Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Widerspruchsfrist von drei Jahren bei Preiserhöhungen in Sonderverträgen

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Black:
Interessante Frage auch:

Der Versorger klagt auf Zahlung einer Preisanpassung, obwohl die Preisanpassungsklausel nichtig ist. Die zugehörige Rechnung stammt vom Oktober 2008. Der Kunde hat nicht widersprochen. Klage wurde im Dezember 2011 erhoben.

Wann ist der Anspruch gegen den Kunden entstanden?

RR-E-ft:

--- Zitat ---Original von Black
Interessante Frage auch:

Der Versorger klagt auf Zahlung einer Preisanpassung, obwohl die Preisanpassungsklausel nichtig ist. Die zugehörige Rechnung stammt vom Oktober 2008. Der Kunde hat nicht widersprochen. Klage wurde im Dezember 2011 erhoben.

Wann ist der Anspruch gegen den Kunden entstanden?
--- Ende Zitat ---


Zunächst müsste in den Sondervertrag überhaupt wirksam eine Preisänderungsklausel einbezogen sein, die sich bei einer Inhaltskontrolle als unwirksam erweist.
Sonst greift die Argumentation schon nicht durch (vgl. BGH VIII ZR 113/11 Rn. 20).

Die Entscheidung VIII ZR 113/11 Rn. 20 scheint - irgendwie -  im Widerspruch zur Entscheidung vom 28.10.09 Az. VIII ZR 320/07 Rn. 46 zu stehen.


--- Zitat ---BGH, Urt. v. 14.03.12 VIII ZR 113/11 Rn. 20

Beide Parteien waren sich bei Vertragsschluss einig, dass der vereinbarte (Anfangs-)Preis nur zu Beginn des Versorgungsverhältnisses gelten und bei späteren Änderungen der allgemeinen Tarife ein anderer Preis geschuldet sein sollte. Denn die Aufnahme eines Preisänderungsrechts zeigt den Willen der Parteien, dass der Kunde - und nicht das Versorgungsunternehmen - Preisänderungen tragen soll, die etwa auf Veränderungen der Brennstoffbezugskosten oder der Lohn- und Materialkosten zurückgehen. Aus der Aufnahme einer Preisänderungsklausel bei Vertragsschluss wird deutlich, dass sich die Parteien von dem lebensnahen Bewusstsein haben leiten lassen, dass Preisänderungen im Laufe des auf unbestimmte Zeit angelegten Bezugsverhältnisses zu erwarten sind und deshalb der Gefahr einer zukünftigen Äquivalenzstörung in angemessener Weise zu begegnen ist. Da die von den Parteien vereinbarte Preisänderungsklausel der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB) nicht standhält, ist daher im Regelungsplan der Parteien eine Lücke eingetreten (vgl. Senatsurteile vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 74, und VIII ZR 106/83, juris Rn. 27).
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---BGH, Urt. v. 28.10.09 Az. VIII ZR 320/07 juris Rn. 46:

Diese Rechtsprechung lässt sich aber auf die vorliegende Fallgestaltung schon deshalb nicht übertragen, weil die Parteien im Streitfall keinen von vornherein variablen Preis vereinbart haben. Bei dieser Preisänderungsklausel geht es vielmehr um die in vollem Umfang der AGB-Inhaltskontrolle unterliegende Befugnis der Beklagten zur nachträglichen Änderung eines ursprünglich vereinbarten (festen) Preises (dazu vorstehend unter II 2 a), so dass es bereits an einer in bestimmte Richtung weisenden Grundsatzentscheidung der Parteien zur interessengerechten Schließung der Vertragslücke fehlt.
--- Ende Zitat ---

Davon, dass ein Zahlungsanspruch des Versorgers entsteht, ist der Entscheidung nichts zu entnehmen, sondern nur davon, dass der betroffene Kunde die Unwirksamkeit einseitiger Preisänderungen nicht mehr geltend machen können soll, wenn er die Preiserhöhungen an den Versorger zahlte, ohne die Preisänderung innerhalb von drei Jahren nach Rechnungszugang zu beanstanden.


