Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Mindermeinung: gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers aus EnWG

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RR-E-ft:
@Black

Gemessen an der großen Zahl der Grundversorger  gibt es nur wenige Grundversorger, die nicht zugleich Netzbetreiber sind bzw. wo der Netzbetreiber nicht zugleich eine eigene Tochtergesellschaft ist.

Nachdem der Netzbetreiber (gerade in Zeiten drohender Negativzinsen) eine üppig erscheinende Eigenkapitalrendite einpreisen darf, stellt sich die Frage, welche angemessene Marge man einem Vertrieb zubilligen soll bzw. darf.

Die Monopolrenditen  aus Monopolzeiten (seinerzeit Summe aus Netz und Vertrieb) dürfen es wohl nicht mehr sein.
Also: Wie hoch darf die Vertriebsmarge bei kosteneffizienter Betriebsführung liegen?
Darauf sollte sich eine Antwort geben lassen und man könnte einen Maximalwert wohl auch in einer Verordnung regeln.

Warum soll eine von einem Gericht bestimmte Marge unangemessener erscheinen als eine vom Versorger bzw. dessen Vertrieb selbst bestimmte Marge?
Dass die Vertriebe ihre Vertriebsmargen im HuK-Segment flächendeckend erhöht haben, ergibt sich nach den amtlichen Feststellungen in den Monitoringeberichten von BNetzA und BKartA.
Dabei konnten die Vertriebe ihre Margen nur dadurch erhöhen, dass sie erzielte Kosteneinsparungen (vornehmelich bei der Beschaffung) nicht adäquat an die betroffenen HuK- Kunden weitergegeben haben.

uwes:

--- Zitat von: RR-E-ft am 29. Oktober 2014, 12:24:29 ---- Grundversorger unterliegen einer gesetzlichen Preisbestimmungspflicht hinsichtlich der Allgemeinen Preise aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG.

--- Ende Zitat ---
   

Ich teile diese Meinung ausnahmsweise nicht. Der Gerichtshof hat nicht bestimmte nationale Regelungen für europarechtswidrig gehalten und damit sein Urteil auf die AVBGasV/AVBEltV oder GasGVV/StromGVV beschränkt. Er hat die Wirkungen des Urteils auf alle nationalen Regelungen bezogen, die

--- Zitat ---die Möglichkeit vorsieht, den Tarif dieser Lieferungen zu
ändern, aber nicht gewährleistet, dass die Verbraucher rechtzeitig vor Inkrafttreten dieser
Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert werden.
--- Ende Zitat ---


Damit scheiden sowohl die Bestimmungen der Verordnungen als auch § 36 ENWG als Rechtsgrundlage für eine Preisänderungspflicht aus.
§ 315 BGB setzt voraus, dass einer Vertragspartei ein Leistungsbestimmungsrecht (oder meinetwegen auch -pflicht) eingeräumt wurde. Das impliziert aber denknotwendig - wirksam eingeräumt.

Ich wiederhole meine Auffassung, die ich schon vor nahezu 10 Jahren geäußert habe. Schon die gesetzlichen und Verordnungsrechtlichen Vorschriften lassen überhaupt nicht erkennen, ob und vor allem wem ein Preisbestimmungsrecht oder eine -pflicht eingeräumt worden sein soll. Alle zitierten Bestimmungen setzen das Vorhandensein einer vertraglichen Preisänderungsvereinbarung lediglich voraus.

Eine Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB kommt bislang nicht in Betracht. Dazu bedarf es zuvor der Vereinbarung oder wirksamen gesetzlichen Vorschrift, wem und dass einer Vertragspartei ein Leistungsbestimmungsrecht/-Pflicht nach billigem Ermessen überhaupt zusteht.

Ich habe auch Zweifel, ob die am 30.10.2014 in Kraft getretene Änderung der  Vorschriften der GasGVV und StromGVV diese Vorausetzungen einer Wirksamkeit erfüllen.

Meiner Auffassung nach bestand vom 1.7.2004 (Ende der Umsetzungsfrist der EG Strom- und Gasrichtlinien) bis zunächst einmal zum 30.10.2014 keine Rechtsgrundlage für Preisänderungen im Tarifkundenvertrag.


