Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Mindermeinung: gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers aus EnWG

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RR-E-ft:
@uwes


--- Zitat von: uwes am 06. November 2014, 18:29:02 ---
Danach erüllen weder die verordnungsrechtlichen noch die bundesgesetzlichen Bestimmungen die richtlinienkonformen Anforderungen an Transparenz.

Hieraus folgt, dass kein Preisänderungsrecht besteht und wer bei steigenden Kosten im Rahmen des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses diese - auch nicht in angemessener Form - nicht an den Kunden weiterrreichen darf, den trifft nach meiner Lesart auch keine Preisbestimmungspflicht. Denn als notwendige Ausgestaltung eines ausgewogenene Vertragsverhältnisses korrespondiert die Pflicht zur Preisbestimmung unmittelbar mit dem Recht zur Preisänderung.
--- Ende Zitat ---

Ich möchte versuchen, es vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Nicht aus einem Preisänderungsrecht folgt die Preisbestimmungspflicht, sondern erst aus der Preisbestimmungspflicht auch die Rechtspflicht des Versorgers zu dem Kunden günstigen Preisänderungen.

Der VIII. ZS sagt selbst:

Aus der Bindung des Allgemeinen Tarifs an billiges Ermessen folgt weiter, dass das Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens mit der Rechtspflicht einhergeht, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen und den Zeitpunkt einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.10 Az. VIII ZR 81/08, juris Rn. 18 mwN).

Der VIII. ZS betonte:

Aus dieser gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit folgt nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Preisänderung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Preisänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisänderung auch die Pflicht hierzu, wenn die Änderung für den Kunden günstig ist (vgl. BGH, B. v. 18.5.11 Az. VIII ZR 71/10, juris Rn. 11, mwN).

Die Bindung der Allgemeinen Tarife/ Allgemeinen Preise an den Maßstab der Billigkeit ergibt sich m.E. unmittelbar aus der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht der Grundversorger gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG.
 
Ich finde keine andere Norm, die dem Grundversorger eine Preisbestimmungspflicht auferlegt, welche jedoch Voraussetzung dafür ist, dass die Allgemeinen Preise an den Maßstab der Billigkeit gebunden sind, woraus sich wiederum die Rechtspflichten für den Versorger ergeben, wie sie der VIII.ZS benennt.

Wenn jedoch schon keine entsprechende Rechtspflicht des Versorgers bestünde, den Allgemeinen Preis anzupassen, wenn dies für den Kunden günstig ist, dann bräuchte es wohl auch keine Transparenz, um die Einhaltung einer solchen - nicht bestehenden -  Rechtspflicht (besser) kontrollieren zu können.

Kehrseite der Rechtspflicht des Versorgers zur Preisänderung ist der Anspruch des Kunden auf ihm günstige Preisänderungen.
Gäbe es aber keine Rechtspflicht des Versorgers zu solchen Preisänderungen, so hätte der Kunde auch keinen Anspruch mehr auf diese.

Und dann bräuchte man ironischerweise Schwierigkeiten bei der gerichtlichen Durchsetzung eines solchen Anspruchs auf Preisanpassung zugunsten des Kunden auch nicht mehr beklagen. Wem nutzt es also, wenn keine entsprechende Preisbestimmungspflicht des Versorgers und somit auch keine Rechtspflicht des Versorgers zu solchen  Änderungen der Allgemeinen Preise besteht, die dem Kunden günstig sind? Wem nutzt in diesem Fall noch eine höhere Transparenz?

 

Die Anwendung von § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB weist eine bekannt scharfe Rechtsfolge für den Versorger auf.

BGH, Urt. v. 5.7.05 Az. X ZR 60/04, juris:


--- Zitat ---Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB).

Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.).

Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der
Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.
--- Ende Zitat ---

Der VIII. ZS hat in seiner Entscheidung, Urt. v. 11.12.13 Az. VIII ZR 241/13 insoweit wohl einen Fingerzeig gegeben.


