Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

ARD Ratgeber Recht: Gasrebellen auf der sicheren Seite

<< < (10/18) > >>

Fabio:

--- Zitat von: \"Cremer\" ---@Fabio,

es sollte jedoch aus der "Historie" ein Vertrag bestehen. Ich kann mir eine Energiebelieferung ohne Vertrag nicht vorstellen.
--- Ende Zitat ---


MAINOVA hat ja den vorherigen Vertrag "geändert" ("Änderung Ihres Erdgasliefervertrages").

Eine Vertragsänderung kann ja m.E. nach nur einvernehmlich geschehen. Habe ich, durch konkludentes Verhalten, dieser Vertragsänderung bereits zugestimmt, im Sinne von §32 Abs 2 AVBGasV, weil ich das "Vertragsverhältnis" (nach Änderung derselbigen) nicht "mit zweiwöchiger Frist auf das Ende des der öffentlichen Bekanntgabe folgenden Kalendermonats" gekündigt habe?
(Ich wäre wohl demnach dann in den Allgemeinen Tarif "gerutscht".)

Danke für die Aufklärung!

Gruss an das Forum
der Fabio

uwes:

--- Zitat von: \"Fabio\" ---Als zum 01.10.2004 der neue Vertrag "Mainova Erdgas Komplett" eingeführt werden sollte, wurde ich im Juni 2004 angeschrieben und auf die Änderung des Erdgasliefervertrages ab 01.10.2004 aufmerksam gemacht. ("Ihr Erdgasprodukt heißt ab Oktober Mainova Erdgas Komplett.") - Anmerkung: Ich wurde NICHT um Einwilligung gefragt, ich musste den neuen Vertrag (wie seit Versorgungsbeginn im Jahr 2003) wiederum NICHT unterschreiben!

--- Ende Zitat ---


@Cremer
@Fabio

Die Frage nach dem Zustandekommen des Vertrages beantwortet § 2 Abs. 2 AVBGasV. Dadurch hat bereits derjenige, der Energie aus der Leitung entnimmt, einen Vertrag (Schriftlichkeit ist nicht erforderlich) geschlossen. Meines Erachtens kann der Versorger dem Kunden ohne dessen Einverständnis keine anderen Vertragsbedingungen aufzwingen, als diejenigen, die mit der AVBGasV geregelt sind. Insbesondere kann der Versorger dem Kunden keinen Sondervertrag (wie hier mit einjähriger Kündigungsfrist) aufdrücken, ohne dass dieser es will. Schjweigen eines Verbrauchers zu einem ihm angetragenen Vertrag ist nicht als Zustimmung zu werten.
Aber ich gebe die Frage an den Kollegen

@Fricke

weiter.
Wie sehen Sie das?

RR-E-ft:
@uwes

So ist es.

Beim Tarifkunden sind alle Vertragsbedingungen außer dem jeweils veröffentlichten Allgemeinen Tarifen in § 2- 34 AVBGasV geregelt.

Deshalb bedarf es streng genommen keines schriftlichen Vertrages bei Tarifkunden. Nur ein solcher Tarifvertrag wird gem. § 2 Abs. 2 AVBGasV konkludent abgeschlossen, nicht aber ein Sondervertrag, weil § 2 Abs. 2 AVBGasV eben schon nur für Tarifkunden gilt, § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AVBGasV.

Bei einem schon bestehenden Sondervertrag ist es grundsätzlich schlicht unmöglich, dessen Inhalt ohne Kündigung einseitig abzuändern:

Zu einseitigen Preisänderungsvorbehalten und § 307 BGB ist schon viel geschrieben worden. Auch die übrigen Vertragsbedingungen können nicht einseitig abgeändert werden:

LG Frankfurt: Vorbehalt der AGB- Änderung unzulässig

Mithin besteht der ursprünglich geschlossene Sondervertrag ungekündigt fort.

Ob der Erdgaslieferant das verstragsgegenständliche Erdgas dabei selbst zukünftig Lenor, Milka oder Armani Naturgas nenen möchte, als Warngeruch mit Knoblauchduft oder aber dem Gestank von Pferdemist markieren möchte, ist dabei vollkommen belanglos.

Es wurde ursprünglich ein Energielieferungsvertrag geschlossen, der Energielieferungen in Form von Erdgas zum Gegenstand hat und eben gerade kein anderes "Produkt".

