Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Rechtslage bei undurchsichtiger Weitergabe hoheitlicher Abgaben/Umlagen
Amazone:
Der Fall:
Ein Verbraucher schließt in 10/2013 mit einem Stromversorger einen Neuvertrag mit eingeschränkter Preisgarantie ab, gemäß der vor Ablauf von 12 Monaten Preiserhöhungen nur vorgenommen werden dürfen insoweit sie auf Erhöhungen hoheitlich festgesetzter Abgaben und Umlagen (Steuern, EEG, KWK etc.) beruhen.
In den AGB ist weiter vermerkt: "Die jeweils gültigen Preise enthalten u.a. ..... gesetzliche Steuern und Abgabe, insbesonder Konzessionsabgaben und Stromsteuer, sowie Umlagen aus dem Kraft-Wärme-Koppelungsgesetz (KWKG) und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in ihrer jeweils geltenden Fassung." Aufgrund dieser Formulierung und mangels irgendeines gegenteiligen Hinweises geht der Verbraucher bei Vertragsabschluss davon aus, dass im vereinbarten Preis alle bisher erfolgten Erhebungen und Anhebungen hoheitlicher Abgaben und Umlagen enthalten sind.
Drei Wochen nach Vertragsabschluss kündiigt der Versorger eine Preiserhöhung wie folgt an: "Ab 2013 reichen wir die Umlagenerhöhungen und Aufwendungen zur Abgeltung der neuen Umlagen an unsere Kunden weiter. Das eingesetzte Kostenausgleichsverfahren führt zu einer Anhebung der Arbeitspreise in Höhe der summierten Umlagen- und Abgabenerhöhung von 5,982 Ct netto je kWh per 01. Januar 2013."
Der Verbraucher staunt nicht schlecht: Zum 01.01. 2013 sollen gegenüber 2012 die hoheitlichen Umlagen und Abgabe in der Summe um 5,982 Ct netto gestiegen sein? Die Nachprüfung ergibt:
- Die EEG-Umlage steigt per 2013 von 3,592 Ct/kWh auf 5,277 Ct/kWh netto, was einer Netto-Erhöhung von 1,685 Ct/kWh entspricht.
- Die Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV steigt netto von 0,151 Ct/kWh auf 0,329 Ct/kWh, mithin um 0,178 Ct/kWh.
- Die Offshore-Umlage wird neu mit 0,25 Ct/kWh erhoben.
- Und bei der KWK-Abgabe findet eine Steigerung von 0,002 Ct/kWh auf 0,126 kWh, also um 0,124 Ct/kWh statt.
In der Summe ergibt sich daraus für 2013 gegenüber 2012 ein Nettoanstieg der hoheitlichen Abgaben und Umlagen von 2,24 Ct/kWh. Wie kommt da der Versorger dazu, eine angebliche Erhöhung von 5,982 Ct/kWh einzufordern?
Sollte der Versorger hier etwa versuchen, seine Kunden „über den Tisch zu ziehen“? Oder sollte er die entsprechenden hoheitlichen Preisbestandteile bisher überhaupt nicht berechnet haben und dies nun auf einen Schlag nachholen wollen? Aber wieso hat er dann die bisherige Nichtweitergabe bei Vertragsabschluss verheimlicht und zudem mit o.g. AGB-Formulierungen dafür gesorgt, dass der Vertrag vom Verbraucher unter der Annahme abgeschlossen wurde, dass sämtliche bisherigen hoheitlichen Abgaben und Umlagen schon im Preis enthalten waren, sodass nur noch mit der Weitergabe zukünftiger Erhöhungen zu rechnen sein würde? Der Verbraucher fühlt sich getäuscht und irregeführt und ist nicht bereit, mehr als die effektive zukünftige Umlagen- und Abgabenerhöhung i.H.v. 2,24 Ct/kWh zu bezahlen.
Wie ist die Rechtslage?
bolli:
--- Zitat von: Amazone am 15. November 2012, 22:37:10 ---Drei Wochen nach Vertragsabschluss kündiigt der Versorger eine Preiserhöhung wie folgt an: "Ab 2013 reichen wir die Umlagenerhöhungen und Aufwendungen zur Abgeltung der neuen Umlagen an unsere Kunden weiter. Das eingesetzte Kostenausgleichsverfahren führt zu einer Anhebung der Arbeitspreise in Höhe der summierten Umlagen- und Abgabenerhöhung von 5,982 Ct netto je kWh per 01. Januar 2013."
--- Ende Zitat ---
Da diese Aussage im krassen Widerspruch zu Ihren eigenen Berechnungen steht, würde ich Widerspruch gegen die Erhöhung einlegen insoweit sie die 2,24 ct/kWh übersteigt und den versorger auffordern, seine Berechnung zu seiner Summe zu erläutern. Tut er dieses nicht bis Anfang 2013, würde ich nur einen um 2,24 ct/kWh erhöhten Preis zahlen (und dieses dem Versorger mitteilen).
Aber das ist ja derzeit bei allen Versorgern das Spielchen. Übrigens dürfte eine nachträgliche Einbeziehung bereits bestehender gesetzlicher Abgaben über diesen Weg nicht zulässig sein.
[/quote]
RR-E-ft:
Es ist fraglich, ob in den Vertrag überhaupt eine wirksame Preisänderungsklausel einbezogen wurde, auf welche zum 01.01.13 eine Preiserhöhung gestützt werden kann.
Eine Preisanpassunsgklausel darf bei Meidung ihrer Unwirksamkeit nicht die Möglichkeit belassen, den Gewinnanteil am Preis nach Vertragsabschluss zu erhöhen.
