008, 11:05:15 »
@RR-E-ft, ob hier wer zu spät kommt, wird die Erfahrung zeigen. Ansonsten müsste man sich vor Gericht nicht streiten.

Die Einstellung \"Seinem Schicksal und den Gesetzen kann man nicht entrinnen\" teile ich nicht. Nichts ist ohne Einfluss. Daher halte ich die Diskussion grundsätzlich nicht für müßig. Es ist etwas nicht mehr in Ordnung, wenn die erklärte Absicht des Gesetzgebers sich nach der Gesetzesnovellierungen ins Gegenteil kehrt.

Es ist etwas mit der Gesetzen nicht in Ordnung, wenn Juristen und Gerichte später erklären (müssen), und das nicht selten unterschiedlich, was da beschlossen wurde und manch handelnder Politiker dann überrascht ist, was er da mitbeschlossen hat.

Die Notwendigkeit einer Diskussion und Forderung nach klaren und allgemein verständlichen Gesetzen und Verordnungen zeigt sich immer öfter.

Offline RR-E-ft

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Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
« Antwort #83 am: 05. Juli 2008, 12:19:26 »
Zitat
Original von nomos

Die Notwendigkeit einer Diskussion und Forderung nach klaren und allgemein verständlichen Gesetzen und Verordnungen zeigt sich immer öfter.
...ebenso wie die ungebremste Diskussionsfreude.

Allein: Womit sollten Juristen noch ihr täglich Brot verdienen, wenn es jeder könnte? ;)

Was in concreto zu sagen war, ist gesagt.

Wer meint, dass ein Anspruch bestehen könnte, der muss einen solchen klären lassen und kann sich bei bestehender Möglichkeit der Klärung nicht darauf berufen, dass er keine Kenntnis hatte. Man sollte § 199 Abs. 1 Ziff. 2 BGB getrost bis zu Ende lesen.
Zitat
oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste

Offline berghaus

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Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
« Antwort #84 am: 05. Juli 2008, 12:34:05 »
@nomos

Vielen Dank für Deine klaren Worte und dafür, dass Du die Diskussion zum Thema Verjährung damit am Leben erhälst.

Die Gesetzestexte sind ja oft nicht leicht zu verstehen und es ist schwer, sie richtig auszulegen.
Da sollen dann die Juristen helfen.

Aber solche Orakelsätze von RR-E-ft wie:

Zitat
........die Person des Schuldners ist identisch mit dem Zahlungsempfänger. Mehr sollte man wohl nicht wissen müssen.

.....Die Diskussion ist müßig. Wer zu spät kommt, wird sicher erfahren, was gemeint ist.
immer versehen mit  Seitenhieben auf die Unwissenden und Zweifelnden helfen da auch nicht richtig weiter.

berghaus

Offline RR-E-ft

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Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
« Antwort #85 am: 05. Juli 2008, 12:45:51 »
@berghaus

Endlose Diskussion.

Viel Freude bei der weiteren Diskussion, derweil man etwaige Rückforderungsansprüche verjähren lässt, statt diese zeitnah prüfen zu lassen und ggf. geltend zu machen. Gut, dass einmal darüber geredet wurde. Manchem geht es womöglich weniger um die Rückforderung selbst als um die Diskussion darüber. Wie sollte denn wohl ein Sondervertragskunde erst noch Kenntnis von der Nichtschuld einer bereits geleisteten Zahlung erlangen, zumal wenn die Zahlung unter Vorbehalt erfolgt war ?

Offline berghaus

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Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
« Antwort #86 am: 05. Juli 2008, 19:52:58 »
@RR-E-ft

Zitat
Wie sollte denn wohl ein Sondervertragskunde erst noch Kenntnis von der Nichtschuld einer bereits geleisteten Zahlung erlangen, zumal wenn die Zahlung unter Vorbehalt erfolgt war ?

Vorbehalte wurden doch meist erst ab 2004 gemacht. Ich erst mit meiner Unkenntnis und Unwissenheit ab 2006.

Spitzfindig könnte man Ihre Ausführungen nun wieder dahingehend auslegen, dass mit dem ersten Vorbehalt die Verjährungsfrist auch für die Menge der Überzahlungen in den 10, 20 und mehr Jahren davor begonnen hat.