--- Zitat ---BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 113/11 Rn. 23

Offen gelassen hat der Senat die - im Streitfall entscheidungserhebliche -Frage, ob eine nicht mehr hinnehmbare Störung des Vertragsgefüges dann anzunehmen ist, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis
handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht (Senatsurteil vom 14. Juli 2010 VIII ZR 246/08, aaO Rn. 52). Das ist zu bejahen. In diesen Fällen vermag die vertraglich vorgesehene, nur in die Zukunft wirkende Kündigungsmöglichkeit des Energieversorgungsunternehmens die Regelungslücke im Vertrag nicht in einer für beide Seiten zumutbaren Weise zu schließen. Denn bevor der Kunde Widerspruch erhob oder Zahlungen nur noch unter Vorbehalt leistete, hatte das Energieversorgungsunternehmen keinen Anass, das bis dahin praktizierte Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung in Frage gestellt zu sehen und dementsprechend das Versorgungsverhältnis zu kündigen.
--- Ende Zitat ---

Dabei ist die Frage zu stellen, ob eine Nichtzahlung nicht stärker wirken muss als eine Zahlung unter Vorbehalt, mit anderen Worten, ob der Versorger, der schon bei einer Zahlung unter Vorbehalt Veranlassung zur Kündigung haben soll, bei einer jahrelangen Nichtzahlung des Erhöhungsbetrages erst recht dazu Veranlassung haben musste. Denn dann wurde schon kein neues Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung praktiziert.

Black:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Davon, dass ein Zahlungsanspruch des Versorgers entsteht, ist der Entscheidung nichts zu entnehmen, sondern nur davon, dass der betroffene Kunde die Unwirksamkeit einseitiger Preisänderungen nicht mehr geltend machen können soll, wenn er die Preiserhöhungen an den Versorger zahlte, ohne die Preisänderung innerhalb von drei Jahren nach Rechnungszugang zu beanstanden.
--- Ende Zitat ---

Meine Frage bezog sich auf die zweite Entscheidung des BGH, 14.03.2012, VIII ZR 93/11. Hier ging es um eine Zahlungsklage des Versorgers.


--- Zitat ---Der Klägerin stehe danach kein Anspruch auf Zahlung in der vom Amts-gericht erkannten Höhe zu. Denn zwischen den Parteien gelte der im Jahr 1998 vereinbarte Preis als Festpreis.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Zu Recht geht das Berufungsgericht zwar von der Unwirksamkeit der von der Klägerin verwendeten Preisanpassungsklausel aus. Das Berufungsgericht hat aber der Berechnung des Zahlungsanspruchs der Klägerin rechtsfehlerhaft den im Jahre 1998 vereinbarten Ausgangspreis von 4,8645 Pfennig je Kilowatt-stunde zugrunde gelegt.

(...)

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Berechnung des Zahlungsanspruchs der Klägerin jedoch nicht der bei Vertragsschluss ge-schuldete Anfangspreis zugrunde zu legen. Dies ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Versorgungsvertrages, deren Voraussetzungen das Berufungsgericht zu Unrecht verneint hat und die dazu führt, dass sich der Beklagte nicht darauf berufen kann, nur zur Zahlung des ursprünglich vereinbarten Anfangspreises verpflichtet zu sein.

Diese Lücke im Vertrag ist im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise zu schließen, dass der Beklagte die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
--- Ende Zitat ---

Das bedeutet doch wohl: Ein Anspruch des Versorgers auf Zahlung ist zunächst nicht entstanden, aber im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kann sich der Kunde nicht darauf berufen (das ein Anspruch nicht entstanden sei).

Wann entsteht also der Anspruch? Entsteht er überhaupt? Der BGH sagt ja nur, dass der Kunde nicht geltend machen kann, dass der Anspruch nicht existiere.

