Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Widerspruchsfrist von drei Jahren bei Preiserhöhungen in Sonderverträgen
Black:
--- Zitat ---Original von jofri46
Rechtsgrundlagen dafür lassen sich mit entsprechender Interpretation allemal finden (z. B. 241 Abs. 1 BGB). Ein Richter sprach trotz unwirksamer Preisanpassungsklausel nach jahrelanger einvernehmlicher Vertragsdurchführung die erhöhten Entgelte zu, bezog sich dabei u. a. auf § 141 Abs. 2 BGB und formulierte diese Bestimmung in den Urteilsgründen so um:
\"Wird eine nichtige Preisanpassungsklausel von den Parteien bestätigt (durch jahrelange Hinnahme und Zahlung von Preiserhöhungen), so sind diese im Zweifel verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn die Preisanpassungsklausel von Anfang an gültig gewesen wäre.\"
--- Ende Zitat ---
Genau dieser \"Bestätigung durch jahrelange Hinnahme\" hat der BGH noch in seiner letzten Entscheidung ausdrücklich eine Absage erteilt, da die schweigende Hinnahme keinerlei Erklärungswert besitzt.
In der HIER besprochenen Entscheidung möchte der BGH den Parteien plötzlich unterstellen, dass sie \"redlicherweise\" eine vertragliche Regelung getroffen HÄTTEN, wonach Schweigen zum plötzlichen Wegfall des zuvor schon wirksam entstandenen Anspruches führen soll.
RR-E-ft:
--- Zitat ---Original von Black
Genau dieser \"Bestätigung durch jahrelange Hinnahme\" hat der BGH noch in seiner letzten Entscheidung ausdrücklich eine Absage erteilt, da die schweigende Hinnahme keinerlei Erklärungswert besitzt.
--- Ende Zitat ---
Siehe schon BGH, Urt. v. 20.07.05 Az. VIII ZR 199/04
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 22.02.12 Az. VIII ZR 34/11 Leitsatz
Erhöht ein Versorgungsunternehmen einseitig den Gaspreis aufgrund einer Preisanpassungsklausel, die nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden ist, kann die vorbehaltlose Zahlung des erhöhten Preises durch den Kunden nach Übersendung einer auf der Preiserhöhung basierenden Jahresabrechnung nicht als stillschweigende Zustimmung zu dem erhöhten Preis angesehen werden (Bestätigung des Senatsurteils vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180).
--- Ende Zitat ---
--- Zitat ---Original von Black
In der HIER besprochenen Entscheidung möchte der BGH den Parteien plötzlich unterstellen, dass sie \"redlicherweise\" eine vertragliche Regelung getroffen HÄTTEN, wonach Schweigen zum plötzlichen Wegfall des zuvor schon wirksam entstandenen Anspruches führen soll.
--- Ende Zitat ---
Es führt nicht nur zu einem nachträglichen Wegfall des bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruches des betroffenen Kunden, sondern (im selben tragischen Augenblick drei Jahre nach Rechnungszugang) auch zu einer Neubegründung eines bis dahin jedenfalls nicht bestehenden vertraglichen Zahlungsanspruches des Versorgers, wiegt für den betroffenen Kunden mithin wohl finanziell mindestens doppelt schwer.
Warum die Parteien dies bei Kenntnis einer Vertragslücke redlicherweise vereinbart hätten, wurde bisher noch nicht geoffenbart.
RR-E-ft:
Im Kern ging es darum, dass der Vertrag keine wirksame Preisanpassungsklausel enthält.
Deshalb mag der Vertrag eine Vertragslücke aufweisen oder auch nicht (vgl. nur BGH , Urt. v. 28.10.09 Az. VIII ZR 320/07, juris Rn. 46).
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 01.02.84 Az. VIII ZR 54/83
Die Lücke in einem Vertrag, der durch die Unwirksamkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsteht, kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden, wenn konkrete gesetzliche Regelungen zur Ausfüllung der Lücke nicht zur Verfügung stehen und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel nicht zu einer angemessenen, den typischen Interessen des Klausel Verwenders und des Kunden Rechnung tragenden Lösung führt.
