Forum des Bundes der Energieverbraucher

Autor Thema: Neue Aufsätze zu §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !!  (Gelesen 39995 mal)

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Gut zu wissen:


Zwei neuere Aufsätze befassen sich intensiv mit verschiedenen
Rechtsfragen der Gaspreiskontrolle aus Verbrauchersicht.

Es muss davon
ausgegangen werden, dass diese insbesondere bei den Amtsgerichten mit
Blick auf die Veröffentlichungsstellen eher nicht bekannt sind.


Basierend auf einem Gutachten für die Verbraucherzentrale NRW

http://www.verbraucherzentrale-nrw.de/UNIQ114312973004992/link200079A.ht
ml

stellen Arzt/Fitzner in der \"Zeitschrift für Neues Energierecht\" (ZNER)
2005, 305-313
, die Voraussetzungen einer (als zulässig angesehenen)
Kontrolle nach § 315 BGB dar. Die Autoren gehen auch auf die Einteilung
in Tarifkunden/Sonderkunden ein, die in der Praxis sehr
unterschiedlichen und rechtlich wenig betrachteten
Preisänderungsklauseln sowie auf § 4 AVBGasV ein, der ja immer wieder
gegen die Kontrolle nach § 315 ins Felde geführt wird. Auch die
behauptete Kompensation eines Verstoßes gegen § 307 BGB durch das
Kündigungsrecht (in den AVB) wird verneint.

In einem Beitrag in \"Netzwirtschaften und Recht\" (N&R) 2006, 2-5, greift
Arzt diese Aspekte erneut auf und arbeitet vertiefend heraus, dass
Haushaltskunden auch heute keine Wahl bei der Energieversorgung haben.

Der gegen die Kontrolle nach § 315 BGB ins Felde geführte
Substitutionswettbewerb wird als faktisch nicht vorhanden
herausgearbeitet. Weiter wird klargestellt, dass im Gasbereich TARIFE im
eigentlichen Sinne seit Abschaffung der BTOGas nicht mehr existierten
und die bloße Veröffentlichung sog. Tarife nichts an der Überprüfung
nach § 315 ändert.

Daneben wird aufgezeigt, dass § 4 AVBGas einer
AGB-rechtlichen Kontrolle der verwendeten Preisänderungsklauseln nicht
entgegensteht.


Ein weiterer Aufsatz von Prof. Rott findet sich in der Zeitschrift \"Verbraucher und Recht\" (VuR) Heft 1/2006 auf Seite 1 ff:

http://www.vur-online.de/inhalt/2006-01.html

Für wen diese Aufsätze erreichbar sind, dem sei die Lektüre empfohlen.



Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
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Neue Aufsätze zu §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !!
« Antwort #1 am: 30. März 2006, 15:29:04 »
Das aktuelle Märzheft \"Recht der Energiewirtschft\" (RdE) kann zudem fast als Themenheft zu § 315 BGB bezeichnet werden:

RdE 2006, S. 65 ff.

Prof. Dr. Dr. Säcker, \"Zum Verhältnis von § 315 BGB, § 30 AVBEltV, § 30 AVBGasV, § 24 AVBFernwärmeV und § 19 GWB\",

ebenda, S. 81 ff. \"Lichtblick\"- Urteil mit Anmerkung von Prof. Dr. Markert,

ebenda, S. 88 ff. Urteil des LG Heilbronn vom 19.01.2006


Lesenswert!!!

Säcker kommt zu dem Ergebnis, dass § 315 BGB auf Preiserhöhungen in laufenden Energielieferverträgen anwendbar ist, § 30 AVBV nicht entgegensteht und das EVU die vollständige Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit des neu bestimmten Preises trifft:

S.71:


\"Aus diesem Grunde muss es, wenn keine anderen Bezugsgrößen vereinbart sind, seine Kosten- und Erlöslage sowie die internen Kalkulationsgrundsätze in nachvollziehbarer Form offen legen, aus denen sich die Angemessenheit der Preiserhöhung ergibt.\"

S. 73:

\"Soweit eine Prüfung der Preiserhöhung nach § 315 BGB stattfinden kann, ist nicht lediglich zu prüfen, ob diese durch gestiegene Kosten gegenüber dem Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages gerechtfertigt ist, sondern es ist zu prüfen, ob das EVU auf Grund der Kosten- und Erlössituation, die durch den konkreten Vertrag definiert ist, d.h. aufgrund des
Kostendeckungsbeitrages dieses Vertrages gezwungen ist, den Vertragspreis zu erhöhen. Bei einem hochprofitablen Preis kann die Weitergabe von Kostensteigerungen billigem Ermessen im Sinne von § 315 BGB widersprechen.\"


ebenda:

\"Eine Beweisführung durch einen neutralen, zur Verschwiegenheit
verpflichteten Wirtschaftsprüfer als Beweismittler hat das
Bundesverwaltungsgericht abgelehnt, wenn dessen Gutachten auf
Geschäftsunterlagen basiert, welche die Partei nur dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt hat und die auch im Gerichtsverfahren dem Gericht und dem Prozessgegner nicht offen gelegt worden sind. Das Gericht sieht darin in Übereinstimmung mit dem Bundesgerichtshof eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.\"


Säcker ist in zwei wesentlichen Punkten zu widersprechen:

1.


S. 70 li.Sp.

Nicht jeder \"unbillige\" Preis im Sinne des § 315 BGB ist zugleich
kartellrechtswidrig.


§ 315 BGB stellt auf die individuelle Interessenlage der Vertragsparteien
und die Wahrung des Äquivalenzprinzips im laufenden Vertragsverhältnis ab.

Der ursprünglich vereinbarte Preis darf nicht dergestalt unbillig erhöht
werden, dass nicht nur eine Gewinnschmälerung verhindert, sondern sogar eine Gewinnmehrung eintritt (vgl. BGH Urt. v. 21.09.2005 - VIII ZR 38/05).

Dies kann aufgrund besonderer Konstellation dazu führen, dass auch der neu bestimmte Preis nicht bis an den wettbewerbsanalogen Preis heranreichen darf, nämlich dann, wenn zur Erreichung des wettbewerbsanaolgen Preises auch eine im Sinne des § 315 BGB unbillige Erhöhung des kalkulierten Gewinnanteils am ursprünglich vereinbarten Preis notwendig wäre (vgl. auch Markert, RdE 2006, 87).

Insoweit erweist sich § 315 BGB tatsächlich als \"feinfühliger\" gegenüber den kartellrechtlichen Vorschriften.


2.

S. 73/74

Es gibt keine Verwirkung des Unbilligkeitseinwandes hinsichtlich über
längere Zeit vorbehaltlos gezahlter, unbeanstandeter Preise (was die Bildung eines nicht überprüfungsfähigen \"Preissockels\" zur Folge hätte):

Dies gilt schon, wie im Beitrag zutreffend ausgeführt, nicht hinsichtlich
des ideal- konkurrierenden §§ 19, 33 GWB. Missbräuchlich überhöhte Preise im Sinne des Kartellrechts werden nicht legitimiert, sondern bleiben von Anfang an verboten, auch wenn sie bereits über längere Zeit unbeanstandet gezahlt wurden.


