@bolli
Aus der Sicht des Gesetzgebers soll mit der Liberalisierung auch der Wettbewerb für günstigere Preise sorgen.
Nach der ökonomischen Theorie stellen sich bei vollständigem Wettbewerb auf dem Polypolmarkt die Preise bei den Grenzkosten ein:
www.wiwi.uni-bonn.de/shaked/vwl-a-06/pps/kapitel_14_maerkte_wettbewerb.ppsEs gibt mittlerweile für jeden Haushaltskunden viele Anbieter von leitungsgebundenen Strom- und Gaslieferungen. (Wobei viele Anbieter auch bei wenigen Konzernen konzerngebunden sein können.)
Wenn möglichst viele Haushaltskunden immer kurzfristig zum günstigsten Angebot wechseln, wird der Grundversorger wohl Kunden an Wettbewerber verlieren.
Die vielen Lieferanten werden im Streben nach Maximalprofit dabei ihre Preise bei den Grenzkosten einstellen, so dass der Marktpreis hoffentlich dem Grenzkostenpreis bzw. den Grenzkosten entspricht.
Dies kann dazu führen, dass ein anderer Lieferant im Zeitpunkt der Kür die meisten Haushaltskunden im Netzgebiet beliefert und deshalb gem. § 36 Abs. 2 EnWG vom Netzbetreiber als neuer Grundversorger festgestellt wird.
Ob dies zu günstigeren Preisen der Grundversorgung führt, erscheint allerdings angesichts der Weitergeltung der Preise gem. § 36 Abs. 3 EnWG fraglich.
Viele Grundversorger bilden ihre Allgemeinen Preise der Grundversorgung ohne Rücksicht auf den Wettbewerb, nehmen mit diesen nicht am Wettbewerb teil. In den Wettbewerb stellen sie vielmehr extra gebildete Wettbewerbsprodukte, die sie als Sonderverträge außerhalb der Grundversorgung anbieten.
Das Bundeskartellamt geht davon aus, dass die Preise der Grundversorgung nicht im Wettbewerb gebildet werden, die Grundversorger im Bereich der Grundversorgung nach wie vor eine Monopolstellung einnehmen. Dies hätte zur Folge, dass die Preise der Grundversorgung eher den ökonomischen Gesetzen der Monopolpreisbildung unterliegen.
Sind die Preise der Grundversorgung demnach vom Wettbewerb unbeeinflusst, kommt es auf die Preisbestimmungspflicht der Grundversorger gem. § 36 Abs. 1 EnWG i.V.m. §§ 2 , 1 EnWG an. Die aufgrund dieser
gesetzlichen Preisbestimmungspflicht gebildeten Preise, die für den Grundversorger aufgrund der Allgemeingültigkeit nicht verhandelbar und mit einzelnen grundversorgten Kunden individuell vertraglich vereinbar sind, müssten m.E. insgesamt der Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 BGB unterliegen.
Andernfalls wird den Haushaltskunden mit der Grundversorgung lediglich ein gesetzlicher Lieferanspruch gewährleistet, jedeoch keine möglichst preisgünstige Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen, so dass §§ 2, 1 EnWG in Bezug auf die Grundversorgung leer liefen.
Der VIII. Zivilsenat des BGH lehnt eine Gesamtpreiskontrolle gem. § 315 BGB immer wieder mit dem Argument ab, dass es sich dabei um eine vom Gesetzgeber nicht mehr gewollte staatliche Preiskontrolle und -festzetzung, mithin eine staatliche Preisregulierung handeln würde.
Der Kartellsenat des BGH vertritt in einem Beschluss vom 7.6.16 Az. KZR 12/15, juris Rn. 28 ff. die Auffassung, dass es sich bei der Billigkeitskontrolle von Entgelten gem. § 315 BGB um keine staatliche Preisregulierung handelt.
http://forum.energienetz.de/index.php/topic,20126.msg116703.html#msg116703Wenn § 36 Abs. 1 EnWG die Grundversorger verpflichtet, Allgemeine Preise der Grundeversorgung festzusetzen und zu veröffentlichen, dann müssen die aufgrund dieser Ermächtigung vom Grundversorger ohne Mitwirkung der betroffenen Kunden einseitig festgesetzten Preise/ Entgelte der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegen.
Die Annahme, die Allgemeinen Preise der Grundversorgung würden durch Wettbewerb im Interesse der Kunden positiv beeinflusst, erscheint demnach hingegen als systematischer Trugschluss.
Die Grundversorger bieten Haushaltskunden gerade deshalb ohne dazu verpflichtet zu sein Angebote außerhalb der Grundversorgung an, weil nach eigenem Bekunden die Preise der Grundversorgung im Wettbewerb überhaupt nicht konkurrenzfähig seien, mit den Preisen nicht gesetzlich versorgungspflichtiger Lieferanten nicht vergleichbar seien.