--- Zitat von: RR-E-ft am 13. Februar 2014, 13:48:10 ---Wohl für die Anhänger der von mir vertrenenen Mindermeinung, wonach aus einer gesetzlichen Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers das Erfordernis nach einer Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises erwachse, was zur Folge haben könnte, dass dieser auf Billigkeit kontrollierte Gesamtpreis sich gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB insgesamt als unbillig und deshalb unverbindlich erweist, hat der Senat in Tz. 19 folgendes ausgeführt:


--- Zitat ---Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass die Auffassung des Klägers, bei streitigen Preiserhöhungen werde auch eine unabhängig davon bestehende Teilforderung des Versorgers nicht fällig, darauf hinausliefe, dass der Kunde über lange Zeit Strom beziehen könnte, ohne hierauf irgendwelche Zahlungen leisten zu müssen. Das wäre mit dem Zweck der §§ 17 ff. StromGVV, dem Stromversorger als Korrelat für den ihm auferlegten Kontrahierungszwang und seine grundsätzliche Vorleistungspflicht ein zügiges Inkasso zu ermöglichen, nicht zu vereinbaren.
--- Ende Zitat ---


--- Ende Zitat ---

Betroffene grundversorgte Kunden werden auch bei einer Billigkeitskontrolle des Gesamtpreises wegen § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB eher nicht den Gesamtpreis zwischenzeitlich auf "NULL" kürzen können.

Insoweit bedarf es wohl einer einschränkenden Auselgung, die dem Umstand Rechnung trägt, dass der Grundversorger, um seine Grundversorgungspflicht überhaupt erfüllen zu können, durch die laufenden Zahlungen auch der grundversorgten Kunden wirtschaftlich leistungsfähig bleiben muss.

Zuvörderst haben wohl unabhängige Compliance-Verantwortliche in den Versorgungsunternehmen selbst zu kontrollieren und sicherzustellen, ob bzw. dass bestehende Rechtspflichten eingehalten werden.

In meinem Aufsatz ZNER 2011, S. 130 ff. wurde am Rande auch thematisiert, dass nach der Rechtsprechung des BGH das "Zur-Abrechnung-Stellen-Lassen" erkanntermaßen gesetzwidrig zu hoch bemessener Entgelte eine Betrugsstrafbarkeit der Veranbtwortlichen durch Unterlassen begründen kann, wenn den Versorger/ Dienstleister die Höhe seines Entgelts gem. § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu bestimmen hat (BGH, Urt. v. 17.08.09 Az. 5 StR 394/08).

Dieser Aspekt wurde von mir zuvor auch schon längstens unter "Grundsatzfragen" hier im Forum  zur Diskussion gestellt, fand jedoch im Kollegenkreis offensichtlich bisher zu wenig Anklang.

Es ist deshalb keinesfalls so, dass unbillige Preisfestsetzungen der Grundversorger, die gesetzlich eine § 315 BGB unterfallende Preisbestimmungspflicht trifft, keine rechtlichen Folgen zeitigen.   

uwes:

--- Zitat von: RR-E-ft am 07. November 2014, 06:56:47 ---Wenn jedoch schon keine entsprechende Rechtspflicht des Versorgers bestünde, den Allgemeinen Preises anzupassen, wenn dies für den Kunden günstig ist, dann bräuchte es wohl auch keine Transparenz, um die Einhaltung einer solchen - nicht bestehenden -  Rechtspflicht (besser) kontrollieren zu können.

Kehrseite der Rechtspflicht des Versorgers zur Preisänderung ist der Anspruch des Kunden auf ihm günstige Preisänderungen.
Gäbe es aber keine Rechtspflicht des Versorgers zu solchen Preisänderungen, so hätte der Kunde auch keinen Anspruch mehr auf diese.

