Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Rechtslage bei undurchsichtiger Weitergabe hoheitlicher Abgaben/Umlagen

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Didakt:
@ khh

Mag sein, dass ich schwer von Begriff bin. Es geht mir um folgendes: Die Preisanpassungsklausel ist in Ordnung. Unterstellt, der VU hat bei seinem Einkauf Kosten gespart, er gibt die Ersparnis aber nicht an mich weiter. Seine Kalkulation kenne ich nicht. Und nun? Bitte klären Sie mich auf. Wo ist mein Denkfehler?

khh:
@ Didakt

Kein Denkfehler, sondern zwei unterschiedliche Sachverhalte. Vorstehend hatte RR-E-ft allein die Voraussetzungen angesprochen, welche eine wirksame Preisanpassungsklausel zu erfüllen hat.

Sollte eine Klausel tatsächlich wirksam sein, dann führt ein Preiswiderspruch zu dem von Ihnen angesprochenen Nachweisproblem, vergleichbar mit dem bei einer Billigkeitseinrede, wobei die Beweislast aber zunächst beim Versorger liegen dürfte.

Im Zusammenhang mit der 1:1-Weitergabe von Umlagen (EEG etc.), insbesondere bei Verträgen mit sogen. "eingeschränkter" Preisgarantie, wurden hier in verschiedenen Threads diesbzgl. AGBs eingestellt. Haben Sie auch nur eine gesehen, von deren Wirksamkeit auszugehen ist?

RR-E-ft:
Wenn eine Preisänderungsklausel innerhalb Allgemeiner Geschäftsbedingungen (theoretisch)
die Möglichkeit einer nachträglichen Erhöhung des Gewinnanteils nicht sicher ausschließt,
so ist sie unwirksam (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.06 Az. VIII ZR 25/06).

Darüber hinaus wurden vom OLG Düsseldorf weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen
für einseitige Preisänderungen  herausgearbeitet,
die sich aus den Binnenmarktrichtlinien ergeben sollen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.06.12 Az. VI- 2 U (Kart) 10/11).

Ist einem Versorger wirksam das Recht zur nachträglichen Preisänderung eingeräumt,
so unterliegt die aufgrund dieses Rechts vorgenommene einseitige Preiserhöhung der Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB (vgl. BGH, B. v. 29.06.11 Az. VIII ZR 211/10 Rn. 17).

Einer solchen Billigkeitskontrolle kann die Preiserhöhung nur dann standhalten,
wenn der Versorger dabei rückläufige Kosten nach mindestens gleichen Maßstäben Rechnung getragen hat (vgl. BGH, B. v. 18.05.11 Az. VIII ZR 71/10 Rn. 11).

Für die Umstände, die die Billigkeit der Preiserhöhung tragen sollen, trägt der Versorger die Darlegungs- und Beweislast bei einer solchen Billigkeitskontrolle.

Eine solche Billigkeitskontrolle setzt voraus, dass der betroffene Kunde innerhalb angemessener Frist die Unbilligkeitseinrede erhoben hat.

Didakt:

--- Zitat von: RR-E-ft am 10. Dezember 2012, 18:27:01 ---
...Für die Umstände, die die Billigkeit der Preiserhöhung tragen sollen, trägt der Versorger die Darlegungs- und Beweislast bei einer solchen Billigkeitskontrolle.

Eine solche Billigkeitskontrolle setzt voraus, dass der betroffene Kunde innerhalb angemessener Frist die Unbilligkeitseinrede erhoben hat.
--- Ende Zitat ---

Danke für die wiederholte Interpretation.

Ich sehe ein, meine Einlassung, … aber doch schwierig sein, dem Versorger gesunkene Beschaffungskosten nachzuweisen, nicht korrekt formuliert zu haben. Mit „schwierig“ war gemeint, dass die Gegenwehr des Verbrauchers mittels Billigkeitseinrede/Widerspruch letztlich bis zur gerichtlichen Auseinandersetzung mit ungewissem Ausgang für den Verbraucher führen kann. Entscheidend für das besagte Vorgehen bleibt die eigene Kosten-/Nutzen-Überlegung.