--- Ende Zitat ---
Man könnte meinen, dass es um die Schließung dieser Lücke im Regelungsplan nicht ging.
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 18.07.07 Az. VIII ZR 227/06
Grundsätzlich sind auch Allgemeine Geschäftsbedingungen in Fällen, in denen eine Lücke in vorformulierten Verträgen nicht auf AGB-rechtlichen Einbeziehungs- oder Inhaltskontrollschranken beruht, einer ergänzenden Auslegung zugänglich (BGHZ 92, 363, 370; 103, 228, 234; 117, 92, 98; 119, 305, 325; Senatsurteil vom 22. Dezember 2003 VIII ZR 90/02, WM 2004, 748 = NJW-RR 2004, 262, unter II 2 a, m.w.N.). Dabei ist ein objektiv-generalisierender Maßstab zugrunde zu legen, der sich am Willen und Interesse der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise auszurichten hat (BGHZ 119, 305, 325; Senatsurteil vom 22. Dezember 2003, aaO). Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung ist, wie das Berufungsgericht ebenfalls richtig gesehen hat, dass der Vertrag unter Zugrundelegung des Regelungskonzeptes der Parteien eine Lücke aufweist, die geschlossen werden muss, um den Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen (BGH, Urteil vom 1. Juni 2005 VIII ZR 234/04, WM 2005, 1863 = NJW-RR 2005, 1421, unter II 2 b; Urteil vom 13. Mai 1993 IX ZR 166/92, NJW 1993, 2935, unter III 2 b). Schon daran fehlt es hier.
--- Ende Zitat ---
Dass die Regelung, die vom Senat genannt wurde, jedenfalls nicht an die Stelle einer unwirksamen Preisänderungsklausel treten kann, um den Regelungsplan zu verwirklichen, der mit einer Preisänderungsklausel verfolgt wird, sollte ohne Weiteres erkennbar sein.
Vernünftigerweise hätte sich der Versorger anstelle einer unwirksamen Preisänderungsklausel wohl nicht auf eine Regelung eingelassen, wonach alle einseitigen Preisänderungen jedenfalls unwirksam sind, wenn nur innerhalb von drei Jahren ab Rechnungszugang Widerspruch eingelegt wird; anders gewendet: einseitige Preisänderungen allenfalls erst rückwirkend wirksam werden können, wenn nicht innerhalb von drei Jahren ab Rechnungszugang Widerspruch vom Kunden erhoben wird, mithin auf die Dauer von drei Jahren aufschiebend bedingt sind.
Der betroffene Kunde hätte demnach jeweils für die Dauer von drei Jahren einen auflösend bedingten Rückforderungsanspruch.
Eine These:
Es handelt sich bei der ergänzenden Vertragsauslegung um den Versuch, diejenige Lücke im Vertrag zu schließen, die überhaupt erst dadurch entsteht, dass sich eine andere Lücke im Vertrag, welche ihrerseits infolge einer fehlenden oder unwirksamen Preisänderungsklausel entsteht, nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung schließen lässt.
Es geht nicht um Preisanpassungen, die Gegenstand eines Regelungsplanes der Parteien waren, sondern vielmehr um die Geltendmachung der Unwirksamkeit von Preiserhöhungen, welche selbst schon nicht Gegenstand des Regelungsplanes der Parteien war.
Dieser These steht jedoch der Wortlaut der Entscheidung entgegen.
--- Zitat ---BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11, juris Rn. 24 ff:
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Berechnung des Zahlungsanspruchs der Klägerin jedoch nicht der bei Vertragsschluss geschuldete Anfangspreis zugrunde zu legen. Dies ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Versorgungsvertrages, deren Voraussetzungen das Berufungsgericht zu Unrecht verneint hat und die dazu führt, dass sich der Beklagte nicht darauf berufen kann, nur zur Zahlung des ursprünglich vereinbarten Anfangspreises verpflichtet zu sein.