Es gilt aber ebenso hinsichtlich des Einwandes aus § 315 BGB:

Andernfalls wären nach vorbehaltlosen Zahlungen über längere Zeit auch schon spätere Rückforderungsansprüche gem. §§ 812, 315 BGB von Anfang an ausgeschlossen:

Das ist jedoch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gerade nicht der Fall. Der resultierender Rückforderungsanspruch wird lediglich durch die Verjährung begrenzt ( vgl. BGH NJW 2003, 1449 = Urt. v. 05.02.2003 - VIII ZR 111/02).

Die Frage, ob die Zahlungen vorbehaltlos oder (konkludent/ ausdrücklich)
unter Vorbehalt geleistet wurden, soll sich nicht auf den Anspruch nach §§
812, 315 BGB, sondern nur auf die Darlegungs- und Beweislast im
Rückerstattungsprozess auswirken (vgl. nur BGH NJW 2003, 1449; BGH NJW 2005, 2919, 2923; BGH, RdE 2006, 81, 83).


Im Urteil des BGH vom 18.10.2005 - KZR 36/04 wird zudem ausgeführt, dass anstelle einer Rückforderungs- Leistungsklage gem. §§ 812, 315 BGB auch eine Feststellungs- und Gestaltungsklage in Betracht kommt, nämlich dort, wo es um zurückliegende Preiserhöhungen in einem noch bestehenden, anhaltendem Vertragsverhältnis geht.

(diese Ausführungen fehlen in RdE 2006, 81 ff.)

Der sich sonst ergebende Wertungwiderspruch zwischen den
idealkonkurrierenden § 315 BGB einerseits und § 19 GWB andererseits hätte dabei auffallen sollen.

Bei unterstelltem Gleichlauf von § 315 BGB und § 19 GWB
(Deckungsgleichheit), also jede Unbilligkeit auch zugleich
kartellrechtswidrig, würde sich immer ergeben, dass der Einwand nicht
verwirkt sein kann, weil er immer zugleich auch eine ebensolche
Kartellrechtswidrigkeit des Preises beträfe.  (Drittengleichheit: A = B, B =
C; => A = C)


Ebenso wäre vernachlässigt, dass ja sowieso nach den o. g. Ausführungen
immer der Gesamtpreis einer Billigkeitskontrolle unterfällt und es deshalb
überhaupt nicht auf einen \"Preissockel\", wie auch nur gestiegene
Bezugspreise ankommen kann.... (Vgl. auch Fricke, WuM 2005, 547, 550, m.w.N.)


Ein weiterer Widerspruch liegt ggf. darin, dass den Kunden nach
Unbilligkeitseinwand ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden wird und weiter ausgeführt wird:

\"Dem Interesse des vorleistungspflichtigen EVU, keine Verzögerung bei der Realisierung seiner Preisforderung hinzunehmen, kann durch
Abschlagszahlungen hinreichend Rechnung getragen werden.\"


Sehr wohl, jedoch nur auf der Basis der überhaupt nach dem
Unbilligkeitseinwand noch verbindlichen, alten Preise.

Andernfalls liefe das gesamte, umfangreich begründete Zurückbehaltungsrecht der Kunden vollständig leer.

Die Argumentation wirkt leider teilweise inkonsequent und unentschlossen.


Die weiter in der Abhandlung von Säcker vertretene Auffassung, das
Einpreisen der Immissionszertifikate in die Strompreise durch das Oligopol
sei wettbewerbsgerecht, muss man gewiss nicht teilen.

Ich denke, dass sich im Verfahren des Bundeskartellamtes, insbesondere nach der Anhörung am 30.03.2006 sich ein anderes zeigen wird. Hierzu ist nur auf die entsprechende Stellungnahme des VIK zu verweisen.


Die Anmerkung von Markert zum Urteil des BGH vom 18.10.2005 - KZR 36/04 befasst sich insbesondere unmfangreich mit der Frage, was aus diesem Urteil für die derzeitige Auseinandersetzung um die Billigkeitskontrolle von Erdgaspreisen hergeleitet werden kann.


Das nicht überraschende Ergebnis:

Direkte Anwendung des § 315 BGB auf solche einseitigen Preisbestimmungen.



Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
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Neue Aufsätze zu §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !!
« Antwort #2 am: 10. April 2006, 01:02:45 »
Der Vollständigkeit halber seien hier noch zwei gute Aufsätze aus dem Vorjahr ergänzt:

v. Hammerstein weist auf Seite 11 nach, dass es unbillige Preise unterhalb der Verbotsschwelle gibt.

http://www2.neue-energieanbieter.de/uploads/05_03_01_Hammerstein_Anwendbarkait%20%A7%20315%20BGB.pdf

Prof. Schwintowski weist nach, dass der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt ist wie der Folgepreis. Auch er weist nach, dass Die Grenzen der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle und der kartellrechtlichen Vorschriften nicht zusammenfallen:


http://www2.neue-energieanbieter.de/uploads/05_03_04_LichtBlick-Gutachten%20von%20Prof%20Schwintowski%20Anwendbarkeit%20%A7%20315%20BGB.pdf

Wer diese Gutachten genau liest, wird die Parallelen zu den Erdgaspreisen und den Grund- und Ersatzversorgungstarifen im Strombereich erkennen.


Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
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Offline Graf Koks

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Neue Aufsätze zu §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !!
« Antwort #3 am: 11. April 2006, 10:38:29 »
@RR-E-ft:

Die Frage der Anerkenntnis der Preisfestsetzung ist praktisch durchaus von Relevanz, weil nicht wenige Kunden ihren Preisprotest nicht konsequent durchhalten, Jahresabrechnungen verschlafen oder unterschiedliche Vorgaben machen, welchen Preis sie denn jetzt akzeptieren.

Zur Frage eines möglichen mehr oder minder \"stillschweigenden\" Anerkenntnisses hat die Rechtsprechung meiner Erinnerung nach - auch jenseits der Rückforderung - bereits ausdrücklich Stellung bezogen. Wissen Sie noch wo?  Falls es Ihnen oder mir wieder einfällt, wäre es sachdienlich es hier zu posten.


M.f.G. aus Berlin
der Graf

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Neue Aufsätze zu §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !!
« Antwort #4 am: 11. April 2006, 12:08:06 »
@Graf Koks

Die Frage des \"Anerkenntnisses\" oder einer stillschweigenden Zustimmung mag bei Kaufleuten eine Rolle spielen.

Im Übrigen gilt Schweigen nicht als Annahme.

Bei der Ausübung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts, welches durch empfangsbedürftige Willenserklärung auszuüben ist, handelt es sich schon um kein  annahmefähiges Angebot auf Vertragsänderung. Dies wäre nur bei Anpassungsverlangen etwa gem. §§ 313, 314 BGB oder auf vertraglicher Grundlage der Fall.

Dort besteht schon keine Möglichkeit zur einseitigen Preisanapassung ohne Zustimmung des anderen (Einigung/ Konsens).

