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Autor Thema: BGH, Urt. v. 14.03.12 VIII ZR 113/11 Beschränkung der Rückforderung Sondervertrag ohne Widerspruch  (Gelesen 28474 mal)

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Offline tangocharly

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Zitat
Bundesgerichtshof  Mitteilung der Pressestelle Nr. 183/2011 vom 16.11.2011  
   

Verhandlungstermin: 14. Dezember 2011  

VIII ZR 6/11   (Erledigt. Revision zurückgenommen)
AG Euskirchen - Urteil vom 09. März 2010 - 17 C 840/09  
LG Bonn - Urteil vom 08. Dezember 2010 - 5 S 89/10    

VIII ZR 15/11   (Erledigt. Revision zurückgenommen)
AG Euskirchen - Urteil vom 09. März 2010 - 17 C 1109/09    
LG Bonn- Urteil vom 08. Dezember 2010 - 5 S 116/10  

VIII ZR 18/11   (Erledigt. Revision zurückgenommen)
AG Euskirchen - Urteil vom 09. März 2010 - 17 C 983/09    
LG Bonn - Urteil vom 08. Dezember 2010 - 5 S 95/10  

VIII ZR 26/11   (Erledigt. Revision zurückgenommen)
AG Euskirchen - Urteil vom 23. April 2010 - 17 C 1007/09  
LG Bonn - Urteil vom 15. Dezember 2010 - 5 S 158/10  

VIII ZR 27/11   (Erledigt. Revision zurückgenommen)
AG Euskirchen - Urteil vom 30. März 2010 - 17 C 1088/09    
LG Bonn - Urteil vom 15. Dezember 2010 - 5 S 128/10    

VIII ZR 28/11   (Revision wird voraussichtlich zurückgenommen)
AG Euskirchen - Urteil vom 09. März 2010 - 17 C 851/09    
LG Bonn - Urteil vom 15. Dezember 2010  - 5 S 86/10  

VIII ZR 60/11   (Erledigt. Revision zurückgenommen)
AG Gummersbach - Urteil vom 05. Juli 2010 - 16 C 234/09  
LG Köln - Urteil  vom 05. Januar 2011 - 9 S 187/10  

VIII ZR 113/11  
AG Wipperfürth - Urteil vom 12. Januar 2010 – 1 C 251/09  
LG Köln - Urteil vom 16. März 2011 – 10 S 66/10  


In den zur Verhandlung anstehenden Verfahren verlangen die Kläger von der jeweiligen Beklagten, insgesamt handelt es sich um drei regionale Gasversorgungsunternehmen, aufgrund unwirksamer Gaspreisanpassungen die Rückerstattung geleisteter Zahlungen.    

Die Kläger bezogen jeweils aufgrund eines Sonderkundenvertrages Gas von den Beklagten. Die Verträge waren teilweise bereits in den 1980er Jahren geschlossen worden. Die Beklagten erhöhten in der Vergangenheit wiederholt die Arbeitspreise, mit welchen der Gasverbrauch abgerechnet wird, auf der Grundlage einer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unwirksamen Gaspreisanpassungsklausel (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 2008 – VIII ZR 274/06, Pressemitteilung 234/200, welches die Beklagte in den Verfahren VIII ZR 6/11, 15/11, 18/11, 26/11, 27/11 und 28/11 betrifft).

Die Kläger zahlten die geforderten erhöhten Entgelte.  
In dem Verfahren VIII ZR 60/11 begehren die Kläger, die den Preiserhöhungen nie widersprochen haben, ausgehend von dem Ende 2005 geltenden Arbeitspreis die Rückzahlung der aufgrund der Preiserhöhungen gezahlten Beträge für die Jahre 2006 bis 2009. Sie berufen sich dabei auf einen im November 2005 in der lokalen Presse erschienenen Artikel, in welchem der damalige Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit der Aussage zitiert wurde, dass Kunden, die keine Rechtsmittel eingelegt hätten, keinen Rechtsanspruch verlören und es keinen Unterschied zwischen Kunden, die Vorbehaltszahlungen mitgeteilt hätten, und denjenigen, die dies nicht getan hätten, geben werde.  

Auch im Verfahren VIII ZR 28/11 widersprach der Kläger den Preiserhöhungen nie und begehrt unter Zugrundelegung des Ende 2005 geltenden Arbeitspreises Rückzahlung für die Jahre 2006 bis 2009.    

Im Verfahren VIII ZR 15/11 widersprach der Kläger im Januar 2006 den Preiserhöhungen und stellte seine Zahlungen unter den Vorbehalt der Rückforderung. Er begehrt nun die Rückzahlung der in den Jahren 2006 bis 2009 gezahlten Erhöhungsbeträge, wobei er seiner Anspruchsberechnung den Ende 2004 geltenden Arbeitspreis zugrunde legt.    

In den Verfahren VIII ZR 6/11, 18/11, 26/11 und 27/11 widersprachen die Kläger den Preisanpassungen zu verschiedenen Zeitpunkten und stellten fortan ihre Zahlungen unter den Vorbehalt der Rückforderung. Ihren für unterschiedliche Zeiträume geltend gemachten Rückforderungsansprüchen legen sie dabei die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Arbeitspreise zugrunde.  
 
Im Verfahren VIII ZR 113/11 widersprach der Kläger den Preiserhöhungen nie, er wechselte im Oktober 2008 zu einem anderen Gasanbieter. Erstmals im Februar 2009 wandte er sich gegen die Preiserhöhungen und begehrte die Rückzahlung der Erhöhungsbeträge auf der Basis des bei Vertragsschluss im Jahre 1981 geltenden Arbeitspreises.  

Die Klagen haben in der Berufungsinstanz überwiegend Erfolg gehabt.

Die Berufungsgerichte haben zur Begründung ihrer Entscheidungen, soweit für die Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt: Den Klägern stehe der geltend gemachte Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB*) zu, denn die Zahlungen auf die Erhöhungen des Arbeitspreises seien mangels Preisanpassungsrechts der Beklagten ohne Rechtsgrund erfolgt. Weder sei es durch die widerspruchslose Hinnahme der Preiserhöhungen und der darauf basierenden Jahresabrechnungen zu einer konkludenten Vereinbarung eines neuen Preises gekommen noch ergebe sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ein Preisanpassungsrecht der jeweiligen Beklagten. Die Beklagten könnten sich auch nicht auf eine Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB** berufen. Der Rückzahlungsanspruch sei zudem nicht verwirkt.    

Mit den von den Berufungsgerichten zugelassenen Revisionen verfolgen die Beklagten ihre Klageabweisungsanträge weiter.    

* § 812 BGB: Herausgabeanspruch   (1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. …   ** § 818 BGB: Umfang des Bereicherungsanspruchs   …   (3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.   …  



Verhandlungstermin: 14. Dezember 2011  

VIII ZR 93/11  
AG Hamburg-Bergedorf - Urteil vom 25. Mai 2010 – 410A C 205/09  
LG Hamburg - Urteil vom 18. Februar 2011 - 320 S 129/10  


In diesem Verfahren verlangt die Klägerin, ein Gasversorgungsunternehmen, von dem Beklagten, einem ehemaligen Sonderkunden, die Zahlung restlichen Entgelts für Gaslieferungen im Zeitraum vom 20. Januar 2004 bis zum 1. Februar 2008.