--- Ende Zitat ---

Sie gehen den umgekehrten Weg ("vom Kopf auf die Füße stellen")
Sie meinen, eine Preisbestimmungspflicht bestünde, obwohl die Bestimmungspflicht zugleich auch das Änderungsrecht beinhaltet, das aber gerade vom EuGH als in der bis zum 30.10.2014 bestehende gesetzlichen Form als europarechtswidrig beurteilt worden ist.

So bekommen wir auch keinen Weg aus der "Regelungslücke"

Mein Ansatz ist vorher.

Ich meine, so lange kein wirksames Preisänderungsrecht besteht - was unzweifelhaft der Fall ist - benötigen wir auch keine Preisbestimmungspflicht.

Was benötigt wird ist eine transparente und von den Verbrauchern kontrollier- und ggfs angreifbare Preisgestaltung, die sich natürlich an den Grundvoraussetzungen des § 1 Abs. 1  ENWG orientieren bzw. an diese halten muss.

Da hilft bei den derzeitigen Regelungen aber keine umständliche und nicht transparente "Konstruktion" mit einer Preisbestimmungspflcht, die ja auch nicht kontrollier- und überprüfbar ist.

Ihr Ansatz greift dann, wenn die derzeitigen gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Vorschriften - entgegen meiner Auffassung - ein wirksames Änderungsrecht und somit auch eine Bestimmungspflicht enthalten würden.

Nur auch hier die Frage:
Wie sollen die Haushaltskunden erkennen, ob das EVU seine Preisbestimmungspflicht rechtzeitig und angemessen ausgeübt und die Ausübung des Preisbestimmungsrechts ebenfalls zeitlich und der Höhe nach korrekt vorgenommen worden ist?

Hier weisen die gesetzlichen Regelungen das größte Defizit auf, das m.M. nach mit dem birherigen Instrumentarium nicht aufgefüllt werden kann.

RR-E-ft:
@uwes

Was war zuerst da Henne oder Ei?

Mag schon sein, dass langjährige Bestandskunden in der Grundversorgung aus ihrer derzeit eher kommoden Situation heraus, auf die Idee verfallen können,
dass sie selbst derzeit auf keine Preisanpassungspflicht des Versorgers angewiesen seien.

Um diese Kunden (in besonderer Situation) geht es aber bei der gesetzlichen Regelung nicht, sondern um alle besonders schutzbedürftige Kunden, denen eine Versorgung zu angemessenen Preisen gewährleistet sein muss.

Ihr Ansatz ist nicht vorher, sondern betrifft allenfalls eine Zwischenzeit, in welcher ein Grundversorgungsverhältnis bereits begründet wurde,
der Versorger nicht zu einseitigen Preisänderungen im laufenden Versorgungsverhältnis berechtigt sein soll und sich deshalb aber auch noch nicht in berechtigter Weise auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit berufen und das Versorgungsverhältnis deshalb durch rechtmäßige ordentliche Kündigung beendet hat.

Damit greift er zu kurz, wenn er den besonders schutzbedürftigen Kunden in Gegenwart und Zukunft keine Versorgung zu angemessenen Preisen gewährleistet.

Im Einzelnen:

Als erstes bestand die gesetzliche Versorgungspflicht verbunden mit einer gesetzlichen Preisbestimmungspflicht des Versorgers.

§ 6 Abs. 1 und 2 EnWG 1935


--- Zitat ---Versorgt ein Energieversorgungsunternehmen ein bestimmtes Gebiet, so ist es verpflichtet, allgemeine Bedingungen und allgemeine Tarifpreise öffentlich
bekanntzugeben und zu diesen Bedingungen und Tarifpreisen jedermann an sein Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen (allgemeine Anschluß- und
Versorgungspflicht).