Beide Parteien waren sich bei Vertragsschluss einig, dass der vereinbarte (Anfangs-)Preis nur zu Beginn des Versorgungsverhältnisses gelten und bei späteren Änderungen der Preise auf dem Wärmemarkt ein anderer Preis geschuldet sein sollte. Da die von ihnen vereinbarte Preisänderungsklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) nicht standhält, ist im Regelungsplan der Parteien eine Lücke eingetreten (Senatsurteil vom heutigen Tage - VIII ZR 113/11 unter II 3 mwN, zur Veröffentlichung bestimmt).
Diese Lücke im Vertrag ist im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise zu schließen, dass der Beklagte die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
--- Ende Zitat ---
Mit anderen Worten:
Diese Lücke im Vertrag ist im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise zu schließen, dass die Klägerin die Wirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, immer erst geltend machen kann, wenn der Beklagte sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hatte?!!!
Aus genannten Gründen kann diese Regelung wohl weder den Interessen des Versorgers noch den Interessen des Kunden entsprechen, so dass nichts dafür ersichtlich ist, dass sich die Parteien redlicherweise gerade auf diese Regelung eingelassen hätten und diese vereinbart hätten, um einen bestimmten Regelungsplan zu verwirklichen.
Möglicherweise ist es so, dass der Senat keinen Plan von den Interessen der Parteien bei Abschluss eines unbefristeten Energielieferungsvertrages hat.
jofri46:
Es geht ja bei den in Rede stehenden BGH-Entscheidungen nicht nur um die bloße Hinnahme, sondern um eine langjährige einvernehmliche Vertragsdurchführung zwischen Versorger und Verbraucher.
BGH VIII ZR 199/04 (Wohnraummiete) passt hier m.E. nicht, weil die einmal kalkulierte Wohnungsmiete in der Regel keine kostenabhängige Bestandteile mehr enthält, anders als der laufende Energiebezug also nicht so sehr von der laufenden Kostenentwicklung betroffen ist. Üblicherweise fließen bei der Wohnraummiete die von der laufenden Kostenentwicklung abhängigen Bestandteile (und das dürften nicht unwesentlich die Energiekosten sein) in die Nebenkostenabrechnung ein.
Passender erscheint mir hier die grundsätzliche BGH-Entscheidung aus 1989 (NJW 1990, 115, 116 ff.) zu sein, in der der BGH m. W. erstmals zu einer unwirksamen Preisanpassungsklausel auf die ergänzende Vertragsauslegung zurückgegriffen hat, eben weil der BGH dort bei der langjährigen Anmietung einer Telefonanlage auch die von der laufenden Kostenentwicklung abhängigen Bestandteile der Miete gesehen hat (Wartungskosten etc.).
Es spricht aus meiner Sichts nichts dagegen, die damals vom BGH entwickelten Grundsätze zur ergänzenden Vertragsauslegung auch für eine bereits zurückliegende langjährige Vertragsdurchführung bei einem Energieliefervertrag mit unwirksamer Preisanpassungsklausel heranzuziehen. Die Preisbestandteile eines Energieliefervertrages sind im Vergleich zur Wohnraummiete ungleich stärker von der laufenden Kostenentwicklung betroffen.
Insofern sehe ich im Falle eines langjährig einvernehmlich durchgeführten Energieliefervertrages auch keinen grundsätzlichen Widerspruch zu den BGH-Entscheidungen VIII ZR 54/83 und VIII ZR 227/06. Im Gegenteil (vgl. dazu BGH, NJW1990, 115 ff.).
RR-E-ft:
Dem Senat ging es laut Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11 nicht darum, eine wirksame Preisänderungsklausel in den Vertrag zu implementieren, da dies dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zuwider gelaufen wäre.
Der bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch wird dem Grunde nach bestätigt, jedoch der Höhe nach beschränkt.
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