Der Vorbehalt einer einseitigen Änderung eines geschlossenen Vertrages in Form von AGB verstößt mithin in jedweder Richtung regelmäßig gegen § 307 BGB und ist deshalb unwirksam, ebenso wie die entsprechenden einseitigen Änderungen unter Berufung auf eine entsprechende Klausel.

Deshalb denken die Versorger oft nur, sie hätten mit allen Kunden einheitliche Verträge. Mitnichten und -neffen:

Jeder Kunde hat seinen Vertrag, den er irgendwann einmal abgeschlossen hatte. Der gilt grundsätzlich, bis er wirksam gekündigt wird.

Es ist nicht anders, wie sonst im Vertragsrecht auch. Pacata sunt servanda. Verträge sind einzuhalten.

Deshalb ist es gerade so wichtig, dass Sondervertragskunden um zu wissen, was gilt, in den ursprünglich abgeschlossenen Vertrag sehen müssen.

Aus diesem Grunde kann man annehmen, dass der GAU der Gaswirtschaft darin besteht, dass sie selbst oft nicht mehr weiß, Verträge welchen Inhalts ursprünglich mit den einzelnen Kunden abgeschlossen wurden und was also heute überhaupt nach den Buchstaben des abgeschlossenen Vertrages weiter gilt.

Das ist die Folge der über Jahrzehnte hinweg parktizierten und nie wirklich in Frage gestellten Selbstherrlichkeit, die nun ersichtlich bei den Gerichten an ihre Grenzen gestoßen ist.

Für den Kunden nicht tragisch. Er braucht nur das Recht des Erdgaslieferanten auf einseige Änderungen bestreiten und der Liefernat hat dann entsprechende Rechte, derer er sich berühmt unter Vorlage des geschlossenen Vertrages nachzuweisen. Dabei hilft es ihm nichts, wenn er Vertragsformulare vorweist, die gem. § 305 BGB überhaupt nie vertragsgegenständlich wurden.

Denn diese Vertragsgegenständlichkeit, also die wirksame Einbeziehung  gem. § 305 BGB hat wiederum der Erdgaslieferant nachzuweisen, der sich darauf beruft.

Free Energy:
Hallo Herr Fricke,

das bedeutet doch, wenn selbst die Energieversorger nicht mehr genau wissen, welche Verträge sie mal geschlossen haben und es uns selbst auch nicht mehr genau sagen können, dass es sehr unwahrscheinlich sein dürfte, rechtssicher herauszubekommen, ob man nun nur Tarifkunde ist oder schon Sondervertragskunde.

Das bedeutet wiederum, dass "Otto Normalkunde " also nicht sicher feststellen kann, ob er Sondervertragskunde ist, oder nicht. Das zeigen ja auch die ganzen Beiträge hier.

Demanch wäre es , alles zusammen gefasst doch wohl nur ratsam, grundsätzlich nicht auf Null zu kürzen, es sei denn, man hätte den eindeutigen Beleg, Tarifvertagskunde zu sein.

Verstehen Sie das Dilemma ?

Die Diskussion, ob auf Null gekürzt werden könnte, oder nicht, erübrigt sich m. E. somit aus "Mangel an Nachweisen ".

Gruß

Free Energy

RR-E-ft:
@Free Energy

Es verhält sich genau andersrum, als Sie es sich gedacht haben.


Dilemma hin oder her:
Probleme sind dafür da, gelöst zu werden.

Man könnte den Eindruck gewinnen, da wolle sich jemand um eine ordentliche Auseinandersetzung rummogeln und wäre ganz froh darüber, dass der Kelch vorbeiginge.



Die Sache lässt sich einfach klären.



Schukow, Gesammelte Werke, Bd. 5:

Eine entsicherte Handgranate ist immer gefährlich, fraglich nur für wen. Es kommt darauf an, in welchem Graben sie landet, also auf welcher Seite der Front.

Es geht also darum, den anderen dieses Problem sauber zuzuspielen.

Grundsätzlich ist jeder, der keinen schriftlichen Vertrag abgeschlossen hat, bei dem also  ein Vertragsverhältnis allein durch Entnahme von Gas aus dem Netz konkludent zustande kam, Tarifkunde und ist es mangels Kündigung dieses Vertrages oder Abschluss eines Sonderabkommens  heute noch.

Logisch.

Es gibt also ein klares Regel- Ausnahme- Verhältnis, wonach der Tarifkundenvertrag die Regel ist.