Die allgemeine Anschluß- und Versorgungspflicht besteht nicht:
1. wenn der Anschluß oder die Versorgung dem Versorgungsunternehmen aus
wirtschaftlichen Gründen, die auch in der Person des Anschlußnehmers liegen
können, nicht zugemutet werden kann,
2. wenn der Anschlußnehmer die Mitteilung nach § 5 Abs. 2 unterlassen hat,
es sei denn, daß die Mitteilung ohne sein Verschulden unterblieben oder seit
Errichtung oder Erweiterung der Energieerzeugungsanlage ein Zeitraum von zehn
Jahren verstrichen ist.
--- Ende Zitat ---

§ 10 Abs. 1 EnWG 1998


--- Zitat ---Energieversorgungsunternehmen haben für Gemeindegebiete, in denen sie die allgemeine
Versorgung von Letztverbrauchern durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine
Tarife für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekanntzugeben und
zu diesen Bedingungen und Tarifen jedermann an ihr Versorgungsnetz anzuschließen und zu
versorgen. Diese Pflicht besteht nicht, wenn der Anschluß oder die Versorgung für das
Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.
Unterschiedliche Allgemeine Tarife für verschiedene Gemeindegebiete sind nicht zulässig, es sei
denn, daß hierfür ein sachlich gerechtfertigter Grund nachgewiesen wird, dadurch für keinen
Kunden eine Preiserhöhung entsteht und die Preisunterschiede für alle Kunden zumutbar sind.
--- Ende Zitat ---

§ 36 Abs. 1 EnWG 2005


--- Zitat ---Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen. Die Pflicht zur Grundversorgung besteht nicht, wenn die Versorgung für das Energieversorgungsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.
--- Ende Zitat ---

Zunächst waren ja alle Kunden außerhalb eines Tarifkunden- oder Grundversorgungsverhältnisses.

Sie konnten jeweils erst dann in ein solches Versorgungsverhältnis etwa durch bloße Energieentnahme aus dem Netz eintreten, nachdem der gesetzlich zur Versorgung und Preisbestimmung verpflichtete Versorger seine Preisbestimmung getroffen und öffentlich bekannt gegeben hatte.

Die gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers, die aus o.g. Gründen eine permantene ist, bestand also schon, noch bevor ein einziger Kunde in ein entsprechendes Versorgungsverhältnis eintrat. Und nur wegen dieser permantenen gesetzlichen Preisbestimmungspflicht sind die Allgemeinen Tarife/ Allgemeinen Preise an den Maßstab der Billigkeit gebunden.

Bei den Grundversorgungsverhältnissen darf der Versorger keine individuellen Preise vereinbaren, sondern muss alle anspruchsberechtigten Kunden, die dies wünschen (früher Tarifkunden, heute Haushaltskunden) - bis an die Grenze der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit- zu den von ihm jeweils  festgesetzten und öffentlich bekannt gegebenen Allgemeinen Tarifen/Preisen versorgen.

Diese gesetzliche Verpflichtung besteht nicht nur gegenüber Kunden, die sich bereits in solchen Versorgungsverhältnissen befinden, sondern auch gegenüber entsprechenden (potentiellen) Kunden , die sich noch nicht in solchen Versorgungsverhältnissen befinden.

Schon diesen noch außenstehenden Kunden muss der Versorger aufgrund seiner gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG einen angemessenen Preis bieten (nicht: anbieten, siehe unten), den er zuvor festzusetzen und öffentlich bekannt zu machen hatte.

Nicht ersichtlich, wie sich bisher außerhalb entsprechender Versorgungsverhältnisse stehende (potentielle) Kunden darauf berufen sollten, der Versorger sei seit 01.07.04 nicht zu einseitigen Preisanpassungen in solchen laufenden Versorgungsverhältnissen berechtigt gewesen, wenn sie sich doch selbst noch gar nicht in einem solchen laufenden Vertragsverhältnis befanden.

Soll etwa ein Strom- Grundversorger verpflichtet sein, heute in die Grundversorgung neu hinzutretende Kunden zu dem Allgemeinen Tarif zu versorgen,
der bereits vor dem 01.07.2004 von ihm öffentlich bekannt gemacht worden war?

Immerhin sind Preisspaltungen zwischen Bestands- und Neukunden in der Grundversorgung gesetzlich unzulässig, § 36 Abs. 1 EnWG.