Die Klägerin erhöhte mehrfach den Arbeitspreis. Der Beklagte erbrachte bis Mitte 2005 die geforderten Abschlagszahlungen und wandte sich auch nicht gegen die Jahresabrechnungen. Im Juli 2005 erhob er erstmalig schriftlich Widerspruch und berief sich auf die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen. Danach behielt er erhebliche Rechnungsbeträge ein. Die Klage hatte in der Berufungsinstanz keinen Erfolg.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung unter anderem ausgeführt: Der Klägerin stehe für den streitgegenständlichen Zeitraum kein weiterer Zahlungsanspruch für das gelieferte Gas aus § 433 Abs. 2 BGB* zu. Denn die von der Klägerin vorgenommenen Preiserhöhungen seien nicht wirksam gewesen, da die im Jahre 1998 bei Vertragsschluss vereinbarte Preisanpassungsklausel unwirksam sei.

Zwischen den Parteien gelte somit der im Jahr 1998 vereinbarte Preis als Festpreis. Der von dem Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum gezahlte Betrag liege oberhalb dieses Preises, so dass die Klägerin keine weitere Zahlung verlangen könne.  

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.      

 * § 433 BGB: Vertragstypische Pflichten beim Kaufvertrag   ...   (2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline tangocharly

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Danke für die Info.
Wir sehen wieder gespannt auf Ihren Bericht - in gewohnter Manier  ;)

Zitat
Hallo tangocharly,  heute erfuhr ich von der Pressestelle des BGH folgendes zum 14.12.11:  Die folgenden Aktenzeichen werden verhandelt: VIII ZR 93/11 und VIII ZR 113/11. Es steht noch die VIII ZR 28/11 auf dem Terminzettel, wobei diese Sache wohl vor dem Termin noch zurückgenommen wird. Die restlichen Verfahren haben sich durch Rücknahme erledigt.  Die beiden Verfahren werden um 9.00 Uhr verhandelt. Gegen das Benutzen eines Laptops zum Eintippen bestehen keine Bedenken.  Vielleicht möchten Sie Ihren Beitrag ja aktualisieren: BGH, Verhandlungstermine am 14.12.11 Rückzahlung an Gas- Sonderkunden in Varianten  Ich habe in dem Unterforum ja kein Schreibrecht.  Wegen dem Laptop hatte ich aufgrund der möglichen Dauer der Verhandlungen nachgefragt.  Gruss, ESG-Rebell
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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Vielen Dank an ESG- Rebell für die schnelle und gewohnt zuverlässige Berichterstattung.


Zitat
Original von ESG-Rebell
Verhandlungen am 14.12.11 von 9:07 bis 10:50 Uhr.
8. Zivilsenat: Ball, Dr. Frellesen, Dr. Milger, Dr. Hessel, Dr. Achilles, Dr. Schneider

Verfahren 1: VIII ZR 113/11
Kläger: Bergische Energie- und Wasser GmbH, RAin Prof. Ackermann
Beklagte: Müller, RA Prof. Groos
AG Wipperfürth - Urteil vom 12. Januar 2010 – 1 C 251/09
LG Köln - Urteil vom 16. März 2011 – 10 S 66/10

Verfahren 2: VIII ZR 93/11
Kläger: E.ON Hanse Vertriebs GmbH, RA Dr. von Plehwe und RA Dr. Schäfer, RA Dr. Tümmler
Beklagter: Piletzky, RA Dr. Kummer und RA Dr. Wassermann
AG Hamburg-Bergedorf - Urteil vom 25. Mai 2010 – 410A C 205/09
LG Hamburg - Urteil vom 18. Februar 2011 - 320 S 129/10

Der Senat war heute mit sechs Richtern besetzt, da ursprünglich neun Verfahren für 9:00 terminiert waren.
Da alle bis auf zwei durch Rücknahme erledigt wurden, waren nur noch die Richter der Spruchgruppen 10 und 11 anwesend. Beide Verfahren wurden zeitgleich verhandelt.

----- 9:07 ---------------------------------------------------------------------------
Ball:

Zu Verfahren 1):
Der Kläger verlangt vom Gasversorger Rückzahlung von gezahlten Entgelten wegen Unwirksamkeit der Gaspreisanpassungen für den Zeitraum vom 31.1.2006 bis 2008. Im Jahr 1981 wurde der Vertrag mit einem Formular als Gassondervertrag zum damaligen Arbeitspreis von 4,2 Pf/kWh geschlossen. In §2 heisst es: \"Die Gaspreise ändern sich, wenn sich die allgemeinen Preise ändern\".

Die Unwirksamkeit dieser Preisanpassungsklausel ist in der Revision unstrittig.

In §5.1 heisst es zudem, dass der Vertrag erstmals nach 24 Monaten mit drei Monaten zum Ende des Belieferungsjahres gekündigt werden kann. §6 besagt, dass die AVBGasV gelten, sofern nichts abweichendes vereinbar sei.

Der Versorger hat mehrfach die Preise erhöht und der Kunde hat weiterhin Gas bezogen und die Rechnungen bezahlt ohne Widerspruch einzulegen. Erst im Jahr 2008 wechselte er den Versorger und verlangte erstmalig im Jahr 2009 eine Rückzahlung basierend auf dem vertraglichen Anfangspreis von 1981. Das AG hat die Klage abgewiesen, das LG hat der Klage teilweise stattgegeben.

Die Klägerin strebt die Wiederherstellung des AG-Urteils an.

Eine konkludente Zustimmung zu Preisänderungen durch den Kunden hat der Senat in diesen Fällen bislang abgelehnt. Es fehlt schon an den Voraussetzungen auf der Angebotsseite. Auf die Reaktion des Kunden kommt es daher schon nicht an. Die Bekanntgabe einer Preiserhöhung ist kein Angebot für eine Vertragsänderung.

Die Klägerin meint, sie habe den Kunden aber doch persönlich angeschrieben. Der Senat bezweifelt allerdings sehr, dass dies schon ausreicht, um von der Unterbreitung eines Angebots auf Vertragsänderung zu sprechen.

Zur ergänzenden Vertragsauslegung fehlte es in den bisher entschiedenen Fällen bereits an den Voraussetzungen dafür, denn der Versorger hatte stets die Möglichkeit, sich durch Kündigung aus den Verträgen zu lösen. Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass eine Vertragslücke entsteht, die nicht durch dispositives Recht geschlossen werden kann und durch die sich das Vertragsgleichgewicht völlig zugunsten des Kunden verschiebt.

Möglicherweise ist dies aber anders zu beurteilen, wenn ein Vertrag lange besteht und ein lange zurückliegend vereinbartes Preisanpassungsrecht angegriffen und der ursprünglich vereinbarte Preis verlangt wird. Dies könnte zu einer starken Verschiebung des Vertragsgleichgewichts führen.