Eine Zustimmung wird also bei einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht nicht erwartet und ist auch nicht erforderlich, erfolgt mithin auch nicht etwa schlüssig im Sinne von § 151 BGB.

Deshalb kann auch keine vorbehaltlose Zahlung als \"Zustimmung\" oder Anerkenntnis gewertet werden.

Der § 315 BGB gründet ja gerade darauf, dass ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht.

Die Schutzwirkung besteht deshalb, weil es dabei gerade an einer Einigung der Vetrtragspartner fehlt. Eine solche Einigung durch Angebot und Annahme (Zustimmung)  ist also gar nicht vorgesehen.

Zu erinnern ist an den BEWAG-Fall (NJW 2003, 1449) bei dem nach langen Jahren vorbehaltloser Zahlungen durch den Kunden überhöhte Strompreise zurückverlangt wurden.

http://www.kanzlei-doehmer.de/bgb812_1.htm

http://www.ra-kotz.de/energielieferungsvertrag.htm

Der Anspruch scheiterte vor dem BGH nicht daran, dass ein Rückforderungsanspruch durch die vorbehaltlos geleisteten Zahlungen nicht bestand.

Es spielte lediglich die Verjährung in den Vorinstanzen eine Rolle. Hinsichtlich des verjährten Teils wurde die Klage nicht weiter verfolgt.

Im übrigen scheiterte der Kläger allein an seiner grundsätzlichen Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des fehlenden Rechtsgrundes für die geleisteten Zahlungen, mithin die Unbilligkeit der Strompreise.

Hätte es ein \"stillschweigendes\" Anerkenntnis durch die vorbehaltlosen Zahlungen gegeben, wäre es ersichtlich darauf erst gar nicht angekommen. Ein Rückforderungsanspruch hätte von vorn herein nicht bestanden.

Wenn also der Kunde schon für die Vergangenheit auch nach vorbehaltlosen Zahlungen  wegen überhöhter Energiepreise Geld zurückverlangen kann, dann muss er erst recht in der Zukunft mit dem Unbilligkeitseinwand auch gegen zurückliegende Preise berechtigt sein, Zahlungen zurück zu behalten.



Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
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Neue Aufsätze zu §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !!
« Antwort #5 am: 16. Mai 2006, 15:08:08 »
Das Urteil des LG Karlsruhe vom 03.02.2006 (nicht rechtskräftig, Revision zum BGH eingelegt) wurde mitgeteilt von Dr. Kunth in der RdE 2006, 134 veröffentlicht.

Siehe auch hier:

http://www.zner.org/pdf/200601U7.pdf

Zunächst gibt es in RdE 2006, 136 dazu eine Anmerkung von Topp (AGFW beim VDEW).

Dieser merkt zu dem Urteil an:

"Seine dogmatisch saubere Begründung und sorgfältige Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung aber auch der Auffassung von Fricke (WM 2005, 547 ff.) verleiht dem Urteil eine besondere Bedeutung."

Im Einzelnen vgl. hier:

http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/Anmerkung_Karlsruhe.pdf



Diese Einschätzung hinsichtlich der besonderen Bedeutung mag aus der Sicht der Energiewirtschaft zutreffen. Das Urteil ist sogar in seiner Art einzigartig. Es steht nämlich vollkommen allein.



Ganz anders als Topp sieht es Prof. Dr. Markert  in seiner sich anschließenden Anmerkung zu dem selben Urteil in RdE 2006, 137 ff.

Markert nimmt dieses Urteil anhand der aktuellen Rechtsprechung des BGH umfassend  unter die Lupe (allein 28 Fußnoten).

Er kommt zu dem Schluss, dass dieses Urteil schlicht nicht haltbar ist, alle vom Gericht für die Zulassung der Revision als bisher in der höchstrichterlichen Rechtsprechung  noch klärungsbedürftig genannten Fragestellungen bereits vom BGH geklärt sind undzwar im Sinne des Gegenteils der vom LG Karlruhe vertretenen Rechtsauffassung.

Genauso ist es.

Das Urteil des LG Karlsruhe befindet sich in der Revision vor dem BGH.
Wie dieser seine Entscheidung dogmatisch sauber begründen wird, ist schon vollkommen abzusehen.

Man mag sich vor Augen führen, dass es sich bei Kollegen Topp um den Funktionär eines Lobbyverbandes der Energiewirtschaft handelt.

Prof. Markert war lange Zeit Direktor des Bundeskartellamtes.

Anders als das LG Karlsruhe sehen es zurecht die Landgerichte Heilbronn,  Bonn, Düsseldorf, Mannheim, Hannover, Hamburg.

Vgl. nur hier:

http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=3324
http://forum.energienetz.de/viewtopic.php?t=3295

Die Anmerkung von Prof. Markert deckt sich mit der Stellungnahme von RinBGH Ambrosius auf dem Deutschen Mietgerichtstag:

http://www.mietgerichtstag.de/downloads/vortrag06ambrosius.pdf

unter III.3. auf Seite 15

Für die Anmerkung von Herrn Kollegen Topp gilt dies gerade nicht. Es gibt ersichtlich keinen einzigen Richter am Bundesgerichtshof, der mit dieser Auffassung der Energiewirtschaft konform ginge.

Selbst Kuehne bezeichnet seine Auffassung zur sog. Verdrängungsthese in einem Aufsatz in der NJW  ausdrücklich als Mindermeinung, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine Stütze finde.

Tatsächlich ist diese These vollkommen unhaltbar.





Freundliche Grüße
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Thomas Fricke
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Neue Aufsätze zu §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !!
« Antwort #6 am: 17. Juli 2006, 16:43:28 »
Neue Aufsätze zur Billigkeitskontrolle

- zu Gaspreisen von PD Dr. Hanau:

http://www.rws-verlag.de/zeitsch/zip/ZIP2806.HTM

(Im selben Heft auch Gaspreis- Urteil des LG Bremen vom 24.05.2006)

- zu Netzentgelten von Prof. Bork:

http://www.lexisnexis.de/aktuelles/97839?or=0&tt=fachpresse

http://www.juristenzeitung.de/jrnl/jz/jz6113.htm#Reinhard Bork

Angesichts der weiteren BGH- Entscheidungen vom 07.02.2006 zur Billigkeitskontrolle von Netzentgelten und zur Unwirksamkeit von Verträgen ohne einseitiges Leistungsbestuimmungsrecht wird der letztgenannte Aufsatz wohl als "von der Energiewirtschaft für die Energiewirtschaft" erscheinen.

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Neue Aufsätze zu §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !!
« Antwort #7 am: 18. Juli 2006, 19:36:28 »
Abseits der Energiewirtschaft stellen sich die selben Fragestellungen, die bereits ebenso umfassend untersucht wurden:

http://www.utzverlag.de/buecher/40353dbl.pdf

http://www.amazon.de/gp/product/3831603537/302-6466138-4200024?v=glance&n=299956

Das Ergebnis dieser umfassenden Untersuchung  ist vollkommen eindeutig.