Oder soll er sich zumindest darauf berufen können, dass ihm allein wegen des zwischenzeitlichen Anstiegs der EEG- Umlage eine solche Versorgung wirtschaftlich unzumutbar ist, so dass er sich gegenüber Neukunden auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit beruft und sie deshalb nicht in die Grundversorgung aufnimmt, sie gar von dieser ausschließt?!

Auch langjährige Bestandskunden in der Grundversorgung werden aus o. g. Gründen zumal dann eine berechtigte ordentliche Kündigung des Versorgers zu gewärtigen haben, wenn der Versorger nachweist, dass ihm die Versorgung zu den unveränderten Preisen zwischenzeitlich wirtschaftlich unzumutbar geworden ist.

Die Grundversorgungspflicht findet jeher ihre Grenze in der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit.

Haushaltskunden  können durch den Weiterbezug von Energie aus dem Netz über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer solchen ordentlichen Kündigung hinaus ein neues Grundversorgungsverhältnis eingehen.

Dabei erwarten sie zurecht, dass sie dabei unter Beachtung von § 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 EnWG  zu einem angemessenen Allgemeinen Preis versorgt werden.

Eine Grundversorgung zu einem angemssenen Preis, ist auch für sie jedoch nur dann gewährleistet, wenn den Grundversorger aufgrund der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs.1 EnWG auch die Rechtspflicht trifft, den Allgemeinen Preis anzupassen, wenn dies dem Versorger möglich und den Kunden günstig ist.

Diese Preisanpassungspflicht, die nicht mit der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht zu verwechseln ist, sondern mit dieser einhergeht, aus dieser und der Bindung der Allgemeinen Tarife an den Maßstab der Billigkeit folgt, greift m. E. immer dann, wenn der Allgemeine Preis in Anbetracht der Kosten, die dem Versorger bei effizienter Betriebsführung durch die Grundversorgung entstehen, die Marge unangemessen hoch bemessen ist.

Weil der Gesetzgeber keine ex post- Betrachtung anstellt, sondern bei der Gesetzgebung eine ex ante- Sicht einnimmt, hat er die gesetzliche Preisbestimmungspflicht (welche sich derzeit aus § 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG ergibt) geschaffen, um besonders schutzbedürftigen Kunden in Gegenwart und Zukunft eine Versorgung zu angemessenen Preisen zu gewährleisten, insbesondere auch solchen Kunden, die sich bisher noch gar nicht in einem Grundversorgungsverhältnis befinden.

Zum Vertragsrechtlichen vertrete ich folgenden Standpunkt:

Beim Abschluss eines Sondervertrages wird regelmäßig ein Preis vereinbart, der nach der gesetzlichen Regelung des Kaufrechts für beide Seiten bindend ist und ausnahmsweise nur dann vom Lieferanten einseitig abgeändert werden kann, wenn dieser sich ein Preisänderungsrecht wirksam einräumen ließ, wofür bei AGB- Preisänderungsklauseln wegen der Transparenz- und Bestimmtheitsanforderungen des § 307 BGB ein unkonkretisiertes Bestimmungsrecht im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB regelmäßig nicht in Betracht kommt.

Wird ein Grundversorgungsverhältnis eingegangen, so wird dabei kein Preis vereinbart, sondern die vertragliche Preishauptabrede besteht in derjenigen gesetzlichen Preisbestimmungspflicht des Versorgers, die sich aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG ergibt und über §§ 6 Abs. 1, 1 Abs. 2 StromGVV/ GasGVV als Vertragsgegenstand in das Grundversorgungsverhältnis implementiert wird.

Der Versorger ist schon vor Eingehung des Grundversorgungsverhältnisses und danach laufend verpflichtet, dem Kunden eine Versorgung zu einem angemessenen Preis zu gewährleisten, den der Versorger immer wieder neu tarieren und festzseten muss.