--- Zitat von: RR-E-ft am 29. Oktober 2014, 12:24:29 ---Möglicherweise kommt nach dem Urteil des EuGH vom 23.10.14 Rs. C-359/11 und C-400/11 nun doch noch eine Diskussion darüber zustande.

--- Ende Zitat ---
   

Ich denke, wir befinden uns am Anfang einer gänzlich neuen Diskussion. Es kann nicht ausreichen, dass sich die Versorger nur auf eine kleinere Auflistung von Kostenelementen beschränken können. Die Pflicht gesunkene Kosten weiter zu geben ist zwar in der Änderungsverordnung geregelt, aber es ist keine konkrete - spürbare - Sanktion genannt, sollten die Versorger dieser Pflicht nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen. Sicherlich brauchen wir keine staatliche Regulierung. Aber Kontrolle - beispielsweise durch Ausschüsse, in denen auch Verbraucher oder ihre Verbände sitzen - sollte möglich sein.

RR-E-ft:
@uwes

Wenn man meine Auffassung nicht teilt, dass sich aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers ergibt, dann muss man sich vielleicht die Frage stellen, was sich aus diesen Normen denn sonst ergibt. 

Auch wenn man das Preisänderungsrecht zumindest in der Zeit 01.07.04 bis zum 30.10.14 aus bekannten Gründen ablehnt, so betrifft dies doch wohl nur laufende Versorgungsverhältnisse, in denen der Grundversorger nach Lesart des VIII. ZS einseitig den Preis abändern wollte und wegen nicht wirksam eingeräumten Preisänderungsrechts nicht wirksam abändern konnte....

Das ändert doch aber wohl nichts an der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers aus § 6 Abs. 1 EnWG 1935, § 10 EnWG 1998, §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG, die der Versorger erfüllen muss, bevor überhaupt ein einziges Grundversorgungsverhältnis (ich nehme den neuen Terminus) zustande kommen kann.

Denn zunächst muss der Grundversorger einen solchen Allgemeinen Preis bestimmen, der den Haushaltskunden eine möglichst preisgünstige, effiziente leitungsgebundene Versorgung mit Gas oder Strom zu verbraucherfreundlichen Bedingungen gewährleisten soll.

Wenn der Grundversorger einen solchen angemessenen Allgemeinen Preis bestimmt hat, muss er ihn öffentlich bekannt machen und im Internet veröffentlichen und sodann jeden Haushaltskunden, der dies wünscht, zu diesem Allgemeinen Preis beliefern.

Und wohl erst, wenn dies geschehen ist, der Allgemeine Preis vom Grundversorger festgesetzt und öffentlich bekannt gemacht wurde,  kann ein Haushaltskunde durch Energieentnahme aus dem Niederspannungs- oder Niederdrucknetz die in der Leistungsbereitstellung liegende Realofferte des Grundversorgers zum Abschluss eines Grundversorgungsverhältnisses annehmen oder als Nichthaushaltskunde ebenso ein Ersatzversorgungsverhältnis begründen.

Grund- und Ersatzversorgungsverhältnis sind gesetzliche Schuldverhältnisse, die auf der Fiktion beruhen, dass die vom Kunden aus dem Netz entnommene Energie ausgerechnet vom Grundversorger stammt und von diesem geliefert wird.

Die Versorger haben auch in der Zeit vom 01.07.04 bis zum 30.10.14 mehr oder weniger regelmäßig wiederholt solche Allgemeinen Preise/ Allgemeinen Tarife neu öffentlich bekannt gegeben/ im Internet veröffentlicht.

Je nachdem, wann das Grundversorgungsverhältnis zustande gekommen ist, stand deshalb am Anfang jeweils ein anderer veröffentlichter Allgemeiner Preis.

In den so zu unterschiedlichen Anfangspreisen begründeten Versorgungsverhältnissen soll der Grundversorger jedoch in der Zeit vom 01.07.04 bis zum 30.10.14 nicht berechtigt gewesen sein, die Preise abzuändern und deshalb die erfolgten einseitigen Preisänderungen unwirksam sein.