RR-E-ft:
Erinnert sei nochmals an die Leitsätze des Urteils des OLG Düsseldorf vom 13.06.12 Az. VI-2 U (Kart) 10/11:


--- Zitat ---1. Wenn § 4 Abs. 2 AVBGasV, § 5 Abs. 2 GasGVV bei Grundtarifverträgen kein einseitiges Preisanpassungsrecht des Gasversorgers zu entnehmen sein sollte, ist ihm - im Rahmen der Grundversorgung - ein solches Recht jedenfalls im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zuzuerkennen (im Anschluss an OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.12.2011 - VI-3 U (Kart) 4/11).

2. Gleichviel, ob das Preisanpassungsrecht bei Grundversorgungsverträgen auf den

§§ 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV, 5 Abs. 2 GasGVV oder auf einer ergänzenden Vertragsauslegung beruht, sind die Mitgliedstaaten sowie deren Behörden und Gerichte verpflichtet, bei Preisanpassungen, insbesondere -erhöhungen, die volle Wirksamkeit des durch die Erdgasbinnenmarktrichtlinie 2003/55/EG (Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Anhang A) intendierten hohen Verbraucherschutzes sowie der Transparenz zu gewährleisten.

3. Da die Richtlinie 2003/55/EG (genauso wie die Nachfolgerichtlinie 2009/73/EG) nur unvollkommen in nationales Recht übertragen worden ist, sind deren Bestimmungen (hier Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Anhang A) kraft richtlinienkonformer Auslegung in das nationale Recht, d.h. in die genannten Bestimmungen der AVBGasV und der GasGVV sowie in eine ergänzende Vertragsauslegung, hineinzulesen.

4. Danach ist bei Preiserhöhungen neben den sachlichen Anforderungen, die der BGH dafür entwickelt hat, geboten, dass

- Verbrauchern bei Preiserhöhungen ein Rücktrittsrecht (Kündigungsrecht) gewährt wird,

- Verbraucher über eine beabsichtigte Preiserhöhung rechtzeitig vorher unterrichtet werden,

- dabei vom Versorger zugleich über das Rücktrittsrecht (Kündigungsrecht) informiert wird und

- Verbrauchern jede Preiserhöhung mit angemessener Frist (d.h. rechtzeitig) auch direkt (unmittelbar) mitgeteilt wird.

5. Wird auch nur eine Anforderung nicht erfüllt, sind Preiserhöhungen rechtlich nicht durchsetzbar und kann Zahlung nicht verlangt werden.
--- Ende Zitat ---

Nach der Rechtsprechung des BGH erfordert eine wirksame Preisänderungsklausel
unter vielem anderen sowohl ein Sonderkündigungsrecht als auch
die Möglichkeit der Billigkeitskontrolle der Preisänderung (vgl. BGH, Urt. v. 15.07.09 VIII ZR 56/08 und BGH, Urt. v. 14.07.10 VIII ZR 246/08) 

Wenn danach ein wirksam eingeräumtes einseitiges Preisänderungsrecht überhaupt vorliegt
und darüber hinaus auch noch überhaupt wirksam ausgeübt wurde,
so kämne es dann - nach Unbilligkeitseinrede- auf eine Billigkeitskontrolle an.

Dass deren Ausgang offen ist, liegt in der Natur der Sache.

Die Umstände, dass
- die Großhandelspreise für Elektrizität in Deutschland und somit am Markt erreichbare Beschaffungskosten gesunken sind
-  und zudem Versorger wie Stadtwerke solche Beschaffungskostensenkungen auch realisieren konnten,
lassen sich immerhin wohl unter anderem auch mit entsprechenden Presseveröffentlichungen
wie etwa denen der Stadtwerke Jena hinreichend belegen.

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