Eine geltungserhaltende Reduktion ist unzulässig. Wie also könnte eine ergänzende Vertragsauslegung dann aussehen?

Der Senat hatte in einem Urteil zur Tagespreisauslegung Grundsätze zur ergänzenden Vertragsauslegung entwickelt. Dort wurde weniger beleuchtet, was die konkreten Vertragsparteien vereinbart hätten, sondern es wurde darauf abgestellt, was redliche Vertragsparteien typischerweise vereinbaren würden, wenn Sie nach den Grundsätzen von Treu und Glauben handeln. Diese Sichtweise ist auf den vorliegenden Fall ggf. anwendbar um die Möglichkeit zur rückwirkenden Geltendmachung von Rückforderungen wegen Preiserhöhungen zu beschränken.

Die Klägerin hat geltend gemacht, dass sich die Bezugskosten seit Vertragsbeginn immerhin verdoppelt haben. Die Vertragsparteien waren sich zudem ja einig darüber, dass der Anfangspreis nicht beliebig lange gelten würde.

Damit wäre nicht der Anfangspreis von 1981 sondern ein anderer Preis (bspw. bis drei Jahre vor dem ersten Widerspruch des Kunden) als Maßstab heranzuziehen. Auch das Energiewirtschaftgesetz kennt ja entsprechende Fristen, damit Vertragsverhältnisse nicht völlig aus dem Gleichgewicht geraten können und Rechtsfriede hergestellt wird. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Energieversorger mit der Sicherstellung einer zuverlässigen Energieversorgung ja eine volkswirtschaftlich wichtige Aufgabe übernehmen. Dies liegt ja auch im Interesse des Kunden.


Zu Verfahren 2):
In diesem Verfahren verlangt die Klägerin, ein Gasversorgungsunternehmen, von dem Beklagten, einem ehemaligen Normsonderkunden, die Zahlung restlichen Entgelts für Gaslieferungen im Zeitraum vom 20. Januar 2004 bis zum 1. Februar 2008.

Der ursprünglich vereinbarte Arbeitspreis betrug 4,8645 Pf/kWh.

Die Preisanpassungsklausel berechtigte die Klägerin, ihre Preise an die Entwicklung des Wärmemarktes anzupassen.
Ferner verwies der Vertrag auf §5 AVBGasV. Bei Widersprüchen haben die Regelungen des Vertags Vorrang.

Die Klägerin erhöhte mehrfach den Arbeitspreis. Der Beklagte erbrachte bis Mitte 2005 die geforderten Abschlagszahlungen und wandte sich auch nicht gegen die Jahresabrechnungen. Im Juli 2005 erhob er erstmalig schriftlich Widerspruch und berief sich auf die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen. Danach behielt er erhebliche Rechnungsbeträge ein.

Die Klägerin leitet ihr Preisanpassungsrecht auch aus der GasGVV her, die sie dem Beklagten zugeschickt habe.
Der Beklagte bestritt, dieses Schreiben mit der GasGVV erhalten zu haben.

Das AG hat einen Teilbetrag zuerkannt, und die Klage im übrigen abgewiesen.
Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die Klägerin verlangt weiterhin die Zahlung der Gesamtforderung.

Die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel ist auch hier unstrittig.
Die Revision meint, die GasGVV trete in den Vertrag ein. Der Senat bezweifelt dies.

Zur konkludenten Zustimmung zu Preisanpassungen gibt es hier nichts Neues im Vergleich zum anderen Verfahren.
Es gibt kein Angebot und daher auch keine konkludente Annahme.

Zur ergänzenden Vertagsauslegung gilt auch hier, dass eine geltungserhaltende Reduktion unzulässig ist.
Auch hier ist aber ggf. keine Rückforderung zum vertraglichen Anfangspreis sondern ein Preis aus dem Mittelfeld als Sockelpreis heranzuziehen.

----- 9:27 ---------------------------------------------------------------------------
Zu Verfahren 1: Dr. von Plehwe

Der Kläger hat über 28 Jahre hinweg Gas bezogen und erst dann widersprochen. Mit der unwirksamen Regelung hatte er über den gesamten Zeitraum kein Problem. Erst die Überzahlungen von 2006 bis 2008 waren streitig. Die Preisanpassungsklausel war da längst nicht mehr zu retten.

Eine ergänzende Vertragsauslegung ist garnicht erforderlich, da keine Lücke vorhanden ist. Wenn die Regelung §2 des Vertrags unwirksam ist, dann müsste doch die AVBGasV eintreten, wie vereinbart.

In diesem Fall ist zudem die sehr lange Vertragslaufzeit zu berücksichtigen. Die Klägerin hatte doch gar keinen Anlass ihrerseits zu kündigen um das vertragliche Gleichgewicht wiederherzustellen. Einem durchschnittlichen Bürger ist doch nicht zu vermitteln, dass ein Kunde über Jahre hinweg von den Vergünstigungen eines Sondervertrags - also dem günstigeren Preis - profitieren soll und sich dann auch noch nachträglich von den notwendigen Preiserhöhungen befreien können soll.

Laut der Entscheidung des Senats vom 14.7.10 käme eine konkludente Vertragsänderung bei Sondervertragskunden nicht in Betracht. Dies kann ich der Entscheidung nicht entnehmen. (Anm.: Verweist noch auf eine andere Entscheidung). Auch bei Sondervertragskunden sind konkludente Vertragsänderungen grundsätzlich möglich.

----- 9:37 ---------------------------------------------------------------------------
Zu Verfahren 1: Dr. Groos

Auch in diesem Verfahren müssen wir uns doch danach richten, was normalerweise passiert, wenn eine AGB-Klausel unwirksam ist. Müssen wir tatsächlich den Energieversorgern helfen, wenn andernfalls - analog zur Bankenkrise - eine Energiewirtschaftkrise durch die Rückforderungen zu befürchten wäre?

Die Vorschriften zur Verjährung und zu Treu und Glauben sind anzuwenden um die Verträge auszulegen und einen Ausgleich wiederherzustellen.

Die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel ist nicht strittig. Eine ergänzende Vertragsauslegung ist nicht geboten. Die entstandene Lücke bleibt bestehen. Eine ergänzende Vertragsauslegung könnte aber evtl. doch geboten sein, um zu vermeiden, dass der Klauselverwender weiterhin bewusst unwirksame Klauseln verwendet und sich darauf verlässt, dass der BGH es schon für ihn richten werde.

Vor einer ergänzende Vertragsauslegung ist aber in jedem Fall erstmal zu prüfen, ob Rückforderungen der Kunden die Existenz des Versorger überhaupt gefährden - geschweige denn vernichten - können. Dazu ist zumindest eine Kalkulation der Folgekosten anzustellen. Mehr als die Behauptung, die Rückforderungen seien existenzgefährdend hat die Klägerin nicht vorgebracht.