Dann muss man wohl zu dem Ergebnis gelangen, dass der Grundversorger - abhängig vom Zeitpunkt des Zustandekommen des Versorgungsverhältnisses und des dabei jeweils veröffentlichten Allgemeinen Preises - die Haushaltskunden gegenwärtig zu höchst unterschiedlichen Preisen zu beliefern hat, was ihm jedoch gesetzlich auch verboten ist. Denn schließlich muss er alle Haushaltskunden zu den gleichen Allgemeinen Preisen versorgen, § 36 Abs. 1 EnWG. Und auch ein entsprechendes  Diskriminierungsverbot findet sich im EU- Recht wieder.

Es steht eher zu bezweifeln, dass dieser Konflikt etwa dadurch aufgelöst werden kann und soll, dass die Grundversorger in der Zeit vom 01.07.04 bis zum 30.10.14 (und möglicher Weise weiter in die Zukunft reichend) nicht berechtigt sein sollen, neue Allgemeine Preise zu bestimmen und zu veröffentlichen, so dass das Streichen sämtlicher Preisveröffentlichungen ab dem 01.07.04 dazu führt, dass sämtliche Haushaltskunden  - unabhängig vom Zeitpunkt des Zustandekommens des Versorgungsverhältnisses - zu dem Allgemeinen Preis versorgt werden müssen, der schon vor dem bzw. am  01.07.04 galt.

Allein angesichts der staatlich veranlassten Kosten erscheint nicht ausgeschlossen, dass dies die Grundversorger derart überfordern kann, dass ihnen die weitere Versorgung wirtschaftlich unzumutbar wird, was sogleich den gesetzlichen Versorgungsanspruch der Kunden entfallen lässt....
Dies wiederum wäre auch unvereinbar mit den Grundsätzen der EU.

Ich halte weiter daran fest, dass nach den EU- Richtlinien sicherzustellen ist, dass sogenannte Versorger letzter Instanz die besonders schutzbedürftigen Kleinkunden diskriminierungsfrei zu angemessenen Preisen leitungsgebunden mit Elektrizität und Gas versorgen und der deutsche Gesetzgeber dem mit §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG Rechnung tragen wollte.

Ich entnehme den Normen wie aufgezeigt nicht nur eine Versorgungspflicht zu irgend einem Willkürpreis, sondern auch eine Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers, die den betroffenen Kunden tatsächlich angemessene Allgemeine Preise gewährleisten soll.

Auf eine solche gesetzlich angeordnete Leistungsbetimmungspflicht (hier Preisbestimmungspflicht) kommt § 315 BGB unmittelbar zur Anwendung,
ohne dass es erst noch einer Anwendungsvereinbarung bedarf.

Transparente Preisänderungen sind ein dringendes Anliegen, dass vor allem die Änderung vereinbarter Sonderpreise betrifft.

In der Grundversorgung muss es vorrangig um die Angemessenheit der Preise gehen.
Dabei sind die gegenläufigen Interessen, nämlich das Interesse des Grundversorgers und die typischen Interessen der zu versorgenden Kunden unter Beachtung der energiewirtschaftsrechtlichen Bestimmungen gegeneinander abzuwägen.

Dies kann  auch die Verpflichtung zur Preissenkung dann einschließen, wenn zwischenzeitlich gar keine Kosten gesunken sind, aber bisher die Marge vom Grundversorger unangemessen zu hoch bemessen wurde, so dass deshalb der vom Grundversorger festgesetzte und öffentlich bekannt gemachte Allgemeine Preis unter Berücksichtigung der objektiv gegenläufigen Interessen insgesamt nicht mehr angemessen ist und somit den Haushaltskunden tatsächlich keine effiziente, möglichst preisgünstige Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen mehr gewährleisten kann.

Während die Transparenzanforderungen darauf abzielen, ein vereinbartes, bereits vorhandenes  Äquivalenzverhältnis zu wahren,
zielt die Billigkeitskontrolle darauf ab, ein angemessenes Äquivalenzverhältnis ggf. erst  zu finden und sicherzustellen.

Ein einmal vom Grundversorger festgesetzter angemessener Allgemeiner Preis wird regelmäßig unangemessen, wenn die durch die Grundversorgung entstehenden und abzudeckenden Kosten sinken und diese Kostensenkung nicht über eine Neubestimmung des Allgemeinen Preises an die Kunden weitergegeben wird.