Wo man das Buch finden kann:

http://titan.bsz-bw.de/bibscout/P/PD/PD3000-PD3580/PD3460-PD3540/present?PRS=XML&SID=56ee6a6a-0&SET=1&FRST=40&COOKIE=U998,Pbszgast,I17,B0728+,SY,NRecherche-DB,D2.1,E56ee6a6a-0,A,R193.197.31.108,FY

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Neue Aufsätze zu §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !!
« Antwort #8 am: 25. Juli 2006, 16:07:43 »
Der o. g. Aufsatz von Hanau ist ein Muss, für jeden , der sich mit der Materie befasst.

Wie bereits vermutet, ist die Anmerkung von Bork zur BGH- Entscheidung Netzentgelte I (Lichtblick- Urteil) in JZ 13/2006 auf Seite 682 ff. durch die BGH- Entscheidung Netzentgelte II (ZNER 2006, 136 ff. mit Anmerkung Markert) vollkommen überholt.

Soweit sich der Verfasser gerade auf die Rechtsprechung des OLG Stuttgart bezog, war diese vom BGH bereits aufgehoben worden.

Die Anmerkung enthält viele Ungereimtheiten.

So wird etwa behauptet, bei einer Unbilligkeit der Leistungsbestimmung müsste der Leistungsbestimmungsberechtigte eine neue, der Billigkeit entsprechende Bestimmung treffen. Dies ist jedoch gerade ausgeschlossen. Der Leistungsbetimmungsberechtigte selbst bleibt an seine Bestimmung gebunden. Er kann allenfalls beantragen, dass das Gericht eine Neubestimmung trifft.

Der Verfasser verbreitet sich über den Umfang der Verfahrensakten, wenn amtsgerichte über die Billigkeit von Netzentgelten zu entscheiden hätten, obschon Klagen zum einen wegen § 102 EnWG streitwertunabhängig von den Landgerichten zu entscheiden sind, zudem eine Konzentration erfolgen kann, zudem oft das Gericht am Sitz des Netzbetreibers zuständig sein wird.

Es wird gar konstertiert, Gerichte würden so die Höhe der Netzentgelte für alle Netznutzer festlegen, möglicherweise divergierend von Gerichtsbezirk zu Gerichtsbezirk.

Welch ein grober Unfug angesichts der Bindungswirkung von Gerichtsentscheidungen.

Diese Anmerkung von Bork erscheint also nicht anders als Teil der "Kampagne", die Markert in seiner Anmerkung in ZNER 2006, 138, [139] li.Sp. ausgemacht hat.



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Thomas Fricke
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« Antwort #9 am: 17. November 2007, 00:58:06 »
Der Aufsatz von Prof. Büdenbender (Kanzlei Clifford Chance, ehemals RWE- Vorstand)

Schon die Überschrift suggeriert das Falsche.

\"Die Bedeutung der Preismissbrauskontrolle nach § 315 BGB in der Energiewirtschaft\"

Über § 315 BGB erfolgt keine Preismissbrauchskontrolle, sondern eine feinfühlige Angemessenheitskontrolle unter Abwägung der widerstreitenden, konfligierenden  Interessen der konkreten Vertragspartner, um Einzelfall- und Austauschgerechtigkeit im konkreten Vertragsverhältnis zu bewerkstelligen. Man mag sich dabei getrost eine Apothekerwaage vorstellen. Nicht alles, was (nur) unangmessen ist, stellt auch schon einen Missbrauch dar. Missbrauch ist ein grober Begriff für grobe Sachverhalte.

Die Angemessenheitskontrolle aufgrund von eingräumter Rechtsmacht einseitig festgelegter Preise hat in der Energiewirtschaft nicht mehr und nicht weniger Bedeutung als in allen anderen Bereichen des Rechtsverkehrs. Es gibt insoweit keinerlei Sonderrolle der Energiewirtschaft. Energiewirtschaftsrecht steht nicht außerhalb der übrigen Rechtsordnung.

Der Kartellsenat (NJW 2006, 684) hat klar gesagt, dass im Falle eines bestehenden einseitigen Leistungsbestimmungsrechts sich die einheitliche Preisvereinbarung nicht künstlich in einen vereinbarten Anfangspreis und einen einseitig bestimmten Folgepreis aufspalten lässt, dies zu willkürlichen Ergebnissen führt.

Wo Büdenbender einen vereinbarten Anfangspreis und die Berechtigung des Leistungsbestimmungsberechtigten, die Preise in der Zukunft einseitig neu festzulegen, sieht, stellt sich die Frage, wann die Zukunft beginnt.

Die Zukunft beginnt in dem Augenblick, in dem die Gegenwart vorbei ist, also schon in der nächsten Sekunde. Deshalb ist bei einem bestehenden einseitigen Leistungsbestimmungsrecht der Preis wohl allenfalls für eine juristische Sekunde nicht einseitig bestimmt. Der Kartellsenat hat deshalb recht. Alles andere ist vollkommen gekünstelt.

Aus der Sicht des Zeitpunktes des Vertragsabschlusses sind alle Preise innerhalb der sich unmittelbar anschließenden Vertragsdurchführungsphase zukünftige Preise, die also dem einseitigen Preisfestsetzungsrecht des EVU unterliegen, so dass diese Preise jederzeit ab Vertragsbaschluss einseitig festgelegt sind.

Deshalb hat der Kartellsenat zutreffend die künstliche Aufspaltung der einheitlichen Preisvereinbarung  in einen vereinbarten Anfangspreis und einseitig festgesetzte Folgepreise abgelehnt, weil dies innerhalb der Billigkeitskontrolle zu willkürlichen Zufallsergebnissen führt (vgl. BGH NJW 2006, 684 ff. Rn. 9/10; Schwintowski, N&R 2005, 92 ff.).

Nähere Nachweise siehe hier Seite 7 bis 15.

Der VIII. Zivilsenat ist deshalb von der Rechtsprechung des Kartellsenats abgewichen und es hätte deshalb der Entscheidung des Großen Senats des BGH bedurft (vgl. auch RinBGH Ambrosius, ZNER 2007, 95 [97]).

Bei einseitigen Leistungsbestimmungsrechten, die sich aus dem Gesetz ergeben, also § 36, 38 EnWG i.V.m. § 5 StromGVV/ GasGVV muss natürlich das Interesse des Kunden an einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas bei der umfassenden Würdigung des Vertragszwecks Berücksichtigung, welches in § 2 Abs. 1 EnWG rechtlich anerkannt ist (vgl. BGH NJW-RR 1992, 183). Möglichst preisgünstig und effizient heißt eben, so preisgünstig und effizient wie nur gerade möglich.


Auf die umfassende Würdigung des Vertragszwecks und der Abwägung der naturgemäß konfligierenden Interessen beider Vertragspartner kommt es bei der Billigkeitsentscheidung gem. § 315 BGB an.

Deshalb muss Büdenbender den Begriff der Billigkeit doch verwechselt haben , wenn er ihn mit dem recht und billigen im Sinne der Sittenwidrigkeit oder gar mit einem kartellrechtswidrigen Preismissbrauch gleichsetzen will.