Grundsätzlich gilt, dass derjenige, der sich auf eine Ausnahme von der Regel beruft, diese Ausnahme nachzuweisen hat.

Wer einen schriftlichen Sondervertrag abgeschlossen hatte, der an irgend einer Stelle etwas anders regelt als in §§ 2 bis 34 AVBGasV, der ist ein Sondervertragskunde und bei dem gilt das oben gesagte zu Sonderverträgen.

Auch logisch.

Wenn nun ein Erdgaskunde die Unbilligkeit der Tariffestsetzung rügt und konsequent zu kürzen beginnt, wird sich der Gaslieferant schon melden und auf den Abschluss des Sondervertrages hinweisen, auch wenn er womöglich dessen Inhalt selbst nicht mehr kennt. Darauf kommt es ja nicht an, sondern nur darauf, dass überhaupt jemals ein Sondervertrag abgeschlossen wurde und ungekündigt fortbesteht.

Dass der Tarifkunde vollständig kürzen darf, wissen auch die Versorger. Denn diese sind juristisch weniger unbedarft, als sie sich oft geben.  :wink: Nur weil sie den Kunden vielen Unfug schreiben, folgt daraus noch lange nicht, dass sie davon auch selbst überzeugt wären.


Die Versorger werden also darauf hinweisen, dass ein Sondervertrag besteht und § 315 BGB deshalb nicht zur Anwendung kommt.

Damit werden sie zugleich Kunth/ Tüngler widersprechen, so dass klar ist, dass sich alles nach § 307 BGB regelt.

Daran müssen sie sich dann auch später festhalten lassen, wenn sie selbst einräumten, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB nie vereinbart worden war, ihnen ein solches Recht also gar nicht zustehen kann.

Dann fordert man dazu auf, den Abschluss des Sondervertrages nachzuweisen, also einen Beleg dafür.

Dann muss die Vertragsurkunde aus dem Archiv gekramt werden, welche die Unterschrift des Kunden enthält. Die wollte man selbst schon gern immer wiederfinden......

Meinen die Versorger hingegen, es bestehe zwar ein Sondervertrag, aber ihnen sei ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB eingeräumt, dann war der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt als der Folgepreis und auch der Sondervertragskunde kann wie ein Tarifkunde vollständig kürzen....

Auch gut.

Es kommt also darauf an, den Erdgaslieferanten zu stellen, so dass dieser sich eindeutig erklären muss.

Das wird man wohl am ehesten erreichen, indem man sich - soweit eine Unklarheit bestehen sollte - darauf beruft, wegen der Anwendung der Bestimmungen der AVBGasV Tarifkunde zu sein, die Tariffestsetzung insgesamt als unbillig rügt und sich insgesamt auf die Unverbindlichkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB beruft (BGH NJW 2003, 3131) und eine Kürzung auf Null bis zum Nachweis der Billigkeit in Aussicht stellt.

Es wird dann schon zu einer entsprechenden Reaktion kommen.

Also einfach nur mutig beginnen und damit die andere Seite zwingen, ihre Karten zu zeigen.

Wie gesagt, entsicherte Handgranaten sind immer gefährlich.

Aber es kommt darauf an, in wessen Graben diese schon liegen oder landen. Wer so eine bei sich im Graben bemerkt, hält nicht stille, sondern muss reagieren. :wink:

Die mögliche (massenweise) Kürzung auf NULL ist der Punkt, an dem man sofort mit einer, ggf. vorerst hilflosen Reaktion rechnen darf. Das ist für die Gaswirtschaft der worst case.

Kurzum:

Die Unsicherheit geht zu Lasten der Versorger und gerade nicht der Verbraucher. Wenn der Versorger sich immer wieder auf § 4 AVBGasV beruft, darf man davon ausgehen, Tarifkunde zu sein, bis das Gegenteil nachgewiesen ist.

Der geduldige Kunde kann warten. Der Versorger hingegen kann nicht geduldig warten, weil er gerade ein massives Problem verspürt. Wer sich zu hektisch bewegt, macht dabei Fehler.

Nicht die Kunden stecken in einem Dilemma, sondern die Versorger.


Wie gesagt, nicht jeder muss den Berg an der steilen Wand selbst erklimmen. Einigen wird schon in der Seilbahn mulmig....

P.S.: Das " Schukow- Zitat" habe ich mir ausgedacht.

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