Die von mir als solche erkannte gesetzliche Preisbestimmungspflicht aus § 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG kann der Grundversorger deshalb nicht durch einen einmaligen Akt erfüllen, sondern die Verpflichtung besteht bei sich änderndenden Kosten, welche durch die Grundversorgung entstehen und abzudecken sind, permanent.

Und von einer solchen permanent wirkenden gesetzlichen Preisbestimmungspflicht, die überhaupt erst Voraussetzung einer Versorgung zu angemessenen Allgemeinen Preisen ist, kann der Grundversorger nicht dadurch suspendiert sein, dass ihm in laufenden Versorgungsverhältnissen kein Preisänderungsrecht wirksam eingeräumt wurde.

@uwes

Es wäre im Ergebnis doch wohl auch vollkommen  inakzeptabel, wenn der Versorger noch zum 01.07.04 zu Zeiten eines Monopols einen unangemessen hohen Monopolpreis einschließlich Monopolrendite zum Allgemeinen Tarif/ Allgemeinen Preis bestimmt, festgesetzt und öffentlich bekannt gemacht hatte, hiernach keinerlei Kostensteigerungen, sondern evtl.. gar nur Kostensenkungen erfahren hatte, und heute aus genannten Gründen (fehlende Einräumung eines wirksamen  Preisänderungsrechts) immer noch nur verpflichtet sein soll, die betroffenen Kunden eben zu diesem Allgemeinen Preis zu versorgen, der bereits in 2004 nicht angemessen war und später erst recht nicht mehr angemessen war und den betroffenen Kunden deshalb nie eine effiziente,  möglichst preisgündstige leitungsgebundene Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen gewährleistete bzw. sicherte.     


   

 

   

uwes:
@RR-E-ft

Für moch bestehen in der Tat zwei vöölig verschiedene Herangehensweisen für die von Ihnen zu Recht aufgezeigten Problematiken.

Diejenige, die ich in meinem von Ihnen in bezug genommenen Beitrag äußerte, ist die nach meiner Auffassung streng juristisch zu sehenden Rechtsfolgen aufgrund der Entscheidung des EuGH.

Danach erüllen weder die verordnungsrechtlichen noch die bundesgesetzlichen Bestimmungen die richtlinienkonformen Anforderungen an Transparenz.

Hieraus folgt, dass kein Preisänderungsrecht besteht und wer bei steigenden Kosten im Rahmen des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses diese - auch nicht in angemessener Form - nicht an den Kunden weiterrreichen darf, den trifft nach meiner Lesart auch keine Preisbestimmungspflicht. Denn als notwendige Ausgestaltung eines ausgewogenene Vertragsverhältnisses korrespondiert die Pflicht zur Preisbestimmung unmittelbar mit dem Recht zur Preisänderung.

Ich sehe - offenbar wie Sie - durchaus die Schwierigkeiten bei der praktischen Durchführung dieser rechtlichen Folgen, des Urteils, dass doch weit mehr zum Nachdenken auffordert, als das noch das erste Urteil des BGH mit dem streitbaren Richterkollegen aus Heilbronn es getan hatte.

Allerdings möchte ich auch an dieser Stelle darauf hinweisen, dass vor dieser Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2006 lediglich der Chefjurist Hempel der Wuppertaler Stadtwerke in seinem von ihm verfassten Kommentar zum Energiewirtschaftsrecht die Auffassung vertreten hatte, die §§ 4 AVBGasV und AVBEltV beinhalteten ein Preisänderungsrecht. Kein anderer Kommentator hatte meiner Erinnerung nach  jemals so etwas behauptet.