Weil es um die konfliegierenden Interessen gerade der beiden Vertragspartner geht, kann auch gerade nicht auf das Vergleichsmarktkonzept abgestellt werden, welches ja die gegenläufigen Interessen der konkreten Vertragspartner vollständig außer Acht ließe, insbesondere das rechtlich anerkannte Interesse an einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen.  

Unvertretbar ist auch die Verwirkung durch dreimaliges Abbuchen von Abschlägen, vor allem wenn man erst nach einem Jahr und nach Zahlung der Jahresverbrauchsabrechnung überhaupt davon erfährt, dass die Vorlieferantenpreise gesunken und die Preise deshalb abzusenken waren, die Nichtabsenkung zur Unbilligkeit der einseitigen Preisbestimmung führte.

Viele Kunden konnten nur bei aufmerksamster Kontrolle der Jahresverbrauchsabrechnung überhaupt davon erfahren, dass die Preise vereändert wurden, zumals wenn Abschläge und Rechnungsbeträge abgebucht werden. Schließlich sagt die Abschlagshöhe an sich gar nichts über den zu zahlenden Preis. Man weiß schon oft nicht, wie die Abschlagshöhe überhaupt zustande kommt, ob sie etwa gewürfelt wird.

Es gibt Gerichtsverfahren, versorgerseits speziell vertreten durch Kollegen Kunth/ Tüngler, wo die klagenden  Gaskunden erst durch Vorlage von Unterlagen des verklagten Versorgers in 2006 davon erfahren hatten, dass Ende 2003 die Vorliferantenpreise deutlich gefallen waren, Preissenkungen jedoch vollständig nicht weitergegeben wurden.

Unvertretbar ist es schließlich anzunehmen, der Lieferant könne entscheiden, ob und wann er eine bestehende Preisänderungsklausel ausschöpfe.

Wenn eine AGB- Klausel einen entsprechenden, nicht kontrollierbaren Gestaltungsspielraum beließe, verstieße die Klausel schon insgesamt gegen § 307 BGB und wäre somit insgesamt unwirksam mit der Folge, dass dann gar kein Preisänderungsrecht mehr besteht.

Es ist nicht etwa so, dass man auf dieses verbleibende Ermessen wiederum § 315 BGB anzuwenden hätte, sondern eine solche Klausel verstößt insgesamt gegen das Transparenzgebot.

Wirksam sind deshalb regelmäßig nur automatisch wirkende Preisgleitklauseln, mit festvereinbarten Terminen, zu denen die Berechnungsvorschrift ohne jedwedes Ermessen und \"ohne  Wenn und Aber\" angewendet wird (so ausdrücklich BGH, Urt. v. 11.10.2006 - VIII ZR  270/05). Keinerlei Ermessen bedeutet dabei tatsächlich keinerlei Ermessen, so dass sich nichts nach Ermessen vollständig oder nur teilweise ausschöpfen ließe.

Der Lieferant hat nur dann die Rechtsmacht, den Vertragspreis einseitig festzulegen, wenn ihm eine solche eingeräumt wurde. Dies kann regelmäßig überhaupt nur durch Vereinbarung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts bei Vertragsabschluss oder durch Gesetz der Fall sein.

Liegt beides nicht vor, besteht kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB und somit kein Recht zur einseitigen Preisneufestsetzung nach billigem Ermessen.

AGB- Klauseln können per se kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB einräumen, weil schon der weite Spielraum der Billigkeit gerade nicht den Anforderungen an Konkretisierung und Begrenzung entspricht, den das Transparenzgebot gem. § 307 BGB erfordert (vgl. BGH KZR 10/03 unter II.6). Klauseln, die ein Ermessen einräumen, verstoßen also gegen § 307 BGB.

Eine vollkommen andere Frage als die Rechtsmacht zur einseitigen Festsetzung eines Vertragspreises ist die Frage der Marktmacht, die im Kartellrecht eine Rolle spielt.

Marktmacht, eine marktbeherrschende Stellung fängt auch nicht erst bei einer Monopolstellung an, wie Büdenbender zu suggerieren sucht. Dieser will offensichtlich allein aus einer fehlenden Monopolstellung darauf schließen, das keine marktbherrschende Stellung also Marktbeherrschung vorliege, was eindeutig falsch ist, vgl. nur § 19 Abs. 3 GWB.

Marktmacht, egal wie groß diese auch sei und mag diese auch eine Monopolstellung sein, verleiht niemals die Rechtsmacht zur einseitigen Festlegung eines Vertragspreises.

Deshalb führt eine Monopolstellung auch niemals zur Begründung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts gem. § 315 BGB und zum Recht, die Preise einseitig festzusetzen.

Solche Rechtsmacht können nur der Vertragspartner bei Vertragsabschluss oder der Gesetzgeber einräumen. Besteht diese Rechtsmacht, bedarf sie jedenfalls einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle, auch wenn keinerlei Marktmacht vorhanden ist.

Manch einer mag aus der Tatsache, dass Marktbeherrscher zuweilen auch den Gesetzgeber beeinflussen, den falschen Schluss ziehen, der Marktbeherrscher schöpfe aus eigener Kraft Rechtsmacht.

Dies darf aber nicht sein und es ist Aufgabe des Staates, vor dem Missbrauch von Marktmacht zu schützen. Dies geschieht über die Bestimmungen des GWB.

Mit der gerichtlichen Billigkeitskontrolle hat dies allenfalls soweit zu tun, als ein kartellrechtswidriger Preishöhenmissbrauch niemals eine der Billigkeit entsprechende Leistungsbestimmung gem. § 315 BGB  darstellen kann. Die Unbilligkeit fängt aber weit früher an als ein kartellrechtswidriger Preishöhenmissbrauch, weil bei Letzterem  auch Erheblichkeitszuschläge von bis zu 10 Prozent eine Rolle spielen.

Schließlich führt ein kartellrechtswidriger Preishöhenmissbrauch zur Nichtigkeit der Preisbestimmung gem. §§ 19, 20, 33 iVm. § 134 BGB wegen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot.

Rechtsfolge ist somit die Nichtigkeit und nicht nur die (derzeitige) Unverbindlichkeit.

Besteht also keine Rechtsmacht zur einseitigen Leistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 1 BGB, stellt der vereinbarte Preis jedoch einen kartellrechtswidrigen Preishöhenmissbrauch dar, so ist die Preisvereinbarung gem. § 134 BGB nichtig. So ähnlich verhält es sich auch beim sittenwidrigen Wucher gem. § 138 BGB, der keinerlei Marktmacht, sondern nur die Dummheit des übertölpelten Vertragsteils und deren sittenwidrige Ausnutzung bedarf.

Die Rechtsfolge eines kartellrechtswidrigen Preishöhenmissbrauchs oder eines sittenwidrigen Wuchers  besteht eben gerade nicht darin, dass ein Gericht gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB eine der Billigkeit entsprechende Bestimmung treffen könnte.