Sowohl dem Kunden, erst recht dem Versorger ist klar, dass der bei Begründung des Versorgungsverhältnisses vom Versorger festgesetzte Preis variabel ist, vom Versorger immer wider neu festgesetzt werden muss, da der Versorger andernfalls weder dem gesetzlichen Preisspaltungsverbot noch seiner Rechtspflicht zur Preisanpassung zugunsten der Kunden entsprechen und folglich auch Neukunden keine Versorgung zu angemessenen Preisen gewärleisten kann. 



   

Black:

--- Zitat von: RR-E-ft am 05. November 2014, 20:30:24 ---Nachdem der Netzbetreiber (gerade in Zeiten drohender Negativzinsen) eine üppig erscheinende Eigenkapitalrendite einpreisen darf, stellt sich die Frage, welche angemessene Marge man einem Vertrieb zubilligen soll bzw. darf.
--- Ende Zitat ---

Jede Marge, die sich im Wettbewerb am Markt durchsetzen lässt (und das ist derzeit nicht sehr viel). Es steht den Kunden ja frei, die Grundversorgung jederzeit zu verlassen.

Man könnte das natürlich auch alles staatlich vorschreiben, aber dieses System hat der Gesetzgeber bekanntlich seit 1998 absichtlich aufgegeben.

Die Gerichte haben ersichtlich auch kein Interesse das System der Tarifgenehmigung über die Hintertür des § 315 BGB wieder einzuführen. Darauf beruht die Sockelrechtsprechung des BGH.

uwes:

--- Zitat von: RR-E-ft am 06. November 2014, 00:45:40 ---Wenn man meine Auffassung nicht teilt, dass sich aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers ergibt, dann muss man sich vielleicht die Frage stellen, was sich aus diesen Normen denn sonst ergibt. 

--- Ende Zitat ---

Meines Erachtens ergibt sich aus diesen Bestimmungen, dass eine wie auch immer geartete Preisbestimmungs-/änderungs-/pflicht-/-recht als bestehend und vertraglich vereinbart vorausgesetzt wird, nicht jedoch, dass mit diesen insoweit ungeeigneten Normen eine solche geschaffen wurde.


--- Zitat von: RR-E-ft am 06. November 2014, 00:45:40 ---Das ändert doch aber wohl nichts an der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers aus § 6 Abs. 1 EnWG 1935, § 10 EnWG 1998, §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG, die der Versorger erfüllen muss, bevor überhaupt ein einziges Grundversorgungsverhältnis (ich nehme den neuen Terminus) zustande kommen kann.

Denn zunächst muss der Grundversorger einen solchen Allgemeinen Preis bestimmen, der den Haushaltskunden eine möglichst preisgünstige, effiziente leitungsgebundene Versorgung mit Gas oder Strom zu verbraucherfreundlichen Bedingungen gewährleisten soll.
--- Ende Zitat ---

Da haben Sie recht, aber ich sehe da kein Problem. Schützenswert sind immer diejenigen Vertragspartner eines Dauerschuldverhältnisses während der Laufzeit ihres Vertreges. Daher hat die Rechtsprechung sich bei Preisanpassungen ja auch immer nur dann geäußert, wenn es um Anpassungen "im laufenden Vertrag" ging.

Hier geht es um die Vereinbarung/Bestimmung eines Anfangspreises. Hier kann es wie im Werkvertragsrecht gehen. Geschuldet wird im Zweifel der "marktübliche" Preis. Ich stimme Ihnen zu, dass bei der derzeitigen rechtlichen Situation diese Ermittlung auch schwierig sein kann. Vielleicht muss man sich tatsächlich in Einzelfällen mit einer Handhabung befassen, die Ihrer Rechtsauffassung entspricht - jedenfalls für eine Übergangszeit.

Andererseits sehe ich nach wie vor die größeren Probleme dann, wenn den EVUen die von Ihnen geschilderten Rechte und Pflichten in der von der Rechtsprechung erkannten intransparenten Art und Weise weiterhin zustehen sollen und wir damit keinen Schritt weiter gekommen wären.

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