Verständlich erklärt wurde das mit der Kenntnis immer noch nicht.

berghaus

Offline tangocharly

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Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
« Antwort #87 am: 06. Juli 2008, 17:20:07 »
@ Lothar Gutsche

Auch wenn ich Sie verstehe, was die bestehende Ohnmacht gegen die Arroganz der Versorger anlangt und engagierteres Verhalten der versammelten Verbraucher hiergegen anlangt (\"Wir sind das Volk\"), Ihr Mut in allen Ehren.

Eine 100%-ige Kürzung ist jedenfalls (derzeitig) keine Verhandlungsbasis, auch wenn Sie den Gesamtpreis als unbillig rügen.

Mal abgesehen davon, dass Sie damit gegen den Widerstand der unteren Instanzen auflaufen, die alle nur den VIII. Senat zitieren (worüber ich mich allenthalben wundere. Denn Richter können ja lesen. Und weil sie dies können, können sie ja auch Entscheidungen des Kartellsenats lesen -- die sie aber vielleicht nicht verstehen  8) ), werden Sie spätestens dann, wenn sich die Vergleichsmarkt-Kriterien eingebürgert haben, erhebliche Probleme erwarten. Hierüber will ja der VIII. Senat ja noch einmal nachdenken  8o

Vor einer Versorgungssperre sind Sie nur soweit geschützt, als der Unbilligkeitseinwand nach §  315 BGB reicht. Sollte der Versorger dann genau auf dieser Linie liegen (Vergleichsmarktpreis), dann müssen Sie aber schnell für eine Kontokorrentdeckung sorgen.
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Offline RR-E-ft

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Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
« Antwort #88 am: 07. Juli 2008, 13:19:28 »
@tangocharly

Voraussetzung für Vergleichsmarkt wäre überhaupt, dass tatsächlich der Gesamtpreis der Billigkeitskontrolle unterliegt, also etwa dann, wenn der Versorger eine Monopolstellung einnimmt, das Berfungsgericht eine solche festgestellt hatte, der BGH als Revisionsinstanz an diese Feststellung gebunden ist (BGH, Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 Rn. 35). Unterliegt der Gesamtpreis aber der gerichtlichen Billigkeitskontrolle, so kann man sich diesem gegenüber auch auf § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB berufen (vgl. BGH, Urt. v. 05.07.2005 - X ZR 60/04 , NJW 2005, 2919).

Der Kartellsenat hat im Urteil vom 29.04.2008 - KZR 2/07 zutreffend gefolgert, dass bei einem gesetzlichen Leistungsbestimmungsrecht gegenüber Tarifkunden aus der unmittelbaren Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB  auch eine Verpflichtung besteht, die Entgelte abzusenken, wenn dies für die Kunden günstig ist. Damit müsse auf die Kostenentwicklung des Versorgers reagiert werden. Demnach kann m. E. der angemssene Tarifpreis nur das Ergebnis der konkreten Kostenkalkulation des Unternehmens sein (ähnlich BGH, Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04 - Netzentgelte I und Urt. v. 04.03.2008 - KZR 29/06 - Netzentgelte III sowie BGH, Urt. v. 18.10.2007 - III ZR 277/06 - Landeentgelte).

In seinem Urteil vom 02.10.1991 - VIII ZR 240/90 (NJW-RR 1992, 183) wurde das Vergleichsmarktprinzip bei der Billigkeitskontrolle einseitig festgesetzter Energiepreisen mit Rücksicht auf § 1 EnWG zutreffend ausdrücklich abgelehnt, anders noch  zuvor BGH, Urt. v. 16.06.1971 (MDR 1971, 908 - Stromlieferung).

Kürzt man zuviel, besteht die Gefahr des teilweisen Unterliegens deshalb. Andererseits ist die Entscheidung wegen des höheren Gegenstandswerts der Klage eher berufungsfähig. Geht der Streit nämlich nur um einen Betrag unter 600 € ist nach der ersten Instanz regelmäßig Schluss. Gerade wenn der Streit nur um Kleinbeträge geht, ist das Ergebnis hinsichtlich der Kostentragungspflicht wegen der verhältnismäßig hohen Prozesskosten besonders bitter. Da nützt es dann nichts, wenn man davon überzeugt ist, das Gericht habe nicht zutreffend geprüft, eben weil die Entscheidung nicht berufungsfähig ist.

Selbstredend muss jeder, der nach Unbilligkeitseinrede Rechnungsbeträge kürzt, entsprechende Rücklagen für den Fall bilden, dass sich die gerichtlich zu kontrollierende einseitige Entgeltfestsetzung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB - auf welchem Wege auch immer - dabei als billig erweist. In diesem Fall war das einseitig festgesetzte Entgelt von Anfang an verbindlich und fällig, was jedoch erst durch entsprechende gerichtliche Entscheidung festgestellt werden kann (vgl. BGH Urt. v. 05.07.2005, aaO.).