Genauso, wie seinerzeit das Preisänderungsrecht plötzlich in aller Munde war, geht es jetzt mit der "Preisbestimmungspflicht". Nur frage ich mich, wem soll eine Preisbestimmungspflicht in sder derzeitigen Form denn effektiv nützen?
Weder die bisherige Rechtsprechung noch die Änderungen der Gas- und Strom GVV zum 30.10.2014 berücksichtigen, dass praktisch keinerlei Rechtsfolgen angeordnet sind, wenn der Versorger dieser Verpflichtung nicht nachkommt und die Kunden den Zeitpunkt des Eintretens dieser Verpflichtung ja bekanntlich gar nicht erkennen können. Es stellt sich weiter die Frage, ob die Sockelpreistheorie dann weiter angewendet werden soll und was passiert, wenn der Kunde die Verletzung der Preisbestimmungspflicht des Versorgungsunternehmens nicht in angessener Zeit rügt. Sollen dann die geringeren - aber nicht bestimmten Preise wirksam werden oder der Kunde auf dem Höheren, weil nicht anders bestimmt, sitzen bleiben? Wer soll wie kontrollieren, ob das Versorgungsunternehmen seiner Preisbestimmungspflicht

a) überhaupt oder
b) rechtzeitig und
c) ausreichend

nachkommt?

Unter Transparenz im Sinner der EuGH - Entscheidung verstehe ich auch, dass es den Tarifkunden möglich sein muss, nicht nur zu erkennen, ob das EVU die Preise angemessen erhöht sondern auch, dass es seiner Pflicht, die Preise auch wieder z.B. bei rückläufigen Kosten zu senken, auch wirklich und effektiv nachkommt.

Das alles ist weder mit der derzeitigen Rechtsprechung noch mit den geänderten Verordnungen oder gar dem ENWG  möglich.

Für die rd. 4 Mio Haushaltskunden, die im Wege der Grundversorgung mit Gas und/oder Strom beliefert werden, bleibt nur der derzeit vom EuGH vorgezeichnete Weg, sich auf die nicht bestehende Möglichkeit zu Preisänderungen zu berufen. Wenn die Folgen wirtschaftlich untragbar werden, mag der Gesetzgeber reagieren. Vielleicht gelingt ers ja, die erforderliche Transparanz zu schaffen.

RR-E-ft:

--- Zitat von: uwes am 06. November 2014, 18:29:02 ---
Für die rd. 4 Mio Haushaltskunden, die im Wege der Grundversorgung mit Gas und/oder Strom beliefert werden, bleibt nur der derzeit vom EuGH vorgezeichnete Weg, sich auf die nicht bestehende Möglichkeit zu Preisänderungen zu berufen. Wenn die Folgen wirtschaftlich untragbar werden, mag der Gesetzgeber reagieren. Vielleicht gelingt ers ja, die erforderliche Transparanz zu schaffen.
--- Ende Zitat ---

@uwes

Sie betrachten wohl vornehmlich die Kunden, die sich bereits in einem Grundversorgungsverhältnis befinden und denen man nach wie vor raten kann, sich gegen einseitige Preiserhöhungen unter anderem auch darauf zu berufen, dass ein Preisänderungsrecht dem Grundversorger nicht wirksam eingeräumt wurde....

Die EU hatte zutreffend  erkannt, dass es auf dem Energiemarkt der leitungsgebundenen Versorgung von Letztverbrauchern mit Strom und Gas besonders schutzbedürftige Kleinkunden gibt.

Diese Kleinkunden sind schon deshalb besonders schutzbedürftig, weil sie aufgrund ihrer geringen individuellen Abnahmemengen gegenüber den Lieferanten über keinerlei Marktmacht und Verhandlungsmacht verfügen. Teilweise sind diese Kleinkunden noch weiter schutzbedürftig, weil sie etwa in einem Wohngebiet mit hohem Migrationsanteil leben, deshalb einen schlechten Scoringwert haben, oder aber selbst einen negativen SCHUFA- Eintrag haben, deshalb regelmäßig durch den Bonitätstest der Lieferanten fallen und deshalb oft keinen Lieferanten finden, der freiwillig bereit ist, sie zu beliefern.

Diese besonders schutzbedürftigen Kleinkunden sollen dadurch geschützt werden, dass ihnen eine Belieferung zu angemessenen Preisen durch einen Versorger letzter Instanz gewährleistet wird.

Dieser Versorger letzter Instanz ist in Deutschland der Grundversorger, der gegenüber solchen besonders zu schützenden Kleinkunden einem gesetzlichen Kontrahierungszwang unterliegt. Dieser gesetzliche Kontrahierungszwang gewährleistet diesen Kunden überhaupt eine Versorgung.