Und deshalb sind die Voraussetzungen, Grenzen und Folgen einer zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle und einer kartellrechtlichen Preismissbrauchskontrolle wie auch des sittenwidrigen Wuchers nach wie vor vollständig voneinander verschieden, so dass auch die Methoden zur Feststellung eines kartellrechtswidrigen Preishöhenmissbrauchs methodisch untauglich sind, um eine zivilrechtliche Billigkeitskontrolle zu bewerkstelligen.

Insbesondere das Vergleichsmarktkonzept ist deshalb für eine zivilrechtliche Billigkietskontrolle vollkommen untauglich.

Ebenso taugt eine Lastwaage in einer Spedition nicht dazu, eine Apothekerwaage zu ersetzen, die ganz andere Aufgaben zu erfüllen hat. Wer´s nicht glaubt, probiere es aus.  

Und deshalb hat man bei Büdenbender den Eindruck, er wolle den mit § 315 BGB weniger Vertrauten, geleitet von den Interessen der Energiewirtschaft aufs Glatteis führen.


Freundliche Grüße
aus Jena



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Offline terminator3

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Neue Aufsätze zu §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !!
« Antwort #10 am: 17. November 2007, 13:00:42 »
@graf koks:

Zitat
Die Frage der Anerkenntnis der Preisfestsetzung ist praktisch durchaus von Relevanz, weil nicht wenige Kunden ihren Preisprotest nicht konsequent durchhalten, Jahresabrechnungen verschlafen oder unterschiedliche Vorgaben machen, welchen Preis sie denn jetzt akzeptieren.


Richtig ! Und nicht nur das viele sind es auch Leid ständig zu widersprechen bzw. sich mit dem Thema zu befassen, weil die VU´s nur in seltenen Fällen korrekt reagieren und ständig mit Sperrandrohungen, Mahnungen und Anwälten auf die Kunden losgehen.

Das ist die Macht des Monopols !

Die Kunden können sich jedoch auch noch anders gegen die einseitige Preisfestsetzung wehren. Einfach wechseln auch wenn es dann ein wenig teurer wird. Das ist nämlich der Supergau für den VU, er verliert Kunden und auch Vertrauen !

Nur sollte man vorher genau nachsehen, wer hinter dem neuen VU steckt. Nicht das man innerhalb der Töchter wechselt, das hätte nur einen geringen Vorteil....  :tongue:

Gruß T3

Offline RR-E-ft

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Neue Aufsätze zu §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !!
« Antwort #11 am: 18. November 2007, 16:35:14 »
@terminator3

Hinter Graf Koks verbirgt sich ein Rechtsanwaltskollege. Unter diesem Thread wollen wir neue Aufsätze zum Thema Billigkeitskontrolle und Transparenzkontrolle diskutieren. Deshalb geht es an dieser Stelle mal nicht darum, ob und ggf. wohin man wechseln kann/ sollte.

Wenn Sie inhaltlich zu den juristischen Auffassungen, die in den einzelnen Aufsätzen vertreten werden, etwas beisteuern können, dann ist dafür an dieser Stelle der richtige Platz, andernfalls bitte an anderer Stelle im Forum posten.

Offline RR-E-ft

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Neue Aufsätze zu §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !!
« Antwort #12 am: 05. Juni 2008, 17:17:49 »
Rechtsanwalt Oliver Mogwitz und Ref. jur. Alexander Wagner, Koblenz
Die gerichtliche Überprüfung von Energiepreisen
RdE, Heft 4-5, 2008, 118 ff.

Die Autoren vertreten zutreffend die Auffassung, dass bei einer Versorgung im Rahmen der Allgemeinen Versorgungspflicht gem. § 10 EnWG 1998 bzw. in der Grundversorgung gem. § 36 Abs. 1 EnWG bei Vertragsabschluss keine Einigung auf einen Preis erfolgt, sondern die Parteien von Anfang an davon ausgegehen, dass sich die Zahlungspflicht nach den vom Versorgungsunternehmen anhand der Kosten kalkulierten und einseitig festgsetzten jeweiligen Allgemeinen Tarifen ergeben, die deshalb einer Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB unterliegen.

Anders verhält es sich bei Verträgen, welche die Belieferung außerhalb einer bestehenden gesetzlichen Versorgungspflicht betreffen (Sonderverträge).

Bei Sonderverträgen ist der Versorger nur dann zur einseitigen Entgeltneufestsetzung nach Vertragsabschluss berechtigt, wenn ausdrücklich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vereinbart wurde.

Preisänderungsklauseln in solchen Sonderverträgen unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.
Der weite Spielraum der Billigkeit genügt den Anforderungen an Konkretisierung und Begrenzung nicht.

Zutreffend gehen die Autoren von einem eigenständigen Markt für die leitungsgebundene Gasversorgung von Endkunden aus, weil ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie wegen bestehender Marktzutrittsschranken nicht existiert, weil die Nachfrager nicht ohne hohen Kostenaufwand von einem Energieträger zum anderen bzw. gar zu einem anderen Beheizungssystem wechseln können.

Diffus erscheinen die Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 315 BGB bei einer \"Ungleichgewichtslage\" infolge weiter bestehender  Wettbewerbsdefizite.

Wenn eine Stromkunde mit einem der zahlreichen Stromanbieter außerhalb einer gesetzlichen Versorgungspflicht einen Vertrag abschließt, so ist die bei Vertragsabschluss getroffene Preisvereinbarung für beide Teile gleichermaßen verbindlich und allenfalls bei Bestehen einer wirksamen Preisänderungsklausel durch den Lieferanten abänderbar.

Die bei Vertragsabschluss getroffene Preisvereinbarung kann allenfalls wegen eines kartellrechtswidrigen Preishöhenmissbrauchs gem. § 134 BGB unwirksam sein. Dies setzt die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung des Lieferanten auf dem sachlich, regional (und ggf. zeitlich) abzugrenzenden Markt voraus.

Die Märkte für die Belieferung von Kleinkunden mit Strom und Gas werden zutreffend auf die Verteilnetzgebiete der örtlichen Netzbetreiber abgegrenzt, wird das Preisniveau doch maßgeblich durch die vom örtlichen Netzbetreiber geforderten Netznutzungsnetgelte determiniert. Eine marktbeherrschende Stellung wird dabei bei einem Markatnteil von mindestens einem Drittel gem. § 19 Abs. 3 Satz 1 GWB vermutet.

Auf diesen Märkten nehmen die vormaligen Monopolisten mit Marktanteilen deutlich über 90 Prozent weiterhin eine marktbeherrschende Stellung ein.

Diffus erscheint auch die Unterscheidung in Kosten- und Wettbewerbspreise, weil bei vollkommenem Wettbewerb nach der ökonomischen Wettbewerbstheorie die Preis = Grenzkosten - Regel gilt.