Wichtig ist, dass nicht alle Energiepreise der Billigkeitskontrolle unterliegen. Selbst aus einer marktbeherrschenden Stellung eines Gasversorgers folgt kein Recht zur einseitigen Entgeltneufestsetzung gegenüber Kunden, die aufgrund von Sonderabkommen beliefert werden (BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07).

@berghaus

Es ist nicht ersichtlich, was Sie davon abhalten könnte, Ihren ganz konkreten Fall durch einen Anwalt prüfen zu lassen, sich das Ergebnis dieser Prüfung verständlich erklären zu lassen  und sich dadurch die entsprechenden Kenntnisse zu verschaffen. Dafür ist es ohne Belang, ob Sie - warum auch immer - erst seit 2006 dafür Veranlassung sehen sollten...

Offline Lothar Gutsche

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Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ersatz/Verjährung
« Antwort #89 am: 07. Juli 2008, 21:20:12 »
@ tangocharly

Was die Kontokorrentdeckung anlangt, so habe ich inzwischen über 3500 Euro an zurückbehaltenen Zahlungen auf einem eigenen Konto angesammelt. Gegenüber den Stadtwerken habe ich nicht einfach nach Schema F die Unbilligkeit des Gesamtpreises nach § 315 BGB eingewendet, sondern ich habe ausführlich beschrieben, was der Billigkeitsnachweis mindestens klären muß. Die fünf wichtigsten Positionen lauten:

  • Nachweis, dass sich die Millionenverluste der Stadtwerke aus ihren spekulativen Zinsderivatgeschäften nicht in den Energie- und Wasserpreisen niederschlagen
  • Notwendigkeit der Quersubvention von öffentlichem Nahverkehr und Schwimmbädern über Gewinne aus dem Energieverkauf, nachdem das Bundesverfassungsgericht am 11. Oktober 1994 unter Aktenzeichen 2 BvR 633/86 im Urteil zum sogenannten Kohlepfennig jegliche Sonderabgabe auf Energiepreise untersagt hat
  • Nachweis des kostengünstigen Bezugs von Vorleistungen für Erdgas und Strom bei Vorlieferanten, insbesondere Erklärung der Preisspaltung zwischen Kraftwerkskunden und Haushaltskunden
  • Berücksichtigung der kostenlos zugeteilten CO2-Emissionszertifikate im Strompreis
  • Nachweis, dass die Stadtwerke bei ihren Vorlieferanten nach einschlägigen Entscheidungen des Bundeskartellamtes Schadenersatz geltend gemacht haben
Mit dem letzten Punkt komme ich auch auf den Titel des Threads \"Sondervertragskunden/Rückforder./Sch.ers atz/Verjährung\" zurück. Nicht nur wir als Endverbraucher haben mögliche Schadenersatzansprüche gegenüber unserem Regionalversorger zu prüfen, sondern auch die Stadtwerke gegenüber ihren Vorlieferanten! Wenn die Stadtwerke solche Schadenersatzansprüche nicht geltend machen, obwohl sie schriftlich darauf hingewiesen wurden, dann bekommen sie keinen Euro von mir, sondern Strafanzeigen wegen Untreue und Steuerhinterziehung. Z. B. ist die Quersubvention dauerhaft defizitärer Betriebe nach Auffassung des Bundesfinanzhofes vom 22.8.2007 unter Aktenzeichen I R 32/06 eine verdeckte Gewinnausschüttung.

So ohnmächtig, wie Sie annehmen, sind wir als Verbraucher gar nicht. Es erfordert allerdings ziemliches Standvermögen gegenüber Steuerfahndern, Staatsanwälten, Kartellwächtern und Kommunalaufsehern, damit die zuständigen Beamten auch ihren Job tun. Die Gefahr besteht nämlich darin, dass begünstigte Politiker deren Arbeit negativ beeinflussen. Wer auf sein Stadtwerk ebenfalls Druck ausüben möchte, kann mich gern unter der E-Mail-Adresse Lothar.Gutsche (at) arcor.de kontaktieren. Ich bin übrigens kein Jurist, sondern berichte nur über meine persönlichen Erfahrungen.

Viele Grüße
Lothar Gutsche

 

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