Aber der Schutz dieser besonders schutzbedürftigen Kleinkunden darf auch nach EU- Recht  nicht damit enden, dass sie überhaupt beliefert werden.
Denn dadurch wird ihnen noch nicht eine Belieferung zu einem angemessenen Preis gewährleistet.

Und deshalb gibt es die gesetzliche Preisbestimmungspflicht aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG.
Erst diese kann den besonders schutzbedürftigen Kunden, die der Grundversorger beliefern muss, eine Versorgung zu angemessenen Preisen gewährleisten.

Die gesetzliche Preisbestimmungspflicht dient deshalb denjenigen besonders zu schützenden Kleinkunden, denen nach EU- Recht eine Belieferung zu angemessenen Preisen gewährleistet sein muss.  In Deutschland sind das die sog. Haushaltskunden iSv. § 3 Nr. 22 EnWG.

Die gesamten Überlegungen um einseitige Preisanpassungen in laufenden Grundversorgungsverhältnissen ohne wirksam eingeräumtes  Preisänderungsrecht blendet wohl zunächst die Situation derjenigen Haushaltskunden aus, die sich in noch keinem Grundversorgungsverhältnis befinden, jedoch in Zukunft auf ein solches angewiesen sein können.

Das können zB. Haushaltskunden sein, die bisher noch in Sondervertragsverhältnissen beliefert wurden und denen der Lieferanten wegen ihrer Widersprüche gegen unzulässige einseitige Preisänderungen ordnungsgemäß gekündigt hat und die aus welchem Grund auch immer hiernach keinen Lieferanten finden, der sie noch in einem Sondervertragsverhältnis beliefern möchte.

Auch diesen Haushaltskunden muss eine Versorgung zu angemessenen Preisen gewährleistet werden.

Sollten sich Haushaltskunden, die zB. bereits seit Juni 2004 in einem Grundversorgungsverhältnis befinden, aus bekannten Gründen auf die Unwirksamkeit aller zwischenzeitlichen Preisänderungen berufen können und haben den Versorger aber  zwischenzeitlich nachweislich (auch staatlich veranlasste) derart erhöhte Kosten getroffen, dass ihm die Belieferung des entsprechenden Kunden zu den ungeänderten Preisen wirtschaftlich unzumutbar ist, so hat der betroffene Grundversorger doch wohl das Recht, solche Grundversorgungsverhältnisse durch ordentliche Kündigung zu beenden.
 
Schließlich findet selbst die gesetzliche Grundversorgungspflicht ihre Grenze an der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit.

Nach einer solchen Beendigung durch den Grundversorger wird es den betroffenen Haushaltskunden wohl freistehen,
durch den Weiterbezug von Energie über den Kündigungszeitpunkt hinaus erneut ein Grundversorgungsverhältnis einzugehen, § 2 Abs. 2 StromGVV/ GasGVV.

Dann haben aber wohl auch jene Haushaltskunden ein dringendes Interesse daran, zu angemessenen Preisen versorgt zu werden.

Schlussendlich dient die gesetzliche Preisbestimmungspflicht deshalb auch jenen Haushaltskunden, die bisher schon laufend in einem Grundversorgungsverhältnis beliefert werden  und die sich darauf berufen können, dass es für die einseitigen Preisanpassungen in laufenden Versorgungsverhältnissen seit 01.07.2004 an einer wirksamen Rechtsgrundlage fehlt.

Die gesetzliche Preisbestimmungspflicht gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG unterliegt unmittelbar der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB.
Somit findet auf die vom Grundversorger aufgrund seiner gesetzlichen Preisbestimmungspflicht festgesetzten Allgemeinen Preise auch § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unmittelbare Anwendung.
So ist m.E. die Gesetzeslage, für welche man der Rechtsprechung wohl erst die Augen öffnen muss, was ich mit dem Aufsatz in ZNER 2011, S. 130 ff. versucht habe.

Es würde mich freuen, wenn auch andere Kollegen nachdem sie ihren Blick etwas geweitet haben, mir darin zustimmen und dies zudem durch entsprechende Publikationen zum Ausdruck bringen können.       
 
 


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