Zur Verjährung: Rückforderungen für die 28 Jahre können garnicht geltend gemacht werden. Sowohl die Höhe der Ansprüche als auch die Zeiträume sind also sehr überschaubar.

Es gibt also keinen Anlass, die Energieversorger unter einen besonderen Schutz zu stellen.

Die geschilderte Absicht des Senats, einen Sockelpreis aus der Mitte zwischen 1981 und 2008 also praktisch gemäß §242 herauszugreifen und festzulegen, geht in die Richtung der Verjährungsregelung. Davon unabhängig bleibt aber die zugrundeliegende Klausel unwirksam.

----- 9:50 ---------------------------------------------------------------------------
Zu Verfahren 2: Dr. Schäfer

Sie dementiert zunächst die unterstellten bösen Absichten der Versorger bei der Gestaltung unwirksamer Preisanpassungsklauseln.

Im vorliegenden Fall ist aber nicht die Situation gegeben, die eigentlich vom BGB geregelt werden sollte, nämlich dass der Klauselverwender von den gesetzlichen Vorschriften zu seinen Gunsten abweicht. Vielmehr schreibt ja das Energiewirschaftsrecht den Versorgern vor, vertragliche Regelungen zu erstellen. Und der Gesetzgeber hat die Versorger dann mit dieser Aufgabe alleine gelassen.

Die Klägerin versuchte doch mit ihren Klauseln, basierend auf §4 AVBGasV eine griffigere und transparentere Regelung zu gestalten und sie hat gerade nicht versucht, das vertragliche Gleichgewicht zu ihren Gunsten zu verlagern.

Im vorliegenden Fall ist der Zahlungsanspruch aber auch noch anders begründet.
Bei dem Widerspruchsschreiben des Beklagten kann man nicht der Auffassung folgen, die Gründe für den Widerspruch seien irrelevant. In einem anderen Verfahren von 1989(?) zu einenm Mieterhöhungsverlangen hat der Senat auch eine Teilzustimmung erkannt.

Das Widerspruchsschreiben ist eine Willenserklärung gemäß §116 BGB, die eine Teilzustimmung zu dem verlangten Preis enthält.
Da das Widerspruchsschreiben ungewöhnlich ausführlich ist, lässt sich dem entnehmen, dass es dem Beklagten dezidiert nur um die Unbilligkeit der Preiserhöhung ging. Es folgen weitere klare Ausführungen und Berechnungen. Gegen Ende des Schreibens fordert er die Klägerin auf, seine Zahlungen nur auf der Basis des von ihm berechneten Preises von xxx Pf/kWh zu verrechnen.

Der Beklagte erklärt also selbst, die Erhöhungen zu bezahlen, wenn ihre Billigkeit bewiesen ist.
Es enthält also ein unbedingtes Einverständnis mit der Preisanpassung von xxx Pf/kWh. Dies ist ein Schuldeingeständnis.

Angesichts seiner Ausführungen kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, sich der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel nicht bewusst gewesen zu sein.

Zur Rz. 50 der Entscheidung des Senats kommt eine ergänzende Vertragsauslegung u.a. nur in Betracht, wenn das Vertragsgefüge sich völlig einseitig zu Gunsten des Kunden verschiebt. Dies ist hier zu bejahen, da das AGB-Recht dem Kunden nicht völlig unangemessene Vorteile zu beschaffen hat. Die Kündigungsmöglichkeit des Versorgers steht dem nicht entgegen.

Eine Kündigung wäre zudem auch nicht im Interesse des Beklagten gewesen, da dieser ja dann in den teureren Allgemeinen Tarif der Klägerin gekommen wäre. Zudem hatte die Klägerin auch nach dem Widerspruch des Kunden keinen Anlass zur Kündigung da das Urteil des Kartellsenats vom 29.4.08 noch nicht ergangen war und sie daher noch keine Kenntnis über die Unwirksamkeit ihrer Klausel hatte.

Zur ergänzenden Vertragsauslegung ist zu sagen, dass neben dem Widerspruchsschreiben auch das Parteiverhalten nach dem Vertragsabschluss zu berücksichtigen ist.

Zur Rz. 53 in der Entscheidung vom 14.7.10 führte der Senat aus, die Entscheidung zur Zinsanpassungsklausel des 11. Senats sei nicht anwendbar, weil ein variabler Preis vereinbart sein. Dies geht an der Lebenswirklichkeit vorbei. (Sie verweist auf ein Urteil von 1981). Dort war eine ergänzende Vertragsauslegung möglich.

----- 10:05 ---------------------------------------------------------------------------
Zu Verfahren 2: Dr. Wassermann

Die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel ist unstrittig.

Die Regelung des §4 AVBGasV ist ja selbst intransparent, aber die Senatsentscheidung zur unveränderten Übernahme steht ja zur Prüfung durch den EuGH an.

Zum Inhalt des Widerspruchschreibens: Darauf kommt es nicht an, wie auch der Senat bisher bekräftigt hat. Durch den Widerspruch alleine hat der Versorger schon allen Anlass, seinen Vertrag und vorrangig die Wirksamkeit seiner Vertragsklauseln zu prüfen. Es kann nicht Aufgabe des Kunden sein, den Versorger auf seine Fehler hinzuweisen. Dies ist alleine Aufgabe des Versorgers. Andernfalls käme es zu einer Verlagerung des Verwenderrisikos einer Klausel auf die andere Partei.

Selbst wenn die Aussage des Kunden zu dem Preis von xxx Pf./kWh eine Willenserklärung gewesen wäre, dann ist mangels Annahme dieses Angebots durch die Klägerin aber kein Vertrag zu diesem Preis zustandegekommen.

Zum Sockelpreis \"aus der Mitte\". Ausgangspunkt ist ja die Entscheidung vom 14.7.10 zu den Auswirkungen eines fehlenden Widerspruchs. Hier geht es nicht um ein Rückforderungsverlangen sondern um einbehaltene Gelder nach Rüge der Unbilligkeit. Dann sind die Zumutbarkeitsüberlegungen nicht anwendbar, da der Versorger in einem angemessenen Zeitraum kündigen konnte. Der vertraglich vereinbarte Preis ist der Anfangspreis. Dies ist nicht vereinbar mit einer Zeitschranke.

In diesem Fall handelt es sich ausnahmslos um Nachforderungen für Zeiten nach dem ersten Widerspruch. Die Klägerin hätte also kündigen können. Daher ist es für sie nicht unzumutbar, eine Zeit lang noch an den Anfangspreis gebunden zu sein.

Bei langjährigen Verträgen eine Zeitschranke für die Geltendmachung einzuführen, das geht so nicht. Warum? Was ist für Versorger und Kunden zumutbar? Warum noch einen fingierten Preis zusätzlich zur dreijährigen Verjährungsfrist einführen. Die Zumutbarkeit ist hinreichend geklärt.

Dies wäre auch ein gedanklicher Bruch:
Eine unwirksame Preisanpassungsklausel und ein Weiterbezug von Gas soll keine Preisneuvereinbarung darstellen.
Erfolgt plötzlich doch ein Widerspruch, dann sollen nur drei Jahre zurück eine Zeitschranke für den Preis gelten.