Eine solche Möglichkeit zur Erhöhung des Gewinnanteils besteht jedoch, wenn bei einer Preisänderung nicht die Entwicklung aller preisbildenden Kostenfaktoren berücksichtigt werden muss, zB. auch gesunkene Beschaffungskosten.
Die theoretische Möglichkeit einer nachträglichen Erhöhung des Gewinnanteils genügt für die Unwirksamkeit der Klausel. Ist in dem Vertrag keine wirksame Preisänderungsklausel enthalten, so bleibt der Lieferant an den bei Vertragsabschluss vertraglich vereinbarten Preis weiter gebunden. Eines Widerspruches bedarf es dabei zunächst nicht (vgl. BGH Urt. v. 14.03.12 VIII ZR 93/11 und VIII ZR 113/11).
Es ist wohl nicht davon auszugehen, dass die Kosten der Belieferung nach Vertragsabschluss bis zum 01.01.13 um den entsprechenden Betrag ansteigen, so dass die Erhöhung ferner selbst dann, wenn ein Recht zur einseitigen Preisneubestimmung wirksam eingeräumt sein sollte, jedenfalls auch als unbillig gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB erscheint. Für den Fall, dass ein Recht zur einseitigen Preisneubestimmung -entgegen der o. g. Darstellung - wirksam eingeräumt wurde, muss die Unbilligkeit innerhalb angemessener Frist gerügt/ eingewandt werden.
Es gibt einige Lieferanten, die bisher aufgrund des sog. Grünstromprivilegs vollständig von der EEG- Umlage befreit waren und die ab 01.01.13 aufgrund dieses Privilegs nur noch in Höhe von 2,00 Ct/kWh davon befreit sind. Das sind solche Lieferanten, die Strom aus erneuerbaren Energien an Letztverbraucher liefern. Für solche grünstromprivilegierten Lieferanten steigt die Belastung aus der EEG- Umlage zum 01.01.13 deshalb stärker an.
Didakt:
--- Zitat ---Sollte der Versorger hier etwa versuchen, seine Kunden „über den Tisch zu ziehen“? Oder sollte er die entsprechenden hoheitlichen Preisbestandteile bisher überhaupt nicht berechnet haben und dies nun auf einen Schlag nachholen wollen? Aber wieso hat er dann die bisherige Nichtweitergabe bei Vertragsabschluss verheimlicht und zudem mit o.g. AGB-Formulierungen dafür gesorgt, dass der Vertrag vom Verbraucher unter der Annahme abgeschlossen wurde, dass sämtliche bisherigen hoheitlichen Abgaben und Umlagen schon im Preis enthalten waren, sodass nur noch mit der Weitergabe zukünftiger Erhöhungen zu rechnen sein würde? Der Verbraucher fühlt sich getäuscht und irregeführt und ist nicht bereit, mehr als die effektive zukünftige Umlagen- und Abgabenerhöhung i.H.v. 2,24 Ct/kWh zu bezahlen
--- Ende Zitat ---
Der Versorger hat unredlich gehandelt und Sie höchstwahrscheinlich mit einem Lockangebot ködern und in der Tat über den Tisch ziehen wollen, was ihm augenscheinlich auch gelungen ist. Wie hoch ist denn der ursprünglich zugrundegelegte - sicherlich sehr günstige - Arbeitspreis/Grundpreis?
Nach gängiger Praxis gilt allgemein folgendes:
„Wird die Belieferung oder die Verteilung von elektrischer Energie nach Vertragsschluss mit zusätzlichen Steuern oder Abgaben belegt, kann der Versorger hieraus entstehende Mehrkosten an den Verbraucher weiterberechnen. Dies gilt nicht, soweit die Mehrkosten nach Höhe und Zeitpunkt ihres Entstehens bereits bei Vertragsschluss konkret vorhersehbar waren oder die jeweilige gesetzliche Regelung der Weiterberechnung entgegensteht.“
Dem Versorger ist Täuschung vorzuwerfen. Sie haben verschiedene Möglichkeiten, gegen die (in betrügerischer Absicht) vorgenommene Preismaßnahme vorzugehen. Ich unterstelle, dass Ihnen die Wege bekannt sind.
RR-E-ft:
@Didakt
Woher stammt das folgende Zitat?
„Wird die Belieferung oder die Verteilung von elektrischer Energie nach Vertragsschluss mit zusätzlichen Steuern oder Abgaben belegt, kann der Versorger hieraus entstehende Mehrkosten an den Verbraucher weiterberechnen. Dies gilt nicht, soweit die Mehrkosten nach Höhe und Zeitpunkt ihres Entstehens bereits bei Vertragsschluss konkret vorhersehbar waren oder die jeweilige gesetzliche Regelung der Weiterberechnung entgegensteht."
Ich halte das aus o. g. Gründen für sehr fragwürdig, da es wohl die Rechtsprechung zur Wirksamkeit von AGB- Preisänderungsklauseln unberücksichtigt lässt.
Schließlich muss auch bei einseitigen Preisänderungen iSv. § 315 Abs. 1 BGB die Entwicklung aller Kostenbestandteile berücksichtigt werden (vgl. etwa BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18 ; BGH VIII ZR 71/10 Rn.11).
Die Weiteberechnung gestiegener Umlagen ist deshalb unzulässig, wenn und soweit sie durch rückläufige Kosten bei anderen preisbildenden Kostenfaktoren ausgeglichen werden (vgl. BGH VIII ZR 138/07 Rn. 39).
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