RR-E-ft:

--- Zitat ---Original von Black

Meine Frage bezog sich auf die zweite Entscheidung des BGH, 14.03.2012, VIII ZR 93/11. Hier ging es um eine Zahlungsklage des Versorgers.
--- Ende Zitat ---

Schon klar.

Die Begründung der Entscheidung BGH 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11 verweist jedoch auf die Begründung der Entscheidung BGH VIII ZR 113/11 vom selben Tage  hinsichtlich der maßgeblichen Interessenlage, für welche wiederum ein (auf höherem Niveau eingestelltes) praktiziertes Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung Bedeutung haben soll.



--- Zitat ---BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11, juris Rn. 30:

Unter Berücksichtigung dieser im Senatsurteil vom heutigen Tage (VIII ZR 113/11 aaO) näher dargestellten Interessenlage hätten sich die Parteien nach Ansicht des Senats zu einer Regelung des Inhalts bereitgefunden, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---Original von Black
Das bedeutet doch wohl: Ein Anspruch des Versorgers auf Zahlung ist zunächst nicht entstanden, aber im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kann sich der Kunde nicht darauf berufen (das ein Anspruch nicht entstanden sei). Wann entsteht also der Anspruch? Entsteht er überhaupt? Der BGH sagt ja nur, dass der Kunde nicht geltend machen kann, dass der Anspruch nicht existiere.
--- Ende Zitat ---

Darin liegt ja gerade eine gewisse Mystik.

Immerhin spricht der Senat in VIII ZR 93/11 von einem höheren Zahlungsanspruch, der zunächst jedenfalls mindestens für die Dauer von drei Jahren nicht bestand und auch nicht auf einer entsprechenden Einigung der Parteien beruhte.


--- Zitat ---BGH, Urt. v. 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11, juris Rn. 24

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Berechnung des Zahlungsanspruchs der Klägerin jedoch nicht der bei Vertragsschluss geschuldete Anfangspreis zugrunde zu legen. Dies ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) des Versorgungsvertrages, deren Voraussetzungen das Berufungsgericht zu Unrecht verneint hat und die dazu führt, dass sich der Beklagte nicht darauf berufen kann, nur zur Zahlung des ursprünglich vereinbarten Anfangspreises verpflichtet zu sein.
--- Ende Zitat ---

Der vertragliche Zahlungsanspruch des Versorgers ergibt sich gemeinhin nach § 433 Abs. 2 BGB. Demnach muss er wohl nachträglich entstehen, für den Versorger wohl unerwartet wie Manna vom Himmel fallen.

Der Fall, welcher der Entscheidung BGH VIII ZR 93/11 zu Grunde lag, ist jedoch ein anderer Sachverhalt, als er von Ihnen gebildet wurde, da dort jedenfalls ein (auf höherem Niveau eingestelltes) Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung von den Parteien jahrelang praktiziert wurde, indem der Kunde die nach Vertragsabschluss einseitig erhöhten Preise beanstandungslos bezahlt hatte.

jofri46:
Bei aller Diskussion im Detail, nur kurz noch einmal zum Sachverhalt:

Da macht ein Kunde nach Vertragsabschluss im Jahre 1981 in 2009 einen Rückforderungsanspruch auf der Basis des Anfangspreises von 1981 geltend! Dazwischen liegen 28 Jahre einvernehmlicher Vertragsdurchführung mit stetig gestiegenen Preisen und Kosten. Wie lebens- und wirklichkeitsfremd muss man da sein, um sich nicht mehr die Frage zu stellen, ob ein solchermaßen geltend gemachter Rückforderungsanspruch noch gerecht und angemessen sein kann?

Der BGH hat hier nach meinem Empfinden bei objektiver Betrachtung eine gerechte und angemessene Lösung gefunden. Das mag man in dem einen oder anderen Punkt rechtstechnisch kritisieren können, aber Rechtstechnik allein macht den Juristen nicht aus, sollte ihn zumindest nicht.

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