Zur Bedeutung des Widerspruchs des Kunden: Darauf alleine kann es nicht ankommen. Auch die Widersprüche andere Kunden und die öffentliche Diskussion hätten der Klägerin genug Grund zur Prüfung aller ihrer Sonderverträge gegeben.

----- 10:28 ---------------------------------------------------------------------------
Ball:

Die Verjährung ist keineswegs immer drei Jahre sondern oft sehr viel länger. Es gibt noch die Ultimoregelung; dann können es vier Jahre sein. Die Verjährung setzt aber die Kenntnis der Umstände voraus; daher können auch 10 Jahre gelten. Nach der alten Regelung ist sogar noch gar keine Verjährung bei den Altfällen eingetreten. Daher sind unsere Überlegungen nicht entbehrlich.

----- 10:29 ---------------------------------------------------------------------------
Zu Verfahren 2: Dr. Schäfer

Sie beharkt nochmal das Widerspruchsschreiben und stellt auf die sehr ausführlichen Berechnungen des Kunden ab.
Der Versorger hatte keinen Anlass zur Kündigung.
Das Schreiben ist ein Schuldanerkenntnis.

Der Kunde selbst ging doch von einem variablen Preis aus, ansonsten wären seine umfangreichen Berechnungen und Überlegungen zu den Preisentwicklungen doch völlig gegenstandslos gewesen.

----- 10:32 ---------------------------------------------------------------------------
Zu Verfahren 2: Dr. Tümmler

Die Kunden haben die Unbilligkeit der Preisanpassungen gerügt aber nicht das Preisanpassungsrecht in Frage gestellt, da die Verträge ja unbefristet waren. Er verweist auf die Sammelklage der Verbraucherzentrale in Hamburg.

Unmittelbar nach dem Urteil zur Unwirksamkeit konnten die 404.000 Verträge nicht sofort gekündigt werden, da hierfür interne Vorgänge und Entscheidungen des Vorstands erforderlich waren. Es mussten 100 Mitarbeiter befristet eingestellt und eingearbeitet werden. Erst danach konnten die Kündigungen in einem Zeitraum von zwei bis drei Monaten verschickt werden. Auch die ca. 55.000 Verträge mit Widersprüchen konnten nicht schneller gekündigt werden.

Bis zum Sept. 2009 bestand kein Grund zu kündigen, da das Verfahren ein Musterverfahren war und währenddessen die Preisanpassungsklausel vom Gericht auch als wirksam bezeichnet worden ist.

Die Kartellbehörden haben solche Kündigungen zudem noch am 2.11.2006 als Missbrauch eingestuft. Gegen die Klägerin hat es zudem ein Verfahren des Kartellamts wegen des Verdachts der missbräuchlich überhöhten Preise gegeben, welches eingestellt wurde.

Zu dem Widerspruchsschreiben: Der Versorger hatte nach dessen Empfang kein weitergehendes Wissen, da erst mit Entscheidung des Kartellsenats die kundenfeindlichste Auslegung angewendet wurde. Bis dahin war die Leitbildfunktion der AVB gemäß der Entscheidungen des VIII Senats maßgeblich. Im Sommer 2008 stand noch nicht fest, dass auch der VIII. Senat sich dem anschliessen würde.

Zur geltungserhaltenden Reduktion: Das Verbot soll verhindern, dass der Verwender das nach der Klausel gerade noch Zulässige erhält.
Es geht hier aber darum: Worauf hätten sich die Parteien geeinigt?

Zu dem \"Preis aus der Mitte\": Je nach den Einzelumständen kann dieser sowohl über als auch unter dem Anfangspreis liegen. Eine starre Regelung könnte also auch dazu führen, dass der Kunde noch weniger zahlen müsste als anfänglich vereinbart.

----- 10:47 ---------------------------------------------------------------------------
Zu Verfahren 2: Dr. Wassermann

Das Verwenderrisiko ist unabhängig von der Erkenntnismöglichkeit der Unwirksamkeit.
Es gibt keinen Vertrauensschutz darauf, dass sich die Rechtsprechung nicht ändert.

----- 10:50 ---------------------------------------------------------------------------
Ball

Entscheidungen zu beiden Verfahren werden heute noch ergehen; aber keine Urteile.
Mit diesen ist im Frühjahr zu rechnen.

Anm:
Im Frühjahr wird voraussichtlich auch der neu gestaltete Eingang an der Herrenstraße wiedereröffnet sein.

Gruss,
ESG-Rebell.

Möglicherweise war der genannte Dr. Tümmler tatsächlich Kollege Dr. Tüngler von FRESHFIELDS BRUCKHAUS DERINGER.

Offline RR-E-ft

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Es ist wohl in beiden Verfahren mit Hinweisbeschlüssen zu rechnen.

Instanzgerichte hatten für Rückforderungsprozesse wiederholt zu Grunde gelegt, dass es auch im Falle unterlassener Widersprüche keiner ergänzenden Vertragsauslegung bedürfe, da ein hinreichender Interessenausgleich bereits über das Verjährungsrecht stattfinde:

Demnach könne der Kunde wegen der regelmäßigen Verjährungsfrist nur für drei Jahre zurück Rückzahlung beanspruchen, wohingegen dem Versorger die vorhergehenden Überzahlungen des Kunden aufgrund  zu Unrecht vereinnahmter Preise wegen dieser zeitlichen Schranke ungemindert verbleiben.

Da es für den Beginn der Verjährung auf die Kenntnis von den Umständen ankommt, hatten einige Gerichte für die insoweit ausreichende mögliche Kenntnis des Kunden auf den Beginn des bundesweiten massenhaften Preisprotests im Sommer/Herbst 2004 und die umfangreiche Berichterstattung in den Medien abgestellt. Von da an habe  jeder Kunde Kenntnis darüber haben können, dass mit den Preiserhöhungen der Energieversorger etwas nicht stimmen kann.
Ab dieser Zeit hätten deshalb alle Kunden Veranlassung gehabt, ihre Verträge und die darin enthaltenen Preisänderungsrechte rechtlich überprüfen zu lassen.

Dies erscheint als ein sehr tragfähiges Argument und eine pragmatische Lösung.  

Würde man jedoch die Argumentation der Versorgeranwälte im heutigen Termin zu Grunde legen, so konnten Versorger (und erst recht erst deren Kunden!!!) frühestens  seit dem Urteil des BGH vom 29.04.2008 Az. KZR 2/07 Kenntnis vom fehlenden Preisänderungsrecht haben. Erst von da an habe die dreijährige Verjährungsfrist überhaupt frühestens beginnen können. Dies erscheint jedoch mit Rücksicht darauf, dass es immer schon auch höchstrichterliche Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Preisänderungsklauseln gab, auch in Bezug auf Energielieferverträge (BGH, Urt. v. 13.12.06 Az. VIII ZR 25/06), weit weniger tragfähig.