Schließlich statuieren die Autoren im Falle einer Monopolstellung des Versorgers wohl  einen Anspruch des Kunden auf Offenlegung der Preiskalkulation. Ein solcher Anspruch besteht indes nicht. Aus der gesetzlichen Verpflichtung zu einer möglichst preisgünstigen, effizienten leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas zu verbraucherfreundlichen Bedingungen im Interesse der Allgemeinheit, ergibt sich vielmehr, wie die Interessen des Kunden gegen die Interessen des Energieversorgungsunternehmens im Falle einer Billigkeitskontrolle eines einseitig festgsetzten Entgelts gegeneinander abzuwägen sind. Aus den materiellen Voraussetzungen der Billigkeit des Entgelts ergibt sich dabei zugleich die Darlegungs- und Beweislast des Versorgers, die regelmäßig eine Offenlegung der Pareikalkulation erfordert (BGH NJW-RR 1992, 183, 184). Dem betroffenen Versorger bleibt es selbst überlassen, ob er dieser Darlegungs- und Beweislast im Prozess genügen möchte. Einen entsprechenden durchsetzbaren Anspruch hat der Kunde deshalb nicht.

Schließlich diskutieren die Autoren die Verwirkung eines Rechts auf Billigkeitskontrolle bzw. der Unbilligkeitseinrede infolge Einigung, Anerkenntnis und Verwirkung und lehnen diese ab, weil dem Verbraucher bereits sein Recht auf Billigkeitskontrolle zumeist nicht bekannt sei.

Die Autoren gehen dabei nicht darauf ein, dass infolge des geltenden Abstraktionsprinzips die Zahlung  eines unbillig einseitig festgesetzten Entgelts einen sofort fälligen Bereicherungsanspruch gem. § 812 BGB begründet, der seinerseits der regelmäßigen Verjährung unterliegt. In Anbetracht der kurzen Verjährungsfrist von drei Jahren dürfte schon kein Bedürfnis nach einer vorherigen Verwirkung bestehen. Erst recht ist keine Verwirkung anzunehmen, wenn der Kunde Zahlungen verweigert, auf deren Zahlung verklagt wird und sich erstmals im Zahlungsprozess des Lieferanten auf die Unbilligkeit beruft, was nach der Rechtsprechung des BGH bisher zugelassen wurde (BGH NJW 2003, 3131). Bei einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers  im Rahmen der gesetzlichen Allgemeinen Versorgungspflicht ist schon nicht klar, welche Handlungsalternative dem Versorger zur Verfügung gestanden haben sollte, wenn die Einrede früher erfolgt wäre, worauf er sich deshalb mit seinem Vertrauen eingestellt haben sollte...

Möglicherweise haben die Autoren die Entscheidung BGH NJW-RR 1992, 183 im Ergebnis fehlinterpretiert. Dieser Fall betraf die ohne Erfolg gebliebene Revision gegen ein die Zahlungsklage des Stromlieferanten vollständig abweisendes Urteil, nachdem der Abnehmer sich auf § 315 BGB berufen, Rechnungsbeträge gekürt hatte und auf Restzahlung verklagt wurde. Die Zahlungsklage wurde vollständig abgewiesen, weil der Stromlieferant die Billigkeit der einseitig festgesetzten Entgelte nicht nachgewiesen hatte. Die Festsetzung eines der Billigkeit entsprechenden Entgelts gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB war ausgeschlossen, weil die Unbilligkeit der Entgeltbestimmung nicht feststand, nachdem die Kalkulation nicht offen gelegt worden war und das Tatsachengericht deshalb weder die Billigkeit noch die Unbilligkeit feststellen konnte. Eine Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB kommt - einen entsprechenden Antrag der Partei vorausgesetzt - aber nur in Betracht, wenn zuvor die Unbilligkeit gerichtlich festgestellt wurde.

Offline Lothar Gutsche

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Neue Aufsätze zu §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !!
« Antwort #13 am: 15. Januar 2010, 08:27:41 »
Gestern abend ist unter http://www.cleanstate.de/Pressemitteilung_14_01_2010.html mein erster Beitrag zur sogenannten \"Rechtsprechung\" des VIII. Zivilsenats am BGH über Energiepreise online gegangen. Für Nichtjuristen empfehle ich die Kapitel 0, 4 und 5. Für juristisch etwas Interessierte sind noch Kapitel 1 und 3 lesenswert. Als Quälerei für den Leser ist Kapitel 2 zu verstehen, doch das ist nun einmal Recherche in vielen BGH-Urteilen. Ich hoffe, dass die Kritikschrift betroffenen Energieverbrauchern und vor allem ihren Rechtsanwälten hilft, wenn sich ihr Energieversorger oder Gerichte auf die Preissockel-Theorie stützen und nicht den Gesamtpreis auf Billigkeit prüfen wollen.

Der Inhalt der Kritikschrift geht in großen Teilen auf dieses Forum zurück. Einzelne Beiträge, Hinweise auf Urteile, Urteilsbesprechungen und Gutachten haben mich ein ganzes Stück weitergebracht. Soweit ein Urheber ausfindig zu machen war, ist er in den Quellen genannt. Für die Diskussion im Forum vielen Dank! Meine Kritikschrift zur Preissockel-Theorie ist quasi eine strukturierte Zusammenfassung von einem Nicht-Juristen. Es hat gedauert, da ich mit meinem eigenen Zivilverfahren gegen die Stadtwerke Würzburg schon ziemlich ausgelastet bin und die Urteilsanalyse einem Mathematiker wie mir doch nicht so leicht fiel.

Durch das erste Urteil am Amtsgericht Würzburg vom 2.6.2009 habe ich das System der sogenannten Rechtsprechung erkannt und Bedarf für eine solche Urteilskritik gesehen. Mein Amtsrichter hatte nämlich große Teile seiner Urteilsbegründung aus dem BGH-Urteil VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008 abgeschrieben, obwohl es im konkreten Fall gar nicht richtig passte. In ein paar Wochen soll noch ein zweiter Beitrag zum Gaspreis-Urteil VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008 (Stadtwerke Dinslaken gegen den Privatverbraucher Ekkehard Wrede) erscheinen. Darin will ich verdeutlichen, wie sich der VIII. Zivilsenat unter Vorsitz des Richters Wolfgang Ball sogar zum Gesetzgeber kürt. Möglicherweise erscheint danach sogar noch ein dritter Artikel, der schildert, was ein Amtsrichter in Würzburg mit den BGH-Urteilen anstellt.

Viele Grüße
Lothar Gutsche

Offline enerveto

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Neue Aufsätze zu §§ 307, 315 BGB bei Energiepreisen !!
« Antwort #14 am: 16. Januar 2010, 21:58:08 »
@Lothar Gutsche
Vielen Dank für Ihren Beitrag zur Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats am BGH.

Zitat
„…Nun wissen wir allerdings, daß es Revisionsrichter bisher noch immer geschafft haben, ihnen missliebige Urteile aufzuheben. Das hochkomplexe Revisionsrecht bietet dazu ausreichend Gelegenheit. …Wenn dem BGH die Richtung nicht passt, ist das Urteil verloren, egal wie sorgfältig es begründet ist und wie gewissenhaft verhandelt wurde….“ Prof. Dr. jur. Erich Schöndorf, Bad Vilbel, „Von Menschen und Ratten – Über das Scheitern der Justiz im Holzschutzmittel-Skandal“, Verlag die Werkstatt GmbH, 1998; mit einem Vorwort von Günter Wallraff; eine Innensicht der Dritten Gewalt, die Justiz; spannend wie ein Krimi.