Würde man diese Sicht der Dinge zu Grunde legen, konnten wohl vor dem 31.12.2011 noch keinerlei Rückforderungsansprüche verjährt sein, da der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist nicht vor dem 29.04.2008 beginnen konnte, so dass Rückforderungen für Überzahlungen in all der Zeit vor 2008 noch nicht verjährt wären und immer noch gerichtlich durchgesetzt werden könnten, weil die Verjährungseinrede dagegen (bisher noch) nicht greift.  


Der Senat hat hiermit anscheinend noch Schwierigkeiten.

Zitat
Ball:

Die Verjährung ist keineswegs immer drei Jahre sondern oft sehr viel länger. Es gibt noch die Ultimoregelung; dann können es vier Jahre sein. Die Verjährung setzt aber die Kenntnis der Umstände voraus; daher können auch 10 Jahre gelten. Nach der alten Regelung ist sogar noch gar keine Verjährung bei den Altfällen eingetreten. Daher sind unsere Überlegungen nicht entbehrlich.

Knackpunkt: § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB

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Ja, es war Kollege Dr. Tüngler von FRESHFIELDS BRUCKHAUS DERINGER, der für E.ON Hanse das Wort führen durfte.

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dpa-Meldung in Stuttgarter Nachrichten

Zitat
In der Auseinandersetzung um eine unwirksame Gaspreisanpassungsklausel sucht der Bundesgerichtshof (BGH) nach einem Kompromiss. Die Regelung müsse sowohl den Kunden als auch den Gasversorgern gerecht werden.

Das sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Ball am Mittwoch in Karlsruhe. Verhandelt wurden zwei Verfahren zur Rückzahlung von Geldern im Zuge von Gaspreiserhöhungen. Sie waren angestoßen worden, nachdem der BGH im Jahr 2004 die in vielen Verträgen aufgenommene Preisanpassungsklausel für nichtig erklärt hatte. Das Urteil soll am 14. März 2012 verkündet werden.

Viele Gasversorger hatten seit Jahrzehnten eine Klausel verwendet, die ihnen eine stetige Anhebung der Preise zubilligte. Der BGH brachte sie vor sieben Jahren als zu einseitig zu Fall. Damit sei in den Verträgen eine Lücke entstanden, die jetzt gefüllt werden müsse, sagte Ball.

Als größtes Problem nannte er die lange Laufzeit der Verträge. So verlangt ein Kläger, dass alle Erhöhungen seit dem Abschluss des Vertrages 1981 für nichtig erklärt werden. Damit gelte für ihn weiterhin der 1981 festgeschriebene Preis von 4,2 Pfennig pro Kilowattstunde (2,15 Cent). Den Preisunterschied zu diesem Wert fordert er für die Jahre 2006 bis 2008 zurück - eine Summe von mehr als 2500 Euro. Für die Zeit vor 2006 kann er nichts mehr geltend machen, da eine dreijährige Verjährungsfrist gilt.

Diese Berechnung hält Ball für fragwürdig. Schließlich sei auch den Kunden bei Vertragsabschluss klar gewesen, dass Preiserhöhungen auf sie zukommen. Zudem könne niemand Interesse daran haben, die Gasversorger durch tausendfache Nachforderungen in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bringen.

Als möglichen Ausweg nannte Ball die Festlegung eines idealtypischen Preises als Grundlage für die Berechnung von Nachforderungen. Denkbar sei auch, einen erst wenige Jahre zurückliegenden Preis für die Berechnung zu verwenden.

Das betrifft offensichtlich den Fall VIII ZR 113/11, wo der Kunde den Gaspreisänderungen nie widersprochen, immer vorbehaltlos vollständig gezahlt hatte und erst sodann nach Vertragsbeendigung für drei Jahre Rückzahlung auf der Basis des bei Vertragsabschluss vereinbarten Preises beansprucht.

In einem solchen Fall kann ein Versorger durchaus halbwegs kalt erwischt werden, wenn die Mehrzahl seiner Kunden plötzlich entsprechend anspruchsberechtigt ist und deshalb dann sogar auf der Matte steht.

Wieso eigentlich soll den Kunden bei Vertragsabschluss klar gewesen sein, dass Preiserhöhungen auf sie zukommen, jedoch keine Preissenkungen ?!

Da stellt sich der Senat wohl in Widerspruch zum Urteil vom 28.10.09 VIII ZR 320/07 Rn. 46.

Wieso soll niemand Interesse daran haben können, die Gasversorger durch tausendfache Nachforderungen in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bringen?

Schon die Annahme, dass es zu einer wirtschaftlichen Schieflage überhaupt erst kommt, scheint verfehlt.
Die bisherige Erfahrung zeigt nämlich deutlich, dass nur wenige betroffene Kunden entsprechende Ansprüche überhaupt in unverjährter Zeit geltend machen.  

Auch solche wirtschaftlichen Risiken aus der Verwendung unwirksamer Klauseln gehören in einen Wettbewerbsmarkt. Zu einem Wettbewerbsmarkt gehört selbstverständlich auch, dass es sogar zum - aus wirtschaftlichen Gründen erzwungenen - Marktaustritt einzelner Lieferanten kommen kann.

Wohl kein einziger potentiell betroffener Gasversorger ist systemrelevant.
Jeder einzelne Versorger kann wohl durch Wettbewerber leicht ersetzt werden, meint wohl jedenfalls auch Gazprom.  

Das Verwenderrisiko darf nicht den Kunden übergewälzt werden.

Wollte der Vorsitzende Ball sich tatsächlich als Volkswirt betätigen, könnte er wohl zu  dem Ergebnis gelangen, dass auch im Falle der beanspruchten Rückzahlungen das Geld schließlich  nicht weg ist. Es haben dann wiederum nur andere. Volkswirtschaftlich also wohl eher ein Nullsummenspiel.


Schließlich wurden ja auch rechtsgrundlos  erhöhte Preise teils über Jahrzehnte von den Versorgern abkassiert und die Rückforderung betrifft lediglich  drei Jahre.

Ferner ist ggf.  zu berücksichtigen, dass die tausendfach  auf Rückzahlung klagenden Kunden das wirtschaftliche Risiko tragen, dass sich ihre gerichtlich festgestellten Rückforderungsansprüche überhaupt durchsetzen lassen, der Versorger nicht Insolvenz anmeldet.

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Beitrag im BBH- Energieblog

Zitat
Es ist zu erwarten, dass der BGH eine „salomonische“ Entscheidung fällen wird, die sowohl den Interessen der Kunden, als auch denen der EVU Rechnung tragen wird. Eine solche Lösung dürfte auf eine Kürzung des Rückzahlungsanspruchs der klagenden Kunden hinauslaufen. Die rechtliche Begründung hierfür ist aber nicht ganz einfach.

Wie wahr. Es wird wohl irgendwie gezaubert werden.

Interessant wird es bei BGH Az. VIII ZR 93/11 (Zahlungsklage E.ON Hanse).

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Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle

Nr. 35/2012

Zu den Folgen unwirksamer Preisanpassungsklauseln in
Erdgas-Sonderkundenverträgen

Der Bundesgerichtshof hat heute zwei Entscheidung zu der Frage getroffen, welchen Preis der Kunde in einem Sonderkundenverhältnis für das entnommene Gas zu entrichten hat, wenn die im Vertrag enthaltene Preisanpassungsklausel unwirksam ist und der Kunde den Preiserhöhungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat.

In dem Verfahren VIII ZR 113/11 macht der Kläger gegen die Beklagte, ein regionales Gasversorgungsunternehmen, Rückzahlungsansprüche geltend. Der Kläger bezog aufgrund eines im Jahr 1981 geschlossenen Sonderkundenvertrages Gas von der Beklagten. Die Beklagte erhöhte in der Vergangenheit wiederholt die Arbeitspreise, mit welchen der Gasverbrauch abgerechnet wird, auf der Grundlage einer unwirksamen Preisanpassungsklausel. Der Kläger zahlte die geforderten erhöhten Entgelte, ohne den Preiserhöhungen zu widersprechen. Im Oktober 2008 wechselte er zu einem anderen Gasanbieter. Erstmals im Februar 2009 wandte er sich gegen die von der Beklagten während der Vertragslaufzeit vorgenommenen Preiserhöhungen und begehrte die Rückzahlung der von Januar 2006 bis September 2008 gezahlten Erhöhungsbeträge auf der Basis des bei Vertragsschluss im Jahre 1981 geltenden Arbeitspreises. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht ihr überwiegend stattgegeben.

In dem Verfahren VIII ZR 93/11 verlangt die Klägerin, ein Gasversorgungsunternehmen, von dem Beklagten, einem ehemaligen Sonderkunden, die Zahlung restlichen Entgelts für Gaslieferungen im Zeitraum Januar 2004 bis Februar 2008. Die Klägerin erhöhte seit Vertragsbeginn im Jahre 1998 mehrfach den Arbeitspreis auf der Grundlage einer ebenfalls unwirksamen Preisanpassungsklausel. Der Beklagte leistete bis Mitte 2005 die geforderten Abschlagszahlungen und wandte sich bis dahin auch nicht gegen die Jahresabrechnungen. Im Juli 2005 erhob er erstmalig Widerspruch und berief sich auf die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen. Danach behielt er erhebliche Rechnungsbeträge ein. Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten hin abgewiesen und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revisionen der Energieversorger hatten in beiden Fällen Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass in beiden Verfahren den jeweiligen Ansprüchen nicht, wie von den Berufungsgerichten angenommen, die bei dem jeweils viele Jahre zurückliegenden Vertragsschluss vereinbarten Arbeitspreise zugrunde gelegt werden können. Vielmehr ist die durch die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel in den Verträgen entstandene Regelungslücke im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB* in der Weise zu schließen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhung, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat. Denn eine derartige Regelung hätten die Parteien bei einer Abwägung ihrer Interessen redlicherweise vereinbart, wenn sie bei Vertragsschluss bedacht hätten, dass die Wirksamkeit der verwendeten Preisänderungsklausel jedenfalls unsicher war.
Der Senat hat die Verfahren an die Berufungsgerichte zurückverwiesen, damit die erforderlichen Feststellungen dazu getroffen werden können, wann den Kunden die einzelnen Jahresabrechnungen zugegangen sind und gegen welche Preiserhöhungen die jeweiligen Widersprüche daher noch rechtzeitig vor Ablauf von drei Jahren erhoben worden sind.

*§ 133 BGB: Auslegung einer Willenserklärung

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

*§ 157 BGB: Auslegung von Verträgen

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Urteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11

AG Wipperfürth - Urteil vom 12. Januar 2010 – 1 C 251/09

LG Köln - Urteil vom 16. März 2011 – 10 S 66/10

und

Urteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 93/11

AG Hamburg-Bergedorf - Urteil vom 25. Mai 2010 – 410A C 205/09

LG Hamburg - Urteil vom 18. Februar 2011 - 320 S 129/10

Karlsruhe, den 13. März 2012

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

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Vorinstanz LG Köln, Urt. v. 16.03.11 Az. 10 S 66/10


Warum die Parteien entsprechendes redlicherweise vereinbart haben sollten, erschließt sich nicht unmittelbar.
Zunächst wird man die schriftlichen Entscheidungsgründe abzuwarten haben, um den Ratschluss des Senats ggf. nachvollziehen zu können.

Es wird wohl auch die Frage zu beantworten sein, warum redlicherweise auch solche Preisänderungen schlussendlich Bestand  haben sollen,
die dem Versorger allein oder überwiegend zur nachträglichen Erhöhung des Gewinnanteils am Preis dienten.

Redlicherweise hätten die Parteien wohl nur eine Wahrung des ursprünglich vereinbarten Äquivalenzverhältnisses vereinbart,
was ein Recht zur Erhöhung nur im Umfang tatsächlich notwendig gestiegener Kosten ebenso einschließt wie eine Verpflichtung zur Weitergabe gesunkener Kosten.

Ganz offensichtlich haben Gasversorger ihre Preise in der Vergangenheit zB. weit stärker erhöht,
als der vom BAFA amtlich festgestellte monatliche Erdgasimportpreis überhaupt gestiegen war.

Entwicklung der monatlichen Erdgasimportpreise seit Januar 1991

Was daran redlich gewesen sein soll, wüsste man gern.

Offline uwes

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Ich verstehe die PM so, dass der BGH nicht Regelungen zur konkreten Preisänderung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung  aufgestellt hat, sondern - lediglich - eine Verfahrensweise bei unwirksamen Preisänderungsbestimmungen einführt.

Will sagen: Hätten die Parteien die Unwirksamkeit der Klauseln für möglich gehalten, hätten sie vereinbart,
Zitat
dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhung, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
Es scheint so, als hätte der BGH so eine Art Verfallklausel mit Einwendungsausschluss zum Vertrag \"ergänzt\". Frei nach dem Motto, wer etwas (nicht) will, muss es auch (innerhalb von 3 Jahren) sagen.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
____________________________________________________
Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten

Offline RR-E-ft

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Man könnte an den Einwendungsausschluss für Berechnungsfehler gem. § 21 Abs. 2 AVBV/ § 18 Abs. 2 GVV denken.

Zitat
§ 18 Berechnungsfehler
(1) Ergibt eine Prüfung der Messeinrichtungen eine Überschreitung der Verkehrsfehlergrenzen oder werden Fehler in der Ermittlung des Rechnungsbetrages festgestellt, so ist die Überzahlung vom Grundversorger zurückzuzahlen oder der Fehlbetrag vom Kunden nachzuentrichten. Ist die Größe des Fehlers nicht einwandfrei festzustellen oder zeigt eine Messeinrichtung nicht an, so ermittelt der Grundversorger den Verbrauch für die Zeit seit der letzten fehlerfreien Ablesung aus dem Durchschnittsverbrauch des ihr vorhergehenden und des der Feststellung des Fehlers nachfolgenden Ablesezeitraums oder auf Grund des vorjährigen Verbrauchs durch Schätzung; die tatsächlichen Verhältnisse sind angemessen zu berücksichtigen. Bei Berechnungsfehlern auf Grund einer nicht ordnungsgemäßen Funktion einer Messeinrichtung ist der vom Messstellenbetreiber ermittelte und dem Kunden mitgeteilte korrigierte Verbrauch der Nachberechnung zu Grunde zu legen.
(2) Ansprüche nach Absatz 1 sind auf den der Feststellung des Fehlers vorhergehenden Ablesezeitraum beschränkt, es sei denn, die Auswirkung des Fehlers kann über einen größeren Zeitraum festgestellt werden; in diesem Fall ist der Anspruch auf längstens drei Jahre beschränkt.