Am Anfang  wurde den erstaunten Energieverbrauchern von Juristen im  Energierecht die Vorstellung und Empfehlung vermittelt, es genüge, wenn der Verbraucher (Kunde) von den Energieversorgern mit dem Einwand gem. § 315 BGB die „Offenlegung der Kalkulation“ fordert. Das sei eine „Obliegenheitspflicht“ der Versorger. Sofern sie dieser Pflicht gegenüber dem Kunden nicht nachkommen, seien die Tarife unbillig und für weitere Tariferhöhungen könnte die Zahlung verweigert werden. Nun kannte Otto-Normal-Verbraucher eine „Obliegenheit“ allenfalls aus seinen Versicherungsverträgen.

Das waren die Veranlassung und der Grundstein für vielfachen Widerstand von Energieverbrauchern gegen die Preistreiberei der Energieversorger.
Nachfolgend wurde dann zwischen Tarifkunden und Sonderkunden (auch noch Normsonderkunden) differenziert.

Diese „Botschaft“ wurde dann auch noch mutig durch Leserbriefe u. ä. „unters Volk gebracht“.
Im Lichte nachfolgender Erfahrungen und Erkenntnisse wirkt die Auseinandersetzung von Otto-Normal-Verbraucher im Tarifkundenbereich mit den mit der Politik „verflochtenen“ Mächtigen der Energiewirtschaft schon reichlich vermessen.

Kein Versorger muss die Kalkulation dem Kunden offenlegen. Das hat der BGH mit Urteilen am 13.06. 2007 und 19.11.2008 im Tarifkundenbereich verhindert. Von „Beweisunmittelbarkeit“ und „rechtlichem Gehör“ ist unter dem Vorwand der Geheimhaltung nicht mehr viel übrig geblieben.

Nun müssen die richtigen Fragen gestellt werden (Energiedepesche 1-2009, S. 11). Auch von erforderlichen „Anknüpfungstatsachen“ ist im Forum die Rede.
Fragt sich: Wer hat die Darlegungs- und Beweislast?

Für die Verbraucher im Sonderkundenbereich ist inzwischen mehr als „Licht am Ende des Tunnels“.
Tarifkunden – von denen es ja angeblich nicht so viele gibt - „bleiben im Dunkeln“.

Zitat
@Lothar Gutsche
Durch das erste Urteil am Amtsgericht Würzburg vom 2.6.2009 habe ich das System der sogenannten Rechtsprechung erkannt und Bedarf für eine solche Urteilskritik gesehen. Mein Amtsrichter hatte nämlich große Teile seiner Urteilsbegründung aus dem BGH-Urteil VIII ZR 138/07 vom 19.11.2008 abgeschrieben, obwohl es im konkreten Fall gar nicht richtig passte.

Das „System“ ist politisch veranlasst.

Zitat
BGH Urteil vom 19.11.2008 – VIII ZR 138/07:
„Rdn. 18 … Einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle von allgemeinen Tarifen (Preisen) eines Gasversorgungsunternehmens im Sinne von § 10 EnWG 1998 (§ 36 EnWG 2005), § 4 Abs. 1 AVBGasV in analoger Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB steht entgegen, dass sie der Intention des Gesetzgebers zuwider liefe, der eine staatliche Prüfung und Genehmigung dieser Tarife wiederholt abgelehnt hat. Auch bei der gerichtlichen Kontrolle der Billigkeit der Tariffestsetzung fände für das betroffene Gasversorgungsunternehmen eine Preisregulierung statt, wenn der Tarif nach Auffassung des Gerichts unbillig überhöht und deshalb durch Urteil zu bestimmen wäre. … „

Das „System“ war auch schon in den Urteilen vom Landgericht Osnabrück am 20.02.2008 - Az.: 2 S 636/06  und am 19.11.2008 - Az.: 2 S 67/08 erkennbar.
Nun ist dem auch das Amtsgericht Lingen im Urteil vom 14.09.2009 – Geschäfts.-Nr. 12 C 1143/08 (X) gefolgt. Das Urteil liegt dem Bund der Energieverbraucher vor (ist aber nicht in der Urteilssammlung enthalten).

Zitat
Amtsgericht Lingen Urteil vom 14.09.2009 – Geschäfts.-Nr. 12 C 1143/08 (X):
„… der Versorger die Lieferverträge nicht vorlegen muss … der neue Gaspreis nicht einer umfassenden gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterlegen hat … nicht darüber zu befinden, ob und inwieweit die Klägerin [Versorger] mit dem neuen Gaspreis in angemessener Weise Gewinn erzielt hat … gilt der bei Vertragsabschluss bestehende Gaspreis als vertraglich vereinbart … … bundeseinheitlich bestehende Öl- und Gaspreiskopplung … habe er die einzelnen Kalkulationen rechnerisch nachvollzogen … die Richtigkeit seiner Kalkulationen daraus zurückgeschlossen, dass der Gewinn der Klägerin nicht gestiegen ist … Netzentgelte nicht ausgewiesen …  hätte es zur Überzeugungsbildung des Gerichts ausgereicht, dass bereits die Wirtschaftsprüfer, welche die Kalkulation der Klägerin überprüft haben, als Zeugen gehört werden. … sich auf die Unterlagen einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gestützt habe … auch gereicht hätte, die Personen zu vernehmen … Der Bundesgerichtshof hat mit dem oben zitierten Urteil die Voraussetzungen für die Erhöhungen des Gaspreises dargelegt. Das Gericht ist dieser Rechtsprechung gefolgt …“

Das Gericht folgt unbedenklich dem Gutachten eines Sachverständigen: „überzeugend, bedenkenfrei, äußerst lebensnah, naturgemäß, Plausibilitätsprüfung entspricht gesundem Menschenverstand … war nicht gehalten …\"

Das Amtsgericht bestellt einen Sachverständigen zur Erstellung eines schriftlichen Gutachtens.
Der Sachverständige wird feststellen, was festgestellt werden kann und soll.
Der Versorger legt eine so genannte „Kalkulation“ vor, aus der erkennbar ist, was erkennbar sein soll. Diese „Kalkulation“ ist ein Rechenwerk, was tabellarisch außerhalb eines buchhalterischen Rechnungswesens erstellt wird. Es ist z.B. nicht nachvollziehbar, welche Kosten wie auf die unterschiedlichen Kostenträger z.B. Gas, Strom und Wasser verrechnet werden.
Der Sachverständige wird möglicherweise Einblick in die Jahresabschlüsse nehmen, um zu erkennen, dass der Gewinn beim Gastarif nicht gestiegen ist (Äquivalenzverhältnis).
Das Gericht wird nur Einsicht in das Gutachten nehmen und diesem dann folgen.
Der Beklagte erhält allenfalls auch nur Einsicht in das Gutachten.

§ 1 EnWG wird ignoriert. Darlegung und Beweis erfolgen nur mit so genannten Gutachten.

Daraus ist erkennbar, was ein Tarifkunde erwarten kann.

 

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