Wie auf dem Bahnhof.
Wer zu lange wartet, für den ist der Zug irgendwann abgefahren.

Offline RR-E-ft

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Der Einwendungsausschluss gem. § 18 Abs. 2 GVV deckt sich in etwa mit der regelmäßigen - dreijährigen- Verjährungsfrist für Rückzahlungsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung.

Indes: § 18 Abs. 2 GVV deckt jedoch nicht die Fortführung von Berechnungsfehlern des Versorgers in die Zukunft.

Offline RR-E-ft

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Bei dem Sachverhalt, wie er der Entscheidung BGH VIII ZR 113/11 zu Grunde liegt, wurde der Versorger wohl tatsächlich kalt erwischt.

Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung müssen in jedem Einzelfall gründlich geprüft werden,
so dass sich Verallgemeinerungen grundsätzlich verbieten.


Zitat
Original von RR-E-ft
Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung, namentlich die unzumutbare Härte, müssen in jedem Einzelfall geprüft werden.

Bei den Umständen, welche die unzumutbare Härte begründen sollen, handelt es sich um Tatsachenfragen, die auf entsprechendes Bestreiten erst durch die Instanzgerichte geklärt werden müssen, insbesondere ob die Gesamtkosten, die dem Versorger durch die Belieferung des Kunden entstanden, gegenüber dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses überhaupt tatsächlich gestiegen waren.

Dafür müssen m.E. wohl die Kosten, welche dem Versorger bei Vertragsabschluss entstanden und diejenigen Kosten, die ihm dann später entstanden, detailliert dargelegt und unter Beweis gestellt werden.

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Zitat
BGH, Urt. v. 29.01.03 Az. VIII ZR 92/02 zu § 21 AVBwasserV

Entgegen der Ansicht der Klägerin fehlte es auch nicht an einer berichtigungsfähigen Rechnung im Sinne des § 21 Abs. 1 AVBWasserV, so daß einer unmittelbaren oder wenigstens entsprechenden Anwendung des § 21 Abs. 2 AVBWasserV nichts entgegensteht (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober1986 - VIII ZR 242/85, WM 1987, 267 unter I 2 = BGHR AVBGasV § 21 Abs. 1Energielieferung 1).

Die Klägerin hatte monatlich den jeweiligen Verbrauch abgelesen und hierüber Einzelrechnungen erteilt. Das beklagte Land konnte daher, wenn die Klägerin keine Nachberechnungen wegen Nichterreichens der Mindestabrechnungsmenge vornahm, davon ausgehen, daß mit dem Ausgleich dieser Rechnungen wie auch in den Vorjahren die bestehenden Zahlungsverpflichtungen erfüllt worden waren.

Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, soll der Abnehmer darauf vertrauen dürfen, daß die ihm im Anschluß an die Zählerablesung erteilte Rechnung vollständig und richtig ist, daß er deshalb mit dem Ausgleich der Rechnung seine Zahlungsverpflichtungen erfüllt hat und jedenfalls keinen weit zurückliegenden Nachforderungen mehr ausgesetzt ist (BGH, Urteil vom 22. Oktober 1986 aaO).

Der Gedanke des Vertrauensschutzes, der § 21 Abs. 2 AVBWasserV zugrunde liegt, rechtfertigt daher jedenfalls eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf den hier vorliegendenFall, in dem eine am Schluß des Abrechnungsjahres vereinbarte Nachberechnung des für diesen Zeitraum geschuldeten Gesamtentgeltes unterblieben ist.

c) Soweit Fehler in der Ermittlung des Rechnungsbetrages im Sinne von§ 21 Abs. 1 Satz 1 AVBWasserV von Fehlern bei der Vertragsanwendung und Vertragsauslegung abgegrenzt werden, für welche allein die Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuches gelten sollen (Tegethoff/Büdenbender/Klinger, Das Recht der öffentlichen Energieversorgung, Bd. 2, IV B § 21 AVBGasV Rdnr. 3 unter Hinweis des BGH, Urteil vom 30. Oktober 1975 - KZR 2/75, zu Abschnitt VIII/4 AVB 1942, insoweit in NJW 1976, 710 f. nicht veröffentlicht), kann die Revision zu ihren Gunsten hieraus nichts herleiten. Unter den weiten Begriff des Berechnungsfehlers (Hermann/Recknagel/Schmidt-Salzer, Kommentar zu den Allgemeinen Versorgungsbedingungen, Bd. II, 1984, § 21 AVBV Rdnr. 6) fallen alle Elemente des Gesamtpreises, insbesondere die Berechnung eines falschen Grund- oder Arbeitspreises (falscher Tarif) oder das Nichtinrechnungstellen des tariflichen Grundpreises (Tegethoff/Büdenbender/Klinger, aaO Rdnr. 4; Morell, Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser, Stand Januar 2002, E § 21 S. 5 m.w.Nachw.). Wenn die Klägerin im vorliegenden Fall über mehrere Jahre hindurch jeweils die vertraglich zulässige Nachberechnung der nicht erreichten Mindestabrechnungsmenge unterlassen hat, waren die jeweils in Rechnung gestellten Beträge unrichtig ermittelt und damit fehlerhaft, auch wenn dieser Fehler auf der Nichtanwendung einer vertraglich vereinbarten Nachberechnung beruhte.

Anstelle der Zweijahresfrist des § 21 AVBV ist die Dreijahresfrist des § 18 GVV getreten.

§ 21 AVBV und § 18 GVV betreffen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes jeweils sowohl Nachforderungen des Versorgers als auch Rückforderungen des Kunden.

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Eine analoge Anwendung dieser Vorschriften hätte lediglich eine zeitliche Beschränkung eines Rückerstattungsanspruches des Kunden zur Folge, nicht jedoch eine in die Zukunft weisende Preisneuvereinbarungsfiktion.

Die zeitliche Beschränkung wäre enger als bei der regelmäßigen Verjährung, deren Beginn gem. § 199 Abs. 1 Ziff. 2 BGB von der Kenntnis des Kunden abhängen könnte.

Für die Fiktion einer rückwirkenden Preisneuvereinbarung nach Ablauf der Frist von drei Jahren wäre wohl mindestens eine doppelte Analogie notwendig, wobei sehr fraglich erscheint, ob eine solche eine entsprechende Rechtsfolge decken könnte.

 

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